Oper - Musiktheater oder Ohrenschmaus mit Rahmenhandlung?

  • Liebe Taminoianer und solche die es noch werden wollen


    In der Tat gibt es viele Betrachtungsmöglichkeioten des Phänomens Oper. Wir wollen uns aus den vielen Möglichkeiten nur zwei herauspicken.
    Oper als Ohrenschmaus mit Rahmenhandlung
    Oper als (dramatisches) Musiktheater


    Mancher mag meinen, es gäbe da keinen Widerspruch - oh doch es gibt ihn - wenngleich immer wieder eigenartige Kombinationen zwischen den beiden Möglichkeiten entstanden sind.
    In der Qunitessenz jedoch überwiegt stets einer der beiden Aspekte.


    So frage ich mich, inwieweit bei Belcanto Opern der (oft historische, aber historisch anfechtbare) Inhalt überhaupt von wichtigkeit ist (war ?)
    Sollte hier nicht lediglich ein Ambiente für eine Reihe von Arien und Massenszenen mit Chor geschaffen werden, wie die Musik - bei kritischer Betrachtung - oft im krassen Gegensatz zum Inhalt steht ?



    Umgekehrt (mir kam unwillkürlich der Gedanke, als ich gestern in Soundschnippsel von Baladas Oper "Cristobal Colon" hineinhörte)
    gibt es aber auch Opern, deren Musik nicht unbedingt "schön" zu nennen ist, die aber die Theatralische Wirkung und die Stimmung des Werkes unterstreichen, wobei es oft eigenartige Kombinationen zwischen "moderner" Musik und mittelalterlichen bis antiken Stoffen gibt - was eigentlich nicht logisch ist, in der Praxis aber durchaus zu überzeugenden eindrucksvollen Effekten führen kann. Einen Ohrwurm wird man in solch einer Oper selten finden, aber wirksame Unterstützung des Bühnengeschehens. (Baladas Musik entspricht übrigens nicht ganz diesem Cliché, sie wirkt auch dann, wenn man sich die dazugehörigen (Stimmungs) Bilder nur vorstellt...



    Welches Segment der Oper ist das Eure - und warum ?


    Es wäre zu einfach in diesem Zusammenhang Oper auch Belcanto-Verismo zu beschränken. Auch die Barockoper und die Moderne, die ja nur schwer einstufbar ist spielen hier eine gewisse Rolle.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred !


    Eine rasche und (nicht wohldurchdachte) emotionelle Antwort :


    Wenn ich Variante 1 nicht haben kann, muß es Variante 2 sein !
    Oder umgekehrt, oder wie so oft eine gute Mischung aus beiden.


    Wenn sich manchmal keines von diesen Beiden einstellt, bin ich sauer und ärgere mich.


    Stellen sich Variante 1 und/oder 2 ein, bin ich ein glücklicher, begeisterter, meist zufrieder


    Operngernhörer :hello:

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Welches Segment der Oper ist das Eure - und warum ?


    Leichter tue ich mir bei Opern, bei denen der Text nicht so wichtig ist, weil ich kein Italienisch kann und überhaupt eher zu faul bin, mitzulesen.


    Aber de facto bleibt einem das Mitlesen, will man nun die Oper als Ganzes wahrnehmen und nicht nur eine Arie für sich, nicht erspart.


    Und wenn ich schon mitlese, ist es wieder egal, ob das nun eine text- oder musik-dominierte Opernvariante ist (da ich auch literarisch interessiert bin und z.B. viele Theaterstücke lese).


    Oper ist eben vermehrt Arbeit ...

  • Ein genießbarer Ohrenschmaus ist für mich absolute Grundvoraussetzung, ein großartiger Ohrenschmaus kann für mich mittelmäßiges oder mißlungenes Musiktheater kompensieren.
    Verworrene libretti stören mich überhaupt nicht, wenn sie halbwegs gelungen umgesetzt werden und es dazu herrliche Musik gibt.


  • Das ist mal wieder eine interessante Frage.


    Wenn mans etwas historisch betrachtet, dann war die Oper immer so etwas wie das "Kino" der damaligen Zeit.
    Insofern ist "Musiktheater" nicht so falsch. Die Leute gehen ins "Kino" um etwas zu sehen, um sich zu unterhalten, insofern war die Oper als "Musiktheater" für die Leute sicher wichtig. Vor allem die Opera buffa erfüllte diese Kriterien.


    Allerdings weigere ich mich zu glauben, dass in der Oper das Libretto und die schauspielerische Leistung wichtiger sind, als die Musik.


    Dass die Oper aber nur "Ohrenschmaus mit Rahmenhandlung" ist, hoffe ich auch nicht.
    Die Oper hat immer eine Botschaft, wie Musik im Allgemeinen haben sollte.
    Diese Botschaft kann weit vom Libretto und der Handlung abweichen (siehe "Nabucco", die eigentlich vollste Revolutionsmusik ist, gegen die Unterdrückung durch die Habsburger).
    Ich hoffe also nicht, dass man in die Oper geht, nur um sich zu unterhalten.
    Musik (und hier die Oper) ist nicht nur Unterhaltung, sie hat eine Botschaft, die man verstehen muss.


    Insofern kann ich beides (Musiktheater und Ohrenschmaus) einzeln nicht akzeptieren.
    In der Oper ist die Musik das Wichtigste, die immer eine Botschaft hat.
    Diese Musik, deren Botschaft man verstehen muss, hindert einem nur in die Oper zu gehen um sich zu unterhalten ( = Ohrenschmaus) und diese Musik hindert einem aber auch daran nur in die Oper zu gehen, um sich des Inhalts und der schauspielerischen Leistung zu erfreuen ( = Musiktheater).


    Insofern glaube ich das beides wichtig ist. Aber jedes für sich allein halte ich für hirnlos.
    Beides zusammen (zumindest ein bisschen aus allem) kann gut funktionieren, aber das Wichtigste in der Oper ist die Musik, die alles zusammenhält, Ohrenschmaus und Musiktheater...


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Ich mache bei Mozarts Opern eine perfekte 2 in 1 Umwandlung (bezüglich dieser Thesen) aus:


    1.) Ich begebe mich in die geeignete Lokalität und beginne damit ganz die Musik zu genießen


    2.) Irgendwann wirds dann entweder lustig oder spannend, was meine Aufmerksamkeit für gelegentliche Sekunden an möglichen Nicht-musikalischen Gehalt der Oper denken lässt


    3.) Spätestens die Schlussklänge der Finali implizieren wiederum ein Ende-Gut-Alles-Gut Gefühl à la: "Vergiss alles was du eben gedacht hast, hier gings im Wesentlichen um die schöne Musik"


    4.) Ohne die Musik je zu vergessen denkt ich mir im Nachhinein das Ein oder Andere, über das Gesehene und Gehörte (Gesprochene, oder Rezitierte)


    -----


    Das macht Mozarts Opern so zu einem 'doppeltn vergniegen' - Einfach herrlich :)


    :hello:


    Peter

  • Hm - eine interessante Frage - eine nette Thread-Idee!


    So richtig "Oper", wie ich sie liebe, ist es zweifellos, wenn beide bzw. alle Faktoren zusammenpassen. Da sollte optimalerweise alles passen: Das Werk hat eine packende, aussagekräftige Handlung, wunderbare mitreißende Musik, die Aufführungsleistung ist ausgezeichnet und hoffentlich auch die Bühnenumsetzung.


    Wann das der Fall ist, wird für den einen und anderen verschieden sein.


    Darum will ich hier nicht Komponisten, Sänger oder so aufzählen.
    Jedenfalls fallen da schon einmal eine große Menge an Werken - quer durch Stilrichtungen und Perioden - aus diesem Rahmen heraus und dieses irgendwie "magische Wunder" funktioniert nur live in einem Opernhaus!


    Hohe Ansprüche?! Ja natürlich, warum nicht.


    Dann gibt es Opern, wo das obige nie passieren kann. Einfach wegen zu tröch-blöder Handlung zum Beispiel. Nicht gesagt, dass nicht die Musik sehr schön sein kann. Beispiele gibt es für mich hier aus dem Belcanto, Barock aber auch bei Mozart. Werke, die wunderbar für zu Hause während des Kochens geeignet sind, zur Untermalung schöner Abende, während einer Autofahrt aber auch als höchst erbauliches Live-Erlebnis, wobei das Drum-Herum nicht so wichtig ist, solange schön musiziert und vor allem erstklassig gesungen wird.


    Dann kenne ich Opern, die auf der Bühne spannendes Musiktheater bieten, auch erstklassige Musik - die ich aber ohne Bühnenerlebnis mir nicht anhören würde. Da fallen mir gerade als Beispiel die Werke von Britten und Janacek ein.


    Als Resume ist aber zu sagen: Der musikalische Teil ist mir am Ende doch wichtiger! Besser eine Oper mit wunderbarer Musik und blöder Handlung als tolle Story mit öder Musik. Besser eine musikalisch erstklassige Aufführung in mieser Inszenierung als tolles Theater mit kläglicher Musik.