Anton Bruckner: HELGOLAND

  • Anton Brucker (1824-1896)


    Helgoland


    Kantate für Männerchor und Orchester


    Text: August Silberstein


    Fertiggestellt am 7. August 1893


    Uraufgeführt am 8. Oktober 1893 in Wien


    Anlass: Ehrung des Wiener Männer-Gesangvereins zu seinem 50. Jahrestag.



    Viele Bruckner-Freunde wird es überraschen, dass der Symphoniker zu Ende seines Lebens eine weltliche Kantate komponierte. Der Anlass war die Jahresfeier des Wiener Männer-Gesangvereins. Anton Bruckner war es vergönnt, die persönlichen Glückwünsche des Kaisers, dem die Kantate außerordentlich gefallen hat, entgegennehmen zu können.


    Der Dichter August Silberstein hat sich zur Beschreibung der Insel Helgoland etwas besonderes ausgedacht. Er dreht die Zeit zweitauend Jahre zurück, als die Römer die Völker der Erde unterwarfen. Ihren Blick richteten sie auf England und kamen um Helgoland nicht herum. Eine Streitmacht konnten die Insulaner der herannahenden Flotte nicht entgegensetzen, aber wenn man an die alten Götter glaubt und ihren Schutz erbittet, greifen diese auch tatsächlich schirmend ein. Glaube versetzt bekanntlich Berge und schickt auch feindliche Schiffe auf den Meeresboden. Den Unsterblichen unterstehen die Naturgewalten und sie entfesseln mit wenig Mühe Blitz und Donner durch die Kraft ihres Willens. Odin und Aegir teilen sich die Arbeit und haben ihren Spaß. Der wütende Sturm peitscht die Wogen, die sich aufrichten und Schaumkronen bilden. Diese vernichten die Flotte des Gegners und die dankbaren Insulaner kommen mit dem Schrecken oftmals davon.


    Den gottesfürchtigen Bewohnern verbleibt ein freies Helgoland.



    INHALTSANGABE


    1
    Man hat in der Ferne feindliche Schiffe gesichtet. Wie niedrig ziehende Wolken wirken die gespannten weißen Segel der anrollenden Galeeren. Zum Eiland der Sachsen, hoch über dem Meer, bewegen sich die feindlichen Römer. Leid bringen sie in die von Bäumen umrundeten freundlichen Hütten. Die Siedler wissen aus Erfahrung, dass ihrem plündernden Erscheinen das Leben geopfert werden muss.


    2
    Furchterfüllt eilen sie zum Ufer und starren tränenden Auges auf die näherkommende Gefahr. Inbrünstige Gebete schicken die Verängstigten zum Himmel. Der Gott, der über den Wolken thront, der den Donner in der Hand hält und über die Stürme gebietet, soll ihnen seine Gunst zudrehen. Die Bedrängten machen Vorschläge: Grausiges Wetter sollen die Unsterblichen toben lassen und leuchtendes Feuer ihre Feinde zerschmettern. Der allmächtige Gottvater soll sie erretten aus höchster Not.


    3
    Der brüllende Sturm macht Jagd auf die weißen Segel. Hoch spritzt der Schaum der herannahenden Wogen und salziges Wasser füllt den Bauch der stolzen Schiffe. Der Zorn des Meeres ist entfesselt! Wie flammende Geschosse erhitzen Blitze die Atmosphäre. Des Donners widerhallender Krach folgt ihnen nach. Die Masten bersten und der Bug bricht entzwei.


    4
    Zu Ende geht es mit den Feinden, die herkamen, um Beute zumachen. Zur Beute sind sie nun selbst geworden. In die tiefen des Meeres sind die Schiffe gesunken oder ihre Schnäbel bohrten sich in den aufragenden Fels. Das Wrackgut der Schiffe treibt zur Insel und erhellt die Mienen der einsammelnden Bewohner.


    Gepriesen sei das freie Helgoland!



    :angel:
    Engelbert

  • Bruckners „Nullte“, gekoppelt mit „Helgoland“ und dem „150. Psalm“ war so ziemlich die erste Bruckner-Platte, die ich mir zulegte: der Chicago Symphony Chorus und das Chicago Symphony Orchestra mit der Sopranistin Ruth Welting, Leitung Daniel Barenboim.


    Bis heute kann ich mit „Helgoland“, textlich gesehen, nichts anfangen. Das ist ein Stil, der damals offensichtlich gut ankam (die Premiere am 8. Oktober 1893 wurde vom Publikum „begeistert aufgenommen“ - kann man überall lesen), mir aber überhaupt nichts sagt: Ein zeitbedingt ziemlich schlechter, aufgeblähter Stil, zu dem Bruckner allerdings eine monumental angelegte Musik fand. Ganz offensichtlich hat Silbersteins Text Bruckner angesprochen. Die schon genannte Aufführung war wohl die letzte eines eigenen Werkes, die der Komponist noch erlebte.


    Genau die groß angelegte sinfonische Form hat in Bezug auf den Text aber auch etwas Gutes: Nur in wenigen Momenten kann der Hörer den schwülstigen Text verfolgen, das meiste geht mehr oder weniger unverständlich ins Ohr! Insofern ist die Kantate für mich dann auch wieder durchaus anhörbar.


    Im Zusammenhang mit „Helgoland“ wird in verschiedenen Publikationen auf sein 1863 in Linz entstandener „Germanenzug“ für Männerchor und Blasorchester hingewiesen, der als „peinlich mißglückt“ bezeichnet wird. Ich kenne dieses Werk nicht, aber wenn mir schon „Helgoland“ nichts sagt, dann lasse ich vom „Germanenzug“ lieber meine Finger...

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    MUSIKWANDERER