Gestern war Beethoven-Tag (bei dem Regenwetter das Beste was man machen kann).
Leibowitz (Chesky) ist nach langer Wartezeit endlich von jpc eingetroffen.
Nicht in einer dämlichen Pappbox, sondern in einem 5CD-Case mit anständigem Textheft in dem auch die ehemaigen Einzel-CD´s dieser Aufnahmen, die hier zusammengefaßt wurden, abgebildet sind.
Es handlet sich nicht um ein neues Remastering, sondern auf den CD´s steht 1992. Jede CD hat ihr eigenes Schriftbild, es wurde also von der alten Einzel-CD-Veröffentlichung übernommen (es wurden keine neue Druckmatrizen für diese GA erstellt).
Zunächst möchte ich feststellen, das es sich um eine der klarsten und in den sinfonischen Strukturen am besten durchhörbaren GA handelt, die mir je untergekommen sind. Das Orchester klingt nie mulmig oder es ist nie ein Klangbrei zu hören. Vom Klang würde ich diese GA wegen ihrer Deutlichkeit als natürlicher und damit besser einordnen, als die meisten Aufnahmen aus dieser Zeit nach 1960. Eine "Analog-Rauschfahne" ist nur bei leisen Stellen zu hören - stört gar nicht. Chesky hat saubere Arbeit geleistet und klanglich eine TOP-GA hingestellt. Allerdings hat die Aufnahme nicht das dunklere Timbre der Karajan-DG-Aufnahmen, sodaß man zunächst meinen könnte das im Bass etwas fehlt. Aber so ist es nicht- es ist die Klarheit die letztendlich doch überzeugt. Man hat nicht den etwas basslastigen Sound jener Jahre angestrebt !
Nach den ganzen Kritiken und dem großen Lob für Leibowitz über Jahre, war meine Erwartungshaltung natürlich sehr hoch. Die ganz große Revolution blieb zwar aus, aber insgesamt ist das eine der schönsten Beethoven-GA, mit jede Menge packender Momente, die die Anschaffgung auf jeden Fall lohnt. Auch die orchestral normal klassische Besetzung (non HIP) bietet für mich keine Ansatzpunkte zur Kritik.
Im Textheft steht:
Zitat...seine klaren, falsche Romatisierungen meidende Interpretationen setzen Maßstäbe ... sowohl in interpretatorischer als auch akustischer Hinsicht eine der herausragensten.
Punkte an deren Aussage ich nichts auszusetzen habe.
Ich finde man kann diese TOP-GA nun nicht als Ganzes als Referenz hinstellen und fertig ! Man muß sogar nicht nur die Sinfonien einzeln betrachten, sondern sogar einzelne Sätze.
Hier einiges was mir beim Hören aufgefallen ist:
Ich habe die Sinfonien Nr.1,2,3,5,7 ganz und Nr.8,9 in Ausschnitten gehört.
Leibowitz forsches Tempo konnte mich insgesamt nicht überraschen, da sich die Spielzeiten in sehr vielen Sätzen mit denen Karajans oft nur um Sekunden unterscheideten. Ich finde es klingt meist nicht überhastet, sondern schlüssig und sachlich.
Der 1.Satz der Sinfonie Nr.3 ist mit 12:45 nun doch ungewöhnlich schnell, klingt zwar unter Leibowitz schlüssig. Aber der Stimmungsgehalt wird IMO bei Bernstein (SONY) mit mehr Emotion in 16:53 doch weit besser erreicht. Die folgenden Sätze sind OK, aber das mehr an Gefühl bei Bernstein überzeugt mich dann doch mehr, der auch den Trauermarsch so interpretiert, wie es ihm zusteht. Zudem steht die Bernstein-Aufnahme dieser an fabelhafter Durchhörbarkeit in nichts nach. Beide insgesamt tatsächlich allen Karajan - Aufnahmen der Eroica vorzuziehen. Die Klangbeste bleibt trotz allem einer der nicht in Vergessenheit geraten sollte - Solti (Decca), der mit Wiederholungen sogar über 19:xx für den 1.Satz benötigt.
Das Scherzo und der Schluißsatz unter Leibowitz ist Klasse.
Die Sinfonie Nr.7 auch superflott und absolut perfekt. Nur der 4.Satz klingt mit Karajan noch umwerfender.
Bei der Sinfonien Nr.5 hatte ich nun eine Revolution erwartet, die im ersten Satz ausblieb. Sauber gespielt in schnellen 6:50, aber ohne die wirkliche Dramatik auszustrahlen. Aber die paar Sekunden mehr, die Karajan mit 7:14 mehr braucht, reichen aus um dem Orchester die nötige Freiheit zu lassen sich nicht zu verhaspeln. Mir fehlt das Monumentale und das dunkle Timbre, das die Karajan-Aufnahmen der Fünften so umwerfend unübertreffbar machen. Auch Bernstein, der mit 8:35 nun wirklich einer der ungewöhnlich Langsamsten ist, überzeugt voll. Karajan bleibt hier nach wie vor meine Referenz !
Die weiteren Sätze mit Leibowitz sind ganz augezeichnet interpretiert, wenn der fabelhafte Übergang zum 4.Satz auch nicht das große karajansche Format hat.
Die Sinfonie Nr.2 treibt das RPO im ersten Satz an die Grenzen der Spielbarkeit. Ein bischen länger hätte Wunder bewirkt, wie bei Bernstein, der in seiner 1964er-Aufnahme ab dem 2.Satz fast identische Spielzeiten hat. Hier ist auch Leibowitz wieder ohne Kritik.
Die Sinfonie Nr.1 gehört zum Besten was möglich ist. Tempo, Spielfreude und
Detailklang sind ein Fest.
Die Sinfonie Nr.8 ebenfalls herausragend mit schönen Pauken, so wie ich es in der Blomstedt - Aufnahme schätze.
Von der Sinfonie Nr.9 habe ich nur den 2.Satz gehört. Der Ersteindruck war gut, aber wenn es wie bei Karajan mit dunklerem Timbre oder Bernstein mit mehr Emotion und weniger sachlich zugeht, dann ziehe ich das vor.