Hörenswerte Opern des 18. Jahrhunderts aus der "zweiten Reihe"

  • Eigentlich ist es ja eine Gemeinheit solch einen Titel zu verwenden, die meisten der nun nominierten fühlten sich zu Lebzeiten gar nicht als zur zweiten Reihe gehörig - und sie waren es auch nicht.


    Indes, die Zeit ist ungerecht - und die Menschen umso mehr - vieles Hörenswerte ist heute vergessen.
    Natürlich ist nicht alles Vergessene hörenswert, und was "große Kunst" ist und was "Gebrauchsware", darüber streiten die "Experten" immer wieder. Manches, einst Mozart zugeschriebenes Werk verschwand in der Versenkung, weil es letztlich nicht von Mozart war.


    Bemerkenswert viele Opern, die einst die Bühne beherrschten sind der Vergessenheit anheim gefallen - und immer wieder denke ich: Ach wie schade.


    So fordere ich Euch auf, von Euch gehobene Schätze hier in diesem Thread zu empfehlen - es sollen aber nur Zeitgenossen von Haydn und Mozart nominiert werden, andere Epochen werden in gesonderten Threads behandelt.


    Hört man solch eine - meist italienische- Oper, dann wird Mozarts Abneigung gegen die "Welschen" nachvollziehbar - sie stellten eine ernste Konkurrenz für seine Werke dar.
    Oder auch nicht.
    Merkwürdigerweise ruhte bis vor einigen Jahren das meiste in den Archiven, aber vielleicht liegt es auch an den Texten, die oft in der griechischen Antike spielen und nur mehr ein spzielles Publikum zu interessieren vermögen ?
    Egal - die Musik ist traumhaft schön.


    Daher stelle ich als erste Oper in diesem Thread eine von Antonio Sacchini (1730-1786) vor.


    Oedipe a Cologne


    Das Libretto stammt von Nicolas-Francois Guillard nach Sophokles
    und behandelt einen Familienkonflikt zwischen Ödipu, seinem Sohn Polyneikes und dessen Bruder Eleokles und Antigone.


    Es gibt zumindest ZWEI Aufnahmen dieser Oper, eine von Naxos, die andere von Dynamic.


    Entgegen meinen Erwartungen ist jene von Dynamic die eindeutig schwungvollere und brillanter aufgenommene Einspielung, was keineswegs aelbsrvertändlich ist, Dynamic-Aufnahmen tendieren gelegentlich zu einer gewissen Stumpfheit.


    Die Naxos Einspielung ist indes dynamisch eingeebneter, zurückhaltender und weich. IMO an der Grenze des Tolerierbaren.
    Na vielleicht ist das ein bisschen übertrieben....


    .


    Hineinhören kostet nichts......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Scheinbar bin ich der einzige im Netz, den dieses Euvre interessiert - aber - es ist heiss und vile sind auf Urlaub - zudem ist es ein Spezialgebiet - seis drum.


    Diesmal stelle ich eine Oper des bayrischen Komponisten Simion Mayr vor - weitere werden folgen. Mir selbst war dieser Komponist bis vor etwa 6 oder 7 Jahren völlig unbekannt, Welch ein Schaden !! Und welch ein Glück, daß es jetzt doch einige Aufnahmen seiner Opern gibt.
    Mayr war zu lebzeiten ausgesprochen beliebt, und sein Werkekatalog umfasst über 1500 Opuszahlen !! (Lt Naxos Booklet, wikipedi spricht von ca 600 Werken) darunter 60 Opern.


    Dennoch ist er den meisten bis heute unbekannt, das wollen wir jetzt ändern. Die erste Frage ist natürlich: Wie klingt denn seine Musik ?




    Das Beiheft zu Oper "L´amor coniugale" -die stelle ich heute vor - spricht von einem "Vorläufer Rossinis"
    Das mag sein, aber es ist eben nur ein Versuch einer Einordnung in ein uns bekanntes Schema. Ich hingegen finde auch Stellen die an Mozarts Don Giovanni erinnern, beispielsweise die Nr 2, also die erste Nr Nach der Ouvertüre.



    Und die Handlung ?


    Um die Überraschung nicht zu rauben berzähle ich nhur den höchst originellen Beginn;


    Zitat Naxos Beiheft (Thomas Lindner)


    Ein Gefängnis, irgendwo in Polen.
    Gwfängniswärter Peters hat seit kurzer Zeit den jungen Mann Malvino als Gehilfen im Haushalt. Bei diesem handelt es sich jedoch um die verkleidete Zeliska, die ihren zu Unrecht eingekerkerten Mann befreien möchte, Floreska, Peters Tochter hat sich in den hübschen jungen Man verliebt und möchte ihn heiraten.Peters selbst ist dieser Hochzeit nicht abgeneigt, denn Malvino ist tüchtig und sparsam. Doch Malvino verzögert die Entscheidung. Für ihn scheint es wchtiger zu sein Peters bei einem Gefangenenbesuch begleiten zu dürfen.....


    etc etc...


    Mehr wird nicht verraten
    In die Musik kann man hinenhören wenn mann das Cober anklickt und einen Track auswählt.


    Interessant in vielerlei Hinsicht....
    Meine ersten opern von May kafte ich um teures Geld bei Opera rara - hier macht Naxos uns beinahe ein Geschenk.....


    Für Freunde von Opern des 18. Jahrhunderts ist Mayr ein MUSS !!


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Scheinbar bin ich der einzige im Netz, den dieses Euvre interessiert



    Sei nicht so ungeduldig :D :lips: bin ja schon da :hello:



    Sacchini schätze ich auch sehr, allerdings gefällt mir die Naxos Aufnahme wesentlich besser, sie ist irgendwie französischer


    Ansnonsten muss man Sacchini suchen, wer aber einen Narren an dieser sensationellen Musik gefressen hat, der wird noch auf zu der Filmmusik zu


    "Jefferson a Paris"


    fündig.


    (der Film beschreibt eine Episode aus dem Leben Thomas Jeffersons, eben wie er als amerikanischer Botschafter im vorrevolutionären Frankreich weilt. Und Jefferson war auch der Musik nicht abgeneigt, so sind einige Stücke die er in seinen Briefen erwähnt auch hier eingespielt worden.
    Herzstück ist ein schöner Auszug aus Sacchinis Oper „Dardanaus“ gespielt von den Les Arts Florissants unter William Christie.
    Neben Ouvertüre und zwei wunderschönen Airs, kommt natürlich die Ballettmusik zum Zuge.
    Hoffentlich nimmt Christie diese Oper mal komplett auf.


    Weitere Auszüge aus den beiden Werken (Oedipe und Dardanus finden sich auf der „200 Jahre Musik in Versailles“ Box


    Diesmal aber interpretiert durch die Capella della Pieta de Turchini – Antonio Florio – und es gibt dazu noch etwas Piccinni.






    Aber natürlich sind Gesamtaufnahmen interessanter.


    Und da lege ich mal los mit einem meiner Lieblingskomponisten, Niccolo Jommelli


    Hier der Thread zum Komponisten:


    Niccolo Jommelli 1714 - 1774


    Leider gibt es Jommellis Hauptwerk „Fetonte“ von 1768 nicht auf CD, aber der Radiomitschnitt ist im Netzt zum anhören online:


    wähwähwäh.operatoday.com/content/2008/03/jommelli_fetont.php


    Es ist unverständlich warum so ein epochales Werk nicht auf CD veröffentlicht wird.
    Ich hoffe dennoch, dass es da in absehbarer Zeit da eine reguläre Aufnahmen geben wird – denn es ist einfach eine der wunderbarsten Opern die ich je hörte.


    Fetonte ist eines der wohl bedeutendsten Werke der Opernliteratur des 18. Jahrhunderts.
    Denn Jommelli war eben jener Komponist auf dessen Werke die Opernreform Glucks beruhte.


    Jommelli brach die überholten Formen der Opera Seria, er behielt allein die Arien, der Rest, als die Rezitative orientieren sich bereits an der dramatischen Deklamation der frz. Tragèdie Lyrique, dazu kam noch das Ballett und Chorszenen.


    So beginnt Fetonte, dessen Libretto auf Lullys und Quinaults „Phaeton“ basiert auch schon mit einer der ungewöhnlichsten Ouvertüren:
    Natürlich ist sie nach wie vor 3teilig, aber der Mittelteil ist bereits eine Szene mit Chor !


    Einige Vorgängerwerke des Fetonte gibt es allerdings auf CD – sie sind noch nicht so extrem revolutionär, aber durchaus tolle Werke.



    Il Vologeso
    Stuttgarter Kammerorchester – Frieder Bernius



    Und eine spätere Opera Seria „Armida abbandonata“ gibt es in einer hervorragenden Einspielung



    Armida abbandonata
    Les Talens Lyriques – Christophe Rousset



    :hello:

  • Eine weitere Opera Seria die mir unglaublich gut gefallen hat, stammt von dem weltberühmten und allseitsbekanntem Komponisten Joseph Schuster [SIZE=7](für die Humorlosen - das war Sarksamus)[/SIZE]




    Schuster: Demofoonte
    La Ciaconna / Remy




    Die Oper stammt aus dem Jahre 1775 und war als Eröffnungswerk für das brandneue Theater in Forli (Italien) geschrieben worden.


    Schuster war sächsischer Hofkompositeur, hatte also einen gewissen Ruhm.


    Wer waghalsige Kolloratur-Arien liebt, der ist hier richtig. Einige Arien der "Creusa" lassen selbst die "Königin der Nacht" blass aussehen :D


    Schwungvolle Musik, voller Leidenschaft.


    Leider war in der Partitur die ersten Umschlagseiten abhanden gekommen, was den Verlust der Ouverture und des abschließenden Chors zur Folge hatte.


    stattdessen nahm man die Ouvertüre der Oper "Rübezahl" ( :D würde ich zugerne mal hören) und zum Abschluss einen Marsch (beides natürlich von Schuster)


    Auch wenn diese Elemente fehlen, ist diese Oper ein absoluter Genuss.

  • Demofoonte gibt es ja leider nicht mehr im normalen Angebot zu kaufen.
    Nur mehr gebraucht oder von Spekulanten zum dreifachen Neupreis - Beides kommt für mich ebensoweig in Farge wie eine Raubkopie - die vermutlich in ein paar Jahren gelöscht ist.
    Vielleicht kommt eine Neuauflage.


    Ebenfalls permanent von der Streichung bedroht, scheint mir dieAufnahme von Dittersdorfs komischer Oper "Doktor und Apoitheker" zu sein.



    Sie ist ein witziges Kabinettstück, das sich über die Standesdünkel von Ärzten und Apothekern im 18. Jahrhundert lustig macht.
    Die Musik ist leicht und luftig , am ehesten coupletartig - ich habe immer den Eindruck, einen Vorläufer von Lortzing zu hören (und auch zu sehen.
    So mancher mag sich an Van Betts Arie "O sancta Justicia" erinnert fühlen, oder an Rossinis "Einen Doktor meinesgleichen", sowie die Berühmte Arie des Quacksalbers Dulcamara aus Donizettis Liebestrank wenn er "Galenus und Hippocrates sind gegen mich nur Stümper" oder "Ein Doktor ist bei meiner Ehr' der erste Mann im Staate" hört,
    musikalisch schimmert manchmal auch ein bisschen Haydn durch....


    Ich rate , ein wenig in die Aufnahme hineinzuhören.
    Leute, die luftige, leichte Opern voll Humor lieben werden auf ihre Rechnung kommen.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Interessant ist ja da ein Vergleich mit Mozart und Kraus, die ebenfalls Texte aus dem 'Demofoonte' Metastasios vertonten:


    Mozart:
    Ah, più tremar non voglio, KV 71, Tenor, aus Demofoonte, 1. Akt, Sc. 1
    Misero me / Misero pargoletto, KV 73e, Sopran, aus Demofoonte, 3. Akt, Sc. 5
    Se adire, e speranza, KV 73o, Sopran, aus Demofoonte, 1. Akt, Sc. 13
    Se tutti I mali miei, KV 73p, Sopran, aus Demofoonte, 2. Akt, Sc. 6
    Non curo l’affetto, KV 74b, Sopran, aus Demofoonte, 1. Akt, Sc. 7
    Ma, che vi fece, o stele / Sperai vicino il fido, KV 368, Sopran, aus Demofoonte, 1. Akt, Sc. 4
    In te spero [Fragment], KV 383h, Sopran, aus Demofoonte, 1. Akt, Sc. 2


    Kraus:
    Misero pargoletto


    Aus den Mozartkonzertarien hat auch irgend ein Hirsch ein Demofoonte-Pasticcio zusammengestellt.



    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich erinnere mich, daß ein Sample auf irgendeiner Fono-Forum Cd- drauf war - und ich habe den Kauf verschoben, weil damals relativ viel interessantes erxschien, beispielsweise eine Oper von Johann Christian Bach (die ich letztlich auch gekauft habe).....


    Leider ist die Aufnahme inzwischen vergriffen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Schuster ist wirklich eine vorbildliche Seria. Da bekommt der Spruch 'Schuster, bleib bei deinem Leisten...' eine ganz andere Bedeutungsschwere :D


    Aber ich würde die Oper nicht als das Non-plus-ultra beschreiben (habe sie aber auch noch nicht ganz durchgehört). Die Ofentüre z.B. passt mit den eher monströsen Anfangstakten beispielsweise garnicht zur Seria, da bemerkt man den 'Flickentepiich', der hier aufgetischt wird - gab es von Schuster keine andere, passendere, Ouvertüre?


    Welcher Joh. Chr. Bach war das? Amadis de Gaules? Die ist ja leider, leider in deutsch gehalten, was ziemlich peinlich wirkt... französisch (wie es vorgesehen war) stünde dieser Oper mit Sicherheit besser... aber, scheint's, kann Rilling nur deutschsprachige Bachwerke dirigieren :D


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)