Bach Violinsonaten BWV 1014-1019

  • Sagitt meint:


    Die Werke für Solo-Violine werden ausführlich besprochen, ihnen an die Seite sollen die sechs Sonaten für Violine und Cembalo gestellt werden. Der Bachforscher Christoph Wolff stellt diese an die Seite der Solostücke für Violine und Cello. Originale scheint es nicht zu geben, deswegen ahnt man mehr als man weiss über die Enstehungsgeschichte dieser Werke. Es sind sehr gut anhörbare großartige Werke der Violinliteratur, insbesondere die G-Dur BWB 1019 gehört zu den ganz großen Werken.


    Meine erste Aufnahme dieser Werke war Szeryng mit Helmut Walcha. Ein nach wie vor gültige Aufnahme dieser Sonaten. Szeryng immer mit großem Ton, Walcha, ein blinder Organist und Cembalist, war ein Bachgroßmeister der fünfziger und sechziger Jahre.


    Das zu besprechende "Ereignis" ist allerdings David Oistrakh mit Hans Pischner. Er hat die Sonate komplett eingespielt (bei Eterna) und die beiden letzten, eben auch die G-Dur Sonate, gab es bei der DG. Nichts davon auf CD. Die Internet-Recherche ergibt, dass es einen italienischen Anbieter die LP-Version geben soll, aber dafür muss man gut Italienisch können. Leider gibt es so wenig Bach-Aufnahmen von Oistrakh , aber diejenigen, die es gibt, zeigen einen überragenden Bach-Spieler


    Die Aufnahme ist jedenfalls großartig( ich hatte sie als LP). Oistrakh spielt Bach mit deutlich mehr Leidenschaft als Szeryng. Das kommt den Werken natürlich zugute. Man spürt die große Verehrung, die dieser Meister für Bach. Ergebnis ist eine leidenschaftliche Darbietung und man möchte dringend, dass die DG ihre Schätze in irgendeiner historischen Reihe veröffentlicht.

  • Zitat

    [...] insbesondere die G-Dur BWB 1019 gehört zu den ganz großen Werken [...]


    Salut,


    insbesondere der erste Satz der Sonate G-Dur BWV 1019 ist meines Wissen nicht gesichtert von Johann Sebastian Bach. Unzweifelhaft ist aber der 4. Satz [Adagio - h-moll] einer meiner Lieblingsstücke, wie auch die Urfassung des 3. Satzes [cantabile, ma un poco adaigo] mit Violine [die zweite "Fassung" oder eher "Variante" steht in e-moll und ist für Klavier allein]. Beide Sätze sind wegen der Chromatik absolut liebenswert und genial. Soweit mir bekannt, gibt es noch eine sehr cantable weitere Fassung des zweiten Satzes in G-Dur, bin mir aber nicht sicher, ob dieser Satz zu dieser Sonate gehört [müsste daheim nachschauen].


    Die c-moll Sonate [1017] und die h-moll Sonate [1014] liebe ich ebenfalls über alles. Auch die ersten beiden Sätze der f-moll Sonate [1018] sind mir arg ans Herz gewachsen. Zunächst der langsame erste Satz, der einen in Sicherheit auf Wolken schwebend dahinträgt mit meinem Lieblings-Trugschluss [l.H. des - r.H. f-moll], danach das zackige Fugato des zweiten Satzes - ein Sprung vom 10m-Brett!


    Toll auch der dritte Satz der A-Dur-Sonate: Man meint, mit der linken Hand ein Pizzicato zu spielen, worüber die Violine süße Melodien streicht.


    Ich habe aus diesen Bach-Werken sehr viel für meine Mozart-Studien gewonnen. Danke für diesen Thread... ich weiß, was ich heute abend tun werde...


    bien cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Sagitt meint:


    Reinhard Goebel spielt in seiner Gesamtaufnahme nicht BWV 1019,; vielleicht ist dies der Grund. Aber das, was er spielt BWV 1029a gefällt mir bei weitem nicht so gut wie das " Original"- vielleicht aber auch nur eine Hörgewohnheit. Ich hatte diese Einspielung nicht weiter erwähnt, weil Goebel sicher ein sehr spannender Dirigent und sicher auch ein sehr guter Orchestergeiger ist, aber zur Weltspitze des Geigenspiels ist es weit- zu weit für Goebel.

  • Hallo!
    Ich höre ebenfalls sehr gerne Bachs Violinsonaten.
    Als ich besonders begeistert von Cembalomusik war, habe ich mir folgende Aufnahme der Violinsonaten gekauft:


    Elizabeth Blumenstock, Violine
    John Butt, Cembalo
    von harmonia mundi france.


    Liebhabern historischer Aufführungspraxis kann ich diese Aufnahme wirklich sehr empfehlen.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut, sagitt und die anderen,


    also: BWV 1029a sagt mir jetzt ehrlich gesagt niente... ich meinte die Sonata VI G-DUR, BWV 1019. Jetzt, wo ich daheim bin, kann ich die Noten greifen:


    Es gibt also einen anderen 3. Satz zu dieser Sonate - anstelle des e-moll Klavier solo ein G-Dur 6/8 mit Violine [was ja auch mehr Sinn macht], BWV 1019a; man nennt dies "Lesart der Handschrift D".


    Hinzu kommt noch der Ersatz zum 4. Satz, was eigentlich schade wäre, das h-moll-Adagio zu kanzellieren - ebenfalls G-Dur, alla breve, Adagio - chromatisch. Ebenfalls mit dem "Untertitel": Lesart der Handschrift D.


    Ich kenne die Goebel-Aufnahme [leider] nicht.


    Beste Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Danke, Ulli, für die Korrektur, BWBV 1019 a.
    Ich meine ja, Goebel lohnt sich nicht. Wenn ich eine dritte Aufnahme nennen sollte, würde ich Suk mit der Ruzikova nennen. Suk hatte ebenfalls einen wunderbar " breiten" Violinton, nicht so Oistrakh und Szeryng, aber auch sehr schön. Leider war dies eine meiner ersten CDs von Denon Japan- so um 1983- herum. Da wurde noch sehr mit den Sound operiert. Die alten klingen ein wenig künstlich ( aber sie sollen sie ja eh in den nächsten Jahren auflösen!)


    Grüße aus Bremen
    sendet


    Sagitt

  • Salut, sagitt,


    Suk würde passen... als Urururururenkel von Joh. Seb. Bach... [?]


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von sagitt
    Sagitt meint:


    Goebel sicher ein sehr spannender Dirigent und sicher auch ein sehr guter Orchestergeiger ist, aber zur Weltspitze des Geigenspiels ist es weit- zu weit für Goebel.


    Na ja, mag schon sein, hängt aber vielleicht auch damit zusammen, daß Goebel nach einer Erkrankung seiner linken Hand sich notgedrungen mehr auf das Dirigieren konzentrieren mußte, das Geigenspiel in technischer Hinsicht gegenüber dem Zustand vor seiner Erkrankung völlig neu gestalten mußte.


    Unabhängig davon, handelt es sich bei den Duosonaten mit Gambenbegleitung ad libitum um wünscherschöne Musik. Ich weise auf zwei Aufnahmen hin, zum einen auf Laredo/Gould (mod. Flügel) - schön miteinander kommunizierende Instrumente, detaillierte Artikulation gerade auch bei Gould -, zum anderen auf Sitkovetsky/Hill (eben der Robert Hill auf einem Cembalo, mit dem auch Goebel die Sonaten eingespielt hat). Sitkovetzky und Hill sind sehr gut aufeinander abgestimmt und eingestimmt.


    Wer die Sonaten im Trio, also quasi barock, hören möchte, was ja, bezogen auf diese Werke, historisch betrachtet durchaus nicht abwegig ist, sei auf Alice und Nikolaus Harnoncort sowie Herbert Tachezi verwiesen.

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut, sagitt,


    Suk würde passen... als Urururururenkel von Joh. Seb. Bach... [?]


    Liebe Grüße
    Ulli



    Nee, Sagitt meint den Enkel des gleichnamigen Komponisten, Josef Suk und gleichzeitigen Urenkel von Antonin Dvorac.

  • Zitat

    Original von tom


    Na ja, mag schon sein, hängt aber vielleicht auch damit zusammen, daß Goebel nach einer Erkrankung seiner linken Hand sich notgedrungen mehr auf das Dirigieren konzentrieren mußte, das Geigenspiel in technischer Hinsicht gegenüber dem Zustand vor seiner Erkrankung völlig neu gestalten mußte.


    Die Aufnahmen müßten aber vor der Erkrankung entstanden sein, oder?
    Der recht extreme Stil der frühen MAK vor etwa 20 Jahren ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. Wer Oistrakh als Referenz nimmt wird wohl mit kaum einem HIP-Geiger ganz glücklich werden, allein aus klanglichen Gründen...


    Zitat


    Ich weise auf zwei Aufnahmen hin, zum einen auf Laredo/Gould (mod. Flügel) - schön miteinander kommunizierende Instrumente, detaillierte Artikulation gerade auch bei Gould -, zum anderen auf Sitkovetsky/Hill (eben der Robert Hill auf einem Cembalo, mit dem auch Goebel die Sonaten eingespielt hat). Sitkovetzky und Hill sind sehr gut aufeinander abgestimmt und eingestimmt.


    Das sind zufällig auch meine Gesamt-Aufnahmen. Sitkovetsky/Hill funktioniert trotz der Mischung von moderner Geige und nicht besonders historischer Spielweise und einem ausgewiesenen Spezialisten für historische Tasteninstrumente erstaunlich gut.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von sagitt


    Da wurde noch sehr mit den Sound operiert. Die alten klingen ein wenig künstlich ( aber sie sollen sie ja eh in den nächsten Jahren auflösen!)


    Ein wesentlicher Aspekt bei der Bewertung und Beurteilung der Duowerke Bachs wird hier angesprochen, nämlich, daß, wie Sagitt meint, "mit dem Sound operiert" wurde. Gerade die klangtechnischen Beeinflussungen/Bearbeitungen der Duowerke im Tonstudio, die ja auf dialogisches fein ausbalanziertes Musizieren angelegt sind, können sich meines Erachtens als außerordentlich problematisch darstellen, lassen sie jedoch kaum erkennen, ob vermeintliche Interpretationsdefizite auf mangelnde Kommunikation der Instrumente oder auf eine mangelhafte Aussteuerung der Klangs der Instrumente im Tonstudio zurückzuführen sind.

  • Hallo!


    Ich beschäftige mich gerade wieder mit Bachs Sonaten für Violine und Clavier.
    Mir gefallen diese Werke sehr, mehr noch als Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo (von einem ganz bestimmten Satz einer der Partiten einmal abgesehen).
    Ich habe diese beiden Aufnahmen:



    Die linke habe ich seit kurzem, die rechte seit langem.
    Was haben sie gemeinsam: Es sind HIP-Aufnahmen, und sie sind beide sehr gut. Ansonsten unterscheiden sie sich deutlich. Das fiel mir erst gar nicht auf.


    Ich hörte zuerst Schmid/Spiri und dachte mir: Genau so muß es klingen. Ich habe dann mit der anderen CD verglichen in der Erwartung, es nicht viel anders zu hören (schließlich war ich auf diese Aufnahme "geeicht") - und es war ganz anders, habe mir aber auch bei Blumenstock/Butt gedacht: So und nicht anders, da mußt Du Dich bei Schmid/Spiri verhört haben.
    So ging das hin und her, wer es nun "besser" oder "richtig" macht, weiß ich immer noch nicht, nicht mal nur für mich selbst.
    Sollte ich zu einer Entscheidung kommen, stelle ich die CD bei meinen unverzichtbaren vor.


    Der prinzipielle Unterschied ist der, daß Blumenstock/Butt auf die Extreme setzen, die Sonaten mit großen Tempokontrasten und eher "extrovertiertem Gefühl" zelebrieren. Bei Schmid/Spiri eher gerade das Gegenteil.


    Als jemand, der sowohl Goulds Goldbergvariationen als auch Goebels Kunst der Fuge gerne hört, scheine ich bei Bach-Interpretationen besonders offen für verschiedene Richtungen zu sein.


    Fazit: Beide CDs kann ich vorbehaltlos empfehlen!

  • hallo Pius,


    die aufnahme der violinsonaten js bachs mit schmid und spiri habe ich auch, undzwar in der form der erstveröffentlichung noch bei arte nova. eine sehr gute einspielung im grunde. aber irgendwie klingt es etwas akademisch bis konstruiert ! da gefällt mir carmigniolas aufnahme besser.


    meine referenz ist die aufnahme mit leonid kogan und karl richter (cembalo) bei eurodisc sowie alternativ wolfgang schneiderhahn auch mit karl richter (so meine ich) als LP bei der DG in der großen bach-edition.


    dann gibt es noch die möglichkeit, mit dem modernen flügel zu kombinieren. da ändert sich natürlich der klangcharakter. aber glenn gould macht das vorzüglich mit spärlichem pedaleinsatz. die aufnahmen wurden jeweils in den frühen morgenstunden zum leidwesen laredos gemacht. als der geiger, der IMO etwas zuviel vibrato ansetzt, anfing, es gould mit improvisierenden verzierungen gleichzutun, wurde er vom bach-meister in die schranken verwiesen, doch bitte nur das zu spielen, was im text verankert sei. ich höre diese aufnahmen wirklich gerne, weil sie neben dem typischen gould-bach-feeling auch dank des vollen laredo-tones eine so warme und musizierfreudige athmosphäre verbreiten.



    gruß, siamak

    Siamak

  • Zitat

    Original von tom



    Nee, Sagitt meint den Enkel des gleichnamigen Komponisten, Josef Suk und gleichzeitigen Urenkel von Antonin Dvorac.


    Eine relativ neue Erkenntnis der Musikforschung der letzten Jahre ist, dass Antonín Dvoráks ein Ururenkel des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach ist. Bachs jüngste Tochter Regine Susanna Bach war mit dem böhmischen Musiker Petr Venceslas Przky verheiratet. Bei Aufräumarbeiten in DvoYáks Elternhaus im Jahr 2003 fand sich eine Aufzeichnung seines Vaters, aus welcher hervorgeht, dass diese Regine Susanne Przky seine Großmutter war. ("Musicologiy Quartely", Ausgabe IV/2004).


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Um eine Übersicht über meine Aufnahmen zu gewinnen (ist evtl. eine überflüssig?), habe ich mir die Sonate c-moll BWV 1017 und f-moll BWV 1018 vergleichend angehört.


    Bei der c-moll-Sonate habe ich:
    Blumenstock/Butt
    Goebel/Hill
    Schmid/Spiri


    Blumenstock/Butt gefällt mir am besten. Sie spielen energisch, kontrastreich und gefühlvoll. Sie sind tendenziell flott, auch in den langsamen Sätzen.
    Nicht energisch, sondern eher melancholisch ist mein Eindruck von Schmid/Spiri. Da fehlt es an Lebendigkeit, v.a. in den schnellen Sätzen.
    Goebel/Hill fällt im Vergleich auf durch einen etwas "glockigen" Cembalo-Klang. Bei ihnen kommt es eher aufs Detail als auf den Ausdruck an, sie überzeugen durch eine kontrastreiche Interpretation (sie sind am langsamsten in den langsamen, am schnellsten in den schnellen Sätzen).


    Bei der f-moll-Sonate habe ich:
    Goebel/Hill
    Oistrach/Oborin
    Schmid/Spiri


    Oistrach/Oborin spielen das Largo wirklich extrem langsam, aber wunderschön (zum "versinken"). Im 4. Satz spielen sie erst nach ein paar Takten im Vivace-Tempo - ein interessanter Effekt. Die können locker mit den modernen HIPs mithalten. Leider nehmen sie den genialen dritten Satz zu langsam. So zerdehnt wird dessen Besonderheit (siehe meinen nächsten Beitrag) nicht deutlich genug. Auf jeden Fall ist dies die Interpretation mit dem meisten Gefühl.
    Während mein Herz zu Oistrach tendiert, sagt mein Verstand Goebel, bei dem ich die Sonate mustergültig finde (ich kenne hier allerdings Blumenstock nicht).
    Schmid/Spiri sind mir zu ausdruckslos im Largo und zu langsam und verhalten in den schnellen Sätzen.


    Mir sind die "wilderen" "HIPpies" (Blumenstock, Goebel) dann doch lieber als der zurückhaltende Schmid. Ich habe nichts gegen eher introvertierte Interpretationen, dann aber mit mehr Gefühl. Dieses ist Oistrachs großes Plus.
    Am ehesten kann ich also auf die Schmid/Spiri-CDs verzichten, allerdings - damit das nicht wie ein Verriß aussieht - finde ich auch die gut - da gibt es viel Schlimmeres, dieser Vergleich war auf hohem Niveau.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Um die angesprochene Besonderheit des Satzes zu beleuchten, zitiere ich nun aus dem Reclam-Bachführer:


    Zitat

    Unter allen 26 Sätzen der sechs Sonaten ist dieses c-moll-Adagio sicher der eigentümlichste und, wenn man so will, radikalste. Äußerlich gesehen zeichnet er sich durch eine geradezu spartanische Mittelbeschränkung aus: In insgesamt 27 Takten geschieht nichts als die ständige Wiederholung dreier Elemente, von denen sich zwei noch dazu als Varianten ein und desselben Einfalls aufeinander beziehen. Im Cembalo nämlich alternieren linke und rechte Hand von Viertel zu Viertel in Zweiunddreißigstel-Werten - links Arpeggio, rechts abwärts gerichtete Tonleiterbewegung; darüber liegen in der Violine pausenlose und unrhythmisierte zweistimmige Doppelgriffe. Doch im großen Zusammenhang des ganzen Satzes erkennt man eine weit ausholende, gleichwohl unauffällig gegliederte Violinmelodie über einer spannungsreich ausgezierten harmonischen Kadenz im Cembalo. Sie führt schließlich nach As-dur und zielt so, einem Doppelpunkt ähnlich, auf den f-moll-Schlußsatz.

  • Zitat

    Original von Ulli
    Eine relativ neue Erkenntnis der Musikforschung der letzten Jahre ist, dass Antonín Dvoráks ein Ururenkel des Leipziger Thomaskantors Johann Sebastian Bach ist. Bachs jüngste Tochter Regine Susanna Bach war mit dem böhmischen Musiker Petr Venceslas Przky verheiratet. Bei Aufräumarbeiten in DvoYáks Elternhaus im Jahr 2003 fand sich eine Aufzeichnung seines Vaters, aus welcher hervorgeht, dass diese Regine Susanne Przky seine Großmutter war. ("Musicologiy Quartely", Ausgabe IV/2004).


    leider zu schön um wahr zu sein!


    Zitat

    Diese Geschichte stellte sich aber als Falschmeldung heraus, auch wenn sie schnell ihren Weg durch die Medienwelt gefunden hatte. Regine Susanna Bach war nicht mit einem Böhmen verheiratet, sondern führte in Leipzig ein ärmliches Leben. (forum kirchenmusik 03/2005, S.30 f.)


    (diese Info kriegt man, wenn man wenn man nach "Bach Dvorak Przky" googelt.)


    Ist ziemlich OT, aber diese Aufräumarbeit mußte meiner Meinung nach sein.


    Gruß, Khampan

  • Im Augenblick höre ich sehr oft Bach´s Sonaten für Violine und Cembalo. Grund dafür ist die neue Aufnahme von Victoria Mullova gemeinsam mit Ottavio Dantone, der die Geigerin auf einem italienischen Silbermann-Nachbau begleitet. Zusätzlich zu den Sonaten spielen die Musiker noch BWV 1021 (Sonate in G-Dur für Violine und Continuo) und BWV 529 (Triosonate Nr. 5) Mullova spielt auf einer Guadagnini von 1750- auf Darmsaiten:



    Unter Journalisten bekam Mullova in früheren Jahren den zweifelhaften Titel "Ice Queen" verliehen-vermutlich ob der stupenden virtuosen - manchmal kühlen - Brillianz der Geigerin. Hört man die neue Bach-Aufnahme so ist hier von emotionaler Kühle keine Spur zu finden. Ottavio Dantone ist hier nicht einfach nur dezenter Begleiter für die Star-Geigerin, es findet ein Wettstreit- ein "Concerto" im besten Sinne statt.


    Es fällt schwer hier eine Sonate aus der Gruppe der Sechs herauszuheben, aber mein Favorit im Augenblick ist das der I. Satz von BWV 1018, einem ausdrucksvollen Largo. Der Satz wird durch das Cembalo eröffnet, nach einigen Takten setzt die Geige ein. Leise, fast verhalten der warme Geigenton der Mullova. Gravitätisch, aber ohne zu schleppen, fließt die Musik. Ein intimer Klagegesang. Von ebensolcher Intensität der dritte Satz- ein Adagio.


    Je öfter ich diese Sonaten höre, desto mehr frage ich mich, warum diese Musik immer ein wenig der Bachs Sonaten und Partiten für Violine zu stehen scheint- oder täusche ich mich da?


    Viktoria Mullova hat ja vor einigen Jahren die Sonaten mit Bruno Canino am Flügel eingespielt. Beim Hören der neuen Aufnahme mit Ottavio Dantone ist mir aufgefallen wie sehr viel mehr die Musik durch den Einsatz eines Cembalos gewinnt. Beide Instrumente sind "nah" aufgenommen,man meint direkt davor zu sitzen. Die Geige steht nicht - wie man erwarten könnte" im Vordergrund- auch in dieser Hinsicht ist die Aufnahme ausbalanciert.


    Zu bemängeln wäre - aber das scheint mir fast ein wenig beckmesserisch- die gelegentlich etwas ungelenke Übersetzung des Booklet ins Deutsche.


    Eine andere Aufnahme der Sonaten, die hier im Thread ebenfalls noch nicht erwähnt wurde, ist die Einspielung Von Giuliano Carmingola, begleitet von Andrea Marcon. Im Augenblick höre ich zwar Mullova/ Dantone häufiger, aber ich habe den "italienischen" Bach in bester Erinnerung- alllerdings lange nicht mehr gehört:



    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Kennt jemand dieses:


    ?


    Die Aufnahme wurde im Forum noch nicht genannt, wenn ich es richtig sehe. Die Schnippsel klingen gar nicht uninteressant, finde ich.

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  • Zitat

    Original von Gurnemanz


    Die Aufnahme wurde im Forum noch nicht genannt, wenn ich es richtig sehe. Die Schnippsel klingen gar nicht uninteressant, finde ich.


    Hallo Gurnemanz,


    klingt interessant! Ich kenne die Einspielung nicht- aber vielleicht weiß ja jemand mehr?


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo!


    Ich bin gerade dabei, meine Violinsonaten-Aufnahmen zu katalogisieren und systematisieren.
    Bei Bach (und auch anderen Barockkomponisten) habe ich folgendes Problem:


    Was ist denn der Unterschied zwischen einer Sonate für Violine und Cembalo (wie BWV 1014-1019) und einer Sonate für Violine und Continuo (wie BWVb 1021, 1023, 1024) ?
    Heißt das nur, daß beim Continuo auch beliebig weitere Instrumente außer einem Cembalo mitspielen können (meist ist ein Cello dabei)? Aber denen gehört dann zusammen nur eine Stimme? Sonst wäre es doch eine Triosonate, oder? Und wenn das Continuo nur aus einem Cembalo besteht, dann gibts keinen Unterschied?
    Bei BWV 1022 habe ich ein noch größeres Problem: Bei Goebel ist sie als Sonate für Violine und Cembalo bezeichnet, im Reclam Bach-Führer aber als Sonate für Violine und Continuo.


    Wer hilft mir?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Wer hilft mir?


    Na ich. :D


    BWV 1014-1019 sind im Autograph überschrieben:


    "Sei Suonate à Cembalo certato e Violino Solo, con Basso per Viola da Gamba
    accompagnato se piace."


    Es handelt sich um eine auskomponierte Cembalostimme und eine solistische Violine. Wenn man will, darf eine Gambe die Baßstimme mitfiedeln. Einen bezifferten Baß gibt es hier nicht.


    Wohl aber in BWV 10021, 1023 und 1024. Hier steht unter der Violinstimme ein beziffertes Baßsystem, das zuerst mit Tasteninstrument realisiert wird, aber auch mit Streicherverstärkung (Gambe, Cello) verstärkt werden kann – also eindeutig für Violine & b. c.


    BWV 1022 ist ein Sonderfall, denn "die Echtheit der auf einen von Bach stammenden Baß aufgepaßten Oberstimme wird angezweifelt" (aus dem BWV). Die Baßstimme ist mit der von BWV 1021 und 1038 identisch und möglicherweise eben später von einem anderen Autor auf den Bach-Baß komponiert worden.
    Von der bloßen Faktur her handelt es sich aber wie bei den sechs Sonaten 1014 - 1019 um eine Sonate für Violine und Cembalo (ohne b. c.), wie bei Goebel ganz richtig angegeben.


    Hat's geholfen? :hello:

  • Zitat

    Original von Pius
    Was ist denn der Unterschied zwischen einer Sonate für Violine und Cembalo (wie BWV 1014-1019) und einer Sonate für Violine und Continuo (wie BWVb 1021, 1023, 1024) ?
    Heißt das nur, daß beim Continuo auch beliebig weitere Instrumente außer einem Cembalo mitspielen können (meist ist ein Cello dabei)? Aber denen gehört dann zusammen nur eine Stimme? Sonst wäre es doch eine Triosonate, oder? Und wenn das Continuo nur aus einem Cembalo besteht, dann gibts keinen Unterschied?


    Jein. Die Sonaten 1014-1019 sind eigentlich Triosonaten, da sie durchgehend (oder jedenfalls beinahe) eine ausgeführte Stimme für die rechte Hand des Cembalisten haben, nicht nur unterstützende Akkorde und Baß: Also Violine + m.d. + Baß(m.s.) = 3 Stimmen. Man könnte den Baß/die linke Hand noch zusätzlich mit einer Gambe verstärken.


    Ich sehe gerade, daß schon geanwortet wurde. Wie Hildebrandt sagt, ist die linke Hand auch kein bezifferter Baß, sondern ausgeschrieben, es besteht damit also auch ein Unterschied zu üblichen Triosonaten, aber wohl eine Gemeinsamkeit z.B. mit den Triosonaten für Orgel. Entscheidend gegenüber der Violine/b.c. Sonate ist aber jedenfalls, daß es drei selbständige Stimmen gibt.


    Sonst hast Du recht; eine "normale" barocke Violinsonate besteht aus der Violinstimme + Baß (was nur als eine selbständige Stimme zählt, auch wenn der Cembalist natürlich Akkorde spielt oder wenn noch eine Gambe, eine Laute und ein Kontrabaß zusätzlich verdoppeln). Meines Wissens sind die 6 genannten Sonaten von Bach hier die ganz große Ausnahme/Neuerung und werden daher als besonders Vorläufer der späteren Klavier/Violinsonate gefeiert.


    Das andere kann ich nicht beantworten, aber die Quellenlage bei den Sonaten für Vl + b.c ist meiner Erinnerung nach unübersichtlich. Es kann sein, daß es mehrere in unterschiedlichen Fassungen gibt.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo Hildebrandt und Johannes,


    vielen Dank schonmal. Ich sehe, das Sortieren wird schwierig. Ich habe noch weitere Fragen.
    Besser ich eröffne einen thread bei den Klassik-Expertenfragen. Diesen thread oder den Biber-thread will ich damit nicht überladen.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat von Johannes Roehl

    Meines Wissens sind die 6 genannten Sonaten von Bach hier die ganz große Ausnahme/Neuerung und werden daher als besonders Vorläufer der späteren Klavier/Violinsonate gefeiert.

    Das gibt es ja noch in den Mozartsonaten für Klavier & Violine (in dieser Reihenfolge) und hat Parallelen in den Pièces de clavecin en concert, etwa von Rameau, wo man die Streicher sogar ganz weglassen kann.
    "Vorläufer"? Naja, man kann sie auch ohne Nachfolger goutieren.
    Jedenfalls geht es um die Emanzipation des Cembalos aus der bloßen b. c.-Rolle im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten.



    Zitat

    Das andere kann ich nicht beantworten, aber die Quellenlage bei den Sonaten für Vl + b.c ist meiner Erinnerung nach unübersichtlich. Es kann sein, daß es mehrere in unterschiedlichen Fassungen gibt.

    BWV 1021 liegt als Autograph vor, die anderen nur in Abschriften.
    Bei BWV 1022 ist selbst das BWV nicht ganz eindeutig. Zwar heißt es, dass es nur eine Abschrift gäbe (von einem Autograph ist nicht die Rede), aber dass dort die Violinstimme "um 1 Ton herabgest." sei. Der Bezug ist aber nicht ganz deutlich.


    Haben wir Dich jetzt ausreichend verwirrt? :D

  • hallo,


    gestern abend kam eine schöne sendung im 3. bayrischen fensehen - zimmermann hat sich hauptsächlich über die violinsonaten geäußert ( und er hat sie auch gespielt ) - sehr sympathisch - und deshalb möchte ich auch diese CD empfehlen - vorsicht, enrico pace spielt einen modernen steinway. ich finde es trotzdem oder gerade deshalb sehr hörenswert - ich liebe diese aufnahme sehr:


    gruss


    kalli


  • Ja, das ist eine fantastische Aufnahme! Mir kommt zur Zeit keine andere in den CD-Spieler.