Schumann und der 200. Geburtstag

  • I.
    Es ist schon ein „komisch’ Ding“:
    Da wird einer der bedeutendsten Komponisten 200 Jahre alt, sein Heimatland nennt ihn das Zentrum der musikalischen Hochromantik – und wie erinnern die Medien an ihn?


    Im Radio, ja, da bemühen sich einige Sender, allen voran der MDR und Bayern 4.


    Das Fernsehen als das wichtigere Medium zeigt – mit Ausnahme des MDR frühnachmittags zu ungünstiger Sendezeit – am Gedenktag selbst ... nichts! Statt dessen hat es sich im Wesentlichen mit einer Doku 3 Tage zuvor, mit der man an diesem Datum kaum rechnen kann (Musikaufführungen sieht man sonst auch regelmäßig). Es gäbe z.B. auch den Spielfilm „Frühlingssymphonie“ mit Kinski und Grönemeyer, vielleicht die gelungenste Musikbiographieverfilmung außerhalb der Oper überhaupt. Aber keine Spur.
    In den Hauptnachrichten der beiden großen Sender erfährt man alles Mögliche. Auf eine Nachricht zum großen Geburtstag des großen Komponisten Schumann wartet man vergeblich.
    Genauso wie auf eine Festaktrede eines hohen politischen Repräsentanten aus diesem Anlass.


    Gewinnt aber eine nett und hübsch aussehende 19-jährige Abiturientin, deren wirkliche Musikalität und sängerisches Talent höchst zweifelhaft sein dürfte, mit einem englischen Titel einen Schlagerwettbewerb, bricht ein regelrechter „Hype“ aus, alle möglichen Prominenten geben sich als „Fan“ zu erkennen, und all unsere großen Medien erwecken tagelang an vorderster Stelle den Eindruck, ein neues Musik-Wunderkind sei am Firmament aufgestiegen.
    (Was natürlich Humbug hoch zehn ist.)
    Das Prädikat „Kulturnation“ war gewiss schon begründeter als in diesen Tagen.


    Zwei alte Herren, die sich in ihrem jeweiligen Metier beide des nicht unvorteilhaften Etiketts „Papst“ erwehren, weil sie als d i e Kritikerinstanzen unseres Sprachraums schlechthin gelten, könnten sich nach einer solchen medialen Panne eigentlich einmal zu Wort melden: Der eine, Marcel Reich-Ranicki, hat selber gerade einen runden Geburtstag feiern dürfen und verehrt die Klassische Musik und speziell Schumann (wahrscheinlich wegen seiner künstlerischen Doppelnatur) mehr, als viele es vermuten mögen, und vom anderen, Joachim Kaiser, weiß ich erst seit kurzem, als er es im Rahmen eines Schumann-Konzerts selber erzählte, dass er vor Jahren einmal in einem Fragebogen den heutigen Jubilar als seinen Lieblingskomponisten bezeichnet hat.


    II.
    Wohl kein Komponist kommt einem bei dem geflügelten Wort von „Genie und Wahnsinn“ eher in den Sinn als Robert Schumann.
    In seinem 1990 bei Kohlhammer erschienenen Buch „R.S. – Leben und Werk“ beleuchtet der Psychoanalytiker Udo Rauchfleisch diese tragische Seite Schumanns. Das Buch las sich für mich ziemlich packend, aber möglicherweise nur deshalb, weil mir das einschlägige Fachwissen und der nötige Überblick fehlte.
    Die 2. Auflage von 2004 (bei Vandenhoeck & Ruprecht) erfährt in der Ausgabe „Die Tonkunst online“ einen Verriss, wie man ihn nicht oft zu Gesicht bekommt.
    http://www.die-tonkunst.de/dtk…Rauchfleisch_Schumann.pdf
    Ich glaube, den meisten bereitet es mehr Vergnügen, einen überzeugenden, fundierten Verriss zu lesen als eine überschwängliche Lobhudelei.


    Das ZDF-Kulturmagazin behauptet, beim jungen Schumann seien Alkohol- und andere Exzesse an der Tagesordnung gewesen. Dabei habe er sich die Syphilis geholt, Grund seines Zusammenbruchs mit 44 Jahren. „Dubiose“ Kompositionen habe Clara teils verbrannt, teils unterschlagen, weil sie sich für sie geschämt habe.
    Das klingt nach starkem Tobak. Weiß jemand hierzu nähere Fakten und Belege?


    III.
    Im Vergleich mit Chopin, dem anderen großen Musik-Jubilar dieses Jahres, hat Schumann aus meiner Sicht beim Gesamtwerk die Nase vorn.
    Mit Wohlwollen könnte man das extrem umfangreiche Klavierwerk Chopins als noch stilistisch reichhaltiger und facettenreicher als das Schumannsche qualifizieren. Chopins Etüden sind quasi die romantische Fortsetzung von „Altem“ (Wohltemperiertes Klavier) und „Neuem Testament“ (Beethoven-Sonaten), also vielleicht eine Art Apokalypse der Klaviermusik.
    Aber während Chopin den Beweis schuldig blieb, dass er auch bedeutende Werke der Sinfonik, der geistlichen und der Kammermusik schreiben konnte, hat Schumann ihn erbracht.


    Sein Werk kann bis auf einen Punkt als äußerst vielseitig gelten. Die große Einschränkung ist natürlich der Bereich der Oper. Hier ist außer der extrem selten aufgeführten (kürzlich seit langem wieder in Zwickau!) „Genoveva“ leider nichts entstanden.
    Und das überrascht, war Schumann doch – abgesehen von Wagner – der komponierende Poet schlechthin. Warum floss seine literarische Ader fast ausschließlich in die Lieder und nicht in große Bühnenwerke?
    Bei einem anderen, der genau 1 Tag jünger war und ab Mitternacht seinen großen Gedenktag hat, Otto Nicolai, ist es umgekehrt gerade so, dass er heute nur noch wegen eines einzigen Werkes bekannt ist: Die „Lustigen Weiber von Windsor“.



    IV.
    Schumanns Biographie liest sich wie ein romantischer Schauerroman und ist gespickt von Ereignissen, die man bei anderen großen Komponisten vergebens sucht.
    Dazu gehören der Traum, im Rhein ertrunken zu sein (er wird sich 24 Jahre später beinahe erfüllen), den er im Alter von 19 Jahren in seinem Tagebuch notiert, ebenso wie die selbstverschuldete Aufgabe der Pianistenlaufbahn, weil er mit eigenen Fingerwerkzeugen sich die Bewegungsfähigkeit der rechten Hand zerstörte.
    Dazu gehört auch das begonnene Studium eines Fachs, das zu ihm überhaupt nicht passt (Jura) und die Notwendigkeit eines Prozesses gegen den Vater seiner Braut, um sie – endlich – heiraten zu dürfen.
    Singulär dürften weiterhin die Demütigungen sein, auf einer Konzertreise der Ehefrau (in Russland) nicht erkannt zu werden, obwohl zu diesem Zeitpunkt er sich längst als Komponist einen Namen gemacht hatte, als auch auf die Einnahmen dieser Konzerte seiner Ehefrau finanziell angewiesen zu sein.
    Welcher andere Schöpfer heute anerkannter Symphonien wurde von seinem eigenen Orchester aus dem Amt gejagt? Und wer außer ihm verbrachte die letzten Lebensjahre in der „Klapsmühle“?


    Trotz aller biographischen Sonderbarkeiten: Für mich ist Schumann in seiner Musik zutiefst bewundernswert, und er wird vermutlich selbst von Klassikfreunden immer noch ein Stück unterschätzt.
    Ich persönlich halte sein Gesamtwerk, aus demselben Grund der Einseitigkeit wie bei Chopin, auch für bedeutender als dasjenige von Wagner!


    Man muss unbedingt seine Partituren studieren, um Schumanns ganze Genialität nachvollziehen zu können. Denn etwa die Synkopen/Akzentverschiebungen seiner Klavierwerke (z.B. Toccata op.7), die sich dann plötzlich wieder auflösen, dezent eingestreute neobarocke Stilelemente, rythmische Einfälle und vieles mehr geht oftmals in einer entweder zu schnellen oder zu virtuosen Interpretation beim Hörer unter.


    Lang lebe Robert Schumann!

  • Sagitt meint:


    Die Dichter und Denker ( wir sollen ja das Volk dazu sein) baden lieber seicht.


    Vielen Dank für die schöne Würdigung.
    Immerhin hat die Plattenindustrie tief ins Archiv gegriffen und eine Fülle von Boxen herausgebracht. Schumann zum Spottpreis ( max. 2 Euro pro CD).


    Darunter sehr schöne Wiederveröffentlichungen, um nur eine zu nennen: Zacharias spielt Schumann. op- 2 und 15. Das war lange bei EMI vergraben und wäre wohl kaum als Einzelveröffentlichung wiedergekommen, aber in der Box,zusammen mit Michelangeli, Richter,Vogt, zum bescheidenen Preis von 18,99 für 6 CDs,kann man nicht meckern.



  • Hallo "Pianoforte29"


    Zunächst habe ich mich sehr gefreut über Deinen Artikel und DANKE dafür!


    Ist es wirklich ein merkwürdig Ding??? ...wenn Nicole (oder wie heisst die Dame???, von deren Hype-Gedudel Du sprichst??.....die Mühle, die am klappernden Bach rauscht (Finale Carnaval op.9) total verdrängt hat???


    Ich komme auf den "Carnaval" (eine meiner Lieblingsstücke im Klavier-Bereich,) da ich heute mittag, nach dem Besuch der Mark Twain-Gedenkstätte in Hanibal in Missouri (direkt am Missisippi)....aus einem der schönen alten Jahrhundertwendeholzhäuser, nein Holzvillen....(vermutlich) einen Klavierschüler einigen Minuten beim Üben des Opus 9 zugehört habe.


    DAS soll jetzt keineswegs ein Playdoyer für die Amerikanische Kultur sein....hier gibt es noch wesentlicher WENIGER "Kulturbewusstsein" als be i uns in Deutschland...DA die Blüten der Verblödungsindustrie hier berets ein paar Jahre länger für negative Entwicklungen sorgen.


    ABER vielleicht zeigte mir das etwas unbeholfene Üben vom Carnaval in the Middle of Nowhere in Missouri.....DASS es nicht nur Massenkultur...oder überhaupt dueses Phaenomen des "Mainstreams" im Kapitalismus gibt.


    Im Wesentlichen -denke ich- hast Du recht WAS den KULTURPOLITISCHEN Aspekt betrifft............
    Deine Einschätzung in der gelebten Kultur-Landschaft, teile ich nicht.


    Ich habe kurz vor meiner Abreise im OBEREN LAHNTAL (zwischen Marburg u Biedenkopf) ein fantastisches Konzert (auch in zhe Middle of Nowhere) mit den 3 Schumannschen Solokonzertengehört u. auch darüberauf TAMINO berichtet.


    Obwohl ich erst ein halbes Jahr bei TAMINO bin, meine ich viel über SCHUMANN gelesen zu haben...die Sinfonien, die Klavierwerke, die Lieder,die Solokonzerte....ES gehört zumindest an diesem Bord , wie Brahms und Schubert (z.B.) zum täglichen Brot.


    DAS in Deinem berechtigten KLAGESANG ein WICHTIGES Stück Gesellschafts-Kulturkrtik steckt, die FOLGEn vielleicht kaum absehbar sind...DAS ist schon lange Realität......ABER war DAS vor 30 Jahren wirklich völlig anders??? Sicherlich DAS KONSUMIEREN (Medien) hat einen VIEL höheren Stellenwert, folglich hat die Verdummung zugenommen.....


    ABER ich glaube SCHUMANN ist nicht mehr OPFER als andere wichtigen Kulturträger auch....VIELLEICHT passt es in die UNKULTURLANDSCHAFT , wo Gottschalk und Dieter Bohlen einen weit höheren Bekantschaftsgrad in der Bevölkerung haben als Goethe oder Beethoven.


    In diesem Sinne: "DIE ALTEN BÖSEN LIEDER......"


    >>Lang lebe Robert Schumann<< unterschreibe ich sofort, weil ich ihn sehr schätze......


    NOCHMALS Dank..................Kulturpessimismus mag was mit Realitätssinn zu tun haben.........ABER wir können VIEL für unser eigenes Leben tun, dass WIR nicht verblöden und DIE Dinge pflegen, die WIR lieben und schätzen.
    Als Gute-Nacht-"Song" gibt bei mir über Kopfhörer heute die Papillons op.2 von Schumann mit Yuri Egorov


    Gruss aus Missouri, auch von Mark Twain................"Titan".

  • Zitat

    Original von PianoForte29Es gäbe z.B. auch den Spielfilm „Frühlingssymphonie“ mit Kinski und Grönemeyer, vielleicht die gelungenste Musikbiographieverfilmung außerhalb der Oper überhaupt. Aber keine Spur.


    Der Film lief vor ein paar Tagen im MDR.

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von PianoForte29
    Aber während Chopin den Beweis schuldig blieb, dass er auch bedeutende Werke der Sinfonik, der geistlichen und der Kammermusik schreiben konnte, hat Schumann ihn erbracht.
    [...]
    Ich persönlich halte sein Gesamtwerk, aus demselben Grund der Einseitigkeit wie bei Chopin, auch für bedeutender als dasjenige von Wagner!


    Meines Erachtens ist das aber für die Beurteilung der Qualität des Werks oder der Bedeutung eines Komponisten irrelevant.


    Zitat

    Und wer außer ihm verbrachte die letzten Lebensjahre in der „Klapsmühle“?


    Rott, oder?
    :hello:

  • Zitat

    Original von PianoForte29


    Das Fernsehen als das wichtigere Medium zeigt – mit Ausnahme des MDR frühnachmittags zu ungünstiger Sendezeit – am Gedenktag selbst ... nichts! Statt dessen hat es sich im Wesentlichen mit einer Doku 3 Tage zuvor, mit der man an diesem Datum kaum rechnen kann (Musikaufführungen sieht man sonst auch regelmäßig). Es gäbe z.B. auch den Spielfilm „Frühlingssymphonie“ mit Kinski und Grönemeyer, vielleicht die gelungenste Musikbiographieverfilmung außerhalb der Oper überhaupt. Aber keine Spur.


    Das deckt sich nicht mit meinen Eindrücken. Soweit ich weiss, wurde gestern abend ausdrücklich - ich habe aber vergessen, in welchem Programm - auf den Geburtstag hingewiesen. Der Film lief auch, allerdings nicht gestern, sondern - wenn ich mich recht entsinne - einige Tage vorher, ebenso wie ein weiterer Film über Clara Schumann.


    Also für einen meines Erachtens doch eher zweitrangigen Komponisten - :untertauch: - eine recht ordentliche Würdigung.


    VG, Bernd

  • Zitat

    Original von Hans Sachs


    Der Film lief vor ein paar Tagen im MDR.


    Den Film habe ich vor vielen Jahren mal gesehen und finde ihn absolut grotesk, schlimmer als "Amadeus", ein Bärendienst, der möge bitte schnellstmöglich wieder im Archiv verschwinden. :rolleyes: Ich habe den neueren Film mit Martina Gedeck nicht gesehen, der lief aber ebenfalls am letzten Wochenende, meine ich mich zu erinnern.
    Ich wollte eigentlich Sa abend auf 3sat die Sendung über Schumanns letzte Jahre in Endenich sehen, war aber von dem musikalischen Humor der Sendung vorher schon total genervt und dann auch von besagtem Beitrag enttäuscht, zumal die Fokussierung auf die Irrenanstalt ohnehin fragwürdig ist. Dem noch späteren Beitrag habe ich dann gar keine Chance mehr gegeben.


    Ich will kein neues Fass aufmachen, aber angesichts, der seit Jahren immer verheerender wirkenden Korruption und Unfähigkeit der herrschenden politischen Klasse, fehlt mir die Energie, mich noch über die Zweitklassigkeit der ARD und die weitgehende Anpassung an die Dümmlichkeit des Privatfernsehens aufzuregen. Geschenkt, Peanuts verglichen mit Milliarden für Bankster, freiem Spiel für Spekulanten, völkerrechtswidrigen Kriegen usw.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Meines Erachtens ist das aber für die Beurteilung der Qualität des Werks oder der Bedeutung eines Komponisten irrelevant.


    Das sehe ich ähnlich und es zeigt sich auch gerade etwa bei Chopin oder Wagner ziemlich deutlich in der musikgeschichtlichen Wirkung, dass hierfür die "Vielseitigkeit" absolut zweitrangig ist.


    Der Punkt ist aber müßig, denn soweit ich sehe, liefen im deutschen Fernsehen auch nicht mehr Filme über Chopin :D
    (Wobei ich Ende Februar nicht so darauf geachtet habe.)


    Zitat


    Rott, oder?


    Smetana? Aber er war älter, auch sonst krank (Syphilis-Spätfolgen, was bei Schumann ja nach wie vor nicht ganz geklärt ist) und starb bald darauf.


    Das sollte aber erst recht irrelevant für die Beurteilung eines Komponisten sein...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Pianoforte29 schreibt:
    Gewinnt aber eine nett und hübsch aussehende 19-jährige Abiturientin, deren wirkliche Musikalität und sängerisches Talent höchst zweifelhaft sein dürfte, mit einem englischen Titel einen Schlagerwettbewerb, bricht ein regelrechter „Hype“ aus, alle möglichen Prominenten geben sich als „Fan“ zu erkennen, und all unsere großen Medien erwecken tagelang an vorderster Stelle den Eindruck, ein neues Musik-Wunderkind sei am Firmament aufgestiegen. (Was natürlich Humbug hoch zehn ist.)


    Richtig muß es meiner Ansicht nach heißen: (...) deren Musikalität und sängerisches Talent höchst zweifelhaft ist! Die junge Dame trifft aber den Nerv des Publikums und daß sie das ausnutzt, werfe ich ihr nicht vor. Der vordergründige Erfolg sagt doch alles über den "Geschmack" der breiten Masse. Ich bin mal gespannt, wie lange sie durchhält - oder verheizt aufgeben muß. Was dann auch kein Schade wäre.


    Zitat

    Auch dieser Satz stammt von Pianoforte29
    Das Prädikat „Kulturnation“ war gewiss schon begründeter als in diesen Tagen.


    Bei dem Wort "Kulturnation" bekomme ich immer Bauchschmerzen. Ich weiß ja, wie es der Schreiber meint; gleichzeitig sehe ich vor meinem geistigen Auge jedoch immer wieder Bilder aus braunen Zeiten, die mich fragen lassen, ob wir diese Zuschreibung nicht längst verspielt haben?


    Ich bitte meine Frage nichts als einen Vorwurf verstehen zu wollen. Es ist eben meine Empfindung und könnte am Alter liegen: Ich war näher an diesem fürchterlichen Geschehen dran...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hallo,
    nach mehr als 3 Jahrzehnten Beschäftigung mit Klassik (ok, ich habe nix dazugelernt) stelle ich rein statistisch fest, dass der Anteil der Werke Schumanns in meinem Vorrat stetig prozentual zunimmt.
    Zuletzt die Aufnahmen Ansermets.
    Ich stelle fest, je länger die Beschäftigung mit seinem Werk anhält, desto mehr gefällt es mir.
    Das gab es auch schon anders rum (Sibelius)
    Gruß S.

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    ...
    Der Punkt ist aber müßig, denn soweit ich sehe, liefen im deutschen Fernsehen auch nicht mehr Filme über Chopin :D
    (Wobei ich Ende Februar nicht so darauf geachtet habe.)


    Als Chopin-Fan habe ich darauf geachtet und kann sagen, dass das Angebot doch schon erheblich größer war. Alleine auf arte gab es mehrere Sendungen und einen ganzen Abend mit Konzerten und Dokus. Aber das liegt wohl auch daran, dass die Franzosen keine anderen bedeutende Komponisten haben (und der war auch noch Pole ...) :pfeif:


    Viele Grüße, Bernd

  • Zitat

    Original von zatopek


    Als Chopin-Fan habe ich darauf geachtet und kann sagen, dass das Angebot doch schon erheblich größer war. Alleine auf arte gab es mehrere Sendungen und einen ganzen Abend mit Konzerten und Dokus. Aber das liegt wohl auch daran, dass die Franzosen keine anderen bedeutende Komponisten haben (und der war auch noch Pole ...) :pfeif:


    Das mag ein Grund sein. ;)


    Wie gesagt, lief aber am letzten Samstag am ca. 21:00 bei 3sat auch durchweg Schumann: Sendung, 3. Sinfonie, Sendung.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von PianoForte29
    ...
    Und wer außer ihm verbrachte die letzten Lebensjahre in der „Klapsmühle“?
    ...


    Gaetano Donizetti und Hugo Wolf (immer der gleiche Anlass!).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salieri auch.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Liebe Schumann - Verehrer !



    (1) Vollste Zustimmung zu Joahnnes ( Roehls ) heutigen Ausführungen um 12:24 Uhr hier im TF !



    (2) Das erste Buch von Udo Rauchfleisch über Robert Schumann hat , unabhängig von rein wissenschaftliche Diskussionspunkten , einen grossen Vorteil : es indoktriniert nicht und hat ein sehr sorgfältig zusammengestelltes Werkverzeichnis im Anhang .


    Ob wohl ich bezüglich der Lebensgeschichte und möglichen Krankheiten bekanntlich eine andere Meinung habe als Udo Rauchfleich, damals Psychologe in der Poliklinik für Psychiatrie der Universität Basel , kann ich die aufmerksame Lektüre des Buches nur empfehlen .


    (3) N e u hinzugekommen ist die Behauptung in einer der Fernsehsendungen über Robert Schumann in der letzten Woche , Schumann sei homosexuell gewesen .



    (4) Den " Höhepunkt " der neuen " Mitteilungen " über Robert Schumann kann der geneigte Leser nachlesen unter " Abgeschoben ins Irrenhaus " im aktuellen Heft des ' Deutschen Ärzteblattes ' ( Jg 107 , Heft 22 , 4. Juni 2010 ) geradezu fassunglos staunend lesen .
    Verfasser ist der emeritierte Ordinarius für Psychiatrie und Psychoatherapie Dr. Uwe Henrik P e t e r s ( Spitznamen : Mainzelmännchen , weil er vor seiner letzten Universitätstätigkeit in der Mainzer Psychiatrie tätig war ) .


    Von der Lektüre der zuvor erschienen Bücher von Herrn U. H. Peters ist dringend abzuraten .



    Viele Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Trotz aller biographischen Sonderbarkeiten: Für mich ist Schumann in seiner Musik zutiefst bewundernswert, und er wird vermutlich selbst von Klassikfreunden immer noch ein Stück unterschätzt.


    Lieber zatopek,
    mit dem "zweitrangigen" Robert Schumann habe ich Probleme. Wo endet die Liste der Erstrangigen? Wo beginnt die Tabelle der zweitrangigen Komponisten?


    Als Anhänger des Kunstliedes steht bei mir Robert Schumann ziemlich weit oben. Aus dieser Sicht wäre Beethoven dann wohl (trotz einiger schöner Lieder) eher zweitrangig...
    Solche Ranglisten sollte man - zumindest aus meiner Sicht - möglichst als gemeingültige Aussage vermeiden. Ganz persönlich kann man solche Ranglisten natürlich erstellen und gegebenenfalls auch im Laufe seines Hörerlebens ändern...


    Zitat

    Also für einen meines Erachtens doch eher zweitrangigen Komponisten - - eine recht ordentliche Würdigung.

  • Hi


    Zitat

    Original von hart


    mit dem "zweitrangigen" Robert Schumann habe ich Probleme. Wo endet die Liste der Erstrangigen? Wo beginnt die Tabelle der zweitrangigen Komponisten?


    Nun, deshalb hatte ich auch ausdrücklich ein "meines Erachtens" davor gesetzt. Ich denke, wir brauchen nicht darüber zu zanken, in welcher Reihenfolge jeder seine bevorzugten Komponisten gerne hätte. Das ist natürlich vollkommen subjektiv (und ändert sich mit der Zeit...).


    VG, Bernd

  • Bei manchen Komponisten ist es aber ganz zweifellos, dass sie gegenwärtig in der ersten Reihe positioniert werden, egal wie wenige Komponisten dort sitzen. Ich würde in dieser unstrittigen Schnittmenge zumindest Bach, Mozart, Beethoven und Wagner vermuten.


    Was unter "zweite Reihe" zu verstehen ist, muss man natürlich immer den Platzvergebenden fragen - nämlich wer denn so alles in dessen erster Reihe sitzt (in der natürlich auch Bach, Mozart, Beethoven und Wagner fehlen können).


    Offensichtlich meine ich im ersten Absatz eine andere erste Reihe als im zweiten - im ersten den "common sense" resp. die "Lexikonmeinung" und im zweiten die Privatmeinung des Gesprächspartners.

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Salieri auch.


    Nein. Meines Wissens starb Salieri zu Hause. Er verbrachte zwar zuvor einige Zeit im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, aber wegen einer Gefäßkrankheit und nicht wegen einer Geisteskrankheit.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zumal Rangzuteilungen erst recht fragwürdig sind, wenn man einen erheblichen Teil der Werke des Komponisten gar nicht oder nur oberflächlich kennt und deshalb erstmal eine Box kaufen muss... ;)


    Es ist m.E. keine Frage, dass Schumann zu den erstklassigen Komponisten zu rechnen ist. Werke wie das Klavierkonzert, das Quintett, Klaviersolowerke und Lieder gehören seit ihrer Entstehung zum Kernrepertoire. Der "romantische Klassizismus" der Sinfonien und Kammermusikwerke wurde zum Vorbild nicht nur von Brahms, sondern auch von vielen heute weniger bekannten Komponisten, oder auch solchen aus skandinavischen oder slawischen Ländern.


    Demgegenüber ist sekundär, dass etwa die Chorwerke oder die Oper später kaum eine Rolle im Repertoire gespielt haben (wobei das Paradies und die Peri meines Wissens zu Lebzeiten ein Erfolg gewesen ist) oder das Tschaikowsky und Nietzsche Schumanns Musik nicht sehr schätzten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Zumal Rangzuteilungen erst recht fragwürdig sind, wenn man einen erheblichen Teil der Werke des Komponisten gar nicht oder nur oberflächlich kennt und deshalb erstmal eine Box kaufen muss... ;)


    Gut gegeben ! Ich sollte öfter mal die Klappe halten ... :stumm:


    Viele Grüße, Bernd

  • Zitat

    oder das Tschaikowsky und Nietzsche Schumanns Musik nicht sehr schätzten.


    DasS Nietzsche Schumann als "nur" mehr deutschen Fall (im Gegensatz zu Beethoven als übernationalen Komponisten) gesehen hat, soll sein, aber woher meinst du, Tchaikovsky hätte Schumann nicht geschätzt? Im Gegenteil! ich habe jetzt leider keine Zitate zur Hand, aber Tchaikovsky nennt sein doch Kinderalbum op. 39 ausdrücklich: "nach Schumann". Und auch für Stücke wie die Sonate op. 37 muss Schumann wohl als Vorbild herhalten (man vergleiche den akkordischen Blocksatz z. B. mit Schumanns Klavierkonzert op. 54). Schumann zählt neben Mozart sicher zu Tchaikovskys größten Vorbildern!
    Mich würde interessieren, woher du diese Meinung hast!


    Liebe Grüße,
    Gerald (der gerade mit magenschmerzen Tchaikovskys "Mozartiana" hinter sich gebracht hat...)

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Zitat

    Original von hart


    Lieber zatopek,
    mit dem "zweitrangigen" Robert Schumann habe ich Probleme. Wo endet die Liste der Erstrangigen? Wo beginnt die Tabelle der zweitrangigen Komponisten?


    Solche Ranglisten sollte man - zumindest aus meiner Sicht - möglichst als gemeingültige Aussage vermeiden. Ganz persönlich kann man solche Ranglisten natürlich erstellen und gegebenenfalls auch im Laufe seines Hörerlebens ändern...



    Lieber "hart" und Taminoeaner/innen


    Mein letzter Tag in den USA...zurück in Preoria (Illinois) Beim Frühstück haben meine Gastgeber das Radio an......Punkt 9 a.m.(Public Broadcast) beginnt eine mehrstünfige Sendung übert Robert Schumann .........


    Begleitet von vielen Informationen über sein Leben....gibt es zuerst Schumann's Violinkonzert (one of my favorite pieces) ...ein LIVE Mitschnitt aus dem Concertgebow, bei der Ansage war ich nicht aufmerksam genug. (Janine Jansen und Mariss Jansons ???) Das ist eher eine Vermutung. Dann hab ich noch den Carnaval op.9 gehört....konnte leider nicht bis zum Ende des Stückes warten....da ich nach Chicago weiter mußte. Es klang mir nach Arrau. Ich berichte DIES, weil die Diskussion zu seinem 200. Geburtstag für mich ETWAS SCHWER NACHVOLLZIEHBARE BLÜTEN TREIBT.


    Nun höre ich fünfzig Jahre SCHUMANN...und er war immer eine meiner Lieblingskomponisten.....und dann eine PREMIERE auf TAMINO:


    Die These / Frage / persönliche Ansicht von "hart"
    OB Robert Schumann EIN ZWEITKLASSIGER KOMPONIST sei.


    DAS macht mich wirklich sprachlos. Ich wäre NIEMALS auf die Idee dieser Fragestellung gekommen.


    Es gibt viele Vorlieben in der Musik,.....................mich kann man mit Donizetti z.B. nicht erfreuen...............ich schätze ihn nicht. Trotzdem würde ich ihn niemals als zweitklassigen Komponisten bezeichnen.


    Wenn wir bei der Semantik sind....das Wort ZWEITKLASSIK mag natürlich einigen Zündstoff enthalten.........


    Seitdem ich in die Schule kam (1950) habe ich zig Mal >>vom Land der Dichter und Denker<< gehört.......ich persönlich bin mir da nicht so sicher, WIE >> das Land der wichtigsten Komponisten<< , zumindest wenn man Qualität und Quantität einbezieht. (bezogen auf die Deutschsprachige Kultur)


    Was "unseren Kulturkreis" anbetrifft gibt es ein gutes Dutzend weltberühmter Komponisten...


    Auch wenn es bei einigen Komponisten
    WIE z.B.
    Pfitzner,Reger, Spohr, Gluck, Orff, Hindemith, Telemann, Schönberg, Berg, Zemlinsky, Webern, Schreker, Johann Strauss........und sicher noch einigen Anderen Ansichtssache ist, OB sie zu den ganz GROSSEN gehören........


    ABER UNBESTRITTEN gehören wohl folgende Deutsche Komponisten dazu


    BACH
    HÄNDEL
    HAYDN
    MOZART
    BEETHOVEN
    SCHUBERT
    SCHUMANN
    MENDELSOHN
    BRAHMS
    BRUCKNER
    WAGNER
    R.STRAUSS
    MAHLER


    Vielleicht habe ich ja JEMAND vergessen......laßt es mich bitte wissen.


    MIR ist WICHTIG, dass SCHUMANN ganz SICHER zu den AUSHÄNGESCHILDERN >>Deutscher Klassischer Musik << in der ganzen Welt dazu gehört.


    Ein letzter Gruss aus den USA............."Titan"

  • Zitat

    Original von Gerald


    DasS Nietzsche Schumann als "nur" mehr deutschen Fall (im Gegensatz zu Beethoven als übernationalen Komponisten) gesehen hat, soll sein, aber woher meinst du, Tchaikovsky hätte Schumann nicht geschätzt? Im Gegenteil! ich habe jetzt leider keine Zitate zur Hand, aber Tchaikovsky nennt sein doch Kinderalbum op. 39 ausdrücklich: "nach Schumann". Und auch für Stücke wie die Sonate op. 37 muss Schumann wohl als Vorbild herhalten (man vergleiche den akkordischen Blocksatz z. B. mit Schumanns Klavierkonzert op. 54). Schumann zählt neben Mozart sicher zu Tchaikovskys größten Vorbildern!
    Mich würde interessieren, woher du diese Meinung hast!


    Ich habe das irgendwo mal gelesen; ich meine, er hätte als einer der ersten die (angeblich) schwache und farblose Instrumentation der 3. Sinfonie getadelt. Aber Du hast vermutlich recht, dass das Verhältnis differenzierter gewesen sein muss. Bei Klavierzyklen war Schumann vielleicht das wichtigste Vorbild für die 2. Jahrhunderthälfte. Glasunow u.a. haben den Carnaval (?) sogar instrumentiert, finde ich noch wesentlich grotesker als "Mozartiana", aber es spricht wohl eher für eine Wertschätzung.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Pfitzner,Reger, Spohr, Gluck, Orff, Hindemith, Telemann, Schönberg, Berg, Zemlinsky, Webern, Schreker, Johann Strauss........und sicher noch einigen Anderen Ansichtssache ist, OB sie zu den ganz GROSSEN gehören........


    Ich würde - auch wenn das einige verwundern mag - FAST ALLEN hier gelisteten Komponiusten dieses Attribut zusprechen - weil das "zu den Großen gehören" nicht automatisch Popularität mit einschliesst.


    Hier werde ich aber - um das Thema "Robert Schumann" nicht zu zerschiessen extra einen neuen Thread dazu starten.


    Robert Schumann ist sicherlich ein ERSTKLASSIGER Komponist -
    allerdings ist er heute ein wenig aus der Mode geraten, ähnlich wie zu Schumanns Zeit Haydn, was der Kritiker Schumann , er zählte eher zu den erbarmungslosen - auch emotionslos vermerkte.


    Daher ist es durchaus legitim auch Herrn Schumanns momentan nicht besonders auf Gegenliebe des Publikums stossenden Stil zu erwähnen.


    Wenn von zweitklassigen Werken Schumanns geschrieben wird - und das dann als Unkenntnis des Komponisten klassifiziert wird - dann möchte ich - ohn konkret Stellung zu beziehen, anmerken, daß es oft gerade ein Merkmal zweitklassiger kompositionen ist, daß sie nur wenige kennen. Was man aber in letzter Konsequenz als zweitklassig laufen lässt, darüber wird wohl nie Konsens erzielt werden. Ist es die "Originalität" und "Unverwechselkbarkeit", die "Kühnheit", der "Mut zu Unpopulärem" oder gerade die Popularität, die ein Werk als "erstklassig" erscheinen lässt ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Robert Schumann ist sicherlich ein ERSTKLASSIGER Komponist - allerdings ist er heute ein wenig aus der Mode geraten, ähnlich wie zu Schumanns Zeit Haydn, was der Kritiker Schumann , er zählte eher zu den erbarmungslosen - auch emotionslos vermerkte.


    Lieber Alfred!


    Deine (schon öfters gefallene) Behauptung, Schumann sei zur Zeit nicht besonders populär, ist völlig aus der Luft gegriffen und willkürlich. Wann, wenn nicht seit einigen Jahren werden Werke wie "Das Paradies und die Peri", "Genoveva" oder das Violinkonzert endlich gewürdigt (vgl. auch die zahlreichen Neueinspielungen dieser und anderer Werke Schumanns). Tatsächlich ist Schumann wohl nicht DER Lieblingskomponist des breiten Publikums - das war er aber nie, schon zu Lebzeiten nicht - aber sein Schaffen wird doch seit seinem Tod beständig gewürdigt (im Gegensatz z. B. zu seinem Zeitgenossen Liszt, dessen Musik ein ständiges auf und ab erlebt...)
    Schumann, der die "Mode" (und damit oberflächliche Popularität) ohnehin verabscheute, darf also zu seinem 200. geburtstag durchaus zufrieden sein...


    Zitat

    Auch wenn es bei einigen Komponisten WIE z.B. Pfitzner,Reger, Spohr, Gluck, Orff, Hindemith, Telemann, Schönberg, Berg, Zemlinsky, Webern, Schreker, Johann Strauss........und sicher noch einigen Anderen Ansichtssache ist, OB sie zu den ganz GROSSEN gehören........ ABER UNBESTRITTEN gehören wohl folgende Deutsche Komponisten dazu BACH HÄNDEL HAYDN MOZART BEETHOVEN SCHUBERT SCHUMANN MENDELSOHN BRAHMS BRUCKNER WAGNER R.STRAUSS MAHLER Vielleicht habe ich ja JEMAND vergessen......laßt es mich bitte wissen.


    Die Unsinnigkeit solcher Listen ist grandios! Auch kann von der bloßen musikgeschichtlichen Bedeutung Mendelssohn oder R. Strauss nicht mit Haydn, Beethoven, Wagner gleichgestellt werden. Schumann konnte schon ganz gut komponieren und ist im Grunde "der" Romantiker schlechthin...und beherrscht ganz nebenbei auch einen fantastischen Kontrapunkt...

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Zitat

    Original von Gerald


    Deine (schon öfters gefallene) Behauptung, Schumann sei zur Zeit nicht besonders populär, ist völlig aus der Luft gegriffen und willkürlich. Wann, wenn nicht seit einigen Jahren werden Werke wie "Das Paradies und die Peri", "Genoveva" oder das Violinkonzert endlich gewürdigt (vgl. auch die zahlreichen Neueinspielungen dieser und anderer Werke Schumanns). Tatsächlich ist Schumann wohl nicht DER Lieblingskomponist des breiten Publikums - das war er aber nie, schon zu Lebzeiten nicht - aber sein Schaffen wird doch seit seinem Tod beständig gewürdigt (im Gegensatz z. B. zu seinem Zeitgenossen Liszt, dessen Musik ein ständiges auf und ab erlebt...)


    Das sehe ich ähnlich. Das Klavierkonzert gehört ziemlich sicher zu der Handvoll der populärsten Werke der Gattung und es war seit es seinerzeit von Clara aufgeführt wurde ein Eckstein des Repertoires.
    Ebenso das Klavierquintett und eine erhebliche Anzahl von Klavierwerken und Liedern.


    Die "Träumerei" teilt mit "Für Elise", Chopins op.10,3 und vielleicht noch zwei oder drei weiteren Stücken den zweifelhaften Ruhm das bekannteste romantische Klavierstück überhaupt zu sein. :rolleyes: Populärer geht nicht mehr.


    Nur von Chopin (bei freilich viel schmalerem Oeuvre) und Beethoven sind ähnlich viele Werke seit >150 Jahren durchweg im Repertoire fast jedes Pianisten (und unzähliger Amateure) gewesen. Das ist ein deutlicher Unterschied nicht zur zu Liszt, sondern auch zu Mendelssohn (nur wenig des riesigen Oeuvres ist bekannt, die Klaviersolowerke praktisch vergessen) oder Schubert (dessen Klaviersonaten seit den 1920er Jahren langsam wiederentdeckt wurden).


    In den letzten 20 Jahren oder so sind nicht nur die Sinfonien (wobei die 4. und wohl auch die 1. seit jeher sehr populär waren) endgültig zum Standard hinzugetreten, sondern eben auch, wie Du zu recht sagst, die weniger bekannten Chorwerke oder das Violinkonzert. Bei den Liedern ist, wie ich neulich schon einmal schrieb, "Dichterliebe" gemeinsam mit den beiden Schubert-Zyklen der mit Abstand populärste Liedzyklus überhaupt und "Frauenliebe und -leben" der bekannteste für Frauenstimme. Auch die Kammermusik jenseits von Klavierquintett und -quartett liegt inzwischen in vielen Einspielungen vor. Es ist klar, dass z.B. das Violinkonzert niemals sehr populär werden wird, aber das hat nichts zu sagen. Populärer als Schumanns Klavierkonzert sind höchstens noch Tschaikowskys b-moll und Beethovens Es-Dur (die beiden verbleibenden der populärsten 5 wären wohl Griegs, Rachmaninoffs 2. oder Chopins e-moll). Überdies ist es m.E. das beste Konzert aus der Zeit zwischen Beethoven und Brahms


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • @ Sagitt, Titan etc.
    Nichts zu danken für meine Würdigung – es war mir ein inneres Bedürfnis. Aber natürlich freut einen, wenn man anderen Taminoanern ein paar Anregungen hat geben können.



    Zitat

    Original von Titan
    Ist es wirklich ein merkwürdig Ding??? ...wenn Nicole (oder wie heisst die Dame???, von deren Hype-Gedudel Du sprichst??.....die Mühle, die am klappernden Bach rauscht (Finale Carnaval op.9) total verdrängt hat???


    Die Saarländerin Nicole gewann 1982 den damaligen Grand Prix d’Eurovision de la Chanson mit dem Titel „Ein bißchen Frieden“, einer Komposition aus der Feder von Ralph Siegel (2001 hat er mir in einem O-Ton sein verständliches Glücksgefühl darüber ausgedrückt). Dieser Schlager, der zwar nicht gerade zur Gattung Kunstlied gehört, ist dennoch für sein Genre ganz passabel und transportierte mit seiner textlichen Botschaft damals die Sehnsucht vieler.
    Die junge Dame, von der ich sprach, heißt Lena und kommt aus Hannover. Was ihr Titel „Satellite“, mit dem sie am 29. Mai in Oslo siegte, mit Musik, und sei es auch nur niveauvolle U-Musik, zu tun haben soll, ist mir ein Rätsel. Ungeachtet dessen wurde sie bei ihrer Ankunft in Hannover vom Ministerpräsidenten mit ausgerolltem Teppich wie ein Staatsgast, fast wie eine kommende zweite Callas empfangen.



    Zitat

    Original von Titan
    Dass in deinem berechtigten Klagesang ein wichtiges Stück Gesellschafts-Kulturkritik steckt, die Folgen vielleicht kaum absehbar sind...das ist schon lange Realität......aber war das vor 30 Jahren wirklich völlig anders??? Sicherlich das Konsumieren (Medien) hat einen viel höheren Stellenwert, folglich hat die Verdummung zugenommen.....


    Freilich war es 1980 und in den 1970er Jahren nicht *völlig* anders, aber doch wohl noch ein ganzes Stück normaler. Klassische Musik erfreute sich in ARD und ZDF nach meiner Erinnerung eines weitaus größeren Anteils an der Gesamtsendezeit. Man war noch in der Schallplatten-Ära, die CD noch nicht am Markt eingeführt. Es gab auch noch keine „Boygroups“ im heutigen Sinn oder „Daily Soaps“, die sich die Jugend „reinziehen“ konnte. Natürlich ... hörte auch damals das Gros der jungen Leute mehr Pop und Rock als Klassik, nicht von ungefähr hieß die Kultsendung mit Ilja Richter „Disco“. Und auch schon damals wurde unter der Schulbank „eher“ die BRAVO als das FonoForum versteckt.
    Aber, um auf Schumann zurückzukommen: Ich behaupte, ein Programmdirektor respektive Chefredakteur von ARD und ZDF (vermutlich auch ORF), der in den 1970er oder 1980er Jahren in sämtlichen Nachrichtensendungen am Gedenktag das komplette Verschweigen eines großen Geburtstags (Zentennariums) eines großen Komponisten-Sohnes hätte verantworten müssen, wäre nicht mehr haltbar gewesen und hätte seinen Hut genommen.
    Zum Beispiel gab es beim 300. Bach-Geburtstag im März 1985 (das Privatfernsehen lag noch in den Windeln) in der ARD zu bester Sendezeit eine Abend-Sendung am Gedenktag selbst. Das ist in Deutschland heute in Zeiten, wo selbst öffentlich-rechtliche Sender, die Milliarden(!) Euros an Rundfunkgebühren kassieren und auf Werbung nicht angewiesen sind, kaum noch vorstellbar, weil der die private Konkurrenz neidisch beäugende Programmchef mit spitzem Bleistift befürchten würde, dass die Quote in der Prime Time zu schlecht wäre.



    Zitat

    Original von Titan
    Aber ich glaube Schumann ist nicht mehr Opfer als andere wichtigen Kulturträger auch.... Vielleicht passt es in die Unkulturlandschaft, wo Gottschalk und Dieter Bohlen einen weit höheren Bekantschaftsgrad in der Bevölkerung haben als Goethe oder Beethoven.


    Auch die TV-Würdigung des 200. Mendelssohn-Geburtstags am 3. Feb. 2009 war eine Katastrophe. Soweit ich mich erinnere, wurde in den Nachrichten von ARD und ZDF auch anlässlich dieses wichtigen Gedenktags absolut nichts gebracht.
    Aber natürlich sollen nicht Gottschalk und Bohlen die alleinigen Sündenböcke sein. Die Hauptschuldigen an der, sagen wir es offen: Dekadenz, sind die Eltern, die mit der Pop- oder sogar in der Subkultur aufwuchsen und ihre Sprösslinge (sofern sie überhaupt noch welche haben bzw. nicht als einzelnes Elternteil großziehen) nicht mehr mit alten Volksliedern vertraut machen oder mit einem Wiegenlied bzw. Gute-Nacht-Lied in den Schlaf summen.
    So wird, fast flächendeckend, die Chance für ein frühes Interesse an (einfacher) Kunstmusik vertan.




    Zitat

    Original von Hans Sachs
    Der Film lief vor ein paar Tagen im MDR.


    Mag sein. Aber das scheint mir nicht ausreichend: Er hätte aus meiner Sicht am Gedenktag im Ersten oder in EinsFestival laufen müssen – statt anderen Formaten, die dort sonst das ganze Jahr gesendet werden und an keinen Anlass bzw. an kein Datum gebunden sind.



    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Meines Erachtens ist das aber für die Beurteilung der Qualität des Werks oder der Bedeutung eines Komponisten irrelevant.


    Es ist mir bewusst, dass ich wahrscheinlich eine Mindermeinung vertrete – aber dies vielleicht „con bravura“.
    Mich überzeugen Schumann oder Bach/Mozart/Beethoven, von denen ein jeder bewiesen hat, dass er „auf allen Hochzeiten tanzen kann“, dass er also seine musikalischen Inspirationen in allen – zeitgenössischen – Musikgattungen, die ja jeweils ganz unterschiedliche Anforderungen an das Komponieren stellen, in eine Form zu schmieden vermag, sehr viel mehr als jemand wie etwa Chopin, der zeitlebens bei seinem Instrument verharrt und in seinen Klavierkonzerten erkennen lässt, dass er offenbar nicht das Zeug für eine Symphonie, für die maßgeschneiderte Aufteilung von Instrumenten und für die parallele Berücksichtigung vieler einzelner Stimmen besaß. Dies wird den beiden Chopin-Konzerten, die ansonsten melodisch und harmonisch absolut genial sind, zu Recht vorgeworfen.
    Chopin und Wagner, so bedeutend sie in ihrem Bereich sein mögen, beleuchteten nur einen einzigen – wenn auch jeweils relativ großen – Ausschnitt aus allen Musikgattungen, und ich glaube fest, dass beide wussten, dass ihnen etwa mit geistlicher oder mit Kammermusik kein Erfolg beschieden gewesen wäre, weil dort zumindest die Inspiration, wenn nicht gar auch handwerkliches Können, fehlte.



    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das sehe ich ähnlich und es zeigt sich auch gerade etwa bei Chopin oder Wagner ziemlich deutlich in der musikgeschichtlichen Wirkung, dass hierfür die "Vielseitigkeit" absolut zweitrangig ist.


    Es ist sicher richtig, dass die Frage der Ein- oder Vielseitigkeit eines Komponisten keinen direkten Einfluss auf seine musikgeschichtliche Wirkung hat. Bizet mit „Carmen“, Mussorgskij mit „Bilder einer Ausstellung“ etc. – Immer wieder gelang es einem Komponisten, mit einem oder 2 Werken sich unsterblich zu machen und andere, spätere Kollegen stark zu beeinflussen.
    Aber ich meinte etwas anderes: Die Fragestellung, ob ein Tonschöpfer innerhalb der Musik als Universalgenie oder lediglich als spezialisiertes Genie gelten kann. Diese Frage beurteilt sich m.E. vollkommen unabhängig von der Rezeptionsgeschichte, d.h. unabhängig vom Erfolg bei Publikum und Musikerkollegen.
    Warum sonst gilt Bizet gemeinhin nicht als einer der „großen“ Komponisten erster Güte?! (ich halte ihn, offen gesagt, für drittklassig). Ist „Carmen“ nicht die erfolgreichste Oper des 19. Jahrhunderts, deren Siegeszug auf allen Erdteilen bis heute anhält?!
    Die Antwort lautet, dass sowohl die Zahl der bedeutenden Werke Bizets als auch die Zahl der von ihm beackerten Musikgattungen deutlich zu gering ausfällt, um ihn auf einen ebenso hohen Sockel zu heben wie etwa einen Schumann. Zum Teil ist dies natürlich auch Bizets frühem Tod geschuldet.



    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Den Film habe ich vor vielen Jahren mal gesehen und finde ihn absolut grotesk, schlimmer als "Amadeus", ein Bärendienst, der möge bitte schnellstmöglich wieder im Archiv verschwinden.


    Nun gut. Ich gestehe, ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Vielleicht sollte man statt „gelungenste“ das Wort „romantischste“ oder „gefühlvollste“ verwenden.



    Zitat

    Original von musikwanderer
    Bei dem Wort "Kulturnation" bekomme ich immer Bauchschmerzen. Ich weiß ja, wie es der Schreiber meint; gleichzeitig sehe ich vor meinem geistigen Auge jedoch immer wieder Bilder aus braunen Zeiten, die mich fragen lassen, ob wir diese Zuschreibung nicht längst verspielt haben?


    Wenn ich wüsste, mit welchem alternativen prägnanten Begriff ich meine Kritik sonst artikulieren könnte, würde ich ihn ja u.U. verwenden. Aber wie soll er denn lauten?



    Zitat

    Original von zatopek
    Als Chopin-Fan habe ich darauf geachtet und kann sagen, dass das Angebot doch schon erheblich größer war. Alleine auf arte gab es mehrere Sendungen und einen ganzen Abend mit Konzerten und Dokus. Aber das liegt wohl auch daran, dass die Franzosen keine anderen bedeutende Komponisten haben (und der war auch noch Pole ...)


    Das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Und es sollte unsere TV-Programmverantwortlichen beschämen.


    Zum landsmannschaftlichen Aspekt: Chopin war bekanntlich mütterlicherseits Pole, väterlicherseits Franzose (ich besuchte vor einigen Jahren den lothringischen Heimatort seines Vaters Nicolas – Marainville). Weder Frankreich noch Polen kann ihn demzufolge ganz für sich reklamieren. Nach allem, was man weiß, hat Chopin sich trotz seiner langen Pariser Lebenszeit mental als Pole gefühlt. Aber genetisch war es objektiv halbe, halbe!




    Zitat

    Original von hart
    Als Anhänger des Kunstliedes steht bei mir Robert Schumann ziemlich weit oben. Aus dieser Sicht wäre Beethoven dann wohl (trotz einiger schöner Lieder) eher zweitrangig...


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Es ist m.E. keine Frage, dass Schumann zu den erstklassigen Komponisten zu rechnen ist. Werke wie das Klavierkonzert, das Quintett, Klaviersolowerke und Lieder gehören seit ihrer Entstehung zum Kernrepertoire. Der "romantische Klassizismus" der Sinfonien und Kammermusikwerke wurde zum Vorbild nicht nur von Brahms, sondern auch von vielen heute weniger bekannten Komponisten, oder auch solchen aus skandinavischen oder slawischen Ländern.


    Ganz meine Meinung – und sollte sich von selbst verstehen.




    Zitat

    Original von Titan
    folgende deutsche Komponisten...


    Wir sollten besser sagen: deutschsprachige Komponisten.
    Denn nach Bismarck und diesem anderen Herrn vom Inn legt man im heutigen Österreich Wert darauf, 5 Namen aus dieser Liste zu den Österreichern zu zählen. (Diese neuzeitliche Sichtweise manifestierte sich nach einer in mehrfacher Hinsicht zweifelhaften Abstimmung im ZDF anno 2003.)
    Fraglos dachte man historisch, zur Lebenszeit der drei erstgenannten Komponisten, anders – bei den beiden letzteren bin ich mir nicht sicher.



    Zitat

    Original von Titan
    Vielleicht habe ich ja jemand vergessen......laßt es mich bitte wissen.


    Franz Liszt



    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    In den letzten 20 Jahren oder so sind nicht nur die Sinfonien ... endgültig zum Standard hinzugetreten


    Man müsste Schumann hierbei eigentlich sogar noch einen Anteil am Ruhm der großen Schubert-C-Dur-Symphonie zusprechen.
    Natürlich nicht als Komponist, sondern als derjenige, der ihr Manuskript in Wien entdeckte und vor dem Vergessen oder schlimmstenfalls vor der Zerstörung bewahrte. Ein Alptraum sich vorzustellen, diese Symphonie, die zu Schuberts 5 genialsten Werken und zu den 10 bedeutendsten Symphonien überhaupt gehört, wäre uns verloren gegangen.

  • Zitat

    Original von PianoForte29
    ...


    Zum landsmannschaftlichen Aspekt: Chopin war bekanntlich mütterlicherseits Pole, väterlicherseits Franzose (ich besuchte vor einigen Jahren den lothringischen Heimatort seines Vaters Nicolas – Marainville). Weder Frankreich noch Polen kann ihn demzufolge ganz für sich reklamieren. Nach allem, was man weiß, hat Chopin sich trotz seiner langen Pariser Lebenszeit mental als Pole gefühlt. Aber genetisch war es objektiv halbe, halbe!


    Das nationale Zugehörigkeiten genetisch vererbt werden, ist ein sicherlich interessanter, wenngleich ideologisch nicht ganz unbedenklicher Gedanke . :D


    Aber in der Sache hast du natürlich recht.


    Viele Grüße, Bernd

  • Zitat

    Original von PianoForte29


    Es ist mir bewusst, dass ich wahrscheinlich eine Mindermeinung vertrete – aber dies vielleicht „con bravura“.
    Mich überzeugen Schumann oder Bach/Mozart/Beethoven, von denen ein jeder bewiesen hat, dass er „auf allen Hochzeiten tanzen kann“, dass er also seine musikalischen Inspirationen in allen – zeitgenössischen – Musikgattungen, die ja jeweils ganz unterschiedliche Anforderungen an das Komponieren stellen, in eine Form zu schmieden vermag, sehr viel mehr als jemand wie etwa Chopin, der zeitlebens bei seinem Instrument verharrt und in seinen Klavierkonzerten erkennen lässt, dass er offenbar nicht das Zeug für eine Symphonie, für die maßgeschneiderte Aufteilung von Instrumenten und für die parallele Berücksichtigung vieler einzelner Stimmen besaß. Dies wird den beiden Chopin-Konzerten, die ansonsten melodisch und harmonisch absolut genial sind, zu Recht vorgeworfen.
    Chopin und Wagner, so bedeutend sie in ihrem Bereich sein mögen, beleuchteten nur einen einzigen – wenn auch jeweils relativ großen – Ausschnitt aus allen Musikgattungen, und ich glaube fest, dass beide wussten, dass ihnen etwa mit geistlicher oder mit Kammermusik kein Erfolg beschieden gewesen wäre, weil dort zumindest die Inspiration, wenn nicht gar auch handwerkliches Können, fehlte.


    Vielleicht fehlte ihnen einfach das Interesse? Was ist mit Brahms ohne Oper und Bruckner und Mahler mit nur Sinfonien und Vokalwerken?
    Es gibt von Chopin übrigens zwei sehr gute Kammermusikwerke, das Trio und die Cellosonate. Zum handwerklichen Können von Chopin gibt es sehr interessante Ausführungen in Rosens Buch über die Musik der Romantik. Rosen hält ihn für den handwerklich souveränsten Komponisten seiner Generation (Liszt, Schumann, Mendelssohn, Berlioz usw.), was eine Einzelmeinung sein mag, aber durchaus begründet wird.


    Zitat

    Es ist sicher richtig, dass die Frage der Ein- oder Vielseitigkeit eines Komponisten keinen direkten Einfluss auf seine musikgeschichtliche Wirkung hat. Bizet mit „Carmen“, Mussorgskij mit „Bilder einer Ausstellung“ etc. – Immer wieder gelang es einem Komponisten, mit einem oder 2 Werken sich unsterblich zu machen und andere, spätere Kollegen stark zu beeinflussen.
    Aber ich meinte etwas anderes: Die Fragestellung, ob ein Tonschöpfer innerhalb der Musik als Universalgenie oder lediglich als spezialisiertes Genie gelten kann. Diese Frage beurteilt sich m.E. vollkommen unabhängig von der Rezeptionsgeschichte, d.h. unabhängig vom Erfolg bei Publikum und Musikerkollegen.


    Du kannst die Frage nach Universalgenie im musikalischen Siebenkampf gerne so beantworten. Aber es ist m.E. schlicht keine zentrale Frage. ;) Sonst wäre Dvorak als "Universalgenie" (oder gar Spohr) ein bedeutenderer Komponist als Wagner und das ist musikhistorisch unhaltbar. Man kann Wagner und Chopin auch nicht mit Bizet vergleichen. Wagner hat, obgleich nur Opern komponiert, alle Gebiete der Musik (und sogar der übrigen Kultur) so stark beeinflusst wie vermutlich kein Musiker seit Beethoven und kein anderer Künstler in der 2. Hälfte des 19. Jhds. Chopin ist kein ganz so extremer Fall, aber ebenfalls sowohl durchweg Kernrepertoire auf dem Spezialgebiet als auch außerordentlich einflußreich auf Klavierkomponisten bis hin zu Scriabin und Debussy und damit auch für die beginnende Moderne. Es geht ja nicht nur um die Beliebtheit beim Publikum (wenngleich dort Chopin und Wagner freilich auch fest verankert sind).


    :hello:


    JR

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