Weber, Meyerbeer und die Folgen

  • Weber, Meyerbeer und die Folgen



    1. Der Ursprung


    Nachdem Weber schon einige Jahre zuvor Schüler bei Abbé Vogler war, vertiefte er bei ihm seine Studien weiter in den Jahren 1810-1812 in Darmstadt.
    Hier lernte Weber Giacomo Meyerbeer kennen. Mit ihm verband ihn seitdem eine lebenslange Freundschaft.


    Beide Komponisten erhielten von Vogler den letzten Feinschliff hinsichtlich der künftigen kompositorischen Tätigkeit. Dieser Feinschliff war die Grundlage für die richtungweisenden Veränderungen bei der Behandlung des Orchester-apparates beider als noch stärkeren Mitgestalter der dramatischen Handlung auf der Bühne. Für beide stand damals schon fest, dass die Oper das Zentrum ihres Schaffens sein wird.


    Während Weber als Opernkomponist schon recht erfolgreich war („Abu Hassan“), hatte Meyerbeer weniger Erfolg, weil er im Gegensatz zu Weber seinen eigenen Stil noch nicht gefunden hatte. Daher zog er zunächst als Pianist durch die Lande.



    2. Carl Maria von Weber


    Weber ist einer der berühmtesten und bedeutendsten Komponisten die es je gab. Er galt, ähnlich wie Mozart, als ein Wunderkind. Aber völlig anders als bei Mozart hatte Weber zeitlebens gesundheitliche Probleme. Im Gegensatz zu Mozart hatte er in seiner Jugendzeit wenig Ruhe, um sich der Musik zu widmen. Wo Mozart Zeit und Muße hatte sich in seiner Jugendzeit fast völlig unbeschwert der Musik zu widmen, konnte sich das Weber aufgrund seines unsteten Lebens nicht leisten. Das ständige Herumziehen durch die Lande mit nur wenig Geld ließen seine Möglichkeiten damals immer nur beschränkt zum Vorschein kommen.


    Bereits sein Lehrer Abbé Vogler erkannte frühzeitig die genialen Züge des jungen Komponisten und verschaffte ihm 1804 als 18jährigen eine Kapellmeisterstelle in Breslau.


    In Prag und später in Dresden erwies sich Weber als Chef der Deutschen Oper als wahres Organisationstalent. Er selbst verfasste kleine Einführungsschriften zu Opern. Schon er sprach lange vor Wagner von der deutschen Oper als einem „in sich geschlossenen Kunstwerke, wo alle Teile und Beiträge der verwandten und benutzten Künste ineinanderschmelzen.“ Damit nahm Weber das theoretische Gerüst des „Gesamtkunstwerkes“ vorweg. Als Opernästhet hielt er die Verwendung von Erinnerungsmotiven als musikalisches Gestaltungs- und Charakteresierungsmittel für besonders wichtig. Hier waren Marschner und Wagner eigentlich nur die Fortführer. Weber wies dem Orchester die Aufgabe zu, das Geschehen auf der Bühne und die Seelenzustände der Figuren zu deuten und klarzumachen. Damit im Zusammenhang stehen seine gelegentlichen Bemerkungen über eine Instrumentierung zur Kennzeichnung einer Situation oder eines Charakters. Er war der Erste, der nur noch mit einem taktstock-ähnlichen Gegenstand vor dem Orchester auftrat.


    Webers Dreigestirn „Freischütz“, „Euryanthe“ und „Oberon“ waren des Komponisten eigene Beiträge, die seinen theoretischen Arbeiten und Forderungen Leben einhauchten. Schon sein „Freischütz“ ist kein von seinen Widersachern bemängeltes Singspiel mehr. Oftmals wird das Werk in die Nähe der biedermeierlich-angestaubten Opern-Operettchen „Zar und Zimmermann“, „Die lustigen Weiber von Windsor“ u.a. gerückt. Wahr ist, dass Weber schon damals eine solche Art Oper zu komponieren lange hinter sich gelassen hat. Der „Freischütz“ ist ein Musikdrama mit gesprochenen Dialogen. Schon allein die 20minütige Wolfsschluchtszene macht diesen Umstand deutlich. Diese Szene ist der Ur-Kern der Wagnerschen Musikdramen. Genauer gesagt: ohne diese Szene mit ihren kraftvoll-dämonischen Zügen, verbunden mit der düster-dramatischen Instrumentierung des Orchesters wären Wagners Musikdramen nicht möglich gewesen.


    Mit seiner „Euryanthe“, der Lieblingsschöpfung des Komponisten im Genre Oper, verfeinerte er seinen Stil. Mit jeder Note dieser Partitur kann man spüren, dass hier das Herzblut Webers einfloss. Musikdramatisch und in der Behandlung des Orchesterapparates steht er hier nach einigen wissenschaftlichen Meinungen Wagners „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ in nichts nach. Zunächst ist Webers „Euryanthe“ eine durchkomponierte Oper mit fast-wagnerischem Zuschnitt. Doch leider ist das Textbuch sehr schwach.


    Ein weiterer Aspekt der musikdramatischen Gestaltung Webers ist die persönlich-innig-emotionale Zuwendung zu Partnern, die es vorher in dieser Form und Ausgestaltung noch nicht gab: „Ich bau’ auf Gott und meine Euryanth’“ und „Zu ihm! Zu ihm! Zu ihm!“ und bei „Oberon“ mit den berühmten Hüon-Rufen der Rezia in ihrer großen Arie. Dagegen klingt Wagners „Elisabeth“- Ausruf durch Tannhäuser kalt-statisch. Erst mit seinem „Tristan“ kann Wagner in dieser Hinsicht an Weber anknüpfen.



    „Oberon“ ist ein reines Überlebensprodukt. – Aber was für eins!
    Weber, der damals bedeutendste deutsche Opernkomponist, war dankbar für den Opernauftrag aus London. Ihm war bewusst, dass seine Lebensspanne nur noch kurz bemessen sein würde. Aber er wollte doch noch heimkehren. Dennoch brauchte er das Geld, damit für seine Familie gesorgt ist.
    Weber brauchte unbedingt einen Erfolg, um finanziell erfolgreich zu sein. Daher musste er sich dem damaligen englischen Musikgeschmack beugen. Es wurde im Ergebnis eher eine lose Szenenfolge als eine Oper!
    Aber …
    …. Die musikalischen Beiträge Webers sind einzigartige Juwelen. Man fragt sich immer wieder, wie der schmerz-sterbenskranke Mann in der Lage war, noch eine so geniale Musik zu schaffen. Nicht nur, dass es dem Komponisten in wunderbarer Weise gelang, jedem Handlungsort sein musikalisches Kolorit aufzudrücken, auch beispielsweise mit der großen Rezia-Arie gelang ihm ein Geniestreich. Man erahnt von ferne Wagners Brünnhilde und auch das hier schon anklingende Schwert-Motiv wirft lange Schatten voraus.


    Zeit zum Umarbeiten des „Oberon“ hatte Weber nicht. Er starb leider kurze Zeit nach der Uraufführung der Oper in London, wo er auch zunächst bestattet worden ist. Der große Weber-Fan Richard Wagner sorgte Jahre später für die Rückführung der sterblichen Überreste Webers nach Deutschland.


    Als Webers Musik im Sommer 1826 nach Deutschland hinüberschwappte, löste sie eine noch nie da gewesene "Sommernachtstraum"-Euphorie aus, der wir z.B. Mendelssohns "Sommenachtstraum"-Ouvertüre zu verdanken haben.


    In der Folge brach über das Werk ein wahres Bearbeitungsfieber herein. Doch keine Bearbeitung erwies sich als wirklich lebensfähig. Immer häufiger griff man auf das Original der deutschen Übertragung von Theodor Hell zurück.



    3. Giacomo Meyerbeer


    Während Weber schon sehr schnell zu seinem eigenen Stil fand, brauchte Meyerbeer dafür noch etwas mehr Zeit. Nachdem seine deutschen Opern hierzulande wenig Erfolg hatten, zog es ihn nach Italien, wo er in dem durch Rossini begründeten neuitalienischen Opernstil für die dortige Bühne eine Reihe von Opern schrieb.


    Später zog er nach Paris. In enger Zusammenarbeit mit dem Librettisten Eugène Scribe führte er die große französische Oper zu einem viel beachteten Höhepunkt.


    Auch bei Meyerbeer haben wir es im Wesentlichen mit einem dramatischen Dreigestirn zu tun: „Robert la diable“ (1831), „Les Huguenots“ (1836) und „Le Prophète“ (1849).


    Meyerbeers musikalisches Hauptgestaltungsmittel ist der Kontrast. Dabei geht die emotionale Wirkung vom Sänger aus. Auch er benutzte den Orchesterapparat zur Verdeutlichung der darzustellenden Charaktere und Situationen. Dazu kommt noch seine Befähigung, sich den Kunstgeist der Musiknationen Deutschland, Italien und Frankreich anzueignen und zu einem eigenartigen Neuen zu verschmelzen. Außerdem war Meyerbeer maßgeblich an der Entwicklung der weiteren Möglichkeiten der Orchesterfarben nebst Weber beteiligt. Ebenso wie die Opern Webers sind Meyerbeers Opern musikalisch form- vollendet. Der Glanz, die Prachtentfaltung sowie seine musikdramatische Szenengestaltung blieb nicht ohne Folgen. Sein Einfluss auf Wagner (auch wenn dieser Meyerbeer konsequent bekämpfte) und Verdi war sehr stark.


    Mit großer Freude kann man zur Kenntnis nehmen, dass nun mehr seine Werke wieder häufiger auf den Opernbühnen zu erleben sind.



    4. Nachbemerkung


    Weber und Meyerbeer gehören zu den am meisten unterschätzten Komponisten. Sie führen noch immer ein Schattendasein, obwohl ihre Leistungen für die Weiterentwicklung des Musikdramas offen auf der Hand liegen.


    Mit diesem Beitrag möchte ich viele ermuntern, sich den beiden Komponisten mit einem neuen Blick auf das Schaffen dieser Ausnahmekünstler zu nähern. Vieles wird auch begreiflicher, wenn man sich intensiver mit ausführlichen Biografien beschäftigt.



    :hello: LT

  • Es gilt heutzutage als chick über Opern wie Zar und Zimmermann oder Freischütz die Nase zu rümpfen. Für mich war das einmal der Zugang zur Oper, überhaupt zum Theater. Pädagogisch wertvoll sind solche Stücke, um junge Leute an etwas bessere Musik heran zu führen. Aber die Musikgeschichte ist lang, eines Tages wird man auch diese Kostbarkeiten wieder entdecken...

  • Ich habe über den "Freischütz" nie die Nase gerümpft.


    Auch "Zar und Zimmermann" hat seine Daseinsberechtigung. Nur ihn in einem Atemzug mit Webers "Freischütz" zu nennen, habe ich kritisiert. Lortzing schrieb Spielopern, Weber war auf dem Weg zum Musikdrama!


    :hello: LT