Vier Postkarten aus dem Süden: Richard Strauss - Aus Italien Op. 16

  • Der Name Richard Strauss lässt, neben dem Opernkomponisten, unwillkürlich an den Schöpfer glänzender symphonischer Dichtungen denken, die er - in der Tradition Liszts und ganz im Geiste Wagners anstelle der traditionellen Großform der Symphonie - zu einem faszinierendem spätromantischen Höhepunkt brachte.


    Neben den allseits bekannten, relativ frühen eingängigen Kompositionen wie dem Don Juan, dem Till, Tod und Verklärung und natürlich der freien Nietzsche-Vertonung des Zarathustra ist es besonders auch die späte, schon in die Moderne weisende großangelegte Alpensinfonie, sein letztes Werk dieser Gattung, die Strauss' Ruhm auf diesem Gebiet begründen.



    Was mit seinem (musikalische) Gipfel stürmenden op. 64 im Jahre 1915 einen fulminanten Abschluss fand, hatte knapp dreißig Jahre vorher einen ebenfalls sehr beachtenswerten Anfang genommen, als der 22jährige Komponist im Frühsommer 1886 eine Italienreise unternahm, die ihn über Bologna, Florenz nach Rom führte und südlich weiter die herrliche Gegend um den Golf von Neapel erfahren ließ.



    Von tiefen emotionalen Eindrücken erfüllt, die er in den zahlreichen Reisebriefen an seine Mutter kundtat und sogleich in eine Konzeption eines neuartigen musikalischen Werkes einfließen ließ.


    Schon Ende Juni, wieder zurück in München, schreibt er an Bülow:
    "Ich habe nie so recht an eine Anregeung durch Naturschönheiten geglaubt, in den römischen Ruinen bin ich eines besseren belehrt worden, da kamen die Gedanken nur so geflogen"


    Strauss instrumentierte seine Reiseskizzen bereits im Juli desselben Jahres und dirigierte die Uraufführung der viersätzig angelegten Tondichtung im März 1887 im Münchner Odeon, was heftige Kontoversen auslöste, die der junge Komponist jedoch durchaus mit Stolz ob der großen Wirkung seines Werkes aufnimmt.
    Insbesondere das "etwas arg tolle" (Strauss) Finale wurde mit wilder Ablehnung bedacht, oder, wie der Komponist es formulierte, mit "allgemeiner Wut und Verblüffung darüber, dass ich jetzt meine eigenen Wege zu gehen anfange, meine eigene Form schaffe und den faulen Menschen Kopfzerbrechen verursache[...]"


    Auch wenn die Kritik eine allzu unreflektierte Wiedergabe des Erlebten in der Musik konstatierte, etwa von "einem musikalischen Baedeker Süditaliens" sprach, stellte Strauss stets heraus, es handle sich nicht um Beschreibungen, sondern eben um Empfindungen, die er in der Musik auszudrücken suche.




    Eingeleitet wird das Werk von einem ruhigen, pastoralen Lanschaftsbild, das sich zu einem idyllischen, aber ebenso hymnischen Audruck tiefsten Naturempfindens steigert und mit Auf der Campagna überschrieben ist.



    Dem folgt eine würdevolle Beschreibung der ewigen Stadt, In Rom's Ruinen, in der das Erleben der vergangenen Größe im Angesicht der beeindruckenden römischen Architektur versinnbildlicht wird. Nach einer relativ raschen, durchaus heiteren Einleitung kündigen sich im Blech und den tiefen Streichern die "Fantastischen Bilder entschwundener Herrlichkeit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes inmitten sonnigster Gegenwart" (Strauss) an. Festliche Melodieteile konstrastieren mit mächtig-ehrfurchtgebietenden großen Orchesterpassagen und zeichnen ein differenziertes Bild eines sinnlichen Romerlebnisses.



    Die darauffolgende Szene Am Strande von Sorrent lässt schon am Anfang in der innigen Klangwelt feiner Holzbläser und Harfenklänge die sehr persönliche Idylle einer ruhigen Meeresbucht aufkommen. Beinahe impressionistische Klangbilder lassen einen zur Ruhe kommen und in den Bereich träumerisch entrückter Naturerfahrungen gleiten.



    Ein heftiges Erwachen bereitet das Neapolitanische Volksleben, das unvermittelt in die Idylle hereinbricht und einen mit einem orchestralen Ausbruch in das wilde, bunte Stadtleben mitreisst. Man spürt, wie der Betrachter von all den Tänzen, Attraktionen, dem chaotisch wirkendem Treiben im Alltagsleben dieser Stadt angezogen und verwirrt wird.
    Staruss zitiert zudem das bekannte Lied Funiculi, Funicula, das er für ein altes neapolitanisches Volkslied hielt.
    Allerding war es eigens anlässlich der Eröffnung der wenige Jahre vorher erbauten Standseilbahn auf den Vesuv, der Funicolare del Vesuvio komponiert worden, was Strauss auch sogleich einen Urheberrechtsstreit einbrachte, der die Aufführungen seines ersten großen Werkes erschwerte - eine biographisch intereressante Tatsache, war er doch später Mitbegründer der GEMA.



    Mich hat Aus Italien von Anfang an begeistert, insbesondere das aufkommende Hochgefühl des Kampanien-Erlebnisses, das in der hymnischen Melodie subsummiert ist, aber auch die bedingungslose Hingabe an die idyllische Naturschönheit im Strande von Sorrent machen das Werk zu einem wohltuendem Ausdruck sinnlichen Empfindens


    Nun bleibt noch eine Interpretation dieser Tondichtung zu nennen, ich habe das Werk kennen und schätzen gelernt in der Aufnahme von Riccardo Muti und bin bislang, insbesondere mit dem Kampanien-Satz, so zufrieden, dass sich gelegentliches Vergleichshören noch nicht in einer zusätzlichen Erwerbung ein notwendiges Ergebnis gefunden hat...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Ich kenne nur die Aufnahmen mit Kempe (im Rahmen der empfehlenswerten Gesamtaufnahme der Strausschen Orchesterwerke bei EMI) und mit Zinman. Beide fand ich erhellend auf dem Weg zu Don Juan op. 20. Ferner ein netter Vergleich mit Berlioz: Harold en Italie. - Der letzte Satz ist natürlich glänzend.


    Zum Hören wärmstens empfohlen.

  • Seit meiner Jugend ist das eines meiner Lieblingsstücke. Ich bin auch mit meinem Kempe hochzufrieden.
    Das Stück ist auch im Detail interessant - es kommt als Klanggemälde daher, hat aber auch harmonisch schon einige zu bieten.

  • @ Forenleitung


    Bei der sorgfältigen Ausarbeitung mit Bild zur eingehenden Betrachtung durch Novecento ist mir der Gedanke gekommen, ob neben dem Opernführer TAMINO nicht auch einen "Führer durch die Symponische Programmmusik" auf den Markt bringen könnte.


    Das hätte den Vorteil, dass solche eingehenden Beschreibungen, alphabetisch unter dem Komponistennamen erfasst, nicht eine Woche nach Erscheinen abtauchen, sondern jederzeit gezielt aufgerufen werden können.


    Ich stelle das Thema zur Diskussion. Ein vernüftiges Konzept zur Gliederung wäre im Vorfeld unerlässlich


    :angel:
    Engelbert

  • Das ist eine spannende Idee, lieber Engelbert. Allerdings muss man das nicht korsettmäßig systematisieren. Bei Tamino ist alles über die Suchfunktion zu finden, selbstverständlich auch über das Threadverzeichnis.


    Bei den Abbildungen wären ggf. Urheberrechte zu klären (jedenfals da, wo sich Tondichtungen auf Bildwerke beziehen, wie etwa in Regers Böcklin-Suite).


    Über einen Thread zu Regers Böcklin-Suite habe ich selbst schon nachgedacht.


    Sei Dir aber bewusst, was für ein Riesenfass wir öffnen, wenn wir die ganze Ostblockmusik hinzunehmen, von Heimo Eller über Ciurlionis, Themenvergleichen zwischen Strauss, Melikov oder dem Sorben Jan Raupp (alle drei haben sich mit dem Thema "Metamorphosen" auseinandergesetzt) oder Strauss und Glebikov (beide vertonten "Till Eulenspiegels lustige Streiche"), die wunderbaren "Stalaktiten" von Bajoras dürfen dann auch nicht fehlen, abensowenig wie Nationlasprachler wie Novak oder Enescu etc.


    Aber lass' uns uns gerne zusammentragen, was hier zusammenzutragen ist.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Meinen Dank an Novescento für den mühevollen Einführungsbeitrag zu
    Aus Italien.


    Die Sinfonischen Dichtungen von Richard Strauss sind es wert alle jeweils in einem Thread betrachtet zu werden. Einige wie Also sprach.., Heldenleben, Don Juan, Alpensinfonie, und daneben auch die Metharmorphosen und die Jugendsinfonien, sind ja bereits vorhanden.
    !!! Im Themenverzeichnis sind allerdings nicht alle aufgeführt !
    Ich hätte schwören können, dass wir das Thema Aus Italien schonmal behandelt haben. Aber das war wohl doch an anderer Stelle und bei Tamino nur kurz im Don Juan-Thread.


    Die Kempe - Aufnahme (EMI/Brillant) wurde ja schon mehrfach erwähnt. Diese war bei mir als Tonbandaufnahme aus dem WDR auch meine erste erfreuliche Begegnung mit dem Werk und gehört, wie man sicher ohne Verwunderung feststellen kann, zu den besten Interpretationen von Aus Italien.


    Es spricht eindeutig für das Werk, dass auch die Muti-Aufnahme (Philips) von Aus Italien, bei novescento guten Anklang fand.
    :wacky: Diese Aufnahme kaufte ich später als Erste auf CD und war ziemlich entäuscht, weil der Italiener Muti gar kein italienisches Temprament versprüht und erst am Schluß der CD beim Neapolitanischen Volksleben wach wurde. Der etwas gedeckte Klang der CD war auch nicht der Beste. Mein Verdruss über diese CD ist aber eindeutig auf die absolut lahme Interpretation von Don Juan auf dieser Philips-CD zurückzuführen. So nichtssagend habe ich das noch nie gehört !


    :yes: Ich suchte lange Zeit nach der brillanten Ashkenazy-Aufnahme von Aus Italien (die mal im Rundfunk lief). Erst Jahre später konnte ich diese in der hochempfehlenswerten Richard Strauss-GA-6CD-Box der Tondichtungen von Decca erwerben, in der die Dirigenten Metha, Dorati, Dohnanyi, Maazel und Ashkenazy mit ihren besten Aufnahmen vertreten sind.


    Ashkenazy trifft den Ton des Werkes noch am besten und läßt italienisches Feuer sprühen, das mit einem glänzenden Abschluß im 4.Satz Neapolitanisches Volksleben gipfelt. Das er von bester Decca-Klangtechnik unterstützt wird, braucht man schon gar nicht mehr zu erwähnen.


    *** Die erwähnte Decca-6CD-Box ist derzeit nicht im Handel. Die hatte ich Ende der neunziger bei unserem wrhepartner jpc erworben.
    Die Ashkenazy-Decca-CD als Einzelausgabe (gekoppelt mit Don Juan) ist bei amazon zu haben (ohne Abb).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton


    Es spricht eindeutig für das Werk, dass auch die Muti-Aufnahme (Philips) von Aus Italien, bei novescento guten Anklang fand.
    :wacky: Diese Aufnahme kaufte ich später als Erste auf CD und war ziemlich entäuscht, weil der Italiener Muti gar kein italienisches Temprament versprüht und erst am Schluß der CD beim Neapolitanischen Volksleben wach wurde. Der etwas gedeckte Klang der CD war auch nicht der Beste. Mein Verdruss über diese CD ist aber eindeutig auf die absolut lahme Interpretation von Don Juan auf dieser Philips-CD zurückzuführen. So nichtssagend habe ich das noch nie gehört !



    Die schlechte Beuteilung überrascht nun doch etwas. Der Don Juan ist zugegebenermaßen im Vergleich etwa zu Karajan oder Furtwängler nicht der Rede wert, doch Aus Italien finde ich keineswegs so schlecht. Ich habe Järvi noch im Ohr (zugegeben nicht unbedingt der erste Name, der einem dagür einfiele) doch der war mir zu hart und unruhig.


    Ich werde wohl doch noch die Kempe-Box kaufen müssen... ;(


    An sich mag ich aber bei dem ersten und dritten Satz die Zurückhaltung Mutis eigentlich sehr gerne, es ist eher gelassen als fordernd, so, wie er es "nach dem Aufwachen" im Finale angeht, wäre mir die Interpretation bei weitem zu arg.


    Insofern hätte ich wohl auch mit Ashkenazy ein Problem.


    Ich mag es zwar schon gerne, wenn bei Stücken regelrecht die Funken sprühen, doch gibt es eben auch Werke, in denen ich den träumerischen Aspekt liebe.
    Ansonsten greife ich zur 1812-Ouvertüre mit Barenboim und echten Kanonen... :]



    Auf jeden Fall würde ich mich über eine Beschreibung von Kempes Ansatz ssehr freuen.
    (Im Idealfall als Interpretationsvergelich zu Muti :P

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Eine auch historisch sehr bemerkenswerte Aufnahme von 'Aus Italien', die nun die Interpretationsauswahl eines meiner liebsten Werke erweitert, ist jene von Clemens Krauss aus dem Jahr 1954.


    Krauss ist nicht nur Zeitgenosse des Komponisten, sondern ja auch einer der renommiertesten Strauss-Interpreten überhaupt, wobei natürlich die Tatsache, dass die beiden enge Freundschaft und intensive Zusammenarbeit ( Krauss hatte Anteil am Libretto von 'Capriccio')verband, was ihn, sieht man von Aufnahmen des Komponisten selbst ab, zum Maß aller Dinge in Sachen Strauss-Dirigate macht.



    Nur kurz vorweg: Die Klangqualität ist, obgleich MONO, hervorragend, diesbezüglich hat man keine nennenswerten Beeinträchtigungen hinzunehmen.
    Das Aufnahmedatum 1954, Krauss' Todesjahr, gewährt einem hier einen Einblick in die Zeit des Komponisten mit einer Tonqualität, die auch noch für unsere Zeit mindestens zufriedenstellend ist.


    Zur Interpretation selbst ist zu sagen, dass ich sie als die beste des Stückes ansehe. Sie vereint die Stärken von Mutis gefühlvoller, sanfter Interpretation mit der Spannung von Kempes Aufnahme - ja, inzwischen habe ich sie - zu einem herrlichen Ganzen.
    Krauss lässt der Musik in den Sätzen 1 & 3 jene Zeit zur Entfaltung, die die einkomponierte entrückte Schönheit voll erblühen lässt, etwas, das ich bei Kempe gelegentlich vermisse.
    Überhaupt ist 'Auf der Campagna' vom ersten Takt an absolut meisterhaft; unglaublich detailreich, klangschön und empfindsam baut Krauss hier ein faszinierendes Landschaftsbild auf.
    All das, was 'Aus Italien' für mich so wunderbar macht, vermag er in seine Interpretation einzufangen.


    Es ist eigentlich völlig unverständlich, weshalb dieses Werk im Vergleich zu seinen anderen Tondichtungen sowohl im Konzertbetrieb als auch in der Diskographie derat geringe Beachtung erfährt.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)