TOSCA - Karlsruhe

  • Regie: John Dew
    Bühne: Heinz Balthes
    Kostüme: José Manuel Vázquez


    Religionsinstitutionen in Kooperation mit brutal durchorganisierten Staatsmächten – ein ‚ewiges‘ und zugleich erschreckend gegenwärtiges Thema; auch das Thema von Puccinis „Tosca“. Die auskalkulierte Verbindung von Eros, Weihrauch und Sadismus artikuliert diesen Opern-Schocker als ‚artifizielle Historik‘, überhöht durch die musikdramatische Zeichnung der Partitur, durch den emotionalen Schock der Musik. Die Figur des Scarpia wird dabei zu einem Ebenbild aller Folterknechte gewesener wie moderner totalitärer Staaten.


    Soweit aus einem Pressebericht.



    Ich habe mir die Wiederaufnahme der Inszenierung aus dem Jahr 2000 am 13.06.2010 im Badischen Staatstheater angesehen und bin zu dem Schluß gekommen, dass diese Inszenierung durchaus vielleicht sehenswert, aber sicher diskutierenswert (gibt es solche Wortkreation?) ist.
    Die Oper beginnt mit der Erschiessung einer Gruppe Delinquenten aus einer liegenden Kirchenkuppel. Erst dann betritt der fliehende Angelotti die Szene. Warum nun gleich 4 Bilder der Madalena den Hintergrund bilden ist mir verborgen geblieben, aber letztlich auch nicht der wichtigste Punkt. Am Bühnenportal rechts eine Madonnen-Statue, rechts eine andere
    Heiligenstatue, die übrigens in allen 3 Akten präsent bleiben. Dew inszeniert relativ getreu zum Libretto, aber warum sich Tosca und Cavaradossi in ihrem Duett im 1. Akt auf dem Kirchenboden liegend „ansingen“ müssen? Hat Dew sowenig Vertrauen in die Worte und in die Vorstellungskraft des Publikums?
    Scarpia ist in dieser Inszenierung nicht der weltliche Polizeichef, er ist seines Zeichens Kardinal. Dies macht es mir an einigen Stellen schwierig sein Handeln zu deuten. Gewollt? Ich weiß es nicht. Wenn er Tosca Weihwasser reicht, tut er das Christenmensch oder doch eher um schon mal einen „Vorgeschmack“ zu bekommen?
    Souverän läuft der 2. Akt ab, die Folterszene in einer wahrhaft fiesen Hinterhältigkeit von
    Scarpia „eingefädelt“. Tosca findet das Messer zum Mord nicht auf dem Tisch, sondern es ist an der Madonnen-Statue verborgen, erfüllt aber auch damit seinen Zweck.
    Die Engelsburg im 3. Akt ist als solche eigentlich nicht kenntlich, es ist meiner Meinung nach ein beliebiger Gefängnisraum, was zum Finale schließlich dazu führt, das Tosca nicht springt, sie wird erschossen.
    Hervorragend die Gesangsleistungen von Barbara Dobrzanska als Tosca, die alle Stimmungen dieser Rolle perfekt meisterte. Walter Donati als „Kardinal“ Scarpia hätte ich mir noch ein bisschen böser im Spiel gewünscht, aber gesanglich passte es bestens. Keith Ikaia-Purdy als Cavaradossi wirkt im Anfang bemüht, steigert sich dann aber im Laufe des Abends. Auch die anderen Rollen sind bestens besetzt. Ein Extra-Lob an die Badische Staatskapelle unter GMD Justin Brown.



    Peter Fiedler

  • Schön zu lesen, dass die "Tosca" in Karlsruhe so gut aufgeführt wurde.
    John Dew - er war ja lange Zeit Oberspielleiter in Bielefeld - hat ja fast immer stimmige Inszenierungen erarbeitet, die zwar modern und oft in die heutige Zeit versetzt worden sind, aber trotzdem den Sinn des Werkes nicht verbogen haben. Ich fand seine Auffassungen immer zumindest sehr interessant.
    Dass die Tosca der Barbara Dobrzanska so gut ist, freut mich sehr.
    Ich kenne sie als Solistin von mehreren unserer Chorkonzerte und auch von der Dortmunder Opernbühne !