ANMERKUNGEN ZUR OPER 'HAGITH'
Karol Szymanowksi versucht in seinem Einakter zwischen den biblischen Ereignissen um König Davids letzte Lebenszeit und seinem eigenen Entwurf eine Paralelle zu ziehen. Es kommt aber nur zu einer Variation, weil die Chronisten der Bibel präzise formulieren und ihre Akzente völlig anders setzen. Zum Zwecke des Austausches von biologischer Wärme mit dem alten König wird Abisag aus religiösen und patriotischen Erwägungen freiwillig die Bettgenossin des Königs. Es heißt im Alten Testament ausdrücklich: „Der König erkannte sie nicht!“ Die Liebe Adonijas, des viertältesten Sohnes von König David, hatte die Sunamitin zurückgewiesen. Die Mutter des erwachsenen Königssohns war Haggit, eine der acht Hauptfrauen des alten Königs.
Die Idee, durch den Austausch frischen Blutes die Lebenskraft wieder aufzuforsten, beschäftigte auch einige Renaissance-Päpste, doch auch hier versagte die ärztliche Kunst. Die Knaben, welche angezapft wurden, um ihr Leben für den Heiligen Vater zu lassen, hatten die falsche Blutgruppe.
Abgesehen von der historischen Unstimmigkeit ist dem polnischen Wegbereiter der Klassischen Moderne ein großartiger Wurf gelungen. Die Charakterzeichnungen der Hauptpersonen sind messerscharf und in atemberaubender Spannung drängt die Handlung vorwärts - unterstützt von der Dynamik einer expressiven Musik.
Karol Szymanowski komponierte insgesamt zwei Opern. Bedeutender als 'Hagith' ist 'König Roger'. Die Handlung entführt den Zuschauer in ein imaginäres Byzanz. Der Komponist setzt sich in diesem mystischem Werk mit religiösen und ethischen Werten auseinander.
In der packenden Inszenierung des Opernhauses von Breslau wird auf den Ausflug ins Gebirge verzichtet.
Der alte König ist zudem an den Pocken erkrankt, die den Kopf und das Gesicht in verheerender Weise entstellen. Die beklemmende Atmosphäre fängt die Regie geschickt ein. Die historisierenden Kostüme und die monumentale Bühnendekoration des königlichen Schlafzimmers mit Durchblick auf den Gang unterstützen die eindringliche Darstellung der Protagonisten und Statisten. Das Beängstigende der Situation überträgt sich auf den Besucher. Die Jungfrau wird im Finale nicht gesteinigt, sondern der aufgehetzte Mob, der wie die Insassen einer Irrenanstalt auf den Betrachter wirkt, erdrückt das verstörte Mädchen mit seiner Körpermasse im Bett des Königs.
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Siehe meine Inhaltsangabe im Opernführer!
Kommentare im TAMINO gibt es bereis aus der Zeit, als die DVD erschienen ist. Ich erinnere mich an Edwin Baumgartner.
Engelbert