MAHLER 2010 - Die Sinfonien - Georg Solti

  • MAHLER 2010 - Die Sinfonien - Georg Solti



    Jedesmal, wenn ich unserm MAHLER 2010 Threadverband einen weiteren hinzufüge, quälen mich Zweifel, ob die neue Folge sich auch mit einem Mahler-Spezialisten befasst, bzw ob Mahler für den Dirigenten nur ein Komponist von vielen - oder ein echtes Anliegen war.


    Man könnte also so vorgehen, daß man voerst die allerwichtigsten Mahler Dirigenten nimmt, und dann allmählich die weniger wichtigen drannimmt.
    Aber da wäre schon mal die Frqage, wer ist wichtig und wer nicht. Wobei die Wichtigen nicht notwendigerweise die interssantesten - in Hinsicht auf Diskussionen sein müsste.



    Also verfolge ich einen relativ unkonzrollierten Zick-Zack - Kurs wo Mahler-Spezialisten mit Auch-Mahler Dirigenten sich abwechseln.


    Diesmal fiel meine Wahl auf Sir Georg Solti, der etliche Mahler Sinfonien - zum Teil mehrfach und mit verschiedenen OPrchestern für Decca eingespielt hat. War Solti ein "großer Mahlerinterpret ?"


    Ehrlich gesagt - ich weiß es nicht .
    Immerhin - seine Aufnahme der 8. aus den Wiener Sophiensälen hat kultstatus. Dazu kommt noch die hervorragende Tontechnik der DECCA. Also gewiss keine falsche Entscheidung, wenn man die eine oder andere Aufnahme besitzt.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Mahler-Freunde,


    Alfred stellt die Frage nach der Wichtigkeit von Mahler-Dirigenten und in welcher Reihenfolge man diese behandelt.
    Von daher habe ich mich ohnehin gewundert wo dieser Mahler-Solti-Thread bleibt und erst jetzt erfolgt !?!


    Solti begann seinen großen Mahler - Zyklus mit dem Chicago Symphony Orchestra mit der Aufnahme der Sinfonien Nr.5 und Nr.6 im März/April 1970.
    Nicht nur mit diesen beiden Sinfonien und insbesondere der Sinfonie Nr.6 setzte Solti damit "Referenzmarken", die sich bis heute gehalten haben.
    Keiner setzte Mahlers Schreckensvisionen unerbittlicher und eindrucksvoller um als Georg Solti.


    Das die Decca-Klangtechnik zudem eine der klangbesten Mahler-Aufnahmen hervorbrachte ist eine weiteres Bonbon. Die Aufnahmen waren bereits auf Schlallplatte das Maß aller Dinge für eine vorbildliche Orchesteraufnahmetechnik.
    Die ersten Aufnahmen von 03/1970 - 09/1971 der GA mit dem Chicago SO sind analog (Nr.5,6,7,8..) die späteren von 05/1980 - 10/1983 sind digital (Nr.1,2,3,4,9).





    Die Frage von Alfred

    Zitat

    War Solti ein "großer Mahlerinterpret ?"


    möchte ich mit einem klaren JA beantworten und als Antwort einen Auszug des Musikkritikers Attila Csampai vom 01.01.1997 einfügen:


    Zitat

    In Soltis unerbittlicher Deutung erreichen Mahlers Schreckensvisionen und dunkle Vorahnungen den adäquaten Härtegrad tragischer Unentrinnbarkeit und historischer Unausweichlichkeit. Seit fünfundzwanzig Jahren hat kein anderer Dirigent auf Schallplatte diese Stufe von zwingender musikalischer Objektivität wieder erreicht.


    Ich habe die GA mit Bernstein (SONY) und Chailly (Decca).
    :yes: Während ich die frühen Bernstein-Aufnahmen aus New York als Ergänzung ebenfalls hoch schätze und ich auf Chailly ganz verzichten könnte, steht mir Soltis Sicht in seiner geradlinigen Leidenschaft und unerbittlichen Rhythmik immer noch am nächsten.




    Decca, 1970-1983, ADD/DDD


    Die Aufnahmedatenangabe von jpc, 64-83 ist nicht korrekt - in der GA finden sich tatsächlich erst die Aufnahmen ab 1970 !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kenne von Solti bisher nur die immer so hochgelobte 8. von 1971. Bereits an anderer Stelle habe ich geschrieben, daß mir die sehr "brutale" Deutung Soltis hier nicht sehr angemessen erscheint. Das mag bei der 1. und 6. vorzüglich klappen, bei der 8. m. E. mitnichten. Wobei man natürlich sagen muß, daß die 8. sowieso die vermutlich am schwierigsten aufzuführende Mahler-Symphonie ist, wo auch andere Dirigenten an ihre Grenzen stießen. Vorzuziehen sind hier m. M. n. z. B. Wit, Zinman, auch Davis.


    Bzgl. der 5. und 6. würde mich interessieren, Wolfgang, wie Du im Vergleich Karajans Aufnahmen und Bernsteins späte Digital-Aufnahmen aus den 80ern beurteilst (sofern Du sie kennst), wenn Du die Solti-Aufnahmen als Referenz ansiehst.


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Im Bernstein-Mahler-Thread wurde geschrieben, das Bernstein oftmals "schönt". Ich kann mich diese Formulierung für Bernstein nicht anschließen und halte dies für abwegig.
    *** Bei Solti würde man allerdings nie auf die Idee kommen von geschönt zu reden; da ist alles knallhart empfunden und Solti stellt sich der brutalen Wirklichkeit in Mahlers Werk.



    Hallo Joseph,


    ich kenne Karajan´s Mahler-Aufnahmen überhaupt nicht. Habe aber nach Solti´s GA auch nie die weitere Notwendigkeit einer solchen Anschaffung gesehen. Was soll ich noch mit Karajan´s Einzelaufnahmen, wenn ich die genialen Solti - Aufnahmen vorligen habe ?


    Die späteren Mahler-Aufnahmen bei DG mit Bernstein kenne ich vereinzelt. Man konnte einige mal gratis runterladen (leider ist die Nr.6 nicht dabei). Einen Vorteil dieser DG-Produktionen gegenüber seinen SONY-Aufnahmen konnte ich nie feststellen; schon gar keinen gegenüber Solti !
    Die Sinfonie Nr.1 mit Bernstein (DG) empfinde ich als zu schön, zu brav. Die war knapp 20Jahre zuvor in New York wesentlich angemessener in ihrer Emotionalität --- von Soltis präziser zupackender TOP-DEcca-Aufnahme ganz zu schweigen.



    Die Achte ist ohnehin nicht meine Sinfonie, die interessiert mich persönlich gar nicht.
    Aber es ist und bleibt, wie Alfred im ersten Beitrag schreibt offenbar die Ewige referenzwürdige "Kult-Aufnahme" --- auch wenn sie Dir nicht liegt.
    ;) Ich bin für dieses Werk aber kein Ansprechpartner.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Meines Wissens war der erst Mahlerzyklus, den DECCA mit Solti herausbrachte, zum Teil mit dem London Symphony Orchestra?
    Hat man das für CDs nun geändert, oder habe ich mich getäuscht?


    Gruß S.

  • Ein interessanter Einwand. Gerade blättere ich bei Amazon durch und sehe: Solti mit Chicago SO, Solti mit London SO (eben!), Solti mit Concertgebouw O - wo sollte ich mich denn jetzt draufstürzen???


    Denn ich habe seine Aufnahme der Achten, seine Aufnahme der Sechsten (ich meine beide mit Chicago SO, seine "sagenumwobenen" eben) gehört, mich einige Male mit beidem abgemüht, und sie dann als mir nichts sagend erst beiseite und später dann in den Abverkauf gelegt. (Von seinem Mozart-Requiem aus dem Stephansdom war ich geradezu angewidert - vielleicht bin ich ja Solti-resistent. Jedenfalls habe ich derzeit gar keine Aufnahme von ihm, glaube ich.) Ich will's ja gerne noch mal versuchen, wie immer mit heißem Bemühen. Aber mit welchem Orchester konveniert er denn nun besser als suboptimal, wo soll ich zugreifen, wo habe ich die bessere, durchhörbarere Tonqualität?

  • Also,


    ich kenne die 1., 2. und 9. mit dem London Symphony Orchestra aus den 60er Jahren auf Decca, und ich finde sie alle drei wirklich sehr gut. Und sie sind auch noch sehr günstig erhältlich:


    Sinfonie Nr. 1 D-Dur


    Sinfonie Nr. 2 c-moll


    Sinfonie Nr. 9 D-Dur



    Agon

  • Bei Soltis Mahler fasziniert die Oberfläche: Tolles Orchesterspiel, zügige Tempi, gute bis hervorragende Klangtechnik. Ales pulst und drängt nach vorne, hin zum nächsten Höhepunkt, hin zur nächsten Klangexplosion. Weiter, weiter, nur keine Entspannung, nur keine Rast.


    Jedoch: Die Tiefen, die ein Klemperer, ein Walter, ein Horenstein dem sich darauf einlassenden Hörer anbieten, die finde ich nicht. Soltis Mahler lässt mich immer wieder (auch) enttäuscht zurück, so gleißend und funkelnd die berührten Stationen auch gewesen sein mögen.

  • Ich habe die 5 und 6 mit Solti und dem CSO als LPs
    Und ich finde, die müssen so gespielt werden.


    Das geht nicht anders! Nach Vorne durch und ohne "Gefangene zu machen."


    Klar gibt es auch hier immer Alternativen.


    Die 9. habe ich mit dem LSO auf Tonband mal mitgeschnitten. Die finde ich nicht so gut.


    Was mich bei der 6. stört ist die Aufnahmetechnik, die jeden Effekt so stark nach vorne holt. Das wirkt wie akustisches Piing Pong.
    Das mag in neueren Remasterings besser geworden sein.


    Gruß S.

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  • Schönen Dank, Wolfram und S., für diese Einschätzungen, aus denen ich schließe, dass meine ersten Eindrücke aus der Sechsten und der Achten nicht so falsch gelegen haben. Weder ein take-no-prisoners-Ansatz noch das reine Oberflächenfaszinosum sind mein Ding. Bleib ich doch lieber bei Gielen, Kubelik, Tennstedt, Horenstein, Klemperer, Bernstein und Konsorten.

  • Es bringt gar nichts, Solti als Mahlerdirigenten kleinzureden. Er steht als eine Größe für sich und ist eben auch ein Mahler-Pionier, der sich schon sehr früh für dessen Werke eingesetzt hat. Man vergleiche mal die von mir oben genannte Erste von 1964 mit den ca. zeitgleich entstandenen Aufnahmen von Kubelik und Bernstein. Da hat man eigentlich keine Fragen mehr...


    Daß einige seiner späteren Chicago-Aufnahmen unter einer ziemlich grotesken Klangtechnik leiden, ist eine bekannte Tatsache. Deshalb ziehe ich die Londoner-Aufnahmen der 1.,2. und 9. auch vor.


    Daß er sehr stark auf die Höhepunkte fixiert ist, scheint zu stimmen; dieser Ansatz passt allerdings zu einigen Sinfonien ganz vorzüglich. Hier werden Spannungsbögen gebaut, gehalten und zu furiosen Entladungen geführt.


    Die Bemerkung von teleton

    Zitat

    Bei Solti würde man allerdings nie auf die Idee kommen von geschönt zu reden; da ist alles knallhart empfunden und Solti stellt sich der brutalen Wirklichkeit in Mahlers Werk.


    scheint mir zuzutreffen. Und das ist sicher eine der absoluten Stärken von Soltis Interpretationen: sie sind so hart, daß man sie teilweise kaum aushalten kann. Und das ist eben eine Seite an Mahler, die in heutigen oftmals "klassizistischen" und routinierten Abo-Aufführungen verlorengeht. Mahler ist nicht einfach zu konsumieren; oftmals ist seine Musik eine Zumutung.



    Agon

  • Soltis Mahler möchte ich nicht missen - diese unglaubliche Spannung und hitzige Dramatik findet man sonst bei niemandem. Aber auch seine Aufnahmen sind im Chrakter durchaus unterschiedlich. So ist z.B. die alte Aufnahme der 2. mit dem London SO umwerfend mit ihrer fast schon exzentrischen Dramatik, dagegen wirkt seine spätere digitale Aufnahme mit dem Chicago SO deutlich glatter. Die 8. mit Solt, hochgelobt, ist mir auch zu übertrieben hitzig. Auch in der 7. überteibt er gewaltig, das Finale unglaublich virtuos, aber für mich doch überspannt. Kennt jemand seine letzte Aufnahme überhaupt, die 5.?


    Beste Grüße
    Holger

  • Ich bin persönlich nicht unbedngt ein Solti-Fan, aber das liegt daran, daß er "mein" Repertoire zwar anständig aber (mich) nicht begeisternd dirigiert, Seine Haydn Sinfonien sind zu dick, zu glatt zu unverbindlich, sein Beethoven perfekt aber ohne Eigencharakter, sein Schubert eher glatt und belanglos. Alles auf höchstem Niveau -und mit bester Decca Tontechnik - versteht sich.


    Aber wo es um knallige Effekte geht, um nervoses Vibrieren, um bewältigung gigantischer Klangmassen, da scheint er in seinem Element zu sein. Ich kann mir kein schlechtes Mahler Dirigat von Solti vorstellen.


    Wie ich soeben gesehen habe ist die 9. Mahler in der Serie "Eloquence" günstig zu haben...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    Kennt jemand seine letzte Aufnahme überhaupt, die 5.?


    Oh ja.
    Von den drei Aufnahmen, die von Mahlers 5. mit Solti exisitieren, ist sie meine liebste.


    Soltis Temperament ist 1997 kaum weniger vorhanden gewesen als 1970 (als er Mahlers 5. das erste Mal aufnahm), ebenso sein Gespür für die Ausarbeitung von rhythmischen Strukturen.


    In seiner späten Aufnahme gestattete er Mahler etwas mehr "Menschlichkeit", er dirigierte ihn, beosnders im Trauermarsch des ersten Satzes, nicht mehr ganz so unerbittlich rhythmisch geprägt. Auch ist die Aufnahme mit dem Tonhalle Orchester Zürich nicht ganz so "blechlastig" wie mit "seinem" Chicago Symphony Orchestra.


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Norbert


    Oh ja.
    Von den drei Aufnahmen, die von Mahlers 5. mit Solti exisitieren, ist sie meine liebste.


    Norbert, vielen Dank! Sie kommt auf meine Wunschliste! :pfeif:


    Beste Grüße
    Holger