Wolfgang Wagner zum 90. Geburtstag

  • Vielleicht lag es am großen Wahl-Sonntag, daß bisher kein Kommentar zum Neunzigsten des Wagner-Enkels kam.


    Alles Gute zum 90. Geburtstag einem der größten (und unterschätztesten) Regisseure des 20. Jahrhunderts! :jubel:




    Der volle "Focus"-Artikel hier:


    "http://www.focus.de/kultur/musik/tid-15345/wolfgang-wagner-dem-erbe-verpflichtet_aid_430489.html"

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Schön, daß Du darauf hinweist, lieber Joseph. Wohl wissend, dass man zu WoWa ein gespaltenes Verhältnis haben kann - ich bin da eher indifferent - blickt dieser Mann auf eine beachtliche Lebensleistung zurück. Und davor ziehe ich den Hut. Und sage artig: Danke!


    Eine gewisse Ähnlichkeit mit Forumsleiter Alfred hat er ja: man schaue sich Wolfgang Wagners eigene Inszenierung der "Meistersinger" an und bedenke, daß genau dieser Regisseur Christoph Schlingensief zur Inszenierung des "Parsifal" verpflichtete.


    Die Leute müssen eben lernen, ein Gegenüber nicht nur an seiner Meinung zu messen, sondern daran, was er zulässt


    Gratulation aber zunächst an WoWa. Dem Sternzeichen nach zu urteilen ist Alfred erst später dran.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wolfgang Wagners Inszenierungsstil gilt – gerade im Vergleich mit seinem Bruder Wieland – als eher konventionell. Ich selbst kenne gar nicht allzu viele Inszenierungen von ihm, am besten seine zweiten "Meistersinger" (1981–88) (auf DVD erschienen), die relativ bieder herüberkommen, aber m. E. gewiß den heutigen Entstellungen vorzuziehen sind. Daneben sind mir noch kurze Ausschnitte aus seinen ersten "Meistersingern" (1968–76) sowie seinem zweiten "Ring" (1970–75) bekannt. Dummerweise gibt es gerade von jener Inszenierung, die der geschätzte Operus an anderer Stelle besonders hervorhob, nämlich seinem ersten "Ring" (1960–64), m. W. keine Video-Ausschnitte, nur ein paar Photos.


    Die Bayreuther Inszenierungen Wolfgang Wagners:



    "Lohengrin", Bayreuther Festspiele 1953–54



    "Der fliegende Holländer", Bayreuther Festspiele 1955–56



    "Tristan und Isolde", Bayreuther Festspiele 1957–59



    "Der Ring des Nibelungen", Bayreuther Festspiele 1960–64



    "Lohengrin", Bayreuther Festspiele 1967–72



    "Die Meistersinger von Nürnberg", Bayreuther Festspiele 1968–76



    "Der Ring des Nibelungen", Bayreuther Festspiele 1970–75



    "Parsifal", Bayreuther Festspiele 1975–81



    "Die Meistersinger von Nürnberg", Bayreuther Festspiele 1981–88



    "Tannhäuser", Bayreuther Festspiele 1985–95



    "Parsifal", Bayreuther Festspiele 1989–2001



    "Die Meistersinger von Nürnberg", Bayreuther Festspiele 1996–2002


    Übrigens: Die vermutlich weltweit letzte Wolfgang-Wagner-Inszenierung läuft derzeit (noch!) in der Semperoper hier in Dresden: "Der fliegende Holländer" von 1988. Wer also noch einmal einen Live-Eindruck einer seiner Inszenierungen haben will, sollte sich sputen – allzu lange läuft diese gewiß nicht mehr!



    "Der fliegende Holländer", Semperoper, Dresden, Inszenierung: 1988

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nur zur Klarstellung:


    In der Geburtstagskinder-Rubrik: "Die tägliche Gedenkminute" habe ich gestern bereits um 13.12 Uhr an Wolfgang Wagners Geburtstag erinnert - mehr als 10 Stunden vor diesem Thread.


    LG


    :boese2:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    Keiner berichtet so pünktlich und penibel über alle aktuellen Ereignisse
    wie Du. Diese "Erinnerungsarbeit" ist für mich ein großer Plupunkt des Tamino-Forums und ich ich bin Dir dankbar für Deine Leistungen, die Du natürlich auch beim Ehrentag von Wolfgang Wagner verläßlich erbracht hast.
    Ich habe Wolfgang Wagner, der neben seinen sonstigen Verdiensten in der Tat ein ganz großer Regisseur war, im Auftrag der Gottlob-Frick-Gesellschaft gratuliert.
    Da gibt es eine nette Episode: Wolfgang Wagner hat bei einem Besuch des Künstlertreffens der Gottlob-Frick-Gesellschaft zum ersten Mal Maultaschen gegessen und war begeistert. Seitdem erhält er jedes Jahr, wenn ich zu den Festspielen fahre, reichlich Maultaschen aus Ölbronn.
    Ich hoffe nur, dass wir diese "lebenslängliche Rente" in Form dieser schwäbischen Köstlichkeit noch recht lange liefern dürfen.
    Herzlichst
    Operus
    :hello: :jubel:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Das ist natürlich richtig. Ich dachte nur, es wäre zu diesem Anlaß ein eigener Thread angebracht. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ja, soll man, oder soll man nicht?


    Über den Jubilar-Status jenseits der Mündigkeits- und Verantwortlichkeitsgrenze: nil nisi bene? Und außerdem ist ja sowieso alles subjektiv, die Geschmacks- und sonstigen Urteilskriterien sowieso, und wenn dann noch ausgeprägte, zugleich massen-mainstreamige Wahrnehmungs- oder Kenntnisnahme-Subjektivität dazu kommt ... Und außerdem haben die servilen, mitläuferischen, uns herdenmäßig begleitenden Presse- und Rezensions-Opportunisten in FAZ, SZ, FR, WELT, ZEIT bis BILD und Locus, von Prof. Kaiser bis Bruig ja sämtlich das ihre getan, um über der normativen Kraft des Faktischen – nämlich vertraglich abgesicherter Unabsetzbarkeit, also auch Aussitz- und Erpressungsbefugnis – den affirmativen Lobpreissülz auszugießen. Man beachte die Doppelbedeutung des Begriffs „Verdienste“.


    Bloß hier im T-Forum hatte ich derlei nicht erwartet. Sei’s drum. Ich kann nicht anders:


    Ich halte den ewigen Wolfgang, Hügelverweser in des Wortes umfassender Bedeutung, für eine der negativsten Erscheinungen der Kulturszene des letzten Halbjahrhunderts.


    Dazu nur ein paar Stichworte, jedes einer ganzen Abhandlung voller Belege und Beweise mächtig, wenn man den Platz dafür hätte.


    1.
    Der suboptimale Künstler. Im Vergleich mit dem übermächtigen – zu WoWas Vielfachglücke allzu früh verstorbenen – Bruder ein Provinzler der Kategorie 1930/40er Jahre, phantasielos, assoziationsarm, eklektisch, artikulationsschwach, bürokratisch, kofmichhaft; falls mal erträglich, dann brav, kaum über Stadttheaterniveau. Man kann praktisch jeden namhaften Opernregisseur seit 1950, nicht nur den großen Wieland, auflisten, um den Abstand selbst vom guten Standard zu belegen – von Rennert und Schuh über Ponelle und die Italiener bis zu Chéreau (und das behauptet hier ein geschworener Verächter des sog. „Modernen Regietheaters“, damit kein Missverständnis aufkommt).


    2.
    Der typische „zweite Mann“. Wer genug Jahre auf dem Buckel hat, um Zeitzeuge zu sein, wird sich der mondialen, immer wieder neu faszinierenden, mit jeder Produktion Aufregung und Impuls im nicht-boulevardigen, sondern kreativ-entzündenen Ausmaß auslösenden Wirkung Neu-Bayreuths 1951-ca.1970 erinnern, solange es künstlerisch von Wieland bestimmt wurde und WoWa auf die Rolle des Organisations- und Finanz(beschaffungs)-Chefs festgelegt war, gelegentlich brave Abbild-Inszenierungen beisteuernd, gleichsam aus der „zweiten Reihe“ – grau, karg, unsinnlich wie Lohengrin, Holländer, Tristan; der RING 1960 hatte wenigstens einen (wenn auch wenig überzeugenden) Zentralgedanken.


    3.
    Die niedrige Persönlichkeit. Kaum, dass der übergroße Künstlerbruder verstorben war und der Alleinerbe den Hort greifen konnte, hagelte des Abrechnung und Inthronisation durch Demütigungen und Verweise: Die gesamte Wieland-Familie vom Hügel verbannt. Die eigenständigen (und an der Seite der verstoßenen Mutter optierenden) eigenen Kinder mit Hausverbot belegt. Die nahezu gesamte Dokumentation der künstlerischen Hinterlassenschaft des Bruders aus Villa Wahnfried und Richard-Wagner-Gedenkstätte verschwunden. Wer heute dahin kommt, findet im Keller noch zwei Bühnenmodelle, im Treppenhaus einen zur Deko vergrößerten Fotoausschnitt – é tutto! Keine Spur sollte bleiben. So kennzeichnet und brandmarkt sich ein Ausmaß von Missgunst und Inferiorität, das allein reichen sollte, um von Preisungen, gar Verklärungen Abstand zu nehmen.


    4.
    Der Niveau-Absenker. Wie gesagt: Geschmack und Subjektivität bilden streitfähige Wertsetzungen. Mag sein, dass der, von Ausnahmen wie Chéreau, Boulez, Solti abgesehen, immense Qualitätsverlust bei Dirigenten und Sängersolisten und die beliebig-opportunistische, PR-gesteuerte Regisseure-Auswahl am Hügel über die Endlosstrecke seit Ende der 1960er Jahre hin auch der Allgemeinentwicklung geschuldet ist. Doch dass, um mal das Zentralthema Tenöre herauszugreifen, nach Aldenhoff, Windgassen, Vinay, Hopf, Suthaus, Kónya, Thomas, King ein derartiger Niveausturz wie der zu Kollo, Hofmann, Jerusalem, Jung, Krämer, Pell usw. unausweichlich gewesen wäre, glaubt doch nichtmal der jüngste Nichtwisser – und so lässt sich die Reihe abwärts von Knappertsbusch, Keilberth, Krauss, Kempe, Böhm oder von London, Bjoerling, Hotter, Uhde, Neidlinger, Andersson, Weber, Dalberg, Greindl, Frick ... generationsumfassend in allen Fächern und Funktionen verlängern, vor allem übers letzte Vierteljahrhundert hin (Ausnahmen wie Meier oder Domingo wandten sich nicht grundlos nach kurzen Präsenzen definitiv ab). Über all dies wäre ein Buch zu schreiben, was sag ich: mit Wertungszitaten Betroffener und Beteiligter zu füllen..


    5.
    Die Austreibung des Geistes. Mit Wieland mussten Träger und Garanten für geistigen Background und intellektuelle Sinnstiftung vom Hügel weichen. Statt Bloch, Adorno, Mayer, Dahlhaus, Gregor-Dellin,Wapnewski gaben sich im Gefolge der ewigen WoWa-Ära Repräsentanten des Rechtsextremismus und der Nazi-Nostalgie die Ehre, unter ihnen im Freundesstatus die Göring- und Hess-Sippschaften, ansonsten der rechte Politikflügel von Angie-Mom bis Westerwelle, dazu in wachsender Menge TV- und Gigi-Prominenzen von M.Werner bis Th.Gottschalk. Und entsprechend gestaltete sich die begleitende Publizistik – vom Kulturressort ins Vermischte.


    Wollen wir dann noch über das grauenvolle, peinliche, entwürdigende, im Ergebnis die Niveausicherung auf Unterlevel garantierende Finale streiten? Lieber nicht. Für mich heißt die Bilanz: Ein Halbjahrhundert Kultur- und Bedeutungsverlust vom zukunftsoffenen, kreativen, animierenden Weltfestival zum Provinz- und Boulevard-Event – und das auf Dauer abgesichert. Dessen soll ich respektvoll, gar verehrend gedenken? Pustekuchen!


    In Erwartung aufgeregter Proteste grüßt


    KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Lieber KUS,


    Großteile Deiner kritischen Anmerkungen sind gewiß nicht unberechtigt. Da dieser Thread jedoch zum 90. Geburtstag Wagners eröffnet wurde, verbat es der Anstand, sogleich mit einer Auflistung seiner vermeintlichen und wirklichen Versäumnisse durch fast ein halbes Jahrhundert Alleinherrschaft zu beginnen.


    Du schreibst – m. E. nicht zu unrecht – daß das Sängerniveau ab ca. 1970 stetig abnahm. Ende der 60er/Anfang der 70er schieden Größen wie Windgassen, Greindl, Neidlinger, Stolze usw. altersbedingt aus. D. h. doch folglich, daß sich auch Wieland Wagner diesem Problem gegenüber gesehen hätte. Sein früher Tod 1966 ersparte ihm dieses Kapitel. Mit dem Auslaufen des Wieland-"Rings" (1969) bzw. des "Parsifals" (1973) begann eine neue Ära, sowohl, was Inszenierung angeht, als auch, was die Sänger anbelangt. Auch wenn es in der Summe keine derartigen Glanzleistungen mehr gegeben haben mag, so stechen doch einzelne Produktionen dennoch heraus, etwa der "Jahrhundert-Ring" (1976–80), aber auch der von Horst Stein von 1970–75 geleitete zweite Wolfgang-Wagner-"Ring", der zumindest orchestral und sängerisch m. E. noch hochrangig zu nennen ist. Desweiteren der bereits genannte Solti-"Ring" von 1983; ferner wären noch Levines "Parsifal"-Dirigate anzuführen. Mir kommt es so vor, als hätte es den wahren Einbruch erst um ca. 1990 gegeben, als die Sängerleistungen noch viel eklatanter schwächer wurden als ab ca. 1970.


    Wie dem auch sei: Vielen Dank für die Wiederbelebung dieses Threads! Auch ich hoffe, daß es noch weitere Rückmeldungen geben wird.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • ...a propos will irgendwer doch ermittelt (und irgendwo dargelegt) haben, daß Wieland dem braunen Ungeist unkritischer als Wolfgang gegenüberstand ??


    - auch sei (mein ich mal gelesen zu haben) Wieland Parteimitglied gewesen, das Geburtstagskind hingegen nie...


    ...sei der puren Fairneß halber doch erwähnt
    von
    micha (für den es wohl eine Strafe wäre, eine WoWa-Arbeit anzusehen)


    PS @Josephus II.: nana ;) ... "einem der größten...des letzten Jahrhunderts"
    - ich schätze das wird noch nicht mal er selbst so sehen...


    :hello:

  • Brauner Ungeist ...


    Lieber Pieter!

    Ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Wieland war der Ältere – aber wie WoWa eben Sohn der grässlichen Nazi-Jule und lebenslangen "Onkel Wolf"-Verehrerin + 88erin Winifred, also unter NS-Kuratell der Prätendent. Nach dem frühen Tod des Vaters Siegfried (Konservativer, aber kein Brauner) waren die Buben dem Pakt der, außer Friedelind, kollektiv mit der Hitlerei und Herrenmenschenbewegung verklüngelten Familie voll ausgeliefert, wurden also in ihrer entscheidenden Sozialisationphase umfassend zwangsgeprägt. Wielands erste Schritte als Maler+Bühnenbildner, dann Regie-Eleve, wurden in die herrschende Richtung geleitet, von Tietjen betreut, von der Mutternorne im Zwang gehalten – bis zum bitteren Ende, das für die zwangsabgedankte Hügelherrin bekanntlich keines war. Was es dazu zu wissen gibt, findet man in der bislang einzigen Wieland-Biographie: Berndt W. Wessling "Der Enkel".


    Für unsere Diskussion hier ist entscheidend:


    Wieland hat auf dem intellektuellen Weg von der Adoleszenz zur Mannbarkeit nicht nur den Wahnweg der Auslieferung des Wagner-Werks an die braune Pest der Völkermörder erkannt, sondern auch gründlich aufgearbeitet, daraus vielfältige Schlüsse für Geisteswelt, Interpretation, Kontexte gezogen, diese mit seinem genialen Sinn für Farben, Formen, Lichtvisionen in neue Sichten aus dem Werk auf das Werk umgesetzt und dabei vitalen Wissendrang aktiviert. Dieser führte ihn Spielzeit für Spielzeit zu erweiterten Auf- und Ansichten, mit immer sich steigernder Fähigkeit zu kreativer Werkerkundung und Werkerschließung. Klar, dass dabei wie dem voraus eine gründliche Neuverfassung seiner geistigen Grundlagen und Denkwege und Projekte und Kreationen ging. Das alles in hochkomprimierter Abfolge – durch Wegbeschreitung wegweisend. Also auch als Faszinosum für Repräsentanten des anderen, besseren, gerechtfertigten Deutschlands – von nicht mehr Verfügbaren wie Newman, Einstein, Reich, Benjamin, Thomas Mann bis zu für aktiven Diskurs bereitstehenden Köpfen wie Bloch, Adorno, Horkheimer, Marcuse & Community.


    Eben darum war der Rückschlag ins Ungeistige, Popelige, Provinzielle, Mediokre in der nicht endenwollenden Wirkungsphase des so ganz anders gestrickten, ausschließlich funktional begabten Bruders ein solches Verhängnis für Bayreuth speziell und für die Wagner-Interpretation allgemein. Mit den Folgen haben wir seit langem und (in Gestalt der affirmativ-ausbeutbaren Töchter) für noch lange umzugehen. Die veröffentlichte Meinung und ihre Erzeuger wie Träger buckeln sich immer den herrschenden Verhältnissen zu. Davon profitiert der WoWa-Klüngel – offenbar noch für lange.


    Also, Vorsicht mit Gerüchten zu Wieland. Er ist gerade in Zeiten der Werkverhunzung durch „Regietheater“ der Wiederentdeckung ert.


    Grüße, KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • ...eben drum (man beachte zudem doppeltes Fragezeichen u. Konjunktiv) hab ich hier, kurz und knapp, die entspr. Gerüchteküche angerührt...


    - damit ein kompetenter Mituser hier entspr. ergänzt resp. richtigstellt!


    THANKS
    :hello:
    micha

  • Lieber Kus,


    warum denn wütende Proteste? Du hast zu Wolfgang Wagner Deine Meinung, die Du fundiert begründest. Ich habe in Teilen eine andere, also lasse uns diese austauschen, das ist der Sinn unserer Tamino-Diskussionen.
    Gewiss Bayreuth und die Familie Wagner tragen durch die Verstrickungen in der unseligen Zeit des dritten Reiches eine Erblast und Erbschuld.
    Beide Wagner-Enkel bemühten sich, diese Belastungen abzubauen und aufzuarbeiten.
    Mir geht es jedoch an seinem 90. Geburtstag um die Würdigung der Lebensleistung von Wolfgang Wagner. Er war ein auch im Vergleich zum künstlerisch genialeren Bruder Wieland ein sehr enrstzunehmender, ausgezeichneter Regisseur. Als Beleg dafür nehme ich nur seine erste Ringinszenierung von 1960 - 1964. Als erster hatte er hier die geniale Idee der Scheibe als durchgehende Spielfläche des ganzen Rings. Während Wieland mehr vom Bildhaften her her inszenierte, war Wolfgang der muskalischere Spielleiter. Seine größten Verdienste hat er jedoch dadurch, dass er Bayreuth jahrzehntelang durch alle Stürme geführt hat und als Gralshüter blödsinnigen Vorschlägen, wie ganzjährig spielen und andere Komponisten auf dem Hügel aufzuführen, standhaft widerstanden hat. Nahezu genial waren seine unterschätzten oft verlachten Schachzüge und sein Stehvermögen, um das Wagnersche Erbe im Sinne der Familientradition an seine Töchter weiterzureichen. Würde man in die Streitereien im Wagner-Clan einsteigen, dann ließen sich gewiss ebenfalls zahlreiche Beispiele für die Gegnerschaft von Wieland zu Wolfgang finden. Ich wehre mich dagegen, wenn die beiden Brüder gegeneinander ausgespielt werden. Jeder sollte seinen Verdiensten entsprechend gewürdigt werden, das hat besonders Wolfgang für seine Lebensleistung an seinem 90. Geburtstag verdient.
    Kritisch untersucht werden sollte tatsächlich der Niedergang des Qualitätsniveaus in Bayreuth besonders bei den sängerischen Leistungen. Ist dieses Phänomen allerdings nicht allgemein und überall zu beklagen? Ich meine auch, bei den neuen "Herrinnen" von Bayreuth gute Ansätze für die Weiterentwicklung und Erneuerung des Wagnerschen-Erbes festgestellt zu haben.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber KUS,
    Ich bin Ihnen für Ihre kritische Würdigung von WoWa ausserordentlich dankbar, der ich zu 100% zustimmen möchte; diese Meinung wird heute kaum mehr ausgesprochen und offensichtlich als nicht salonfähig betrachtet. Es wird offensichtlich in weiten Kreisen schon als Leistung betrachtet, Wolfgangs Alter erreicht, bzw. sich so viele Jahre an seinem Stuhl festgeklammert zu haben.
    Was ich Wolfgang wirklich am meisten übelnehme, ist nicht der künstlerische Stillstand und Rückgang während seiner Intendanz, sondern der bedenkliche Umgang mit den Leistungen seines genialen Bruders, bzw. mit dessen Familie. Dies alles nur um seine eigene Mittelmässigkeit nicht einem Vergleich auszusetzen zu müssen und seine Machtposition zu festigen. Kleingeistiger geht es wohl kaum.
    Wie würden wir beispielsweise heute dankbar sein, wenn Wielands (wie von im noch in die Wege geleitet) Tannhäuser 1967 in Farbe verfilmt worden wäre (Wolfgang hat es gestoppt); dass der Tristan, bzw. die Walküre von Osaka in guter Qualität offiziell herauskommt, scheitert bis heute an Bayreuth; die Meistersinger-Schusterstubenszene liegt seit der Erstaustrahlung unter Verschluss beim Bayerischen Fernsehen (warum wohl?). Dass Wolfgang 1970 jeweils die Tristan-Bühnenbilder und Dekorationen nach der letzten Vorstellung nach jedem Akt hinter dem Festspielhaus verbrennen liess, wie Birgit Nilsson in ihren Erinnerungen erzählt rundet dieses peinliche Bild nur noch ab.

  • Lieber operus! Lieber M.Joho!


    Dank & Reverenza ob der Toleranz- und Diskurs-Bekundung! Aus einem anderen Net-Circle namens "Wagner-Forum" waren mir 1998-2000 extrem andere Haltungen in affektiver Ausformung bekannt.


    Zur Sache nur ein Insistment:


    "Beide Wagner-Enkel bemühten sich, diese Belastungen abzubauen und aufzuarbeiten. " - Eben das bestreite ich bezüglich WoWa sehr entschieden!


    Ansonsten Dank für Ergänzungen und Lernhinweise.


    Grüße, KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Ach Gott - nein!


    Noch einen Widerspruch muss ich anmelden. Wegen Themenbegrenzung hier nur als pauschales Statement, in einem anderen Spazio ggf. breiter auszuführen: Zu meinem Leide kann ich auch im Wirken der "neuen Herrinen" keine guten Ansätze "für die Weiterentwicklung und Erneuerung des Wagnerschen-Erbes" erkennen. Wobei noch zu dikutieren wäre, wieso denn ein grandioses, epochales, Jahrhunderte prägendes Künstlergeniewerk "erneuert", gar "weiterentwickelt" werden müsste, sollte, dürfte.


    Davon abgesehen: Das Protektionskind Katharina, auf das es ja doch hinausläuft, hat sich außer in (na sagen wir) unbefangener Girly-Attitüde und BILDzeitungs-Kommunikation unter Einbeziehung von Bettgeschichten und Decolleté-Ansichten plus Mainstream-Vermarktungsaktivitäten vorzugweise als (wenn auch sehr kess-selbstgewisse) Mitläuferin und Abkupferin erwiesen. Die vordergründige, effekthascherische, opportunistische Trittbrettfahrerei auf dem Zug des Grauens, nämlich der Jakami- und Ichauch-Ichauch-Huberei des sog. "zeitgenössischen Regietheaters" präsentiert sich im bisherigen Wirken dieser Tochterkarriere, begünstigt durch den Allerorten-Opportunismus von Intendanten und Feuilletonisten, aber sowas von öde bis maximal ärgerlich, dass ich die Hoffnungen, die operus hegt, erstmal konkretisiert bekommen müsste. Vielleicht macht er ja einen Thread dazu auf (?).


    Um nur eine Regietat anzuführen, Kathis "Meistersinger". Statt "Tinte, Feder, Papier", na klar: Laptop- Tastatur- Monitor. So durchs ganze Werk, zeitgeistig, schick, oberflächlich, dünnsuppig, albern und immer nach demselben Second-Hand-Strickmuster. Man suche eine Chiffre im Heute, vom T-Shirt bis zur Espressomaschine, und fertig ist die "aktuelle Sicht", die "Ausdeutung für Gegenwart und Zukunft". Gleichgeschalteter Schreiberopportunismus nennt es "kreatives Überraschen" (wo unreflektiertestes Wandeln auf ausgetretendsten Derzeit-In-Wegen jede Überraschung abwürgt). So macht sie's von der ersten Regie weg, von "Rienzi" bis "Suor Angelica", immer dieselbe reflektionsfreie Masche. Welcher Erkenntnisgewinn solchen Späßchen entsprießen soll, die in Wahrheit nur Uniformisierungen, nicht mal Individualisierungen sind, bleibt (mir) ein Rätsel. Bayreuth wird so, gleichsam im Imitations-Nachgriff, auf das Niveau der Dörrie gedrückt (deren Unzumutbarkeiten aber wenigstens noch eigenständig sind). Haben wir, hat Wagners Werk daran Bedarf?


    Die international vielbewährte ältere Schwester - sicherlich eine erfahrene, in Betriebsorganisation und Festivaladministration kompetente Fachfrau, also ein zur politisch-ökonomischen Absicherung, irgendwann vielleicht Rettung des Unternehmens prädestinierter Faktor, insoweit optional eine Personifizierung der Fortführung, wenn nicht Kodifizierung von 50 Jahren WoWa-Standard ins Unbegrenzte. Als wortbrüchige Intrigantin (etwa gegenüber Cousine Nike, einer Künstlerin ganz anderen Niveaus) hat sie sich ja für jedermann positioniert.


    Eben weil solcherlei Herrinnen-Profile den Status Quo evident sicherstellen dürften, waren die Personalentscheidungen am Hügel wohl sehr im Sinne derer, die derzeit ganz besonders Einfluss und Sagen haben: Schwarzgelb, Großindustrie, Reaktion. Boulevard.


    Meint KUS

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Lieber Kus,


    großes Kompliment für Deine Kompetenz, Deine Eloquenz und Deine dialektisch gekonnte Argumentation. Um in unserer Diskussion weiterzu kommen müssten wir wahrscheinlich face to face kommunizieren. So breit und viellschichtig ist dieses Thema.
    Ich meine schon, dass die Marktplatzübertragungen und "Wagner für Kinder" schon neuere Ansätze sind. Vielleicht bin ich in meinen Erwartungen aber zu bescheiden. Du gehst mehr ans Grundsätzliche ran.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber KUS!


    Auch von mr ein Kompliment für deine Eloquenz. Ich sehe es, was Katharina angeht, ähnlich, hätte es aber sicher nicht so vernichtend formulieren wollen - und können.


    Nach 1 1/2 Akten Meistersinger auf DVD (ich gebe zu, das ist für eine Gesamtbeurteilung recht wenig) muss ich auch sagen, dass ist ein netter und biederer Regietheaterversuch. Und in diesem Biederen ähnelt er sicherlich den meisten Arbeiten ihres Vaters. Der Zug zum Genialen, den Wieland hatte, kann man dort nicht ausmachen. Aber - warum gönnt man ihr nicht die Zeit zum Entwickeln. Wieland hatte sie auch. Dass er, sicherlich mit einer ganz anderen Kreativität ausgestattet, diesen großen Sprung machen konnte, liegt wohl auch an den gänzlich anderen, viel radikaleren Zeitumständen.


    Lieber m.joho!


    Natürlich ist es eine künstlerische Katastrophe, dass der Tannhäuser-Film nicht realisiert wurde. Natürlich wirft es ein bezeichnendes Licht auf Wolfgang, wenn er die erstbeste Gelegenheit wahrnimmt, die Spuren seines Bruders zu vernichten (Tristan). Aber ich kann ihn sogar ein wenig verstehen.


    Wie würden wir uns denn fühlen, wenn uns immer und immer wieder ein genialerer Verwandter (in der Regel sind es dann ja die Väter) vorgehalten würde, den wir auf Teufel komm raus nie erreichen können, weil uns schlichtweg das Zeug dazu fehlt. Ist das nicht grauenhaft? Muss man nicht radikal versuchen, die Erinnerung auszulöschen oder den Schwerpunkt des eigenes Schaffens auf ganz anderem Wege zu finden? Goethes Sohn oder Klaus Mann haben das nicht gekonnt und sind gescheitert. Wolfgang hat beides versucht, wobei das Verbrennen der Bühnenbilder für mich fast ein archaischer Akt ist. Seine mangelnde Genialität kann man ihm nicht vorwerfen. Als Nachfolger eines Genies ist er für mich eher eine tragische Gestalt.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav,
    Ihre verzeihende Haltung kann ich durchaus nachvollziehen und sie ehrt Sie. Wenn wir nicht die Haltung der kritilose Bewunderung der Anbeter von Wolfgang und Katharina auf der anderen Seite hätten (ich vermute deshalb, weil jeder der Richard Wagners Gene in sich trägt als genial empfunden wird), würde ich auch hier keine Stellungsnahme abgegeben haben.
    Aber vergessen Sie eines nicht:
    Der (glücklicherweise nur parziell erfolgreiche) Versuch der Zerstörung des künstlerischen Lebenswerks seines Bruders ist nur der eine Teil.
    Auf der anderen Seite steht die Verfemung von Wielands Familie, so die Verbannung seiner Frau Gertrude aus Bayreuth (Zitat: "Wenn der Förster gestorben ist, so verlässt die Försterfrau dass Haus"), bzw. von dessen Kindern. Hier geht es auch um menschliche Tragödien, verusacht von einem in jeder Hinsicht kleinlichen Gemüt, dem nun jeder infolge seines hohen Lebensalters eine erfolgreiche Intendanz (nicht eine kleinliche Diktatur!) bescheinigen und über alle Schwächen hinwegsehen will.
    Dies nur zum Verständnis meiner Auffassung (ich hoffe, dass diese Kritik akzeptiert wird).

  • Zitat

    Original von m.joho
    Dies nur zum Verständnis meiner Auffassung (ich hoffe, dass diese Kritik akzeptiert wird).


    Lieber m.joho!


    Natürlich akzeptiere ich diese Kritik und empfinde es für die Familie Wielands auch als menschliche Tragödie. Wobei ich nicht beurteilen kann, inwiefern sie (die Familie Wielands) auch ihren Anteil an dem Zwist hatte. Es ist sicher aber richtig, dass das Verhalten Wolfgangs nicht unbedingt von menschlicher Größe zeugt, eher auch in diesem Fall von dem von mir dargestellte Problemen seinerseits mit dem Überbruder(-vater), den man sich "vom Halse schaffen muss". Irgendwo verständlich, aber sicher alles andere als ein schöner Zug.


    :hello: Gustav



  • Oh wie gut, daß ich weiß
    auch einen ewig Braunen
    red man nicht weiß


    Bei aller Hochachtung
    Joseph ZWEI
    der Wolfgang machte
    Bayreuth
    zu Brei


    Nehme seine Meistersinger
    vor zehn Jahren
    vor diesem Biedermanngelaber
    möge man dieses Opus
    bewahren


    Sein Drachengespeie
    setzte Zwietracht über Jahrzehnte
    nicht nur Wieland und Tochter
    gar der eigene Sohn
    waren Verfemte


    Geben wir unsere Menschlichkeit
    bei der großen Musik
    des Großvaters Richard
    nicht ab


    Doch Mitläufer und
    Oppurtunisten wie
    Wolfgang es immer war
    sollten wir kritisch sehen
    mit Haut und Haar


    Mutter Winnie und
    der Führer
    JA
    waren nunmal ein inniges Paar


    Wir Nachgeborenen
    müssen wachsam sein
    denn das eine ist Richards
    große und traumhafte Kunst


    Und das Andere
    gräuselt dahin
    Wolfgang und sein
    ewig gestriger Dunst


    Auch der Greis
    ist ein Mensch wie ich und du
    dem Wolfgang rufen wir zu:


    Fasolt und Fafner in einem zu sein
    Führer und Opa und Wolfgangklein
    NEIN !!!
    die Scheisse ist BRAUN
    und strapaziert mein Reim



    Es grüsst "Titan"


    P.S. Ich bin ein großer Wagner-- Fan
    Und deshalb Kritiker des Enkels Wolfgang,
    Dieser hat aus meiner Sicht
    BAYREUTH
    wie in einem billigen Abklatsch
    HOLLYWOODGLEICH
    zu Fall gebracht

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Allora - welch animierende Diskussion hab ich da ausgelöst. Schööööön!


    Sag ich nicht nur der verstärkenden Stimmen wegen. Auch aus reiner Freude am artikulierten Engagement der Einträger, wenn es sich so vertieft und cordial und dann auch satirisch-ätzend äußert. Complimenti. Doch einen Aspekt, eine Haltung möchte ich noch aufgreifen: Die vor allem bei Gustav aufscheinende grundsympathische Compassion = Toleranz für WoWa gleichsam aus Mitleid, ein Verständnis für Abwehr-, Eifersuchts- und Kleinlichkeits-Regungen einer zur Herrschaft gelangten Inferiorität.


    Das ist natürlich korrekt beobachtet und analysiert. Und ginge es ums "normale" (normierte, aber eben nicht mit Normierungskraft ausgestattete) Alltagsleben, dann wäre ich sofort mit im Boot; bin ja ein bekennender Linker, also in der Psycho-Grundstruktur sozial-human-solidarisch geformt. A b e r: Kann Verständnis, gar Mitleid mit einem Leidenszustand infolge Genialitätsvorsprung und Geistesüberlegenheit eines Vorgängers die Inthronisation & Ermächtigung, somit ein halbes Jahrhundert Autoritätsausübung mit Multiplikations-, Präge-, Wertsetzungs-, Berufungs-, aber auch Ausgrenzungs-/Erledigungs-Wirkkraft rechtfertigen, gar außer Kritik stellen? Konkret: Was rechtfertigte und begründete denn die epochale, geradezu diktatorische, noch dazu faktisch lebenslange Totalbevollmächtigung des Longtime-Nachfolgers? Ausschließlich die Familienzugehörigkeit, das Enkel- & Brudersein und ein respektables Vorleben im Administratorenamt – sonst garnichts. Also: Kein anderer von WoWas Zuschnitt hätte sich auf diesen Stuhl schwingen und in diese übergroßen Stiefel stellen können, noch dazu „vertragen ist’s“ auf Lebenszeit.


    Für die am Ende doch zur Nachfolge intrigierten, erpressten, ermauschelten Töchter gilt das noch mehr – zumindest im Fall Katharina. Die ältere Halbschwester Eva hat eine eigenständige Lebensleistung im Metier vorzuweisen, solide, effizient, international, wenn auch auf außerkünstlerischen Feldern, und wäre sicher auch im Team mit einer Künstlerpersönlichkeit von Graden etwa Nike Wagner oder Gérard Mortier eine sinnvolle Besetzung gewesen. Doch das Protektionskind auf dem Parnass der (dort freilich schon lange-lange verrotteten) Wagner-Interpretation: Wodurch wäre es denn prädestiniert, außer durchs Tochtersein und den sturen Sippenwillen des Hügel-Endlosherren, der – und da sind wir wieder bei Gustavs Erwägungen – seine Standards (inkl. Eifersüchte, Rachegelüste, Setzungszwänge ...) übers Grab hinaus zu sichern wusste und zugleich die Tilgung aller Spuren eben jener Gestalt, an der zu leiden sein Karma gewesen sein mag. Bei aller Bereitschaft zur Betrachtung auch der klinischen Seite des Phänomens: Muss eine ganze Mit- und Nachwelt das en suite ausbaden?


    Fragt sich KUS



    P.S.
    Impegnato: Ein (lt. Titan) „ewig Brauner“ – wie kann der (lt. Joseph II) „einer der größten des 20. Jahrhunderts“ sein? Und: (lt. Locus) „den Weg für Neu-Bayreuth bereitet“ hat er auch nicht. Veramente no!

    Gilt es des Lebens höchsten Preis um Sang mir einzutauschen ...

  • Nur um mal etwas klarzustellen, meine Lieben:


    Ich bin gewiß kein bedingungsloser Anhänger von Wolfgang Wagner. Die sehr euphorischen Worte im Eingangsbeitrag waren vermutlich übertrieben, doch war dieser Thread eben als Geburtstags-Thread gedacht, in dem man sich über die positiven Leistungen Wolfgang Wagners austauschen sollte. Es wäre vielleicht geschickter gewesen, eine weitreichendere Diskussion in einem weiteren, neuen Thread zu eröffnen. Ich fand es bei der Erstellung des Threads einfach für unangemessen, hier negative Töne mitschwingen zu lassen. Daß auch mir Wieland weit über Wolfgang geht, wird doch niemand ernstlich bezweifeln. Man vergleiche nur die kurzen Ausschnitte aus Wielands '56er "Meistersingern" mit denen von Wolfgangs '73er Inszenierung (die bereits seit 1968 lief). Das Geniale der älteren geht der jüngeren Inszenierung vollkommen ab. Sie ist bieder gehalten, soviel ich sehen konnte, konventionell, recht verhalten, und doch: Welten besser, als das, was uns heute von sog. "Regisseuren" in anderen Opernhäusern präsentiert wird, z. B. diese unselige Guth-Inszenierung an der Semperoper, die m. W. 2007 eine Wolfgang Wagner-Inszenierung ablöste, was noch heute bedauert wird. Sein "Holländer" ebenda (die letzte noch laufende WoWa-Inszenierung überhaupt?) ist übrigens ziemlich gut.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões