Tamino - ein thumber Thor ?

  • Es ist gar nicht so leicht nach einem Thread über die Opernfigur TAMINO zu suchen, in einem Forum, welches sich nach diesem Helden benannt hat.
    Ich wollte herausfinden, ob es bereits einen Thread zu dier Figur gibt - und meine Recherche ergab: Es gibt keinen.


    Nun denn - ans Werk.
    Wenngleich unser Held in meinen Augen alles andere als ein leuchtendes Vorbild ist, ein "Held" ist er in jedem Falle, wenngleich ohne das für Helden sonst so typische letale Ende. Na ja, am Ende muss er heiraten - auch nicht viel besser.


    Persönlich sehe ich diese Figur nur negativ - und ich wurde - nachdem ich mir in den letzten Tagen drei Inszenierungen der Zauberflöte (auf DVD) angesehen habe in meiner ablehnenden Haltung nur bestärkt.


    Die Figur Tamino verhält sich die gesamte Handlung hindurch sowohl undankbar, als auch ungeschickt, je geradezu dumm.


    Schon zu Beginn steht er vor Schrck gelähmt vor der Schlange, die er angeblich nicht töten konnte. Aber ist sogar zu dumm davontulaufen und singt stehend seine Arie "Zu Hilfe", sonst bin ich verloren


    Micht sehr heldenhaft - das muß ich schon sagen. Er hält den erklärten Feiglin Papagen zunächst für seinen Rettter, dann nimmt er von den drei Damen, die unzweifelhaft ein Auge auf ihn geworfen haben die Zauberflöte als Geschenk an, die ihm die Königin der Nacht zugedacht hat, nicht zuletzt um Tamino die Lösung seiner Aufgaber, Pamina aus Sarastros Händen zu befreien, zu erleichtern.


    Kaum hat Tamino Kontakt mit dem Männerbund und seinem salbadernden Oberhaupt aufgenommen, wechselt er die Fronten - UNGEPRÜFT (irgendwo hab ich so was schon erlebt, hab da ein Dejavue -Erlebnis ) Er übernimmt sofort die Terminologie der neuen Freunde und meint, was die Königin und die drei Damen da von sich gäben wäre "Weibergeschwätz" Ich will das nicht kommentieren - und muß es auch nicht. Aber schließlich haben die ihm ja das Leben gerettet und mit Zauberdingen ausgestattet, sowie Papageno zu seiner Begelitung und Bedienung abkommandiert


    Man hätte - wie sich die Geschichte darstellt - Tamino so ziemlich alles einreden können, er hätte es geglaubt. Nicht unbedingt ideale Voraussetzungen für einen künftigen Herrscher, nachdem Sarastro in Pension gegangen ist.


    Ist das alles ?
    Bei weitem nicht.
    Als Tamino von den Priestern auf die Probe gestellt wird, und man ihm das Schweigen gegenüber Pamina befiehlt . da entscheidet er sich für die Priestergemeinschaft und gegen Pamina. Keine idealren Voraussetzungen für eine spätere Ehe.


    Aber vielleicht weist Pamina ihm - nachdem der Vorhang gefallen ist - die Tür - und die Sache kommt zu enem guten Ende ? -



    Wir wissen es nicht



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    (...) Taminos Flöte - wiewohl von dieser das ganze Stück seinen Namen hat - verfehlt ihre Wirkung durchaus. Und warum? Darum, weil Tamino Schlechterdings keine musikalische Figur ist. Das hängt mit der verfehlten Anlage der ganzen Oper zusammen. Tamino wird auf seiner Flöte höchst sentimental und langweilig. Und reflektiert man auf sein ganzes übriges Verhalten, seine Seelenverfassung, so muß man, jedesmal wenn er seine Flöte hervorholt und ein Stück bläst, an jenen Bauern bei Horaz denken: »Rusticus exspectat, dum defluat amnis« (das Bäuerlein wartet, bis der Strom abgeflossen), nur dass Horaz seinem Bauern keine Flöte zum unnützen Zeitvertreib gegeben hat. Tamino geht als dramatische Figur völlig hinaus über das musilkalische Gebiet, sowie überhaupt die moralische Entwickelung, welche sich in dein Stücke vollziehen soll, eine ganz unmusikalische Idee ist. Tamino ist just bis dahin gelangt, wo das Musikalische aufhört; daher wird sein Flötenspiel zu reinem Zeitverderb, bis dass es uns alle Gedanken vertreibt. Gedanken vertreiben, das kann nämlich die Musik vortrefflich, sogar böse Gedanken, wie ja von David erzählt wird, dass er durch sein Saitenspiel König Sauls finstre Laune verscheuchte. (...) Ich will ja keineswegs leugnen, was ja auch wiederholt eingeräumt ist, dass die Musik als Akkompagnement ihre Bedeutung haben kann, indem sie alsdann auf einem fremden Gebiete, nämlich dem der Sprache, auftritt. Die schwache Seite der Zauberflöte ist indes diese, dass das, worauf die ganze Dichtung hinstrebt, die Welt des Bewußtseins ist, ihre Tendenz also Aufhebung der Musik, und doch soll es eine Oper sein. Als Ziel der Entwicklung ist die ethisch bestimmte Liebe, oder die eheliche Liebe gesetzt. Hierin liegt der Hauptfehler des Stückes; denn was jene auch sonst bedeute, moralisch oder bürgerlich geredet, musilkalisch ist sie nicht, vielmehr absolut unmusikalisch.


    Ein Zitat von Sören Kirkegaard aus seiner Schrift über "das musikalisch-erotische". Über Kirkegaards Ansichten kann man trefflich streiten, aber ich hatte auch immer das Gefühl, dieser Tamino, den die Opernautoren uns doch als Helden präsentieren wollen, ist in der Tat ein Weichling. Daß er in der Introduktion vor der Schlange flieht, ist für mich das Resultat seiner Waffenlosigkeit. Daß er Pamina "vergißt", sie beiseite schiebt, um Sarastros "Männerbund" angehören zu können, könnte als sein Wunsch "in höhere Sphären zu treten" (Rosenberg) gedeutet werden. Insofern läßt sich doch im Laufe der Handlung erkennen, daß er vom ängstlichen, fast kindlich-unbedarften Prinzen zum "Eingeweihten" fortschreitet. In einer vor Jahren ausgestrahlten Fernseh-Inszenierung, deren Herkunft ich nicht mehr eruieren kann, wird er im Schlußbild von Sarastro als Nachfolger "inthronisiert" - dafür legt dieser alle seine Insignien ab, bzw. übergibt sie Tamino. Dabei stehen alle anderen Personen, nicht nur Papageno und Papagena, sondern auch Pamina weit abseits.


    In seinem Buch über die ZAUBERFLÖTE sieht Alfons Rosenberg (nicht zu verwechseln mit dem Nazi-Rosenberg!) Tamino bereits in einem Epos, dem "Perlenlied" betitelt, angelegt. Dieses Epos soll zwischen "den Zeitaltern, im Übergang vom Heiden- zum Christentum" (Zitat nach Rosenberg) entstanden sein. Auch da ist der Prinzen-Knabe ein "thumber Thor", dem man glänzende, edelbesetzte Steine auf Purpurkleidern abnahm, damit er eine ganz bestimmte Perle aus der Mitte des Meeres hole, die von einer zischenden Schlange bewacht wird. Gewinnt er die Perle, wird ihm nicht nur das Purpurgewand zurückgegeben, sondern auch das Königtum
    übereignet.


    Offensichtlich sieht Rosenberg in Pamina die Perle, die Tamino gewinnen muß. Und Taminos "Fortschreiten" ist für ihn der Gang von der Dunkelheit ins Licht der Erkenntnis.


    Ich gehe davon aus, daß Schikander/Mozart das "Perlenlied" nicht gekannt haben; ihre Oper hat ja ganz andere, uns bekannte geistige Väter. Aber wäre es denkbar, daß diese Väter, sicherlich keine "tumben" Leute, da etwas mehr Hintergrundwissen hatten?


    Wie dem auch sei: Ich stelle fest, daß Tamino auch mir zu Beginn des Geschehens in der ZAUBERFLÖTE nicht als Held entgegenkommt, daß er aber im Verlaufe der Handlung durchaus Konturen gewinnt - Pamina kann sich durchaus auf ihn als Ehemann einlassen. Wohlgemerkt: 200 Jahre ist die Oper jung (und lebendig!); damals hatten die Frauen von Herrschern in der Regel durchaus kein einfaches Leben. Pamina wird's zumindest ahnen...

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    MUSIKWANDERER