Johann Rudolf Zumsteeg - ein Balladenkomponist

  • Johann Rudolf Zumsteeg (1760-1802)


    Geboren am 10. Januar 1760 in Sachsenflur im Odenwald
    Gestorben. am 27. Januar 1802 in Stuttgart


    LEBENSLAUF


    Der Zehnjährige genoss das Privileg, Unterricht an der berühmten, aber wegen seiner Strenge auch gefürchteten, Karlsschule in Stuttgart zu erhalten, denn der Vater hatte die Position eines herzoglich-württembergischen Kammerdieners inne. Der etwa gleichaltrige Friedrich Schiller wurde sein bester Freund. Der Musik mehr zugetan, als der Bildhauerei, bekam er Unterricht in Violoncello und Komposition. Nach Verlassen der Schule 1781 wurde er Cellist an der Hofkapelle. Mit seiner Karriere ging es aufwärts. 1785 erhielt er die Position eines Cello-Lehrers. Hofkapellmeister wurde er im Jahre 1783 und war damit Nachfolger von Agostino Poli.


    Zumsteeg galt als vorzüglicher Mozart-Dirigent. Er war seiner Zeit voraus und formte unter Betonung des Schaurigen, Bizarren und Gruseligen in seinen Balladenkompositionen die dunklen Seiten vor, die sich in der Romantik des 19. Jahrhunderts festsetzten. Seine erzählende Dichtung in Reimen bevorzugte historische Themen, in denen die alten Rittersleut’, ehrbesessen und radikal, ihr Wesen und Unwesen zur Schau stellten. Dramatische Impulse, aber auch das Verweilen im Detail, kennzeichnen seinen bahnbrechenden Stil. Den Interpreten seiner Balladen war es überlassen, die vorhandenen Effekte stimmlich übersteigert in Szene zu setzen. Als Unterlage für seine Kompositionen mit Klavierbegleitung bevorzugte er die Schauerromantik von Gottfried August Bürger (1747-1794), Sohn eines Pfarrers aus dem Harz.


    Auch zu seinem Freund Friederich verhielt er sich liebenswürdig und vertonte ein paar Verse aus seinem Bühnenstück ‚Die Räuber’. Mit der Komposition von Opern hatte Zumsteeg wenig Glück. Die Nachwelt nimmt sie nicht zur Kenntnis! Bedeutendere Komponisten nehmen ihnen im harten Konkurrenzkampf die Überlebenschance, was nicht unbedingt bedeuten muss, dass das Blatt sich auch eines Tages wenden kann.




    Musikhistorisch positioniert man Zumsteeg in die Zeit des ‚Sturm und Drang’ Er gilt als Begründer der deutschen Balladen-Komposition. Loewe und Schubert vertonten ebenfalls Balladen, hatten aber nicht das textliche Volumen ihres Vorgängers. Wirkliche Alternativen sind nur die Chorballaden von Robert Schumann. Ihm lieferte Ludwig Uhland die Texte.


    © 2010 TAMINO - Engelbert



    Die Moderation hat die ursprüngliche (schönere) Abbildung durch eine ander ersetzt, deren Link zur CD und nicht zr Vinyl-LP führt - und auch zwei kurze Soundsamples bietet - Dieser Moderationshinweis wird in den nächsten Tagen wieder entfernt - MOD 001 Alfred

  • Johann Rudolf Zumsteeg (1760-1802)


    Des Pfarrers Tochter von Taubenhain


    Ballade von Gottfried August Bürger


    Dauer etwa 20 Minuten



    INHALTSANGABE


    Der Pfarrer von Taubenhain hat eine schmucke Tochter, lieblich und fein, dazu noch unbescholten - offenbar Mangelware, denn die jungen Burschen im heiratsfähigen Alter scheuen weite Wege nicht, um ihre Chancen zwecks dauerhafter Zweisamkeit zu überprüfen. Doch eigentlich steht Rosettchen der Sinn nach Höherem. Sie möchte in eine bessere Gesellschaftsklasse aufsteigen. Die Möglichkeit, Frau Gräfin im Schloss - welches vom jenseitigen Hügel auf das kleine Dorf herab blickt - zu werden, kann sie nicht grundsätzlich ausschließen. Dem Dummchen lacht das Herz, wenn der Junker in funkelnder Jägeruniform, das Hütchen mit der Eichelhäherfeder auf dem Kopf, vorbeireitet. Sein Interesse an der Pfarrerstochter scheint echt zu sein, denn auf Seidenpapier mit goldenen Kanten hat er ihr schon ein Brieflein geschrieben. Sein Bildnis, welches so hold von oben herab lächelt, hat er in einer Herzchen-Schachtel versteckt und einen diamantenbesetzten Ring beigefügt. Rosettchen ist hochgemut, sich selbst achtet sie sich des Ritters wert und die anderen Burschen aus den umliegenden Landen sollen sich zum Teufel scheren. Heimlich lässt der Junker von Falkenstein ihr die Botschaft übermitteln, er habe ein gut' Wörtchen mit ihr zu kosen. Wie wäre es mit einem Stelldichein um Mitternacht? Sie soll sich mutig zeigen und sich nicht grausen. Im Weizenfeld hinter dem Garten, wo die Nachtigallen-Männchen die Braut locken, möchte er sie treffen, aber sie soll ihn nicht warten lassen. Tatsächlich kommt er in Mantel und Kappe vermummt und schleicht so leise wie der Nebel umher. Bewaffnet ist er und Futter hat er dabei, um kläffende Hunde zu beschwichtigen. Rosettchen hatte sich an die Weisung gehalten, pünktlich zu sein.


    Er wusste sein Wörtchen so traurig und süß
    ins Ohr und ins Herz ihr zu girren.
    Ach, liebender Glaube ist willig und zahm;
    Er sparte kein Locken, die schüchterne Scham
    zu seinem Gelüste zu kirren.


    „Er zog sie zur Laube so düster und still
    von blühenden Bohnen umduftet.
    Da pocht ihr das Herzchen!
    Da schwoll ihr die Brust;
    da wurde vom glühenden Hauche der Lust
    die Unschuld zum Tode vergiftet.“


    Einige Zeit später verblühten auf duftendem Bohnenbeet die Blüten. Dem Mädchen wurde übel und weh und die rosigen Wangen bleichten zu Schnee. Die blühenden Bohnen hatten sich zu Schoten entwickelt, Erdbeeren und Kirschen schwollen rot an. Gottfried August Bürger erzählt nun, dass auch dem Mädchen das Brüstchen voll und das Röckchen enger wurde. Als der Herbstwind über die Flur strich und die Ernte eingefahren wurde, fing es in ihrem Bäuchlein an, sich zu regen und zu strecken. Rosettchen konnte ihren Zustand nicht länger verstecken.


    Der Vater ist ein harter und zorniger Mann, dazu noch Theologe mit hohen moralischen Ansprüchen.


    „Er schlang ihr fliegendes Haar um die Faust;
    er hieb sie mit knotigen Riemen.
    Er hieb, das schallte so schrecklich und laut,
    er hieb ihr die samtene Lilienhaut
    voll schwellender blutiger Striemen.“


    Dann weist er die Tochter aus dem Haus und sagt ihr, sie soll nach dem Mann Ausschau halten, von dem sie das Kind hat. Er stieß sie hinaus bei finsterer Nacht, bei eisigem Regen und Wind. Rosettchen klimmt am dornigen Felsen empor bis an Falkensteins Tor, um dem Liebsten ihr Leid zu verkünden. Sie findet es nicht gut, dass er sie zur Mutter gemacht hat, aber die festliche Hochzeit auf sich warten lässt. Der Vater hat sie verdroschen und mit Jammer und Hohn trägt sie nun schmerzlichen Lohn am zerschundenen Leibe. Sie wirft sich dem Liebsten an den Hals und schluchzt. Nun soll er wieder gutmachen, was er ihr Übles angetan hat. So wie er sie in Schande gebracht, soll er sie auch wieder zu Ehren bringen. Das arme Närrchen tut ihm so leid. Sie soll sich jetzt erst einmal beruhigen und hier bei ihm ihre Niederkunft abwarten. Den Alten, der sie geschunden hat, wird er sich vorknöpfen und alles Weitere wird man dann besprechen. Eigentlich reagiert der Junker anständig, aber Rosettchen stellt Ansprüche! Von Schadensbegrenzung will sie nichts wissen! Pflege und Ruh’ bringt sie nicht wieder zu Ehren. Der Braut hat er ewige Liebe geschworen. Vor Priester und Zeugen soll er vor dem Altar den Schwur laut wiederholen!


    „Ho, Närrchen, so habe ich es nimmer gemeint,
    wie kann ich zum Weibe dich nehmen?
    Ich bin ja entsprossen aus adligem Blut.
    Nur Gleiches zu Gleichem gesellt sich gut;
    Sonst müsste mein Stamm sich ja schämen.“


    Der Junker von Falkenstein macht einen brauchbaren Alternativvorschlag. Sein Liebchen wird sie immer bleiben. Er kennt einen wackeren Jägersmann - zum Ehebunde mit Rosettchen ließe er sich bewegen. Allerdings würde ihn das eine Stange Geld kosten. Aber sie beide könnten es dann auch ferner noch treiben. Rosettchen entrüstet sich und wünscht ihm nichts Gutes. Das Blättchen soll sich schrecklich wenden. Er mag ein adeliges Weib nur nehmen. Sie würde ihm gönnen, dass der niedrigste seiner Knechte das adelige Bett schänden wird. Dann kann er selbst fühlen wie es ist, wenn man an Ehre und Glück verzweifelt. Die schändliche Stirn soll er gegen die Mauer stoßen und sich eine Kugel fluchend ins Hirn jagen und dann zum Teufel fahren.


    Das Mädchen rennt verzweifelt davon. Wohin soll Rosette sich wenden? Zur heimatlichen Gartenlaube, in der alles begann, führt sie ihr Schritt. Ihre Stunde ist gekommen.


    „Es wand sich ein Knäblein ihr weinend vom Schoß
    bei wildem unsäglichen Schmerze.
    Und als das Knäblein geboren war,
    da riss sie die silberne Nadel vom Haar
    und stieß sie dem Knaben ins Herze.“


    Nach vollendeter Tat wird der Kindestöterin bewusst, was sie gemacht hat. Da ruht nun das arme Knäblein in Gott, geborgen auf immer vor Elend und Spott.


    „Da ist das Flämmchen am Unkenteich,
    es flimmert und flammert so traurig.
    Da ist das Plätzchen, da wächst kein Gras;
    Das wird vom Tau und vom Regen nicht nass.
    Da wehen die Lüftchen so schaurig.“


    Zum Schluss erwähnt der Balladendichter, dass Rosette von der Justiz für ihre Tat gerädert wurde.


    Anmerkung


    Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts reagierte auf abweichendes moralisches Verhalten junger Mädchen mit Abscheu und die Justiz sanktionierte den Kriminalfall meistens mit tödlicher Härte. Die Mädchen waren nicht immer schuld, wurden verführt oder standen unter dem Druck ihres Dienstherrn. Auf den Gutshöfen mag es wegen des ‚Rechtes der ersten Nacht’ wesentlich milder zugegangen sein. Der Gutsherr hatte neben einigen ehelichen Nachkommen auch eine ganze Reihe ‚natürlicher’ Söhne und Töchter, die vielleicht nicht die gleichen Privilegien hatten, aber doch unbehelligt leben konnten. Die heutige Zeit kann mit Biedermeierkostümen und schmucken Fachwerkhäuschen die vielen Gretchen-Tragödien nicht in Einklang bringen und reagiert mit Entsetzen. Die Babyklappe war noch nicht erfunden.


    Gottfried August Bürgers glasklare Sprache bringt das Geschehen in eine gedrängte dichterische Form von höchster Ausdruckskraft. Er steht über den Dingen und analysiert die Zustände verstehend, aber schonungslos.


    © 2010 TAMINO - Engelbert

  • Johann Rudolf Zumsteeg (1760-1802)


    Die Entführung


    Ballade von Gottfried August Bürger


    Dauer etwa 25 Minuten


    CHARAKTERE:
    Ritter Karl von Eichenhorst
    Trudchen, seine Verlobte
    Der Reichsbaron, ihr Vater
    Trudchens Zofe
    Eine verräterische Amme
    Waffengefährten beider Parteien



    INHALTSANGABE


    Ritter Karl von Eichenhorst ruft seinem Knappen zu, dass er ihm sein Dänenross satteln soll. Er will einen Ausritt machen, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Im Schloss wird es ihm zu eng und er muss in die weite Natur. Die Unrast plagt den armen Ritter; Angst vor etwas Unbestimmtem hat er auch, aber er kann das Unheil, welches auf ihn zukommt, nicht definieren. Er hat niemanden erschlagen, aber man könnte es denken, denn er spornt sein Ross an, dass die Funken fliegen.


    Er hebt den Blick und sieht am Wegrand Gertruds Zofe. Artig grüßt sie den jungen Herrn und bietet ihm Gottes Heil und Frieden. Dann rückt die Kleine mit ihrer Botschaft heraus. Ihr armes Fräulein hat sie ein letztes Mal hergeschickt. Auf Trudchens Hand wird er wohl verzichten müssen, denn der Vater hat sie nun dem Junker Plump aus Pommernland zugesagt. In aller Öffentlichkeit und vor aller Ohren hat er es geschworen. Der Wüterich ist ernstlich böse. Er flucht bei Schwert und Spieß, dass er Trudchen ins tiefe Burgverlies werfen wird. Dort halten Molche und Unken sich auf; die Tochter darf ihnen Gesellschaft leisten, wenn ihr weiterhin nach Karl gelüstet. Der Erzürnte will Tag und Nacht nicht rasten, bis er den Verlobten zur Strecke gebracht hat. Er will ihm das Herz herausreißen und Trudchen hinterher schmeißen – so wütend ist er. Jetzt sitzt die Bedauernswerte in ihrer Kammer und hat Herzenswehen. Sie hat ihren Schöpfer gebeten, ihrer Pein gnädig zu sein. Der edle Herr soll seine Lauscher anheben. Hört er demnächst die Glocken läuten, weiß er, was er von dem Gebimmel zu halten hat. Zum Abschied übermittelt die Zofe einen letzten Gruß der Verlassenen und überreicht dem Edelmann als Erinnerung einen goldenen Ring und ein hübsches Schwert. Er soll Trudchen nie vergessen! Doch plötzlich erwachen in Karl die Lebensgeister. Er bedankt sich bei dem Mädchen für die Botschaft, sie soll wohlgemut sein und forteilen. Ihrer Herrin möge sie ausrichten, dass er sie selbst aus tausend Ketten erretten wird. Zu Mitternacht, bei Sternenschein, wird er unter ihrem Fenster sein. Ihm gehe es wie es gehe, wohl oder ewig wehe!


    Wieder daheim, lässt er von den Zinnen seiner Burg sein Silberhorn erschallen, um seine Artgenossen herbeizurufen. Er versucht, die jungen Männer für sich einzunehmen, nimmt sich jeden einzeln vor und flüstert ihm ins Ohr, dass es um verlorene Minne geht, die nur mit Waffengewalt zurückerobert werden kann. Im Dunkel der Nacht begibt sich Karl zunächst allein zum Wohnsitz seiner Edeldame. Alle Fackeln sind ausgeflimmert, nur Gertrud wacht in Fieberangst noch in ihrem Zimmer und denkt an ihren Ritter. Doch horch! Süße Liebestöne kommen leise
    emporgeflogen! Trudchen, frisch auf! Sie soll sich geschwind etwas Warmes überziehen. Karl ist zur Stelle. An der Mauer steht die Leiter, der Klepper bringt sie weiter. Der Herzenskarl soll sie nicht in Bedrängnis bringen. Von einer Entführung will Trudchen nichts wissen. Willigt sie ein, ist es um ihre Ehre geschehen. „Ein letzter Liebeskuss sei Liebster dein und mein Genuss“ schlägt die Verängstigte vor. Aber Trudchen kann doch auf Karls Rittertreue bauen und ihm ihren Leib anvertrauen. Er bringt sie zu seiner Mutter. Dort ist sie geborgen und Gott wird für sie sorgen. Das Sakrament wird sie vereinen, sie soll nicht länger weinen! Nein, Karl soll von ihr ablassen. Um ihn ist ihr bange. Ihr Vater ist ein Reichsbaron und seines Zornes Flamme sieht sie schon. Nicht rasten wird er Tag und Nacht. Das Herz wird Karl herausgerissen und ihr vor den Fuß geschmissen. Schließlich gelingt es Karl doch, die Liebste zu überreden. Er greift nach ihrer Schwanenhand und schwingt sie aufs Pferd. Der Ritter sitzt hinten und Trudchen vorn, ein Dämon treibt des Ritters Sporn.


    Pferdegetrappel in dunkler Nacht ist nicht zu überhören. Die Amme hat ohnehin Schlafstörungen und kann sich zusammenreimen, was abläuft. In der Erwartung einer Belohnung trommelt sie den Baron aus dem Bett und informiert ihn über die Flucht der Tochter. Der Junker aus dem Pommernland ist ebenfalls aufgewacht und nun gilt es, schnell zu handeln. Die Flüchtenden werden eingeholt. Junker Plump wirft die Lanze, zielt aber daneben. Zwischen den Rivalen gehen dem Zweikampf wohlgesetzte, dennoch zynische Worte voran. Die Damaszenerklingen werden gekreuzt. Unter ihrer Fersen Stampfen beginnt der Grund zu dampfen. Trudchen ist angst und bange, dass der Falsche gewinnen könnte, doch der Himmel steht auf der Seite der Liebenden. Den Ungeschliffenen schlug des Liebsten Schwert, Trudchens Held bleibt unversehrt!


    Nun ist es an Karl ins Silberhorn zu blasen, damit die Vasallen anrücken. Bevor es zu Waffengewalt kommt, sucht Karl vernünftigerweise den Dialog mit dem Vater. Er führt an, dass er die Tochter schon seit langer Zeit liebt uns sie ihm auch zugetan sei. Warum will der Edle zwei Herzen auseinanderreißen? Plump vom Pommernland ist nicht länger im Gespräch - Karl hat ihn niedergestreckt – und weshalb sollen die Waffengefährten sich für eine Sache gegenseitig aufreiben, die gegenstandslos geworden ist. Karl hat die Tochter stets mit Zucht und Ehr’ behandelt. Seine Burg ist ein Juwel der Architektur und solide ausgestattet Auf seine Ahnengalerie kann er stolz sein und auf eine ergebene Ritterschaft kann er sich verlassen. Karls Rhetorik verfehlt ihre Wirkung nicht. Nun bekommt er auch noch Unterstützung von Trudchen. Der Vater soll an seinem armen Kind Barmherzigkeit üben, denn diese Flucht hätte sie nimmer versucht, wenn sie vor des Junkers Bette nicht geekelt hätte.


    Das Herz des Vaters schmilzt wie Wachs an der Sonne. Er hebt sein Kind vom Boden auf und wirft es Walter zu. ‚Da, nimm sie meinetwegen und meinen ganzen Segen!’


    Anmerkung


    Es ist immer ein fatales Unterfangen, eine Ballade nacherzählen zu wollen. Die Schönheit der Dichtung kann durch sparsame Zitate nur angedeutet werden. Die Balladen von Gottfried August Bürger haben gesellschafts- und sozialkritischen Inhalt und sind wahre Meisterwerke der Dichtkunst und unterscheiden sich wohltuend von anderen Reimeschmieden ihrer Zeit. Die kleinen Szenarios sind dramaturgisch sorgfältig aufgebaut, die ornamentale Ausschmückung gepflegt und niemals schwulstig. Der Endreim wird nicht zwanghaft herbeigezogen, er ist immer stimmig.


    Da ist es kein Wunder, dass Komponisten nach den Werken hervorragender Dichtkunst wie besessen greifen. Häufig stehen die Tonsetzer im Wettstreit zueinander und versuchen sich am gleichen Gedicht. Dichten ist offenbar schwerer, als eine passende Melodie zu finden!


    Johann Rudolf Zumsteeg hat sich dieser Aufgabe mit Bravour unterzogen. Er gilt als Vorläufer der Romantik. Insbesondere Robert Schumann führt die Vertonung von Chorballaden zu einem steilen
    Höhepunkt. Als Großmeister dieser Form des Kleinen seien auch Franz Schubert und Karl Loewe genannt.


    © 2010, TAMINO - Engelbert

  • Lieber Engelbert,
    das sind ja zwei sehr gute und informative Beiträge, die Du da eingestellt hast. Als Kenner der Loewe-Balladenkunst war ich doch etwas überrascht, dass es da eine CD gibt, die nur zwei Riesenballaden bietet. Nun bin ich mal gespannt, wie Bernd Weikl diese Stücke über die Bühne bringt, seine Loewe-Interpretationen kenne ich bereits.


    Da ist es kein Wunder, dass Komponisten nach den Werken hervorragender Dichtkunst wie besessen greifen.
    Zu dieser Aussage ist anzumerken, dass Friedrich Schiller von der Dichtkunst Bürgers nicht besonders angetan war und in meiner Jugendzeit (1956) das Bürger-Denkmal zu Göttingen (Sterbeort von Gottfried August Bürger) abgerissen und zerstört wurde ...


    Johann Rudolf Zumsteeg war mir bisher als süddeutscher Komponist im Verein mit Kreutzer und Silcher bekannt, aber die Balladen Loewes haben - zumindest nach meinem Eindruck - das Schaffen dieser Komponisten weit überstrahlt.