Was mich an DON GIOVANNI fasziniert

  • Hallo,


    ein weiterer Thread aus der beliebten Serie 'Was mich an ... fasziniert' !


    Ich wähle zum Einstieg in diese Serie, die nach belieben in separaten Threads erweitert werden kann, bewußt den DON GIOVANNI des Gespannes Mozart/da Ponte, da sie unzweifelhaft die Zuhörer- und Zuschauerschaft seit ihrer Uraufführung fasziniert hat. Die Oper ist ein Dauerbrenner auf der internationalen Opernbühne und zudem Vorlage für jedwede Art von Bearbeitung. Gar nicht selten liest man auch über den Don Giovanni als 'die Opern aller Opern'...


    Was also fasziniert Euch denn besonders an dieser Oper?


    Meinen Senf trage ich im Verlauf dazu bei.


    Auf interessante Statements freut sich


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich zitiere mich zunächst selbst:



    Mehr dann im Verlauf der Diskussion- je nachdem, was noch dazu kommt.


    Gib's zu, Ulli, wer dich auf diesen Thread gebracht hat ;)...:D



    :hello:

  • Natürlich ist Don Goivanni eine faszinierende Oper - schon des Themas willen, das ja schon vor Mozart mehrfach - durchaus erfplgreich - vertont wurde. Allein die einzelenen Details dieser Story sind schon interessant genung - und man hat mit "der steinerne Gast" einen Zusatztitel geschaffen, der das Gruselige besonders gut hervorarbeitet.
    Interessant auch Don Giovannis Charakter, der sich als durchaus standfest erweist - auch im Bösen - auch angesichts des drohenden Todes - er weicht nicht feige zurück, bereut nichts - nein er geht unbeirrbar seinen Weg ins Verderben, sieht nicht rechts, sieht nicht links.
    Sein Gegenstück in dieser Hinsicht ist Leporello. Einerseits voll Bewunderung, nein eigentlich voll verstecktem Neid seinem Herrn gegenüber, versucht er dessen Wünsche zu erfüllen, lässt sich jedoch immer ein Hintertürchen zum Rückzug offen. Als Don Giovannis Spiel verloren ist, lässt Leporello ihn fallen. Ohne Kalkül ohne Nachdenken über Gut und Böse. Er war nach eigenen Worten nur Mitläufer, ein Oper widriger Umstände. Daß das natürlich nicht stimmt, ist selbst dem naivsten Zuschauer klar.Leporello fühlte sich wohlbehütet und geachtet im Schatten seines mächtigen Herrn. Das allein ist schon genug um auf mich Faszination auszuüben.
    Aber die Krönung ist wohl eine Statue eines Ermordeten , die sich zu einem Festmahl einlädt.
    Bei aller Hochwertigkeit des Themas zielen Mozart und da Ponte doch auch auf Publikumswirksamkeit ab, wissen wie man alles richtig in Szene setzt, sowohl vom Libretto her, als auch von der Musik. Interressant in diesem Zusammenhang auch die Stelle wo Mozart seinen "Figaro" zitiert....
    In der Tat ist diese Oper nicht das, was wir uns unter Mozart vorstellen, viel schwerblütiger und dunkler , ja geradezu unheiverheissend und Verdi in dieser Hinsicht vorwegnehmend kommt die Oper daher.


    Vom Stoff her hat der Stoff schon viele Librettisten und Komponisten ifasziniert und inspiriert, so beispielsweise das Duo Gazzaniga (Komponist) und Bertati (Librettist)


    Vielleicht hat der Verfasser des Artikels zu dieser Oper im Harenberg Opernführer auf den Punkt gebracht, was so faszinierend an diesem Werk ist: E sei, so der Autor, "eine Komödie mit bösem Ende"


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nun zum Musikalischen:


    Was mich am "Don Giovanni" fasziniert, ist der Grundton, womit ich natürlich nicht das musikharmonischen Zentrum meine, sondern eher das Grundgefühl. Ich beobachte, dass ich durch diese fundamentale Ernsthaftigkeit, die sich nach meinem Empfinden durch die ganze Oper zieht, in einen sphärisch-poetischen Bann gezogen werde, der sich erst nach dem wuchtigen Finale wieder entlädt.


    Es ist wunderbar, wie sich in den Kollektivgesangspartien die verschiedenen "Welten" begegnen und sich zu einem Kosmos verbinden.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Und nun zum Epischen


    Es ist auch faszinierend, wie reich und vielfältig die einzelnen Figuren als Typen verstanden und quasi ausgelegt werden können.


    In einem längeren Beitrag hat einer von uns schon über die Gestalten und u. a. auch darüber geschrieben, dass Donna Elvira für ihn gar nicht eine Figur im Stück ist, über die man lachen könnte (leider habe ich den Beitrag beim besten Willen nicht wieder gefunden...). Wenn Libretti frei ausgelegt und analysiert werden können, dann bietet das oft aufgearbeitete Thema dieser Oper eine ganze Reihe von Assoziationsmöglichkeiten an.


    Ich habe vor sehr vielen Jahren eine Don-Giovanni-Aufführung gesehen/gehört, die das Schicksalhaft-Tragische der Geschehnisse erfassen wollte.
    Donna Annas Verzweiflung konnte leicht darauf zurückgeführt werden, dass sie früher wohl in ihrer Kommunikation mit Giovanni doch Zeichen eines weiblichen Mitspielens gegeben hatte. Sie mussten sich doch früher schon gekannt haben, warum hätte Giovanni gerade in ihre Kammer eindringen wollen?
    Donna Elvira war die einzige, die Giovanni liebte und die diese Liebe einfach nicht unterdrücken konnte.
    Zerlina war ungefähr so dargestellt, wie Adorno sie beschreibt (in seiner Essay "Huldigung an Zerlina")
    Leporello war ein Nichtsnutz, ein charakterloser, moralisch fragwürdiger Mensch im Schatten seines Herrn.
    Und Giovanni - ja, er passt dann zu den Gedanken, die einem beim Lesen von Kierkegaard ("Entweder - oder") dazu einfallen mögen.


    Die Musik lässt bei mir immer diese Gedanken wieder wach werden.


    :hello: KP

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  • Mich persönlich fasziniert die Zerrissenheit zwischen Immanenz und Transzendenz, dieses Wechselspiel von Angst und 'Alles-ist-Gut'. Das stellt sich bereits in der Ouvertüre dar: Die markundbeinerschütternden ersten Akkorde sowie die folgenden unheilverkündenden Takte der langsamen Einleitung, die wahrlich nichts Gutes verheißen wollen versus des eher heiter-losgelösten Molto-Allegro-Teils, der die Realität zu überspielen versucht. Dieses Hin und Her durchzieht die gesamte Oper: Immer wieder gibt es Stellen, die - wie im wahren Leben - mir ein Gefühl von (sagen wir z.B.) Schuleschwänzen (ein Gefühl, daß sicher jeder kennt: man freut sich über die gewonnene Freiheit, kann sie aber durch die schattigen Schuldgefühle nicht vollumfänglich genießen...) geben, doch dann kommen wieder diese Momente, während derer alles überspielt wird und ich denke: 'Och, alles halb so wild...'.


    Mich erschrecken diese Parallelen zu meinem Leben :D


    Deswegen kann ich mich auch weder für noch wider eines der beiden Finali entscheiden, denn es handelt sich eigentlich um einen Endloswurm. Da aber nur die Wurst zwei Enden hat und der Don Giovanni nun mal, zumindest pro Aufführung, nur einmal enden kann, fällt mir die Entscheidung immer schwer. Mir gefällt natürlich das fröhliche Finale (Sieg des Guten über das Böse) der Scena ultima ultima musikalisch so gut, daß ich dongiovannihörend ungern darauf verzichte. Logischer erscheint mir aber wegen des Uwe Schoofschen 'Grundtones' (der für mich die Wahrheit darstellt) das krasse Ende des Don Giovanni am Ende der Oper ohne weiteren Kommentar. Nichtsdestotrotz geht das Leben natürlich weiter, was die fröhliche Schlußszene darstellt, die insofern eben auch konsequent ist. Ich kann mich aber nicht entscheiden...


    Daß das Ganze von Mozart musikalisch höchst genial umgesetzt wurde, ist gar keine Frage. Wenn ich mich mit einer Person identifizieren müßte, dann wohl am ehesten mit dem Mitläufer Leporello - zu anderen Personen hätte ich wenig Bezug und wollte auch möglichst keinen herstellen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Diesen Koch kennst du wirklich, er ist vorzüglich... :yes:
    neben der musik aber durch die vorlage(n) auch ein tolles libretto


    (ich war vorgestern in der wiederaufnahme des mannheimer nationaltheaters. sehr empfehlenswert, auch wenn die elvira mir stimmlich nicht gefallen hat - alle rollen außer ihr sind aber doppelt bestest und spielen wohl alternierend)

  • Hallöchen,


    an "Don Giovanni" fasziniert mich vor allem die Mischung aus (teilweise echt düsterer) Dramatik (zum Beispiel der Anfang der Ouvertüre) und spritzig-lockerer Musik (zum Beispiel die Champagner-Arie).


    Eine echt tolle Oper, die ja auch großen Einfluss auf andere Komponisten ausübte!


    :hello:


    lg Helge


    PS: Ach ja, falls es Dich interessiert, Ulli: Auch Clementi muss "Don Giovanni" gefallen haben, denn er schrieb Klavier-Variationen über die Arie "Batti, batti".

  • Zitat

    Deswegen kann ich mich auch weder für noch wider eines der beiden Finali entscheiden, ...


    Lieber Ulli!
    Sehr schön deine Darstellung des sowohl als auch. Auch das faszieniert mich immer wieder am Giovanni, die fehlende Sicherheit, die man doch so gerne hätte. (Wie hat man es da mit Scarpia doch leicht.)


    Alle Figuren, die sich um Giovanni bewegen sind für mich Identifikationsfiguren (deshalb möchte ich den Ottavio auch nicht missen), an denen ich mich immer wieder ob meiner eigenen Position einem Verführer (in welcher Form auch immer er/sie/es auftritt) überprüfen kann. Und ich weiß, was Verführungen bedeuten können, wie sehr ich sie hasse und ihnen immer wieder verfalle. Aber was wäre mein Leben, was wäre das Leben überhaupt ohne sie? Eben das "zweite" Finale. Es ist alles da: Aufatmen, Hoffnung, Harmonie und endlich Ruhe. Aber das Zentrum fehlt, das, was das Leben so anstrengend macht, aber es auch mit ganz anderen existenziellen Dingen konfrontiert. Und dieser Widerspruch, diese fast hasserfüllte Sehnsucht, würde sie deutlich werden, ohne den im Gegensatz zur Höllenfahrt fast "spießigen" Schluss? :no:
    :hello: Gustav

  • Liebe Giovannisten:



    kein Stoff hat die Schriftstelle wie auch die Komponisten und auch Philosophen und Psycho(patho)logen so in den Bann gewzogen neben dem des Fauts wie der des Giovanni / Don Juan .


    Ich darf nur an den brillianten Essay von S. Kiekegaard erinnern .


    Nicht wenige Mozartfreunde habe ich erlebt , die den Schluss , oben auch als "spiessig" bezeichnet , als störend ja überflüssig bezeichnet haben .


    Ist dieser Schluss nicht eine Konzession W A Mozarts un d da Pontes an die damalige Obrigkeit , die heuchlerischen kathollischen Moraldiktate ?


    ( So wie es übrigens auch nicht wenige stört , dass Beethoven in seiner 9. Symphonie Schillers "Ode an die Freude" hinzugefügt hat . )


    Bei den Rollen der Donna Elvira wie der Donna haben in den letzten 15 Jahren einige der OpernhörerINNEN diese Rolle unter "spezifischen Aspketen der Frau zu analysieren versucht . Nach meinen Letürekenntnissen mehr mit überschiessender Lautheit und einer oft nicht nachzuvollziehender Tendenz in Richtung der "missbrauchten Frau" . Wenn jemand diese Einordnung für sich in Anspruch nehmen kann , dann wohl am ehesten Zerlina . Diese wird aber dann interessanterweise eher als "Dummchen" abgetan , obwohl sie meiner Meinung nach für die Oper mit ihrer vielschichtigen Psychologie des Don Giovanni wie ihres Leporello eine wichtige , tragende Bedeutung hat .


    W e r kann Näheres zum Schluss der Oper schreiben und wer vielleicht nicht affektbelastet zu Donna Anna , Donna Elvira und Zerlina ?


    Danke im voraus .


    Viele Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Liebe Giovannisten !


    Warum findet Ihr das "zweite" Finale fröhlich, spiessig, eine Konzession oder auch unnötig ???
    Es ist die logische Fortsetzung der Handlung, der "Bösewicht" ist tot, und wir gehen alle zur Tagesordnung über, jeder auf seine Weise.
    Natürlich stehen die Figuren ohne ihren "Helden" etwas verlassen da, und auf diese Höllenfahrt wirkt der Alltag etwas schal, ist aber auch so gemeint.


    Auch waren Finali dieser Art doch damals nicht ungewöhnlich.


    Ist die Meinung des
    Operngernhörers :hello:

  • Zitat

    Original von Operngernhörer
    Es ist die logische Fortsetzung der Handlung, der "Bösewicht" ist tot, und wir gehen alle zur Tagesordnung über, jeder auf seine Weise.


    Eben. Und Leporello erzählt (IMO unnötiger Weise) nochmal detailliert den Hergang, den wir bereits kennen. Es ist die Fortsetzung einer Handlung, die bereits in sich abgeschlossen ist: der Held ist tot. Basta. Finito. Q.e.d. Ende. Aus. Vorhang. Feierabend.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli,


    das sehe ich nicht so. Ich greife zuerst Leporello heraus, in einer kurzen, atemlos-knappen Erzählung berichtet er vom Untergang seines Herrn. Zwar entsetzt er sich gelegentlich über den Amoralismus Don Giovannis, doch ohne Beunruhigung seines Gewissens war er Mittäter. Und nun geht er ins Wirtshaus, um sich einen neuen, hoffentlich weniger anstrengenden Herren zu suchen. Denn er will weiterleben.
    Doch wie wird sein Weg weiter aussehen ? Anständiger ? Eher nicht.


    Ähnliches geschieht mit Don Ottavio. Er sieht sich wieder dort, wo er vor Beginn des Stückes gestanden ist, hat zur Rache nicht wirklich beigetragen und will nun fortfahren, wo er unterbrochen wurde.


    Donna Anna ist vom Verlangen nach Rache aufrecht gehalten worden, doch was nun? Don Ottavio heiraten und eine standesgemäße Ehe führen ? Der Antrieb in ihr ist gestorben und sie gibt dem Freund gute Worte, entzieht sich mit der Bitte um ein Trauerjahr für ihren Vater, der ihr bisheriger Mittelpunkt war. Wenn man dem Larghetto zuhört, die beiden singen verschiedene Texte, er werbend und sie abwehrend. Es wird sicher nie mehr die große Liebe sein (wahrscheinlich wäre sie es auch nie geworden).


    Elvira will sich ins Kloster zurückziehen, sie sieht keine Zukunft für sich und möchte Gott anstelle von Don Giovanni setzen. Wird sie zur Ruhe kommen oder nur ein Damenstift bereichern ?


    Masettos und Zerlines Ehe war einer Zerreißprobe ausgesetzt. Sie sind nun zu Realisten geworden und gehen nach Hause um das Hochzeitsfest fortzusetzen. Hat sich ihnen aber etwas verändert ?


    Und nur Leporello, Zerlina und Masetto sind es, die Don Giovanni zum Teufel wünschen.


    Fröhliche Schlußmelodie ? Es die selbe Tonart D-Dur-Presto der den Text überspielt wie in der "Nozze" D-Dur-Schlußchor "So blühet uns allen das herrlichste Glück" ebenso ein fröhliches Ende suggerieren möchte.


    LG - Operngernhörer :hello:

  • Hm, tja. Die Oper heißt aber nun mal Don Giovanni ossia: Il dissoluto punito und nicht Donna Elvira, Zerlina, Don Ottavio oder sonst wie... ich finde ja die Musik der Scena ultima ultissima wunderwunderschön, aber die Handlung ist wahrlich überflüssig.


    Zitat


    Fröhliche Schlußmelodie ? Es die selbe Tonart D-Dur-Presto der den Text überspielt wie in der "Nozze" D-Dur-Schlußchor "So blühet uns allen das herrlichste Glück" ebenso ein fröhliches Ende suggerieren möchte.


    Naja, ich fühle mich bis zu dieser Scene stets sehr aufgewühlt. Die Aufgewühltheit verschwindet dann aber durch diesen Schluß, was sehr schade ist.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ja, lieber Ulli, das Leben geht weiter ! Auch nach so einer schönen Höllenfahrt.
    Da wir nicht sagen können, wie es dem lieben DG in der Hölle weiterhin geht, ob er auch zu einem der kleinen Teufel wird oder ob er allein in einem Kessel schmort, schauen wir den Lebenden zu. Zumindest über Leporello liesse sich eine Fortsetzung andenken.


    Zur Aufgewühltheit : der stete Wechsel zwischen Spannung und Entspannung.


    Liebe Grüße an den Klavierspieler vom
    Operngernhörer :hello:

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