Haydn, Joseph: "Andere" Konzerte

  • Konzerte nehmen im Schaffen Haydns nicht den Rang ein wie Sinfonien, Quartette, Klaviersonaten und -trios, Chorwerke oder Barytontrios. Dennoch hat er eine ganze Reihe Konzerte für unterschiedliche Instrumente hinterlassen.


    Es gibt bereits threads zu den bekanntesten Werken:


    Trompetenkonzert
    Cellokonzerte
    Klavierkonzerte (von denen immerhin eines recht bekannt ist)


    Überdies gibt es:

    - Drei als authentisch anerkannte Violinkonzerte Hob. VIIa: 1-4 (Nr. 2 ist verschollen) und noch eine Handvoll oder mehr, die inzwischen anderen Komponisten zugeschrieben werden, zwei davon Michael Haydn.


    - ein Oboenkonzert Hob. VIIg: C1 von umstrittener Echtheit


    - 2? Hornkonzerte Hob. VIId: 3 (Nr. 1 verschollen), ein weiteres VIId:4 und eines für 2 Hörner sind von zweifelhafter Autorschaft


    - Eine Reihe Konzerte und Notturni für zwei Drehleiern (Lire organizzate) Hob. VIIh: 1-5 u. Hob. II: 25-32 (teils zweifelhaft)


    - ein Flötenkonzert Hob.: VIIf: D1, das inzwischen Leopold Hoffmann zugeschrieben wird


    Ich hatte das Flötenkonzert mal auf einer CD des Collegium aureum (die ich aber weggeben habe), von den anderen Werken habe ich bisher nur ein Violinkonzert und zwei Hornkonzerte gehört. Zwar würde ich die nicht als verkannte Meisterwerke, die man unbedingt kennen müßte, bezeichnen, ich halte sie aber auch nicht für weniger hörenswert als z.B. das (wiederentdeckte) erste Cellokonzert, die Klavierkonzerte jenseits des berühmten D-Dur, oder vergleichbare Werke anderer Komponisten. Es sind allesamt Werke, die vermutlich vor 1770 geschrieben wurden (außer den Leierkonzerten, die stammen aus den 1780/90ern).


    Besonders würden mich Empfehlungen für die drei authentischen Violinkonzerte interessieren, da ich bisher nur eines davon besitze. Die Hornkonzerte sind mir auf einer spottbilligen "Laserline" Philiips-CD mit Baumann/Brown begegnet, das unzweifelhafte findet man in etwas anderer Kopplung hier:



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe mir im Urlaub mal diese Box gekauft:


    Damit gewinnt man schon mal einen schönen Überblick. Vergleichsaufnahmen kenne ich noch nicht.


    Sagt mal - die Verteilung der verschiedenen Tastenkonzerte auf Cembalo, Klavier und Orgel erscheint mir bisweilen etwas willkürlich. Gibt es da bestimmte Traditionen? Wenn ich das richtig verstehe, schreibt Haydn das nicht so fest vor, oder?


    Kennt Ihr Aufnahmen der Llira-Konzerte mit echten Llire-Organizzate?


    Ach doch - ich habe mal eine radikalere Aufnahme der Cellokonzerte von 2**1 mitgenommen:



    Die gefällt mir noch besser als die Naxos-Aufnahme.

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    - Eine Reihe Konzerte und Notturni für zwei Drehleiern (Lire organizzate) Hob. VIIh: 1-5 u. Hob. II: 25-32 (teils zweifelhaft)


    Ich stelle meinen diesbezüglichen Beitrag aus meinen 'Unverzichtbaren' hier rein:




    Perifer bekannt und als Gag in Menuetten von Mozart verwendet war mir ja noch die Drehleier... bei der man die Saiten durch ein Rad getrichen und mittels einer Tastatur verkürzt hat, quasi eine Art bequeme Art, die Violine zu spielen. :D Aber: Faktisch ließ dieses Gerät kein mehrstimmiges Spiel zu, da ja eine Hand mit dem Drehen beschäftigt war. Also erfand man kurzerhand die "organisierte Leier", welche am Rad, welches durch die rechte Hand gedreht wird, noch ein paar Knöpfe eingebaut hat, welche durch das gezielte drücken eine Pleuelmechanik in Bewegung setzen. Diese wiederum aktiviert mehrere Schöpfbälge die für die integrierte "Orgel" zuständig sind. Für die Füße hätte ich schon auch noch eine Beschäftigung gewußt... :rolleyes: Mannomann - ich bleib beim Klavier, das ist kompliziert genug.



    Niemand anderes als Joseph Haydn hat sich kompositorisch für dieses Instrument interessiert und gleich ein Konzert für zwei Orgelleiern, ein Doppelkonzert demzufolge, erschaffen - die CD heißt sicher aus gutem Grund deLirium:



    Joseph Haydn
    deLirium
    Concerto, notturno per lire organizzate
    Divertimenti per Baryton


    Matthias Loibner & Thierry Nouat, vielles organisées
    Christophe Coin, direction et baryton à cordes
    Ensemble Baroque de Limoges
    Quatuor Mosaïques


    Enthalten sind das


    Doppelkonzert C-Dur Hob. VIIb:1
    für 2 dieser Orgelleiern, 2 Violinen, 2 Bratschen, Violoncello, 2 Hörner und Kontrabaß


    Divertimento A-Dur Hob. X:3
    für Baryton, 2 Violinen, Bratsche, Cello, 2 Hörner und Kontrabaß


    Notturno G-Dur Hob. II:27
    für Flöte, Oboe, 2 Violinen, 2 Violen, Cello, 2 Hörner, Kontrabaß


    Divertimento G-Dur Hob. X:12
    für Baryton, 2 Violinen, Bratsche, Cello, 2 Hörner und Kontrabaß


    Notturno C-Dur Hob. II:32
    für 2 organisierte Leiern, 2 Clarinetten [!], keine Violinen, 2 Bratschen, Cello, 2 Hörner und Kontrabaß


    Diese Orgelleier klingt wirklich goldig - wie eine Wohnzimmerorgel. Manchmal erinnert sie in den Höhen an eine Glasharmonika - hinzu kommt der Klang der Saiten und Flötenhaftes. Durch die Schnarrsaiten, die auch bei der "Urleier" vorhanden sind, klingt die Mittellage wie eine Drehorgel vom Jahrmarkt. Der Divertimentocharakter der beiden Konzerte wirkt schon sehr seltsam in Verbindung mit Orgelklängen. Aber ich mag die CD... eine Entdeckung!


    Das erste enthaltene Doppelkonzert für Orgelleiern ist sehr freudeversprühend - besonders betörend ist die Kadenz des ersten Satzes, in der die Instrumente manchmal [in den tieferen Lagen] so wunderbar quäkend erklingen. Man muß das einfach mögen! Den Klang der Orgelleier an sich präsentiert aber das Notturno C-Dur Hob. II:32 wesentlich besser - da hier die Violinen ausgelassen wurden, kann die eigentliche Drehleier [ohne Orgeltöne] sehr viel deutlicher herausgehört werden - da sie technisch bedingt stets ohne Vibrato erklingt, ist dies ein Vorteil gegenüber dem Doppelkonzert C-Dur Hob. VIIb:1, in dem die Violinen diesen Klang eher verschleiern.


    Die Werke für Baryton haben auch Faszinierendes an sich - manchmal ganz ähnlich gequält klingende Tonerzeugnisse, die eine gewisse Transzendenz versprühen. Die beiden Divertimenti sind sehr viel ernsthafter und nachdenklicher komponiert - bestechen aber auch durch ihre Einfachheit.

    Ich kann die Ohren einfach nicht voll genug bekommen von diesen zauberhaften Tönen! Hier ist dem schelmischen Komponisten und den grandiosen Artisten ein Quantensprung zwischen peinlichem Kitsch und wahrer Kunst gelungen:


    Deliriös! :lips: :faint:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Travinius
    Ich habe mir im Urlaub mal diese Box gekauft:


    Damit gewinnt man schon mal einen schönen Überblick. Vergleichsaufnahmen kenne ich noch nicht.


    Sagt mal - die Verteilung der verschiedenen Tastenkonzerte auf Cembalo, Klavier und Orgel erscheint mir bisweilen etwas willkürlich. Gibt es da bestimmte Traditionen? Wenn ich das richtig verstehe, schreibt Haydn das nicht so fest vor, oder?


    Vermutlich nicht. Ich weiß es aber auch nicht genau. Fast alle Konzerte sind so früh entstanden, daß das Cembalo sicher noch verbreitet verwendet wurde. Ich nehme an, daß Interpreten das nach stilistischen Erwägungen udn vielleicht auch nach Gusto entscheiden.


    Ich schlage aber vor, Spezifisches zu den Konzerten f. Cello und Tasteninstrumente in den oben verlinkten Threads zu diskutieren.


    Vielen Dank für den Hinweis auf die Naxos-Box! Welche Instrumente werden denn bei den Lire-organizzate-Stücken verwendet?


    Die Notturni gibt es, allerdings offenbar mit einer Art Orgel (was freilich nicht annähernd so ungewöhnliche Klänge ergibt wie auf der von Ulli empfohlenen Scheibe) auch auf folgender CD:



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Es ist tatsächlich ein faszinierende CD. Bedauerlich finde ich, daß die Orgelleiern nur im letzten Stück so richtig fett herauskommen und mit Hörnern und Klarinetten grandios um die Wette knarzen und tröten dürfen, noch mehr, daß man nur zwei Werke mit diesen bizarren Klangerzeugern eingespielt hat. Die Baryton-Divertimenti sind zwar auch recht hörenswert, wie Ulli schreibt, stellenweise erstaunlich ernsthaft (das in A-Dur beginnt in Moll, das in G-Dur hat einen Mittelsatz in Moll), aber das Baryton wird fast durchweg verdoppelt, man hört es kaum heraus und die Resonanzsaiten kommen nur an wenigen Stellen sehr dezent zum Klingen. Wenn man dieses Instrument erleben will, sollte man sich besser eine CD mit Trios besorgen. Egal, um diese Stücke geht es hier ja noch weniger, weil die keine Konzerte sind.


    Auch das Lyrenkonzert unterscheidet sich allerdings nicht groß von den Notturni (die etwas kürzer aber ebenfalls dreisätzig, mit schnellen Eck- und langsamem Mittelsatz sind) und wirkt auf mich nicht besonders konzertant (was wohl auch an den begrenzten Mitteln dieser Instrumtente und des König von Neapel liegt).


    Ich sehe die eher auch als Divertimenti für gemischtes Ensemble.
    Die Lira organizzata war seinerzeit schon exotisch; es gibt praktisch nur Kompositionen für diesen König von Neapel, viele davon verschollen.
    Haydn hielt seine Kompositionen (man darf nicht vergessen, daß sie in seiner "Blütezeit" entstanden), anscheinend aber für wertvoll genug, daß er (nach meinen Informationen) die meisten von ihnen (meist) für Oboe u. Flöte anstelle der Leiern bearbeitete (wie auf der CD Hob. II: 27). Entweder um sie in London aufzuführen (?) oder um sie gängiger vermarkten zu können.


    Es sind gewiß keine schwergewichtigen Werken, aber auch keinesfalls trivial. Mich wundert, daß die Bearbeitungen ähnlich unbekannt sind wie die Originale mit der exotischen Orgelleier. Sie sind gewiß nicht schlechter als manche Mozart-Divertimenti, Bläserkammermusik von Danzi &Co gar nicht zu erwähnen. Ich habe die weiter oben gezeigte CD des Consortium Classicum mal auf die Merkliste gesetzt, obwohl ich den Eindruck habe, daß die einfach ein Orgelpositiv verwenden... (dann hätte man doch lieber die Arrangements mit Flöte/Oboe nehmen sollen, da fehlen freilich die Klarinetten).


    Eigentlich hoffte ich allerdings in diesem Thread, ein paar Informationen oder Empfehlungen zu den Violinkonzerten zu erhalten, aber die interessieren anscheinend kaum jemanden (was ja auch eine Information ist ;))


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Es ist tatsächlich ein faszinierende CD. Bedauerlich finde ich, daß die Orgelleiern nur im letzten Stück so richtig fett herauskommen und mit Hörnern und Klarinetten grandios um die Wette knarzen und tröten dürfen, noch mehr, daß man nur zwei Werke mit diesen bizarren Klangerzeugern eingespielt hat.


    Freut mich, daß Dir die CD so gut gefällt. Daß die Orgelleiern im ersten Konzert nicht so deutlich zu hören sind wie im zweiten, stimmt schon (ich wies auch w.o. darauf hin), dennoch sind sie durchaus präsent. Besser zu hören sind die Schnarrsaiten im 2. Konzert, da hier die Violinen fehlen. Dennoch gefällt mir das 1. Konzert rein musikalisch besser.


    ~ ~ ~


    Zu den Violinkonzerten: das ist nicht wirklich meine Baustelle ;) So kommt es auch, daß ich lediglich eine CD (Koch-Schwann) mit je einem Konzert der beiden Brüder Haydn besitze:



    Michael Haydn [1737-1806]
    Violinkonzert B-Dur P53


    Joseph Haydn [1732-1809]
    Violinkonzert A-Dur Hob. VIIa:3


    Burkhard Godhoff, Violine
    BBC Scottish Symphony Orchestra
    Geoffrey Trabichoff


    Diese Konzerte sind natürlich gutes Handwerk, das A-Dur-Konzert von Joseph wurde erst 1949 von H.C. Robins Landon wiederentdeckt (Horn- und Oboenstimmen nur teilweise, diese wurden durch den Entdecker rekonstruiert).


    Man sollte allerdings schauen, daß man diese Aufnahme preiswerter bekommt als für die offerierten 20 Eier...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Meine Lieblingsaufnashme der Joseph Haydn - Violinkonzerte ist die oben abgebildete. Sie ist sehr gut durchhörbar und hell im Klang - manchen wird sie als ZU hell erscheinen. Mich hat sie jedoch begeistert und sie war Anregung für den Thread:


    Preiswerte Alternativen von Standardwerken auf CD


    da sie mir besser gefiel als so manche Hochpreisaufnahme.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    [deLirium] Dennoch gefällt mir das 1. Konzert rein musikalisch besser.


    Kann ich nach nochmaligem Hören durchaus nachvollziehen (ebenso Deine Vorliebe für die Kadenz der beiden Leiern im ersten Satz), aber der Lärm, der bei dem Notturno veranstaltet wird, hat eben auch was...


    Zitat

    Ulli: Diese Konzerte sind natürlich gutes Handwerk, das A-Dur-Konzert von Joseph wurde erst 1949 von H.C. Robins Landon wiederentdeckt (Horn- und Oboenstimmen nur teilweise, diese wurden durch den Entdecker rekonstruiert).


    Ah, das könnte ein Grund dafür sein, daß manchmal nur die beiden anderen Konzerte eingespielt werden, wie in der von Dir anderswo genannten Neuerscheinung.
    Dafür daß sie ziemlich wenig bekannt sind, gibt es gar nicht so wenige Einspielungen. Grumiaux hat zwei, sowie eines von Michael Haydn eingespielt (der hat überhaupt, wie ich neulich feststellte, erstaunlich viel (besonders damals) wenig übliche Sachen aufgenommen, Vivaldi, Händel, Telemann usw., aber eben auch Wieniawski) dann gibt es die üblichen drei mit Christian Tetzlaff, mindestens eins mit Zehetmair, natürlich noch eine Naxosaufnahme, eine vergriffene bei Archiv und die von Alfred genannte, die ich ebenfalls bisher nicht wahrgenommen hatte.




    Mal sehen, ich tendiere zu Tetzlaff oder der bei Brilliant, wobei ich von diesem Ensemble wirklich noch nie was gehört habe... Selbst wenn das nicht Haydns größte Werke sind, man kann irgendwie nicht diverse seiner Sinfonien oder Quartette 5-6mal haben, dafür von den Konzerten nur das erste eher zufällig...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)