Mozart: Sinfonie Nr. 9 C-Dur KV 73

  • Beim Hören dieser Mozart-Sinfonie fiel mir der vierte Satz auf. Er kommt mir bekannt vor, und ich möchte in die Runde fragen, ob jemand die Melodie kennt. Und wenn ich schon dabei bin, versuche ich mich an einer Gesamtbeschreibung.


    Die Noten befinden sich hier.
    Hier die Noten des vierten Satzes und hier ein Hörbeispiel.



    Das Werk entstand 1769 oder 1770, Mozart war also 13 oder 14 Jahre alt.



    Der erste Satz (Allegro, 4/4-Takt, C-Dur) sollte bekanntlich in Sonatenhauptsatzform stehen, das kann ich hier aber nicht richtig erkennen. Er ist wie folgt aufgebaut:


    Teil A (45 Takte)
    Zwischenspiel (13 Takte)
    Teil A' (47 Takte)


    Teil A ist gegliedert in: Hauptthema (mit 2 stark gegensätzlichen Hälften, man kennt das vom jungen Mozart) - 2. Thema - Intermezzo (von mir so genannt) - Nachsatz.


    Auf das eher kurze Zwischenspiel folgt eine leichte Abwandlung des ersten Teils.


    Der Satz wirkt feierlich und klingt phasenweise schon nach dem späteren Mozart, wenngleich er insgesamt noch recht einfach ist.



    Beim zweiten Satz (Andante, 2/4-Takt, F-Dur) handelt es sich um die dreiteilige Liedform. Der erste Teil besteht aus 8 + 13 Takten (1. bzw. 2. Thema), danach folgt ein Mittelteil von 9 Takten, anschließend wird der erste Teil wiederholt.


    Der Satz wirkt pastoral, unterstrichen durch den solistischen Einsatz der Flöte.



    Der dritte Satz (Menuett) ist wieder in C-Dur, das Trio in F-Dur. Der erste Teil ist feierlich, in typischem Menuett-Rhythmus, so etwas gefällt mir. Das Trio ist wie üblich intimer, aber es wirkt recht konventionell, Haydn hat da mehr gewagt.



    Beim vierten Satz (Molto allegro, 2/4-Takt, C-Dur) bin ich mir nicht sicher, ob man das als Rondo oder als Ritornell bezeichnet. Ich tendiere zu letzterem, da ein Rondo eigentlich nach dem Schema A-B-A-C-A-B'-A aufgebaut ist. Hier nehme ich dagegen folgenden Aufbau wahr: A-B-A-C-A-D-A-E-Coda. Die Teile umfassen je 16 Takte, bis auf B (24 Takte) und D (48 Takte). D ist somit der Mittelteil. Er klingt nach nach Moll, die Tonart kann ich leider nicht bestimmen.


    Die oben erwähnte bekannte Melodie ist der vier mal gespielte Teil A. Ich wäre wirklich glücklich, wenn mir jemand erklären könnte, welche Melodie das ist.



    Insgesamt handelt es sich um ein angenehmes Jugendwerk, in dem der Stil von Mozart gut erkennbar ist.



    Thomas Deck


    PS: Der Autor von Wikipedia kann das natürlich viel besser als ich. Die Frage zum Thema des vierten Satzes wird dort aber auch nicht beantwortet. Bilde ich mir die Bekanntheit der Melodie nur ein?

  • Zitat

    Original von thdeck
    Beim Hören dieser Mozart-Sinfonie fiel mir der vierte Satz auf. Er kommt mir bekannt vor, und ich möchte in die Runde fragen, ob jemand die Melodie kennt.


    Ist etwas ähnlich dem 'Ah, vous dirai-je, Maman' (Morgen kommt der Osterhase).


    Zitat


    Der erste Satz (Allegro, 4/4-Takt, C-Dur) sollte bekanntlich in Sonatenhauptsatzform stehen, das kann ich hier aber nicht richtig erkennen. Er ist wie folgt aufgebaut:


    Teil A (45 Takte)
    Zwischenspiel (13 Takte)
    Teil A' (47 Takte)


    T. 1ff. Hauptthema (Tonika: C-Dur)
    Modulation nach D-Dur bis T. 15
    T. 16ff. Zweites Thema (Dominate: G-Dur)
    T. 33ff. Schlußgruppe (G-Dur)
    T. 46ff. Durchführung mit neuem/fremdem Themenmaterial
    T. 59ff. (auftaktig) Reprise (Tonika: C-Dur)
    Modulation über SD F-Dur und d-moll nach G-Dur bis T. 72
    T. 73ff. Zweites Thema (Tonika: C-Dur)
    T. 100ff. Schlußgruppe (C-Dur)


    Zitat

    Beim vierten Satz (Molto allegro, 2/4-Takt, C-Dur) bin ich mir nicht sicher, ob man das als Rondo oder als Ritornell bezeichnet.


    Als Ritornell bezeichnet man üblicher Weise den (einleitenden und intermedierenden) Orchesterpart bei Konzerten mit einem (oder mehreren) Soloinstrumenten, beim Rondo bezeichnet man als 'Ritornell' auch den A-Teil. Das Finale ist hier schon eine Rondoform, natürlich mit Ritornell ;)


    Zitat

    Original von thdeck
    D ist somit der Mittelteil. Er klingt nach nach Moll, die Tonart kann ich leider nicht bestimmen.


    Falls Du die Takte 89ff. meinst: c-moll.


    :hello:


    Ulli


    P.S. Mit der Zählung als Nr. 9 wäre ich zurückhaltender...

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Hast Du schon richtig erkannt. Es ist aber doch ein Sonatensatz, wobei die Durchführung (ab T. 46) sehr rudimentär ausgefallen ist und nicht wirklich Material der Exposition "durchführt". Vorher gibt es aber ein Seitenthema in G-Dur (Doppeldominante D-Dur in T. 15), melodisch prägnant wird es etwa ab T. 26. Und dieses Material wird in der Reprise in C-Dur wiederholt (ab ca. T. 77). Eine kleine durchführende Passage gibt es kurz nach Repriseneintritt, T. 65-72 (daß das beinahe schon eine Norm in der Klassik ist, habe ich erst diesen Sommer irgendwann kapiert, als mich der KSM dazu brachte, nochmal Rosen nachzulesen)


    Zitat


    Beim vierten Satz (Molto allegro, 2/4-Takt, C-Dur) bin ich mir nicht sicher, ob man das als Rondo oder als Ritornell bezeichnet. Ich tendiere zu letzterem, da ein Rondo eigentlich nach dem Schema A-B-A-C-A-B'-A aufgebaut ist. Hier nehme ich dagegen folgenden Aufbau wahr: A-B-A-C-A-D-A-E-Coda. Die Teile umfassen je 16 Takte, bis auf B (24 Takte) und D (48 Takte). D ist somit der Mittelteil. Er klingt nach nach Moll, die Tonart kann ich leider nicht bestimmen.


    "Ritornell" ist m.E. keine übliche Bezeichnung für einen Satz, sondern für einen Satzteil (meist in Konzerten die Tutti-Abschnitte). Ein Rondo muß nicht so symmetrisch sein wie dein erstes Schema (obwohl es das oft gibt), sondern kann eben auch so sein wie der vorliegende Satz.
    Den Aufbau hast Du m.E. korrekt erkannt, die Episode B steht wenn ich recht sehe in G-Dur, der längere Mittelteil ist c-moll und Deine Episode E würde ich schon beinahe als einen Teil der Coda ansehen.


    Zitat


    Die oben erwähnte bekannte Melodie ist der vier mal gespielte Teil A. Ich wäre wirklich glücklich, wenn mir jemand erklären könnte, welche Melodie das ist.


    Es ist eine sehr eingängige Melodie, aber ich kann nicht sagen, ob sie anderswo mal vorkommt. Es gibt aber sicher allein bei Mozart etliche, die ziemlich ähnlich klingen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • bei französischen Sinfonien dieser Zeit waren solche Finalsätze ziemlich beliebt, auch bei Konzerten.
    D.h. mann hat oft irgendwelche Volksweisen oder Tänze verwurstet und diese dann gehörig variert.
    Das findet man schon recht häufig.
    (Man denke nur Haydns Pariser Symphonien)


    z.B. bei den Sinfonien / Konzerten von Saint George oder Rigel findet man ähnliches. Leider kennt man nur nicht immer die Melodien.
    Meist sind ja von alten Volksliedern nur die Texte erhalten (meist schmutzige :D ) Theorie ist auch, dass auf eine Melodie gleich eine ganze Reihe von Texten kam.


    Ging halt einfach darum zum Schluss noch mal einen Gasenhauer den jeder kennt zu bringen - da war einem der Applaus sicher :D


    Zitat

    Ist etwas ähnlich dem 'Ah, vous dirai-je, Maman' (Morgen kommt der Osterhase).


    würde ich auch sagen. Das Lied war damals ziemlich populär.
    Der Moll Teil der Gavotte (?) scheint mir auch ein Zitat zu sein.



    komischerweise scheint sie aber nicht für Paris gedacht gewesen zu sein, sondern für Salzburg.
    Die Symphonie wird ja auch als deutsche Konzert - Symphonie bezeichnet.


    diese Symphonie erschienen ja nie im Druck.
    Leopold schrieb später:


    "was dir keine ehre macht,
    ist besser wenns nicht bekannt wird,
    deswegen hab ich von deinen Symphonien nichts hergegeben,
    weil ich vorrauswusste, dass du mit reiffern Jahren,
    wo die Einsicht wächst, frohe seyn wirst,
    dass sie niemand hat, wenn du gleich damals, als du sie schriebst,
    damit zufrieden warest, man wird immer heickler."



    ein Glück das die Werke nicht unter die Räder gekommen sind :faint:

  • Zitat

    Original von der Lullist
    würde ich auch sagen. Das Lied war damals ziemlich populär.
    Der Moll Teil der Gavotte (?) scheint mir auch ein Zitat zu sein.


    Nein, eine Gavotte ist das eher nicht, da 2/4-Takt (eine Gavotte steht im Vierertakt und beginnt auftaktig auf Schlag 3). Wobei man dies im vorliegenden Falle sicher problemlos umbasteln könnte. Umgekehrt ist ja der Fall, daß Mozart bei den "Ah, vous!"-Variationen aus dem originären Vierertakt (mit Auftakt auf Schlag 3) einen Zweiertakt machte (2/4), es ist sogar noch im Autograph das Ausschlängeln der zuvielen Taktstriche erkennbar (könnte ich ggfs. zu dokumentativen Zwecken einscannen). Der Mollteil ist IMO eine Abwandlung des Ritornells :D


    Es mag bei der Gavotte sicher auch (mir nicht bekannte) Ausnahmen geben. Aber da müßte schon die Choreographie und Schrittfolge angepasst werden. Gundlegend kann man über die Gavotte sagen, daß sie im Vierertakt steht, wobei sie auftaktig auf Schlag drei etwas betont beginnt und fortlaufend immer Schlag eins voll betont und Schlag drei etwas betont ist (davon abgesehen gibt es keine Synkopen oder anderweitige Taktverschiebungen). Im Zweiertakt wäre stets alle zwei Schläge Schlag eins betont, was der Gavotte eigentlich wiederspricht... aber wie gesagt, mag es (regionale?) Ausnahmen geben.


    Gavotten bei Mozart finden sich z.B. in der Balettmusik zu Idomeneo (Nr. 4) oder im Finale von KV 503 (selbes Thema!), auch bei den Divertimenti wird man fündig, z.B. KV 239 III (eigentlich ein Rondo á la Gavotte, also eine Mischform). Oder KV 452, IV und KV 502, III u.a.m. (wobei dies natürlich formal keine reinen Gavotten sind, sondern dieser nur rhythmisch entsprechen).



    Zitat


    Die Symphonie wird ja auch als deutsche Konzert - Symphonie bezeichnet.


    Lt. Köchel oll es sich um eine einstmalige Caßation handeln, was den Schlußsatz indirekt erklärt.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    [..]


    Der Mollteil ist IMO eine Abwandlung des Ritornells :D


    Das sehe ich ebenso. Auch nicht ganz unüblich im Rondo...
    Man sollte allerdings auch sehen, daß der Weg zu einem "Sonatenrondo" wie beim späten Mozart oder Haydn noch ziemlich weit ist.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Vielen Dank für die Erläuterungen und Kommentare. Insbesondere habe ich jetzt keine schlaflosen Nächte mehr wegen des Themas im vierten Satz.


    Den Begriff Ritornell benutzte ich leider, ohne in dem Konzertführer nachzuschauen, von dem ich ihn kannte. Dort heißt es nämlich: Ritornellform (z.B. bei Vivaldi). Und ihr habt natürlich Recht, da geht es um den Wechsel zwischen Sologruppe und Ritornell.


    Wikipedia (ich habe nicht von dort abgeschrieben) nennt übrigens Takt 46-58 des ersten Satzes "Überleitungsabschnitt".


    Die Bestimmung von Tonarten innerhalb von einzelnen Sätzen muss ich noch lernen, leider...



    Thomas Deck

  • Zitat

    Original von thdeck
    Wikipedia (ich habe nicht von dort abgeschrieben) nennt übrigens Takt 46-58 des ersten Satzes "Überleitungsabschnitt".


    Naja, Durchführung halte ich im engeren Sinne bezogen auf diesen Satz - insbesondere auch in Anbetracht der späteren Werke - auch für überformuliert. Aber rein technisch gesehen, bezogen auf die sogenannte Sonatenhauptsatzform (die es ja damals eigentlich nicht gab), ist dann Durchführung schon der richtige Terminus (man könnte es bestenfalls in Anfühungszeichen setzen, wobei eine DF bei Mozart mit völlig fremden Themen ja später keinen Seltenheitswert hat).


    Zitat


    Den Begriff Ritornell benutzte ich leider, ohne in dem Konzertführer nachzuschauen, von dem ich ihn kannte. Dort heißt es nämlich: Ritornellform (z.B. bei Vivaldi). Und ihr habt natürlich Recht, da geht es um den Wechsel zwischen Sologruppe und Ritornell.


    Wie gesagt wird auch der A-Teil des Rondos als 'Ritornell' bezeichnet. Ritornell ist etwas (unverändert aber regelmäßig) wiederkehrendes, bei den Klavierkonzerten also z.B. das Hauptthema im Orchester, beim Rondo (oder in der einfacheren Liedform) eben der A-Teil. Für Dich speziell: Il ritorno = die Rückkehr/Wiederkehr (z.B. des Tobia bei Haydn :] ). Die frz. Bezeichnung wäre Refrain.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)