Romualdo Marenko (1841-1907)
Excelsior
Ballett in 2 Teilen und 11 Szenen
Libretto: von Luigi Manzotti
Uraufführung am 11. Jan. 1881 an der Mailänder Scala
Wiederaufführung: Jahr 1967 anlässlich der Florentiner Maifestspiele i
Dauer der Aufführung zwei Stunden
Charaktere:
Das Licht - Inkarnation des Guten, weiß gekleidet
Obscurantismus - Der Herr der Finsternis, schwarz gekleidet
Die Zivilisation - Allegorie der Erdbevölkerung
Der Sklave - bevorzugter Partner der Zivilisation
Thunderbolt - Dame in blau, im Telegrafenamt unentbehrlich
Inderin - Bajadere (Attraktion bei den Einweihungsfeierlichkeiten des Suez-Kanals)
und viele andere
SEQUENZEN
Part 1
Szene 1 - Obscurantismus
Szene 2 - Licht
Szene 3 - Der erste Dampfer
Szene 4 - Die Brooklyn-Brücke in New York
Szene 5 - Das Laboratorium von Herrn Volta
Szene 6 - Elektrizität
Part 2
Szene 7 - Wüstensturm
Szene 8 - Der Suezkanal
Szene 9 - Die letzte Explosion / Censio Tunnel
Szene 10 - Obscurantismus und Licht
Szene 11 - Apotheose
INHALTSANGABE
Die Tanz-Show beginnt mit dem Vortrag eines Kommentators, der eine kurze Vorschau auf den Reigen der nächsten zwei Stunden abgibt. Die begleitenden Szenenausschnitte sollen neugierig machen. Ein Vorspiel stellt die Leitmotive vor und die beiden Kontrahenten Licht und Finsternis zeigen durch wilde Sprünge und abweisende Gebärden an, dass sie sich nicht wohl gesonnen sind. Der Gazevorhand hebt sich und ein gewaltiges Spektakel an bunt schillernden Darstellern, unterstützt durch die jubilierenden Klänge des Orchesters, verbreitet den Optimismus, der die Menschen zu Beginn des technischen Zeitalters bewegte und die Erwartungen, die der Fortschritt bringen soll. Die einzelnen Bilder des Balletts illustrieren, was man bisher vorzeigen kann: Die Fahrt eines Dampfschiffes, den Bau einer Eisenbahnbrücke, die Durchbohrung eines Tunnels und den Triumph der Elektrizität.
Die Einweihungsfeierlichkeiten des Suezkanals im achten Bild mit vielen Divertissementi, wie man es aus anderen zeitnahen Ballettaufführungen kennt, sind das Kernstück des bunten Reigens. Jongleure, Haremsdamen, trippelnde Chinesen, ein leichtgeschürzter athletischer Sklave, den sich die „Zivilisation“ auserkoren hat und ein goldbetresster Aufsichtsbeamter lösen einander ab. Selbst der Khedive, der bei Herrn Verdi die Oper Aida zur Krönung der Feierlichkeiten in Auftrag gegeben hat, trägt eine rote Bauchbinde und wagt ein flottes Tänzchen. Das Gegenstück zur Kanalszene, vorzüglich choreographiert, zeigt eine Karawane in der Wüste, die von einem Sandsturm überrascht und von Räubern überfallen wird. Besonders neckisch das Stutenballett im letzten Bild. Die Schimmelchen hüpfen im Galopp und tragen die amerikanische Standarte, denn der wahre Fortschritt kommt aus Amerika.
Anmerkung:
In den Mythen der Völker des alten Iran und in den Comic-Heftchen kämpfen das Gute und das Böse gegeneinander, was das Zeug hält. Spielwiese ist Mutter Erde, auf der die Menschen - Objekt des Zwistes der beiden Prinzipien - sich streiten oder amüsieren. In dem Ballett Excelsior trägt das Gute weißen Tüll, macht die Luftsprünge und dreht die Pirouetten, während Herr Satanicus im schwarzen Trikot mit aufgemaltem Skelett - Spiderman lässt grüßen - mehr für die Bodenübungen zuständig ist.
Zur damaligen Zeit, Ende der achtziger Jahre, glaubten die Menschen an den Zeitgeist und an den Segen, den der Fortschritt bringen wird. Obskurantismus, das Prinzip des Bösen, hat einen schweren Stand, nicht alle Störmanöver gelingen, obwohl Herr Satanicus sich redlich abmüht und mit grimmiger Miene gestikuliert. Im Labor von Mister 1000 Volt verbrennt er sich sogar die Finger! Alle Untaten muss der Herr des Bösen selbst aushecken und ausführen, während die Inkarnation des Lichts sich in der Gunst der Massen sonnt und eine bunte Revue beaufsichtigt, die dem Zuschauer alles bietet, was ein guter Ausstatter zu geben vermag. Die Ballettmädchen zeigen alles, was sie von der Pike auf gelernt haben. Die Beine werden geschlenkert und angewinkelt, man geht auf die Spitze und dreht die Pirouetten. Die Herren in der hinteren Reihe tragen neckische Shorts und eine Libelle rupft wie verrückt an ihrer Harfe. Das nennt man Lebensfreude und der Inhalt der Ballettkomposition von Romualdo Marenke in der Präsentation von Luigi Manzotti handelt von nichts anderem.
© 2010 Tamino - Engelbert