Verdauliche und unverdauliche Klassik ?

  • die Idee zu diesem Thread verdanke ich BigBerlinBear, der im Zusammenhang mit Tschaikowskis 6. Sinfonie (die er nicht mag) folgendes schrieb:


    BBB schrieb:


    [Zitat]
    Hm also nur um der Vollständigkeit halber die Tschaikowski-Sinfonien kaufen ? Dazu ist mir mein Geld zu schad ! Ich habe im "klassischen" Sinn auch keine Sammlung[
    Also in sofern bin ich schon "Konsument" und ich lasse aussen vor, was mir als unverdauliche Kost bekannt ist.
    [/Zitat]


    Ich kann die Aussage irgendwie nachvollziehen.
    Allerdings vertrete ich einen anderen Standpunkt:


    Mein Musikalischer Kernpunkt ist "schöne" Musik, im Sinn von "galant", "erhaben", "geformt", "Symmetrisch"
    "lieblich", "majestätisch" und "triumphierend"


    Das höre ich zu "Unterhaltung" Da ist nichts sperriges, nichts sprödes, nichts abstoßendes,nichts düsteres, deprimierendes, und "unverdauliches" schon gar nicht :happy:


    Würde ich mich jedoch darauf beschränken, nur solches zu hören, meine Sammmlung wär viel kleiner als sie ist. Es gibt aber in meinem Falle eine zweite Schiene, die ich zur Musik (und auch zur Malerei) habe, das ist der historische Aspekt, der mich ebenso interessiert.


    Am Beispiel eines Bildes ist es besser erklärbar:
    Es ist beispielsweise (für mich) faszinierend durch Rembrandts "Anatomie des Dr Tulp" Einblick ins medizinische Geschehen des 17. Jahrhunderts zu bekommen, obwohl es dort sicher nicht gut gerochen haben mag, und das Thema an sich unerfreulich ist.


    Ähnlich geht es mir beispielsweise mit Bartoks "Wunderbarem Mandarin". Eine ekelhafte Geschichte, eine Musik, die ich nicht mag, ABER sie ist in meinen Augen ein Stück europäische Kultur, die man kennen sollte, nebst Umfeld, Entstehungsgeschichte etc. und ich würde sicher etwas vermissen, wenn ich das Werk nicht abrufbereit hätte, nebstbei kann man drüber mit Bekannten oder im Forum drüber diskutieren.


    Aus diesem, und anderen Gründen, versuche ich, wenn auch in kleinen Dosen, auch jene Musik su sammeln, die nicht die meine ist, wobei ich zugebe, daß es auch hier (willkürlich gezogene) Grenzen gibt.


    Wie haltet Ihr das ?
    Achtung: Die Frage ist hier NICHT, welche Musik ihr mögt, oder ablehnt (Da haben wir einen anderen Thread dazu, sondern, wie ihr mit "anerkannter" Musik umgeht, die Ihr nicht mögt.


    Gruß
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    dann will ich mich einmal an den Versuch einer Antwort wagen.
    Natürlich höre ich ebenfalls gerne das Gute, Schöne, Wahre, aber eben nicht immer, sondern manchmal muß es auch sperrig, eckig und kantig sein. Und auch das Schöne finde ich oft noch schöner, wenn es nicht stromlinienförmig daherkommt, sondern wenn man noch Konturen erkennen kann.


    Dabei bekommt natürlich nicht jeder Musik die Methode, sie "gegen den Strich zu bürsten" oder Brüche sichtbar machen zu wollen, wo gar keine sind. Aber das ist ein anderes Thema...


    Alles (oder jedenfalls fast alles) ist bei mir sehr stimmungsabhängig: manchmal mag ich mich einfach der glattpolierten Maschinerie einer Karajan-CD aussetzen, manchmal gehts mir auf den Keks, manchmal schätze ich die analytische, aber musikalische Fleischlosigkeit eines Scherchen, am nächsten Tag ist es grauenhaft...


    Mit den unverdaulichen Werken gehts mir ähnlich: hier hat sich, wie in so vielen Dingen, die Erfahrung bewährt, dass sich vieles im Laufe der Zeit relativiert: wichtig ist nur die Beharrlichkeit und der Wille, doch noch etwas an einem Stück zu finden, das einem zuerst überhaupt nicht zusagt oder bekommt; doch noch dranzubleiben und nicht nach dem ersten Hören für immer wegzulegen. So gebe ich auch grundsätzlich keine CD/LP weg, die mir nicht gefällt, sondern vertraue darauf, dass es irgendwann einmal doch noch "Klick" macht. Viel großartige Musik wäre für mich rettungslos verloren gegangen, wäre ich meinem ersten Impuls stets gefolgt, genau wie bei den Interpretationen.


    Allerdings gibt es auch hier Grenzen, die ich mir nicht weiter zumute, wie im Falle des Hubschrauber-Quartetts von Stockhausen oder ähnlich gelagerte Fälle...


    Das fürs erste.


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • Hallo Alfred,


    Deine Themeneröffnung möchte ich so zusammenfassen: Wunsch nach möglichst großer Souveränität. Begriffe wie "galant", "erhaben", "geformt", "symmetrisch", "lieblich", "majestätisch" und "triumphierend" wecken einen Musikgenuss, bei dem sich sowohl der Komponist, wie der Interpret und der Hörer verstanden fühlen, als eigenständige Persönlichkeiten und in verständnisvoller Gleichberechtigung. Wenn sich etwas hierin nicht integrieren lässt wie Bartoks „Wunderbarer Mandarin“, so zeigt das historische Interesse eine weitere Ebene der Souveränität, mit dem Stoff umzugehen.


    Als Mathematiker kann ich es bestens nachvollziehen. In Form und Symmetrie geht Musik ja direkt über in mathematische Strukturen.


    Was ist mit der dunklen Seite, dem Unverdaulichen, Abstoßenden, Ekelhaften? Uwe hat es in seiner Antwort als „glattpolierte Maschinerie“ und „Fleischlosigkeit“ charakterisiert. Uwe, wenn etwas so klingt, was ich bei Karajan öfters, bei Scherchen nur selten so empfinde, tu ich es weg. Ich habe mich schon von manchen Aufnahmen getrennt, auch von solchen Interpreten, die mir sonst sehr wichtig sind.


    Das Unverdauliche kann zwei Ursachen haben, die sich allerdings wohl nicht klar trennen lassen: In unverdaulichen Stücken oder Interpretationen kann etwas stecken, woran sich die Souveränität der eigenen Wahrnehmung noch reiben muss. Ich glaube jedoch, dass dies vom ersten Höreindruck an bewusst ist. Bei solchen Aufnahmen bleibt von Beginn an etwas zurück, das einen nicht mehr loslässt, und das erzeugt einen ganz eigenen Reiz.


    Unverdaulich kann aber auch die schmerzhafte Erfahrung sein, wenn im Musikbetrieb bestimmte Verhaltensweisen und Intrigen dominieren, die aller eigenen Souveränität höhnen und diese direkt verletzen. Das große Beispiel war die Enttäuschung Nietzsches über Wagners Entwicklung in Bayreuth.


    Gerade in solchen Momenten können Werke voll innerer Heiterkeit, für mich zum Beispiel bei Haydn oder Ravel, beruhigen. Nietzsche hat dann französische Musik gehört und seine Schrift „Menschliches Allzumenschliches“ geschrieben (übrigens auch mit vielen Ideen zur Musik).


    Viele Grüße nach Wien,


    Walter

  • Hallo allerseits,



    einer meiner Ersten Gedanken war beim Lesen, dass man sich bei diesem Thema und der Einschränkung von Alfred auf einen extrem schmalen Grad befindet.


    Zitat

    Die Frage ist hier NICHT, welche Musik ihr mögt, oder ablehnt


    Das noch einmal aus dem Einführungsbeitrag, als Alfreds Einschränkung.


    Ich mach dies hier jetzt erstmal, um mir selbst über diese 'enge' Thematik bewusst zu werden...


    Wenn ich jetzt zu diesem Thema etwas schreiben würde, hätte ich erst einmal diesen Satz im Kopf formuliert:
    Man muss hier unterscheiden zwischen dem, was einem nicht gefällt, was man nicht mag, und zwischen dem, was man nicht verdauen kann, was man nicht verträgt.


    Alfred hat aber genau das ausgeschlossen:

    Zitat

    wie ihr mit "anerkannter" Musik umgeht, die Ihr nicht mögt.


    Also haben wir hier doch das nicht mögen drin! Ist das jetzt ein Widerspruch?


    Ich denke nein.


    Es war sicherlich anders gemeint. Wir sollen nicht schreiben: "Ich mag moderne Musik". Darum soll es hier nicht gehen.
    Sondern die Umgehensweise mit dieser uns ferne stehender Musik.


    (Ich verstehe das jetzt immer mehr :wacky: )


    Die Umgehensweise mit der Musik, die man nicht mag.


    Wenn etwas beim menschlichen Körper verdaut wird, dann wird es so ‚zerlegt’, dass die brauchbaren Inhalte gefiltert werden und eben auch mal benutzt werden.
    Alles was der Körper nicht ‚zerlegt’ kommt wieder aus dem Körper raus – unverdaut!


    Ich will mal versuchen, dass auf die Musik zu beziehen.
    Wenn wir Musik hören und sie brauchbar für uns ist (oder auch nur Brauchbares enthält), dann beschäftigen wir uns damit! Wir zerlegen es. Forschen vielleicht hier und dort einmal nach. Informieren uns. dann wird es vielleicht erstmal beiseite geschoben (wie wenn im Körper Reserven angelegt werden) und zu einem späteren Zeitpunkt wiederum gebraucht. Dort wird dann gefiltertes Wissen und Material benutzt. Es kommt vielleicht zum Einsatz (wie es irgendwelche Proteine etc. im Körper tun).
    Sollte uns die Musik jedoch nicht schmecken, dann geht sie eher ins eine Ohr rein und auf der anderen Seite wieder raus. Unbenutzt. Nicht ungehört, aber wahrscheinlich unbearbeitet. Es bleibt unverdaut…



    Ich glaube jetzt bin ich mir über das Allgemeine im Klaren.
    Wie ist es jetzt bei mir?


    Bekannte Musik, die ich nicht verdauen kann – die ich nicht mag.
    Ich denke es ist immer noch eine schwierige Frage.


    Aber ich handhabe das eigentlich wie Alfred. Kulturwerke, bedeutende Werke für eine Entwicklungstendenz, einen Entwicklungsschub oder anderen historischen, musikalischen Hintergründen sollten mehr oder minder schon bekannt sein.
    Da ist auch mein Ergeiz, wenigstens solches angeschnitten zu haben. Ich muss mich, im Gegensatz hier zu Alfred, nicht noch vertiefen. Heißt die Entstehungsgeschichte und andere Werkinformationen gedenke ich mir nur anzueignen, wenn auch größeres Interesse daran besteht.
    Und dazu sollte ich das Werk auch verdauen können…sonst wird ein etwaiges Interesse eher unwahrscheinlich sein und bleiben.
    Ein anderes Ziel ist aber auch, schwer verdauliche Kost bis zum Ende zu kauen und runter zu schlucken! Ich denke da werden mir viele, wenn nicht sogar alle, beipflichten, dass dies nicht immer leicht ist!!! Manchmal würde man gerne einfach auf Stop drücken und eine andere CD einlegen…



    Um Alfreds Frage mal etwas auf den Punkt zu beantworten:
    Kennen lernen -- manchmal durchbeißen – manchmal auch nicht -- eine ‚Weiterbildung’ nur nach bestehendem Interesse.
    (Ich hoffe ich habe deine Frage damit beantwortet:D )



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Lieber Alfred,


    ich freue mich, daß Du diese alte Geschichte wieder ausgegraben hast
    und wie damals, werden sich auch jetzt "die Geister daran scheiden" !
    Das fängt einmal schon mit den Definitionen an: was bitte ist "erhaben","majestätisch", "triumphierend" ??
    Kennen wir das nicht alle:
    Schlagen gewisse Szenen, die der gute Meyerbeer z.b. ganz gewiss als "erhaben" konzipiert hatte, nicht hin und wieder ins lächerliche um, wenn der des "Guten einfach zu viel" tut ?


    Kommt das "majestätische" in Händels "Judas Maccabaeus" nicht manchmal zu plump und vor allem zu "unraffieniert" daher, wenn man von DDur/bzw.CDur-Geschmetter regelrecht erschlagen wird ?


    Ist Mozarts cmoll-Messe weniger "majestätisch" nur weil sie hin und wieder auch krasse Helldunkel-Kontraste setzt ?
    Ich denke nein.


    Die Antwort ist wahrscheinlich viel simpler und wird in einem norddeutschen Sprichwort "Watt dem einen sin Uhl (Eule), ist dem annern sin Nachtigall" treffsicher zum Ausdruck gebracht.


    Nicht jeder ist für jede Musik gemacht, ich kenne jemanden in einem andern Forum, der beim Hören Bachscher Musik Bauchschmerzen bekommt, der jedoch gerade im Bereich der Hoch-und Spätromatik so kompetent ist, daß ich immer noch von ihm lernen kann.
    Also werd ich den Deibel tun und es schön unterlassen, ihn "missionieren"zu wollen: davon hätten wir beide nichts.


    Ein Freund von mir, der Italiener ist, hält den Komponisten Ildebrando Pizzetti für einen der bedeutendsten Tonsetzer der Musikgeschichte und vertritt damit eine Auffassung, die zu teilen ich nicht gewilt bin.
    Und gerad er war es, der meinen Horizont in mannigfacher Weise zu erweitern half. Trotzdem ist es so, daß der, der viel kennt, viel lernt und vor allem auch die Möglichkeit erwirbt, das Erlernte weiterzugeben, was ich in einer Zeit von BigBrother, niederschmetternden Pisastudien und wachsender "Unbildung" einfach für immens wichtig halte !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Ich würde sagen, vieles erschließt sich wirklich erst nach mehrmaligen hören und der Beschäftigung damit.


    Natürlich habe ich schon oft den Satz gehört: "wenn ich etwas sch.... finde dann höre ich mir das doch nicht nochmal an..."


    In der Klassik läuft das aber gerade so. Zu oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich für manche Werke einfach noch Zeit brauche.
    Da stehen sie Jahrelang im Regal, einmal angehört und dann eines Tages ein erneuter Griff und totale Begeisterung und unverständnis über das damalige Urteil.


    Momentan empfinde ich Bruckners Symphonien als unglaublich langweilige und effektierte Musik.
    Aber das liegt nur daran, dass ich bis jetzt keinen Zugang dazu gefunden habe.
    Viele werden auch Lully oder Barockmusik als langweilig empfinden, genau aus den selben Gründen, das hat nichts mit der Qualität der Musik zu tun.
    Doch ich weiß, dass ich irgendwann den Zugang auch zu Bruckner bekommen werde.


    So verhielt es sich mit Monteverdi und mit Mozart...


    Bei zeitgenössischer Musik wird oft verkannt, dass es nicht unbedingt um Musik im herkömmlichen Sinn handelt. Sie ist bildende Kunst und bei vielen Werken hat man ohne Vorbildung keine Chance einen Zugang zu bekommen, geschweige denn sie zu verstehen.
    Leicht kann man sich hinstellen und laut lachend herausproleten: "Was für ein Mist und für soetwas werdet ihr auch noch bezahlt - Ihr habt nicht mehr alle Steinchen in der Rassel etc, was will uns der Künstler damit sagen.... " eben die üblichen Stammtischparolen über Kunst.


    Genauso lächerlich ist das Verhalten sich in jedes Konzert von Cage und Stockhausen zu setzen und dabei ein wissendes Gesicht zu machen - keine Ahnung, aber es toll finden, weil - man will ja intellektuell sein :kotz:


    Niemand kann mir erzählen, dass er es genossen hat wie drei ältere Herren mit Vorschlaghämmern ein Klavier bearbeiten (aßer ihnen selbst vielleicht).
    Dahinter steckt etwas anderes was ich selbst noch nicht begriffen habe, wer weiß ob ich es jemals verstehe.
    Man muß sich mit der "Fluxus - Bewegung" auseinandersetzen um das zu begreifen.


    Vergleiche zwischen dem was Heute gemacht wird und dem was Mozart und Beethoven machten erübrigen sich ohnehin, denn das ist etwas ganz anderes. Genauso wie in der übrigen bildenden Kunst.


    Das so etwas manchmal nicht verdaulich ist, ist nur zu klar und vielleicht auch gewollt. Nicht immer steckt ein Sinn hinter einem Werk, oft geht es nur um den Schaffungsprozess, wie reagiert das Material, wie reagieren Personen, was empfinde ich dabei...

  • Obwohl die Metapher der "Verdaulichkeit" nicht schlecht ist, mag ich sie dennoch nicht sehr, hauptsächlich wegen des Umkehrschlusses: ich möchte Musik, die ich schätze, nämlich i.d.R. nicht auf "Verdaulichkeit", auf ein Verschwinden nach genußvollem Konsum reduzieren. Ein Aspekt erfolgreicher Kunst ist IMO, dass man nie mit ihr "fertig" ist, sondern immer neues entdeckt, herausgefordert wird.
    Bei Musik, mit der ich wenig anfangen kann, versuche ich ebenfalls nicht zu schnell aufzugeben, durchaus auch ein paar Jahre verstreichen zu lassen. Ich erinnere mich noch zu gut, wie ignorant ich mich selbst als ziemlich erfahrenen Hörer gegenüber Musik, die ich heute sehr schätze, verhalten habe.
    Natürlich wird einen nicht alles gleichermaßen naheliegen, aber vielleicht doch mehr als man denkt. Das sich einhören in fremde Stile kann allerdings relativ viel Zeit kosten.


    @Lullist: Ich halte es auch bei zeitgenössischer Musik für eine große Ausnahme, "dass es nicht unbedingt um Musik im herkömmlichen Sinn handelt", sondenr um eine Art Performance. Vielleicht erregen diese Ausnahmen die meisten Schlagzeilen, was aber nichts daran ändert, dass der überwiegende Anteil "ganz normale" Musik ist. Boulez, Ligeti oder Carter machen genau das, was Beethoven und Mozart machten.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    na klar hinkt der Vergleich.
    Vielleicht sollte man es aber noch etwas anders betrachten:


    Ich stell mir vor, ich esse etwas ganz bestimmtes und dort sind wichtige Inhaltstoffe drin, die mein Körper herausfiltert. Das wird dann gebraucht und ist, wie du sagtest, verschwunden.
    Wenn ich mir eine CD anhöre und sie verarbeite und damit arbeite und inhaltliches gebrauche, dann ist dieses Wissen vielleicht einmal aufgebraucht. Vielleicht wird es auch einmal vergessen...Dann legt man diese CD irgendwann wieder ein und filtert zusätzlich zu den schon beim ersten Mal (oder bei den ersten mehreren Hördurchgängen) gefilterten Inhalten und Wissensaspekten Neues heraus. Man kann noch tiefer eindringen.
    Ein Gericht oder ein bestimmtes Produkt wird ja auch nicht unbedingt nur ein einziges Mal zu sich genommen. Man isst es vielleicht dieses Wochenende und dann noch einmal in zwei Monaten. Beim ersten Mal hat der Körper weniger herausgefiltert, als beim zweiten Mal. Einfach weil er mit diesen Neuen Inhaltsstoffen noch nichts anfangen konnte.


    Also muss doch verdauen nicht unbedingt verschwinden sein.
    Wiederholtes zu sich nehmen bedeutet auffrischen - das braucht eigentlich jedes menschliche Gehirn.



    Auch ich gebe nicht beim ersten Mal auf, wenn mir Musik nicht gefällt. Aber bei diesem ersten Versuch wünsche ich mir manchmal echt, dass es schon vorbei wäre.
    Wenn ich dann in der richtigen Stimmung bin, dann kommt es zu einem erneuten Hörversuch. Manchmal klappt es, manchmal auch nicht...
    Beim Essen ist es doch auch so, dass man immer und immer wieder Nahrung zu sich nimmt, die der Körper nicht verwerten kann...
    (Wie gesagt, der Vergleich hinkt...)


    Okay...langsam kriegt man nen kochenden Kopf von diesem Hin und Her...


    Aber ich hoffe ich konnte wenigstens noch etwas auf deine Meinung eingehen :wacky:



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Salut,


    für die Metaphophilen:


    Wenn mir gerade nach einer 250g-Tafel Schokolade gelüstet, dann werde ich diese genussvoll verspeisen. Dabei ist mir egal, ob die Inhaltststoffe gesund oder weniger gesund sind. Der reine Genuss zählt. Und die Moral von der Geschicht': Nachher liegt sie dann schwer im Magen - Schicksal...


    Genauso sehe ich das bei bestimmter Art von Musik, z.B. Mozart's Requiem oder Mahler's 10. Sinfonie. Ich benötige nach dem Genuss dieser Töne immer eine ganz schöne Weile, um mich zu erholen. Diese Musik ist einfach schwer zu verkraften, das kann man nicht einfach so wegstecken...


    Grüße ins sonnige Wochenende
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Mal das Sommerloch überbrücken und einen Uralt-Thread herauskramen:




    Bitte verzeiht mir, dass ich den kompletten Text hier als Zitat angebe, aber selten hab ich eine solch pointierte Darstellung der Problematik gelesen. Jede einzelne Zeile triffts auf den Punkt. Wirkliches Kompliment, lieber Lullist :jubel: :jubel: :jubel:


    Auch ich denke, dass das schlichweg was mit Erfahrung zu tun hat. Jeder fängt irgendwann an, Musik, zu hören. Und welche Motivation steht meist dahinter: es soll schön sein, es soll gefallen. Da kann ich Alfred nur verstehen. Musik soll Genuss bereiten. Aber irgendwann hat man den Bolero 'durch', die kleine Nachtmusik kann man rückwärts mitsingen, die Vier Jahreszeiten wiederholen sich auch jedes Jahr aufs gleiche und die Moldau hat man auch mit allen Hochwassern und Dürreperioden erlebt. Man düstet nach Neuem. Ich erinner mich noch, wie meine ersten Sichten auf neues Terrain verlaufen sind: Tschaikovskis Klavierkonzert no1 :kotz: Alpensinfonie :kotz: Holländer :kotz::kotz: Im Fernsehen gabs (in den 80ern) mal eine Übertragung der Elektra (hierfür gibs gar kein Smiley in der Auswahl ). Selbst eine Zauberflöte erzeugte Unbehagen, wenn die zu singen angefingen.... Da kann man lachen drüber und heute lache ich auch drüber und kanns nicht mehr verstehen.


    Aber nun, nach über 30 Jahren Hörerfahrung und Liebe zur klassischen Musik hat sich vieles erschlossen. Mit der Elektra kann ich zwar immer noch nichts anfangen, aber zumindest würde ich einen passenden Smiley in der Auswahl finden. Aber Straussens Musik finde ich wunderbar; Wagner macht mir nicht mehr Angst; Mahler ist das Maß aller Dinge geworden und mittlerweile hab ich sogar leichten Einstieg in zeitgenössische Musik gefunden (vor einem Jahr war das meist noch gequirlte Hühnerka... für mich).


    Der Lullist hats richtig formuliert: alles braucht seine Zeit, seine Erfahrung und seine Gegebenheiten. Ich liebe derzeit Mahlersche Musik über alles, aber manchmal ist mir halt eher nach der Kleinen Nachtmusik oder Beethovens Pastorale. Mit Kammemusik tu mir momentan immer noch recht schwer, zu Lully hab ich noch keinen Draht und auch mit dem Kunstlied hab ich noch so meine 'Probleme'. Aber: ich hab noch ein paar Jährchen vor mir und die Winter sind auch in der Rente lang :yes:

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  • Ich denke, den meisten Menschen, die sich ernsthaft mit Musik beschäftigen, geht es so wie Thomas Knöchel: persönlicher Geschmack und Vorlieben bilden und verändern sich mit der Zeit und vor dem Hintergrund gemachter Erfahrungen.


    Dabei bleiben wahrscheinlich aber doch einige Konstanten: anders kann ich es nicht erklären, warum ich im Gegensatz zu früher selbst schrägste Schöpfungen noch lebender Komponisten (früher für mich ein Grund, einige Konzertsäle weiträumig zu umfahren) hören kann und manche auch schätze, aber beim Hören Brahms'scher Lieder immer noch und fast schlimmer als früher tödliche Langeweile empfinde und mich dem einfach weder zuhause noch im Konzert aussetzen möchte...Ich mag aber seine Symphonien.


    "Verdauliche" Klassik verkommt im übrigen ja auch oft zum Gassenhauer, dann kann man einiges einfach nicht mehr ertragen: bei Moldau, Nachtmusik, Tschaikowski Nr. 1 und 9. Symphonie von Beethoven muß man manchmal ein paar Jahre in den kalten Entzug gehen, um sie wieder für sich zu entdecken.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Ich gebe dem Lullisten ebenfalls durchaus recht.
    Musik "erarbeitet" man sich auch als Hörer. Man merkt erst mit dem Hören, was verdaulich und unverdaulich ist. Nur anders als die Gedärme können die Sinne und das Hirn die Unverdaulichkeit hin und wieder überwinden. Da trifft dann der Begriff "Schmerzgrenze" vermutlich besser. Das eine oder andere Stück wird als unangenehm empfunden und deshalb hört man es nicht gern.


    Grundsätzlich ist es eine Frage der eigenen Toleranz. Wer meint, nur Mozart habe echte Musik geschrieben und alles andere sei Firlefanz, der wird nicht über den Tellerrand hinaus blicken und das auch nicht wollen. Natürlich auch nicht müssen, aber ohne eigenes Urteil ist man ja nicht mal zum Vorurteil richtig in der Lage.


    Wie von Honoria Lucasta angesprochen, kann der ungezügelte Konsum jedoch auch in eine Abneigung umschlagen, wie das mit den Weihnachtsplätzchen ist. Da ist man dann nach viel Sodbrennen und Verdauungsschnaps auch froh, dass wieder ein Jahr Ruhe ist.


    Versucht man aber regelmäßig, Neues für sich zu entdecken, kann man diese Gefahr reduzieren. Da kann man sich für das Hören eines komplexen unbekannten Werkes dann mit einem Favoriten "belohnen" oder auch den Vergleich suchen, zB nach Strawinskys Violinkonzert mal die Bachkonzerte zum Vgl. hören, um die Verwandtschaft auch aktiv zu suchen. Dadurch wird klassische Musik doch auch erst spannend, indem man die Beziehungen der Komponisten durch das Hören der Werke versucht zu verstehen. Beethoven und Brahms, Mendelssohn und Bach, Mozart und Haydn etc.


    Der von Alfred Schmidt angesprochene kulturelle Aspekt sollte auch nicht fehlen. Um mitreden zu können, sollte man auch Werke kennen, die man vielleicht in ihrer musikalischen Prägung weniger schätzt, die aber unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur sind.
    Das gilt im Übrigen auch für Kunst und Literatur. Mahlers 8. ohne Kenntnis von Goethes Faust ist eben auch nur die halbe Miete.


    Zur zeitgenössischen Musik nur so viel: Auch hier gibt es gut und schwer Verdauliches. Erst wenn man hört, kann man aber diese Unterschiede für sich selbst feststellen.

  • Leider habe ich mir an "verdaulicher Musik" schon den Magen verdorben,indem ich sie zu oft gehört habe bis ich ihr überdrüssig wurde.So erging es mir mit Mahler und Wagner,auch Tchaikowskys Klavierkonzert Nr.1 erfreut mich kaum mehr.
    Da braucht es Zeit der Entwöhnung und dann die zweite Chance.
    Die sperrigen Werke erschließen sich meist erst nach mehrmaligem Hören.Haben aber durchaus ihren Reiz.Um sie verdaulicher zu machen,sollte man sie würzen mit Informationen über Komponisten und Werk.Es ist auch eine Frage der Einstellung und Erwartung,wie man an solche sperrigen Werke herangeht.Ich finde sie interessant.Sie erweitern mein Wissen,aber nicht,um damit vor anderen zu glänzen.Es ist nur meine eigene Neugier,die es zu befriedigen gilt.

    mfG
    Michael

  • Joo, Schneewittchen, hast Recht.


    Ich habe auch ein wenig (sehr dosiert) Musik auf der Festplatte, die ich nicht mag, einige Klaviersonaten von Beethoven, ein paar Symphonien von Mozart, einige Orgeleien von Bach... mehr oder weniger, weil es sehr bekannte Stücke sind, die man präsent haben sollte, oder die man sammelt, weil man den Komponisten vollständig im Zugriff haben will - und die man ab und zu mal rauskramt, um sich zu bestätigen, daß man sie immer noch nicht mag.


    Ich bewundere all diejenigen, die sich selbstkasteiend immer wieder dem Versuch aussetzen, Musik zu durchdringen, zu denen sie bisher "keinen Zugang" hatten.


    Ich kann da erneut auf meine arrogante Banausenhaltung verweisen- Asche...mal wieder - da ich weder Zeit noch Lust habe, mir den Nicht-Zugangs-Frust häufiger als alle paar Wochen einmal anzutun.


    Heißt aber nicht, daß ich nur Musik höre, die ich immer schon gehört habe, ganz und gar nicht. Neues ist stets willkommen, wird aber dann auch recht zügig in Hop und Top sortiert. Und es harrt zuviel gutes Unbekanntes, daß ich noch viel Zeit für schlechtes Bekanntes hätte.

  • Zitat

    Ich bewundere all diejenigen, die sich selbstkasteiend immer wieder dem Versuch aussetzen, Musik zu durchdringen, zu denen sie bisher "keinen Zugang" hatten.


    Das ist so wie mit den Marathonjüngern, die jede Woche 100 km abreissen und sich dann gut fühlen.
    So soll es nicht sein. Nur führt oft ein Werk zum nächsten. Wenn man dann merkt, es ist nichts, weiss man es eben. Ich finde es aber notwendig, Stücke gehört zu haben, um sagen zu können, ob sie mir gefallen oder nicht. Vieles in der zeitgenössischen Musik wird über einen Kamm geschoren, obwohl es sehr wohl gut hörbare Stücke gibt. Das wird dann begründet, indem man auf dies oder jenes von Stockhausen, Messiaen, Rihm verweist und davon ausgeht, dass alles so klingt. Das trifft nicht zu.
    Und für viele sind auch Brucknersinfonien oder Wagneropern unverdaulich, weil lang, laut und nicht locker-flockig wie Mozart oder Puccini. Auch da bedarf es oft einiger Überwindung, um sich auf solche Musik einzulassen.


    Ich empfinde es nicht als Selbstkasteiung, sondern als Erfahrung, wenn ich mich einem neuen Stück oder einem unbekannten Komponisten widme. Und wenn ich nach 15 min denke, jetzt reicht es, dann wandert die CD ins Regal und entweder hole ich sie später nochmal raus oder es war eine zu verschmerzende Fehlinvestition.
    Auch beim Abo gehe ich zu allen Konzerten, auch wenn ich weiss, dass manche nicht der Bringer sein werden. Dann kann ich aber mit Recht behaupten, dass mich diese Musik nicht anspricht und kann das auch begründen.
    Durch meinen Cellounterricht entwickelt sich auch Neugierde. Wenn mir meine Lehrerin davon Erzählt, dass sie das Lutoslawski-Streichquartett übt, dann wird das einfach spieltechnisch interessant für mich und dann will ich auch mal hören, wie das klingt. Vielleicht finde ich es zu Hause dann nicht so toll, aber immerhin im Konzert.
    Und die mittlerweile von mir geliebte Cellosonate von Schostakowitsch habe ich das erste Mal in einem Studentenkonzert gehört. Da fand ich sie noch schwierig. Aber dann habe ich sie mir ein paar Mal auf CD angehört und jetzt finde ich sie wunderschön.
    Da ist Musik nicht so viel anders wie Essen (nicht NRW, sondern Verdauung). Wenn man dabei bleibt, was man im Vorschulalter auf den Teller bekommt, bleibt das Leben geschmackstechnisch doch beschränkt.

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  • Zitat

    Die Frage ist hier NICHT, welche Musik ihr mögt, oder ablehnt (Da haben wir einen anderen Thread dazu, sondern, wie ihr mit "anerkannter" Musik umgeht, die Ihr nicht mögt.


    Da ich mich meinen Hörgewohnheiten entsprechend mehr mit den Musikepochen, denn mit einzelnen Komponisten befasse, steht bei mir natürlich einiges Anerkanntes herum, dass mir nicht gefällt.
    Befasse ich mich nun mit einem bevorzugten Komponisten, einem bevorzugten Werk näher, dann schaue ich auchzum besseren Verständnis deselbigen, was es rund um dieses Werk zur seiner Entstehungszeit noch so gegeben hat und höre mir das dann auch zu Vergleichszwecken an. Ob mir das nun gefällt oder nicht, ist nicht so wichtig, denn es geht mir ja dabei nicht um Unterhaltung, sondern um Erkenntnis. Dass damit dann auch Überlegungen verbunden sind, warum mir das eine zusagt, derweil mich das andere abstößt, ergibt sich von selbst.
    Auf Grund dieser Vorgehensweise schafft es sogar so ein Komponist, wie der Strauß, ein Komponist den ich eigentlich überhaupt nicht mag, gelegentlich (und auch ernsthaft) gehört zu werden, mit dem Ergebnis, dass mir sein Violinkonzert sogar ganz gut gefällt.


    Ja, und dann gibt es noch die "comming attractions", also Werke, die mir im Moment noch nichts sagen, die ich noch nicht verstehe, die sich mir noch verweigern, denen ich mich aber auch auf diese Art und Weise annähere. Ob mir diese dann gefallen werden: keine Ahnung, wobei das aber auch gar nicht so wichtig ist.


    Last not least gibt es aber auch noch Sachen, die mir musikalisch keinerlei Probleme bereiten, wo ich den Zugang habe und die mir trotzdem nicht gefallen. Z.B. Thannhäuser, Lohengrin, Meistersinger und der Tristan.
    Da wenigsten zwei von diesen Werken als Höhepunkte der abendländischen Tonkunst anzusehen sind, mache ich schon hin und wieder meine Annäherungsversuche, bis jetzt aber ziemlich erfolglos.


    Fazit: Es gibt genügend anerkannte Musik, die mir nicht gefällt. Ich akzeptiere das, respektiere aber den künstlerischen Wert dieser Musik, um sie dann halt eher "akademisch" denn zum reinen Genuss zu hören, wobei mich am akademischen aber auch meine Freude haben kann.


    John Doe

  • ...auch für mich ist SCHÖNHEIT wohl d i e Vorraussetzung dafür, daß ich viel Zeit und Geld auf Musik verwende...
    - nur daß ich diesen Begriff viel weiter fasse als oben Don Alfredo...
    so würde ich durchaus
    1) Bartoks 4.Streichquartett, der mir bekannten Musik der Galina Ustvolskaya eine s p r ö d e
    2) etwa den jeweils 2.Klaviersonaten von Ives und Boulez eine s p e r r i g e
    3) Lutoslawskis "Streichquartett" und B.A.Zimmermanns "Photoptosis" eine w i l d e S c h ö n h e i t zusprechen !


    SO GUT WIE GAR NICHT geht bei mir
    - Depri-Musik wie Brahms späte Klavierstücke, Schostas letztes Streichquartett
    (was hier gar nicht stimmen mag, aber diese vielen "Largo"-Sätze, nee bitte nicht !!) und die "Winterreise" !
    Ich habe eh`schon diagnostizierte leichte Depressionen (mit denen sichs passabel leben läßt) und da tieferrutschen wäre echt fies..........
    - - - g r o ß e A u s n a h m e ist hier Bartoks "Herzog Blaubart" (Kertesz) , die Mugge ist einfach zuu genial !


    VIEL ABSTAND auch zu
    großorchestraler Musik (Ausnahme Oper) ca. von Mozart bis R.Strauß/Pfitzner !
    Hmm ... mein Geist (nach buddh. Auffassung der 6.Sinn) macht bei diesen Klangmassen einfach nicht mit...
    (weiss nicht recht, wohers herrührt - mein Tinnitus scheint mir da als Erklärung doch nur nebenher zu taugen)
    ... und wenn sich doch großbesetzte Sinf./Konz. in meiner kleinen Sammlung befinden, dann Hindemith, Yun, Petterson, Schnittke
    (ist mir doch die Klangwelt des letzten Jhdts mental ein paar Hauche näher als die der beiden Jhdte davor...
    - leider voll gegen den Trend nicht nur da draußen (wußt ich eh), sondern auch hier im Forum (macht bisserl traurig...))
    - - - g r o ß e A u s n a h m e n sind hier die Vl.konzerte von Beethoven (mit J.Wolfsthal) und Sibelius (mit G.Neveu)
    sowie die Bruckner-Sinfonien 8 (Sinopoli) und 9 (Schuricht)


    NOCH MEHR ABSTAND zu
    "HITS" a la 4-Jahreszeiten, Peer-Gynt-Dornensee-Suite, Schilder einer Baustelle, Carmina burana ...
    - Assoziationen an LateinPenne, goldenenEinzelkindKäfig sind da bis heute erschreckend prägend...
    - - - g r o ß e A u s n a h m e sind da die "Brandenburgischen", v.a. in der Spielweise der "Musica antiqua Kölle" von `87


    na denn ;)
    mike

  • Wer seinen Horizont ernsthaft erweitern will, muss die Komfortzone verlassen. Ran an den Schönberg, Bartok, Stravinsky - von Späterem ganz zu schweigen. Wer emotional damit ein Problem hat, möge doch mal den ersten Satz der "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" analysieren, danach Analysen von anderen lesen und dann nochmal das Werk hören.


    "Musik, die nicht die meine ist" - kann eigentlich nur heißen: "Musik, die jetzt und hier noch nicht die meine ist". Ich möchte fast ergänzen: "... weil ich der Musik (noch) nicht gewachsen bin" - statt umgekehrt.

  • Da kann ich Dir nur zustimmen. Ich habe mir das 20.Jahrhundert auch erst 'erarbeiten' müssen.
    Wobei ich es nicht mag, wenn die intellektuelle Komponente überwiegt: Musik muss mich berühren und bewegen. Es gibt Stilrichtungen, gerade im 20. Jahrhundert, die das nicht vermögen.


    Aber ich habe für mich persönlich auch absolute Höhepunkte und Lieblingsstücke entdeckt. Durch Hilary Hahns Schönberg-Konzert habe ich mir sogar den Zauber der Dodekaphonie erarbeitet. Ich sage bewusst nicht "die Schönheit", denn diese Musik soll nicht schön sein.


    Mut zur neuen Musik, kann ich nur sagen, und damit in das gleiche Horn stossen wie Wolfram.


    Großen Dank schulde ich auch hier meinem alten Mentor in der Meerbuscher Musikschule, der uns schon als Halbwüchsige mit Ligeti, Egk, Francaix und anderen vertraut machte.

  • ...wenn das Schönberg-Vl.konzert explizit nicht SCHÖN sein soll
    (u. auch nicht - nach meinem Verständnis - auf sperrig.spröde.wilde Art und Weise),
    dann weiß ich ja, warum ich mit diesem, mit der "Lulu" u.ä. nischt anfangen kann...


    Es wird immer abendländ.-klass. Musik (irgendwo von den Anfängen der Mehrstimmigkeit bis zu den letzten UAen) geben,
    die nicht "die Meine" geworden ist - da ich noch etliche andere ernsthafte Interessen habe...
    An ehrlichem Respekt vor denen, für die klass.Musik (nahezu) DER Mittelpunkt ihres (Freizeit)lebens ist, solls mir nicht fehlen !


    - so jetzt ab ans Radio ... Jazz ist angesagt ;)


    bis bald ma
    micha

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  • Dazu fällt mir ein, wie sich meine Verdaulichkeit in den Jahren verändert hat.
    Vor knapp 2 Jahren z.B. fand ich Mozarts Klavierkonzerte noch unverdaulich. Damals wagte ich mich nur an die Sinfonien, und auch da erinnere ich mich noch wie unverdaulich für mich seine große Es-Dur Sinfonie No. 39 war.


    Das hat sich inzwischn geändert. Klavierkonzerte sind mein LIeblingsgenre geworden. Ich kann Neue Musik beim ersten Hören genießen, und früher schwer verdauliches ist nun leichte Kost.
    Jetzt sind es Mozarts Streichquartette, bei denen ich nur mühsam Zugang finde. Mal sehen ob und wann es sich ändert.


    Ich weiß ja nicht ob das mit den Jahren immer besser, und immer immer besser wird...
    Aber bis jetzt ist jedes Jahr aufs Neue ein gewaltiger Unterschied.



    :hello:



    C.

  • Zitat

    Original von pieter.grimes
    ...wenn das Schönberg-Vl.konzert explizit nicht SCHÖN sein soll


    Ist es aber natürlich trotzdem.
    So wie die Dadaisten gewissermaßen gegen ihren Willen doch Kunst gemacht haben.
    Und diese ist dann erst recht wieder schön.
    :angel:

  • Zitat

    SO GUT WIE GAR NICHT geht bei mir
    - Depri-Musik wie Brahms späte Klavierstücke, Schostas letztes Streichquartett
    (was hier gar nicht stimmen mag, aber diese vielen "Largo"-Sätze, nee bitte nicht !!) und die "Winterreise" !
    Ich habe eh`schon diagnostizierte leichte Depressionen (mit denen sichs passabel leben läßt) und da tieferrutschen wäre echt fies..........
    - - - g r o ß e A u s n a h m e ist hier Bartoks "Herzog Blaubart" (Kertesz) , die Mugge ist einfach zuu genial !


    Vielleicht wäre ein bisschen Mozart, Haydn oder Vivaldi hilfreich gegen die Depressionen? ;) :pfeif: :stumm: :untertauch:
    Mal im ernst: Ich habe neulich Blaubart im Konzert erlebt, da war ich danach echt angefressen. Das ist doch eine furchtbare Geschichte! Da kann man beim besten Willen nicht glücklich werden. Und damit meine ich nicht die Musik. Die ist hochdramatisch. Aber nix für den Karneval oder gegen Liebeskummer. Da ist mir selbst Brahms oder Schostakowitsch noch angenehmer, da hat man iregndwie noch das Gefühl eines Auswegs. Aber bei Blaubart fühlt man sich doch im tiefsten Dunkel allein gelassen.

  • Zum Glück brauche ich zum Verdauen keine Musik, ich will sie genießen. Und je schöner, desto genußvoller.


    Und ich will gar nicht die Reife für einen Henze, Nono oder sonstigen Krachmacher erreichen, die sollen für Ihresgleichen schreiben.


    Wie sagte Alfred so schön? Man darf in einem Musikforum subjektiv sein.


    Viva Vivaldi!!!


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • HEY @LUIS ;)
    don`t worry, der blaue Bartok-Bart landet nur alle paar Monate mal im Player
    - weggeben werd ich ihn allerdings niemals...
    (bin allerdings auch mit Bartoks "Musik für Kinder" am Klavier großgeworden - was deinen Einwand viell. a very little bit relativiert)


    by the way - - - als GEZIELTES Antidepressivum dient mir Telemann (übr. der nette Herr links - aus Matthias` :hello: Porträt-Galerie) and friends,
    gelegentlich älteres...
    ...darüberhinaus doch eher andre Aktivitäten als Musikhören


    Tschö...man liest sich...
    micha

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ist es aber natürlich trotzdem.
    So wie die Dadaisten gewissermaßen gegen ihren Willen doch Kunst gemacht haben.
    Und diese ist dann erst recht wieder schön.
    :angel:


    Ich weiss nicht, wo ich das aufgeschnappt habe... Schönberg und Warner sind sich, wenn ich mich recht erinnere, fast handelseinig geworden: man wollte den besten Komponisten für seine Filmmusik. Allerdings begrüßte man ihn bei der Vertragsunterzeichnung sinngemäß mit "I like your lovely music".
    Die Antwort kam wohl postwendend: "I did not write lovely music."


    Der Vertrag kam nicht zustande.


    Deshalb vermied ich schön. Aber das Stück ist m.E. von einer ganz eigentümlichen, zauberhaften Schönheit.


    Womit ich mich ein wenig schwer tue, ist sein Bläserquintett. Aber nuja, kommt Zeit - kommt Rat. Momentan ist mir für solche Musik zu warm.

    Einmal editiert, zuletzt von Travinius ()

  • Zitat

    Travinius: Schönberg und Warner sind sich, wenn ich mich recht erinnere, fast handelseinig geworden: man wollte den besten Komponisten für seine Filmmusik. Allerdings begrüßte man ihn bei der Vertragsunterzeichnung sinngemäß mit "I like your lovely music".
    Die Antwort kam wohl postwendend: "I did not write lovely music."


    Friedrich Torberg hat diese Anekdote überliefert; es handelte sich wohl um die erste Begegnung der beiden, nachdem der Deal von wohlmeinenden Bekannten Schönbergs eingefädelt worden war.


    Zitat

    Luis.Keuco:Wenn man dabei bleibt, was man im Vorschulalter auf den Teller bekommt, bleibt das Leben geschmackstechnisch doch beschränkt.


    Hey, das ist eigentlich mein Vergleich :D Ich finde die kulinarischen Metaphern ja nicht unproblematisch, aber wenn ich überlege, was ich noch mit 18 Jahren alles nicht gegessen habe (z.B. kaum Käse), paßt sie gar nicht so schlecht.
    Man müßte daher eigentlich zwischen dem ersten Geschmackseindruck und der "Verdaulichkeit" unterscheiden. Und dann noch den Sachen, die man, wie manche Süßigkeiten nur in sehr geringer Dosierung haben kann. Oder gar nicht mehr ertragen kann, wie die Lollis, die man als Kind so liebte... Oder die einen (vielleicht vorübergehend) einfach nicht mehr interessieren, auch wenn man ihrer nicht direkt überdrüssig ist, oder sie gar abstoßend findet.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Wenn man dabei bleibt, was man im Vorschulalter auf den Teller bekommt, bleibt das Leben geschmackstechnisch doch beschränkt.


    Lieber Luis,


    Gar nicht. Denn man kann schauen ob es Gewürze gibt, die das Gericht einen anderen Geschmack geben. Es bleibt dennoch dasselbe Gericht.
    Ab meiner Jugend habe ich Wiener Klassik, Mannheimer, früh Romantik und (spät) Barock gemocht. Das hat sich nie geändert.
    "Neue" Musik. Bei mir... ???? NIE !!!


    LG, Paul

  • Lieber Paul,


    im Prinzip stimme ich Dir vollständig zu - allerdings gibt es auch neue Musik, die man sich anhören kann, und die eine Melodie hat - versuch es mal mit Pärt´s Spiegel im Spiegel. Das hat schon einen gewissen Zauber.

  • Den Begriff "unverdaulich" primär auf die Moderne zu beziehen, greift m. E. etwas zu kurz, weil es auch in vorhergehenden Epochen genügend Komponisten gibt, die mit ihrem Werk Probleme bereiten.
    Ich denke dabei jetzt ganz konkret an Richard Strauss, der irgendetwas ist, aber eben mit Sicherheit nicht modern.
    Aber es muss nicht nur Strauss als solcher sein, es gibt ja auch genügend Werke definitiv anerkannter Komponisten, die zum Teil auf massive Ablehnung stoßen: Z.B. Wellingtons Sieg, die Chorfantasie und das Tripelkonzert von Beethoven. Deren "Unverdaulichkeit" liegt dann dann mehr in ihrer Vordergründigkeit und Leichtigkeit, die für manchen schon die Grenze zum Seichten überschreitet.
    Ähnliches gibt es auch bei Haydn und Mozart und bei Bach und Händel, um die ganz großen einmal zu nennen, von den anderen ganz zu schweigen.


    Ich persönlich habe ganz spezielle Schwierigkeiten - Einzelwerke außer Acht gelassen - mit französischer Musik und zwar quer Beet durch alle Epochen, wobei ein Großteil der Sachen eben keinerlei musikalische Herausforderung darstellt.


    Selbstverständlich findet man innerhalb der Modernen eine gehörige Menge unverdaulichen Zeugs, aber es ist letztendlich kein Spezifikum der Epoche.



    Viele Grüße
    John Doe

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