Alles schon gesagt? - Gottseidank nicht!!

  • Immer wieder kann man in Klassikforen - und leider auch hier - gelegentlich lesen, die Themen seien erschöpft - eigentlich sei schon alles gesagt...


    Ich gestehe beschämt, daß auch ich das gelegentlich befürchte.
    Dann sucht Euer Administrator nach ausgefallenen Komponisten - oder ausgefallenen Themen - mit denen naturgemäß nicht jeder was anfangen kann.


    Aber dann gibt es wieder Schlüsselerlebnisse, die einem an der eigenen Skepsis zweifeln lassen. Soll heissen der Skeptiker traut der eigenen Skepsis nicht, und stösst - natürlich äusserst unwillig - auf Positives.


    Insider haben sicher bemerkt, daß ich in den letzten Tage etwas mehr als üblich geschrieben habe - und auch ausführlicher. Ich habe sozusagen einen "kreativen Schub" und arbeite an neuen Threads und Themen fürs Forum. Üblicherweise komme ich, wenn ich allzuviel fürs Forum unternehme, kaum zum Musikhören - ein Teufellskreis.


    Ich bin diesmal einen ganz anderen Weg gegangen, habe viel gehört, im Internet gestöbert, habe neue Aufnahmen und - vor allem neue Bücher gekauft, aus denen ich mir Informatione und Anregungen erwartet - und teilweise schon bekommen habe.


    Vor allem habe ich gesehen, daß eigentlich NIE alles gesagt worden ist.
    Was es allein an Büchern über Mozart gibt ist unfassbar. Natürlich ist da viel Binsenweisheitliches dabei, aber man findet - kaum möchte man es glauben - doch immer viele Details die man noch nie gelesen hat - zumeist mit Quellenangaben gut untermauert.


    Ein weiteres Erlebnis hatte ich heute im frisch renovierten Österreichischen Theatermuseum, wo derzeit grade die Ausstellung


    GUSTAV MAHLER und WIEN


    parallel zur Thomas Bernhard Ausstellung läuft.



    Unter anderem war dort ein Raum, wo auf einer Videowand simultan 15 Dirigenten Statements zu ihrer Auffassung zu Gustav Mahler abgaben.
    Die Bilder sind stumm und es gibt einige Kopfhörer, sowie ein optisches Schaltbrett, wo man jenen Dirigenten, dessen Statement (eigentlich ein ganzes Interview) man hören will , anklickt.


    Meine Wahl fiel auf Michael Gielen, von dem ich keine einzige CD besitze. Ich war einfach neugierig.
    Und es hat sich gelohnt !!
    Ein äusserst kulitvierter Intellektueller gab hier seine Meinung zu Fragen -die vorher eingeblendet wurden - zum Besten. Nicht geschönt - nicht gehässig - sondern mit scharfem Blick fürs Wesentliche und unbestechlichem Urteil. Er gab seine Einschätzung zu Leonard Bernstein bekannt, bzw seine Einschätzung von Bernsteins Mahlerbild. er charakterisierte mit wenigen Sätzen den Mahler-Interpreten Bruno Walter - und er skizzierte mit wenigen Worten sein eigenes Mahler-Verständnis, jenes des breiten Publikums, das Verhältnis der Wiener Philharmoniker zu Mahler persönlich - die Konflikte mit ihm, die Jahrzehnte überdauerten, das Verhältnis Bernsteins zu den Wiener Philharmonikern, seinen Mahler-Konflikt mit ihnen. Er sprach auch über die Ausdeutungen einiger Stellen in Sinfonien von Alma Mahler ;) - so lakonisch und abwertend zugleich - daß ich unwillkürlich lachen musste.


    Ja er hatte vieles - und interessantes zu sagen - aber ich habe das Video vorzeitig abgebrochen - nicht weil es mich nicht interessierte - sondern weil ich bemüht war, das Gehörte zu behalten - und nicht - durch Überfülle mit einem wirren Kopf nach Hause zu gehen. Ich werde mir bei Gelegenheit das Interview fertig anhören (was für miich als Mitarbeiter des KHM zu dem das ÖTM gehört, ein leichtes ist - nein ich war NICHT dienstlich dort - ich habe einige Tage Urlaub) Aber das war dann nur EINER von FÜNFZEHN Dirigenten, was werden die anderen zu sagen haben ?
    Es gibt aber noch viel mehr Mahler Spezialisten unter den Dirigenten, leider sind viele schon verstorben - aber sie haben (meist) Aussagen hinterlassen über die man diskutieren kann. Und in jedem Fallle Aufnahmen....


    Nein - es ist wirklich noch nicht alles gesagt...


    Und eine Gielen-Aufnahme steht nun auf meiner Wunschliste - mal sehen ob man in Wien sowas bekommt....


    mfg aus Wien


    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !







  • Lieber Alfred und Taminoeaner/innen


    Ich komme soeben aus dem "Hale" einem bunt gemischten Pub, hier in Harrogate, in der Nähe der York'schen Moore......Sir John Barbiirollii prangt groß mit Photo an den Wänden, denn er war öfter hier mit seinem Halle Orchester....., spätestens nach dem Konzert war er durstig............. . .und um den Bogen zu Gielen zu schlagen.......
    Viele Gemeinsamkeiten mag es zwischen den BEIDEN GROSSEN DIRIGENTEN auf den ersten Blick nicht geben.....aber auf den zweiten Blick fällt auf , daß Sir John ab seinem 65.zigsten
    und Michael der Große, ab dem 75.zigsten
    ANDERS ATMEN beim Dirigieren, anders als in den Jahrzehnten ihrer langen Karriere zuvor.
    Die Radioaufnahmen der letzten Jahre von Mahler 6, 7 & 9 in Hamburg und Berlin bekommt man ---als notwendige Ergänzung / Vervollständigung der Dirigierkunst Gielens---- ganz leicht :.) :.)


    Es ist auf vielen Gebieten noch nicht ALLES gesagt....Sir John war schon tot (1970), da wurde fünf Jahre später mit einem gewissen Engländer namens Jim Currie als Hauptdarsteller "Frankenfurter", der hier in der "Barbirolli"- Kneipe ebenfalls verkehrt haben soll.....die Rocky Horror Picture Show gedreht.
    Warum erzähle ich das?....im Moment läuft über den hiesigen lokalen englischen TV-Kanal die ROCKY HORROR PICTURE SHOW.....


    Es ist noch nicht ALLES gesagt, in der Tat, die Gesellschaft, ihre Akteure sind vielseitig und z.T. auch wunderbar widersprüchlich: Wie sagt der narrator (wirkt wie ein gut bürgerlicher Intellektueller) im besagten Film:


    It's just a jump to the left...and a step to the right...put your hands on your hips and your knees in tight........lets do the time warp again.....


    In diese verschiedenen Dimensionen geraten wir in der "sogenannten Klassik" ja auch...man nehme Emilia Marty und lasse sie mit Billy Budd den Mont Martre hochziehn, wo sich Emilia sofort in die tiefe Bass-Stimme des
    einzigartigartigen Prototyp eines Künstlers verliebt........und Billy?.......
    natürlich in Rodolfo......zum Glück stand die Kommune der bürgerlichen Moral etwas leger gegenüber.


    Ich habe mich immer gefragt WARUM der 1. Aufzug der Walküre insgesamt mit weitem Abstand der beliebtestete im gesamten RING ist....(?)
    es geht um Inzucht na klar, das macht was her ....der Schoß von Sieglinde bleibt nicht lange leer.......


    Es geht zwar nicht um DIE LETZTEN DINGE....aber wenn's denn die Oper nicht zwinge,
    mit ihrer unglaublichen Phantasie und Vielschichtigkeit...
    wo manche Kurtisane macht die Beine breit......
    so mancher Tatort weniger Spannung hat .....
    .sogar "Spanner" teilweise hüpfen im Quadrat.....


    und es gibt der menschlichen Schwächen und Sensationen hunderte mehr
    nicht nur Senta geht ins Meer
    Othello, Macbeth und Jenufa schaffen viel an Action mehr.....


    Doch um Alfred's Anliegen und Threadbegehren nicht zu ignorieren


    SOLLTEN WIR FÜR DIE GENANNTEN OPERNSTOFFE TRADITIONELLE INSZENIERUNGEN INSTALLIEREN (???)


    Wenn ich an das Gemetzel am Ende des Tristans denke (meiner Lieblingsoper) kommt mir das Blut aus den Ohren, schon deswegen sollte eine moderne/abstrakte Inszenierung werden geboren.


    Genug der Reime...und der infiltrativen Keime....mit denen ich belaste oder vielleicht erfreue......wie auch immer.....


    Die Lebenslust-und-Neugier kennt keine Reue......
    DAS ist ihre wahre Treue !



    Aus den Mooren von Yorkshire, grüßt auch im Namen von Barbirolli und Frankenfurter.....


    Euer "Titan"

  • Es wird nie alles gesagt sein, die Zeit schreitet weiter, wir entwickeln uns weiter (hoffentlich !) , die "Moden" (auch Interpreten) kommen und gehen.
    Daher bietet es sich immer wieder an, uns mit neuen Themen zu befassen, unsere dazu persönliche Meinung kundzutun.


    Und dabei wird uns auch in Zukunft nie langweilig werden -


    meint Euer
    Operngernhörer :hello:


  • Lieber Alfred und Tamnioeaner/innen


    Ich moechte hier einmal auf den eigentlichen "Motor" und tatsaechlichen ERNEUERER der Klassischen Musik, wie auch der Musikforen hinweisen:


    naemlich die subjektive Phaenomologie.
    man koennte auch sagen: DAS was in unseren "Tamino-Koepfen" entsteht und abgeht, entspricht dem Potential nachdem Alfred fragt.


    Ist es nicht herrlich und bereichernd zugleich, wie sich "Juenger" und "Gegner" von Interpreten ueber Werke in Oper und Konzert auf lustvolle , akademische....und sonstige Art und Weisen bekriegen, belehren und informieren ?


    Keine falsche Bescheidenheit: >> Alles schon gesagt<< diese Frage richtet sich in erster Linie an unseren Horizont, wie auch immer der beschaffen sein mag (?)


    Mich persoenlich stimmt es allerdings traurig, wenn die Neugier keine entscheidende Rolle spielt z.B. in Bezug auf Oper und die Aktualitaet unserer aktuellen Lebensituation. NOSTALGIE bringt uns den grossen Themen in Don Carlos, Don Giovanni, den Soldaten, La Boheme oder Parsifal NICHT naeher und vorallem nicht weiter, denn die Themen der genannten Opern sind wichtige Themen UNSERER HEUTIGEN ZEIT.


    Wenn wir nicht begreifen, dass mittels aktuerller - auf den Opernstoff bezogener- Inszenierungen, unsere einmalige Chance besteht die OPERN-KULTUR gegenwartsbezogen in der Gesellschaft zu verankern, koennten wir eine wichtige Chance versaeumen.



    Gruss..............."Titan"

  • Kunst ist ständige, lebendige Auseinandersetzung mit einer Komposition, einer Oper, einer Intpretation, einer Deutung. Wenn dies stimmt, wie könnte denn dann jemals ALLES gesagt sein. Ganz im Gegenteil. Je mehr wir über Werke diskutieren, je mehr Musikfreunde in die Diskussion einsteigen desto tiefgründiger wird unser Urteil.
    Wie oft habe ich durch Beiträge von Tamino-Freunden Hinweise auf mir bis dato unbekannte Werke und Aufnahmen bekommen für die ich als alter Hase dankbar bin, weil mir Gott sei Dank Neues gesagt wurde.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Mich persoenlich stimmt es allerdings traurig, wenn die Neugier keine entscheidende Rolle spielt z.B. in Bezug auf Oper und die Aktualitaet unserer aktuellen Lebensituation. NOSTALGIE bringt uns den grossen Themen in Don Carlos, Don Giovanni, den Soldaten, La Boheme oder Parsifal NICHT naeher und vorallem nicht weiter, denn die Themen der genannten Opern sind wichtige Themen UNSERER HEUTIGEN ZEIT.


    Also meine Neugier, lieber Titan, hält sich diesbezüglich in Grenzen.
    Mich stimmt es traurig, wenn ich mit ansehen muss, was da so alles zusammengemurkst wird. In den letzten fünfzig Jahren entstanden ja auch eine Menge neuer Opern ... was ist aus ihnen geworden?
    Ist etwas dabei, das die Qualität der von Dir oben genannten Stücke erreicht?


    Um die Probleme unserer Zeit zu lösen muss man nicht unbedingt Mozart oder Wagner bemühen, es gäbe da ganz andere Möglichkeiten!

  • Zitat

    denn die Themen der genannten Opern sind wichtige Themen UNSERER HEUTIGEN ZEIT.


    Das wundert mich aber SEHR - denn Präcognition ist eine eher seltene Gabe....


    Don Carlos ist schon AN SICH ein verlogenes Drama, aus dem bösartigen sadistrischen Kretin Don Carlos wurde ein Freiheitsheld, dem man den nicht existierenden Marquis de Posa als Freund und Märtyrer hinzugesellte.
    Dann noch der blinde Großinquisitor, der von Philipp II das Leben des Sohne fordert - Die heutige Kirche hat diesen Einfluß nicht mehr. Religion spielt generell nur mehr eine untergeordnete Rolle in unserer Zeit.


    Und wenn eine Diktatur aufgebaut wird - Die EU ist meines Erachtens nach eine solche - dann gibt es genügend Dummköpfe die von "Einheit der Völker" faseln. Die Einheit wird letztlich darin gipfeln, daß die sozialen Standards an die der ärmsten Länder angeglichen werden.
    Diktatur hat als wesentliches Merkmal, daß man die Herrschenden nicht abwählen kann - aber sie wird heute nicht mit der Macht der Kirche aufrechterhalten - sondern mit jener der Konzerne.


    Soviel zum Thema "Themen unserer Zeit"


    Vielleicht noch ein Wort zu Schiller: Auch seine "Maria Stuart" hat er als Opfer dargestellt.
    Dieses "Opfer" hat aber in Wahrheit seinen Ehemann ermorden lassen, sich dann unter den Schutz ihrer "Geliebten Schwester Elisabeth" gestellt und ist zu dieser ins Exil geflohen, wo sie keine Gelegenheit ausgelassen hat Elisabeths Autorität zu untergraben bzw zu versuchen ihr den Thron wegzunehmen. Elisabeth zauderte lange bis sie die Unterschrift unter das Todesurteil setzte. Dieses bewahrte sie in einer Lade auf - um ihre Entscheidung nochmals zu überdenken.
    Jedoch wurde die Urkunde von einem ihrer Ratgeber aus der Lade geholt und "im Namen ihrer Majestät" in den Tower gebracht. Soweit die historische Wahrheit...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Diktatur hat als wesentliches Merkmal, daß man die Herrschenden nicht abwählen kann - aber sie wird heute nicht mit der Macht der Kirche aufrechterhalten - sondern mit jener der Konzerne.


    die sich die (restliche) Macht der Kirchen (schon längst?) auch noch gekauft haben.


    Würden die Kirchen - ich spreche nur von Deutschland - aus der unheilvollen Zusammenarbeit mit dem "1000-jährigen Reich" gelernt haben, würden sie sich heute anders verhalten.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Und wie man sieht wurde in diesem kurzen Thread manches gesagt, was notwendig ist. allerdings ist uns das Thema dabei entglitten - oder etwa doch nicht ?
    Ich grabe dieses Thema aus aktuellem Anlass aus, weil heute in einem anderen Thread befürchtet wurde, es sei in diesem Forum schon alles gesagt. Letzterer Eindruck kann entstehen, wenn man sich auf 10 bis 20 Komponisten festlegt und von ihnen die "Lieblingswerke" hört. Interpreten zu vergleichen ist langweilig, weil sowieso alles gleich klingt. Unbekannte Komponisten werden nicht gehört - weil wenn sie gut wären so wären sie berühmter...
    Natürlich ist dieses Statement ironisch gemeint und ist auch übertrieben, aber ein wahrer Kern ist doch darinnen.
    Wenn man den Dingen auf den Grund geht und sich etwas mehr mit der Materie befasst als "Otto Normalverbraucher" so wird es immer wieder Themen geben. Allein wie viele hunderte "Große Sänger" die Szene die letzen 75 Jahre hervorgebracht hat ist bemerkenswert. Durch die Fluktation an Mitgliedern - auch wenn ich nicht glücklich über dieses Tatsache bin - wird das Forum stets am Laufen gehalten, es bekommt ein neues Gesicht, das sich langsam aber sicher ständig verändert. Threads die vor 5 Jahren niemanden besonders begeisterten werden ausgegraben uns von der derzeitigen "Belegschaft" begeistert fortgeführt und werden zu Dauerbrennern. Ungeliebte Künstler der Vergangenheit entwickeln sich zu Lieblingsinterpreten. Es kommt immer darauf an WER WANN und in WELCHER Zeit und Umgebung was schreibt.
    Man muss auch den Mut haben, Themen die bereits als abgehakt gelten, neu aufzurollen. Ich hat zu dieser Ansicht nicht nur Zustimmung im Forum gefunden - aber der Erfolg gibt mir recht.
    Natürlich gibt es auch Threads die gestartet werden und gleich "versanden"
    Das muß nicht unbedingt am Desinteresse der Mitglieder liegen - oftmals sind sie einfach überfordert - oder sie haben nicht die entsprechenden Aufnahmen um mitredenzu können...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich gibt es auch Threads die gestartet werden und gleich "versanden"
    Das muß nicht unbedingt am Desinteresse der Mitglieder liegen - oftmals sind sie einfach überfordert - oder sie haben nicht die entsprechenden Aufnahmen um mitredenzu können...


    Eben. Solche Threads werden vielleicht auch in 5 Jahren ausgegraben und können genau dann hochinteressant werden.

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  • Und ich kehre wieder zurück zum Thema. Diesmal bin ich nicht über den Thread gestolpert, ich habe ihn auch nicht unabsichtlich wieder gefunden, sondern gezielt gesucht. Denn in den letzten Tagen sammle ich oft Material für meine Threads. Das ist oft recht mühsam und manchmal recht unergiebig. Plötzlich jedoch finde ich - ohne sie gesucht zu haben - unbekannte Komponisten des 18. uns 19. Jahrhunderts, die oft an die 20 Opern hinterlassen haben, die heute aber niemand mehr kennt. Oder aber ich finde jemanden (ein Mitglied der Wiener Philharmoniker), welche sich für Joseph Mayseder interessiert, einen Wiener Komponisten (1789-1864) nach dem in Wien eine Gasse im 1. Bezirk (Innere Stadt, Geschäfts- und Nobelviertel) benannt wurde, aber niemand kennt etwas von ihm, obwohl ich bei Wikipedia eine große Auswahl an Werken gefunden habe, mindesten 67 mit Opuszahl, hauptsächlich Kammermusik, aber auch 3 Violinkonzerte. Das wird sich nun allmählich ändern -- einige CDs sind geplant. Bei meiner Recherche über Schubert stieß ich auf Anselm Hüttenbrenner, ebenfalls ein österreichischer Komponist. Dessen Werkverzeichnis kann sich ebenfalls sehen lassen. Unsere russischen Entdeckungen stießen im Forum zwar noch nicht wirklich auf Gegenliebe - wir arbeiten aber daran. Igor Markevitch - ein bekannter Dirigent - aber wer kennt seine Kompositionen? Ohne Herrn Klaus Heymann, der sie vorerst bei Marco Polo herausgebracht hat und dann zum Dumpingpreis bei Naxos wieder der Musikwelt zugänglich gemacht hat - wohl niemand. Diesem Mann wird man wohl einst ein Denkmal setzen müssen für seine Verdienste um weniger bekannte Komponisten. "Vergessen" wurden nicht nur Vertreter der moderaten Modernen, wie Felix Weingartner oder M. Weinberg, nein auch Pleyel, Rosetti, Eberl und Wölfl sind nicht jedermann ein Begriff. Was gäbe es noch über Holst, fernab seiner "Planeten" zu sagen? Ich fürchte, die noch aufzuarbeitenden Themen werden meine Lebenserwartung übersteigen. Immerhin war meine Generation privilegiert, dank Schallplatte und einiger rühriger Firmen, Werke zu hören, die den meisten Generationen vor uns weitgehend vorenthalten wurden. Auch dieses Forum hat viel zur Renaissance von so manchem Komponisten beigetragen - und so soll es auch bleiben. Es ist noch eine Menge ungesagt - Gott sei Dank.
    Immer wieder wird behauptet, lediglich Werke, die eben nicht von erster Qualität seien, wären in Vergessenheit geraten. Sie konnten sich gegen die guten Werke nicht durchsetzen.
    Das halte ich für falsch. Es ist vielmehr so, daß sich all das durchsetzt, was eine Lobby hat und was plakativ auftritt und vermarktet wird.
    Wer die These vertritt, daß die qualitativ wertvollsten und wichtigsten Dinge immer den Weg ganz nach oben schaffen, der dürfte ein militanter Befürworter unserer Regietheaterthreads sein, erfüllen sie doch alle Voraussetzungen: Sie sind langlebig, sind in aller Munde, sind prägend für das Forum und bieten aufgrund des allgemeinen Interesses, das ihnen entgegengebracht wird genügend Streitpotential für viele Jahre.... :hahahaha:


    Aber Spaß beiseite - die als "vergessen" apostrophierten Werke sind ja nicht wirklich vergessen, sie liegen nur in einem Dornröschenschlaf, aus dem man sie allmählich wieder wachküssen wird.


    mfg aus Wien
    Alfred

    clck 1174

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich sehe schon, daß dieser Thread niemanden interessiert, aber ich halte ihn für wichtig - vor allem die Kernaussage.

    Vor allem die letzen Wochen in der Corona-Krise habe ich viel gestöbert und bin auf Interpreten und Ensembles gestoßen, von denenich bislang noch nie etwas gehört habe. Bei mir daheim ("im Office") stapeln sich ungehörte CDs mit wiederentdeckten Werken und wiederentdeckten Komponisten. Das Forum "brummt" einigermaßen (zumindest meistens)

    Und - damit ich beim Thema bleibe - die neuen Mitglieder graben alte Threads aus und beleben sie durch ihre Sichtweisen, dazu kommen die Neuerscheinungen der letzten 17 Jahre - so alt wird das Forum im Sommer.

    Von "schon alles gesagt" kann also auch heute - 11 Jahre nach dem Start dieses Threads keine Rede sein.....


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 2800

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !