Interpret beim Budgetlabel - ein Imageverlust ?

  • Liebe Forianer


    Die Zeiten sind nicht rosig, die Aufnahmprojekte werden reduziert, bzw. gebremst weitergeführt. Das bedeutet für viel Interpreten, vor allem junge, ein veritables Problem. Genügte es einst schon, bei einem Wettbewerb in Kleinwultzdorf-Oberhaugitz den dritten Platz belegt zu haben um einen Plattenvertrag zu bekommen, geben sich die Tonträgerkonzerne nun zurückhaltender, zugeknöpfter, letzteres vor allem das golden Füllhorn der Gage betreffend.


    Um hier Abhilfe zu schaffen weichen etliche Künstler auf eine Kykladeninsel oder ähnliche Gefilde aus, und vermarkten dort ihr Können.
    Hiebei gibt es verschieden Meinungen, beispielsweise "Besser der Spatz in der Hand als die Taube am Dach" oder aber man meint, das wäre eher keine so gute Idee, denn wer bereits als "Billigkünstler" im Gerede ist, der wird kaum je mehr an "normalen" Markt Fuß fassen können und ist für ewige Zeiten als "zweite Wahl" gekennzeichnet.


    Da warte man lieber einige Jährchen bis die Lage sich stabilisiert habe
    und steige dann groß ins Geschäft ein. Manchen Interpreten ist das völlig egal- sie leben einigermaßen von Ihren Auftritten, unterrichten, haben eine Professur oder sitzen in diversen Jurys.


    Wie schaut das bei Euch aus - kann ein Budget-Label-Interpret aus Eurer Sicht mit den ganz Großen mithalten ?
    Es geht hier nicht um die "künstlerische Leistung" sondern um die subjektive Bewertung, das Image....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Selbstverständlich! Siehe dazu Konstantin Scherbakov mit seinen Schostakowitsch-Einspielungen.
    Sollte Scherbakow nun von den Kykladen z.B. nach Japan übersiedeln, bin ich wesentlich geneigter, mir eine asiatische Hochpreis-CD ins Regal zu stellen, weil ich ihn doch schon kenne. Sollte er ein Konzert in meiner Nähe geben, sind die Aussicheten auf einen Besuch meinerseits aus dem selben Grund auch deutlich höher.
    Oder anders formuliert: Ist der Künstler gut, setzt er sich Label-unabhängig durch, ist er es nicht, nützt ihm auch die beste Promotion vom größten Major nichts und er verschwindet wieder in der Versenkung. Eine Rufschädigung kann ich da definitiv nicht erkennen.


    Ciele Grüße
    John Doe

  • SCHERBAKOV ist nun ja ein recht bekannter Name in der aktuellen Pianistenszene .


    Ich stimme J. D. zu, dass ich mir lieber eine Aufnahme von ihm kaufen würde (oder einigen andere Pianisten) als mich auf die PR-Maschine der "grossen" CD-Konzerne zu verlassen. Nein, diese interessiert mich überhaupt nicht.


    Ich möchte mir mein eigens Urteil bilden können.


    Und : wer weiss, welche CD-Firma in einige Monaten, höchstens Jahren noch selbständig ist (vergleiche z. B. RCA, BMG, SONY!).


    Und selbst sehr gute Pianisten können keineswegs auf des "Wohlwollen" der Bosse der sog. "grossen Firmen" zählen.


    Ein für mich sehr eindrucksvolles Beipsiel hat THOMAS PAPE hier mit Dmitri BASHKIROV eindrucksvoll vorgestellt in seinem Thread.


    Und nicht jeder Künstler hat die Ressourcen eines Cyprien KATSARIS, um eine eigene Plattenfirma zu besitzen.


    Und wie abhängig selbst "Jahrhundertgeigerinnen " wie Anne - Sophie MUTTER von Sponsoren etc. sin d , das hat vor wenigen Tagen die deutsche TV - Anstalt ARD in ihrem Bericht über Frau Mutter spätabends bewiesen .



    Viele Grüsse,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Ich glaube, Herr Schmidt, die von Ihnen geschilderte Ausgangssituation stellt sich - jedenfalls in Bezug auf Naxos - praktisch nicht. Daß ein "Star" einfach bei Naxos anrufen und einen Termin für eine Aufnahme ausmachen kann, widerspricht ja dem Naxos-Konzept. Dort hat doch im Regelgeschäft der Katalog oberste Priorität, vollständige Werkausgaben etc.


    In der Praxis sieht das doch so aus, daß z.B. eine Edition aller Schubert-Lieder, oder der Liszt-Klavierwerke, oder der Haydn-Werke ..... beschlossen wird. Dafür gibt es dann ein knallhart kalkuliertes Budget (ein Insider erzählte mir sogar mal von Einheitsbudgets- und gagen je CD und Künstler), und man sucht sich die Leute, mit denen man das umsetzen kann.

    Die müssen dann nicht nur mit dem Geld, sondern auch mit den anderen Randbedingungen leben: Keine Live-Mitschnitte, Orchester und vorgegebene Werke.


    Daß dann trotzdem auch mal Namen wie Ziesak, Trekel usw. oder eben Scherbakov (hier passen ja wohl die Intentionen Künstler/Label exzellent) auftauchen ist für die Betroffenen m.E. kein Makel. In meiner Wahrnehmung schadet es ja einem Künstler auch nicht, wenn er sich von Konzert- und Opernhäusern oder Festivals der "zweiten Liga" als Aufputz oder für ein bestimmtes Projekt engagieren lässt.


    Schädlicher für die Künstler ist es nach meinem Empfinden, wenn ihre Plattenfirmen immer wieder neue Billiglabels erfinden und innerhalb kürzester Zeit die Aufnahmen aus dem High- in den Lowprice-Bereich transferieren. Das signalisiert eine klare Bewertung, auch wenn es nur vom Controller so entschieden wurde, da geht es um den schnellen Euro.


    Aber auch das können wirkliche Größen überleben. Wenn man beispielsweise erlebt hat, wie die selige Teldec irgenwann begann, Harnoncourt-Aufnahmen zu verscherbeln (ich erinnert mich an Ramsch-Tische mit 5 DM-CD`s), kann einem nur übel werden. Irgendwann gingen die Preise wieder hoch. Und noch heute wird der Katalog durch die Nachfolger von Warner in übelster Weise durch immer wieder neue Zusammenstellungen und Boxen gefleddert. Aber wie erwähnt, das passiert den Leuten mit Exclusivvertrag....

  • Zu einer weiteren Auflösung der Grenzen sorgt doch auch der Lizenzhandel mit seinen immer kürzer werdenden Halbwertszeiten.
    Siehe dazu beispielsweise die Wilms-Einspielung des Concerto Kölns. 2003 bei DG/Archiv erschienen, sogar einen Schallplattenpreis bekommen und jetzt bei Brilliant.
    Die Newcomer dort befinden sich also vom Katalog nicht nur in bester, sondern auch aktzeller Gesellschaft, denn dem Käufer, dem Hörer ist es doch letztendlich egal, ob er eine lizenzierte oder eine Originalproduktion hört.


    Viele Grüße
    John Doe

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  • Zitat

    Schädlicher für die Künstler ist es nach meinem Empfinden, wenn ihre Plattenfirmen immer wieder neue Billiglabels erfinden und innerhalb kürzester Zeit die Aufnahmen aus dem High- in den Lowprice-Bereich transferieren. Das signalisiert eine klare Bewertung, auch wenn es nur vom Controller so entschieden wurde, da geht es um den schnellen Euro.


    Auch wenn ich mich hier selbst vom eigenen Threadthema entferne, möchte ich das oben geschriebene Kommentieren:
    Ich werde den Verdacht nicht los, daß es sich hier um "Strafaktionen" gegen Künstler handelt - oder aber um deren gezielte strategische Vernichtung:


    Man will den Künstler nicht mehr im Katalog führen, weil (beispielsweise) zu teuer - aber gleichzeitig verhindern , daß er einem konkurrierenden Label nützlich ist. Am besten wird man solchen Fällen mittels einer "Konkurrenzklausel" im Vertrag Herr - Es wird aber Künstler geben, deren Ruhm bereits so ausgeprägt ist, daß sie die Unterschrift unter jede Art von Knebelvertrag verweigern - und man somit folgerichtig zu anderen Mitteln greifen muß, um seine Wünsche durchzusetzen. Dies ist übrigens keine Unterstellung, sonder lediglich die Wiedergabe eines rein subjektiven Eindrucks - und ausserdem weiß ich was beispielsweise ICH in einem solchen Fall machen würde....


    Der an sich unangreifbare Interpret rutscht nun vor aller Augen in den Budgetbereich - seine CDs werden (beinahe) verschenkt - Auf diese weise blockiere ich recht effizient den hochpreisigen Einstieg bei der Konkurrenz......


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nur so nebenbei...
    Alfred Brendels erste Aufnahmen waren für ein billiges Amerikanisches Label. Hat es ihn geschadet???


    LG, Paul

  • Zitat

    Alfred Brendels erste Aufnahmen waren für ein billiges Amerikanisches Label. Hat es ihm geschadet???


    Eigentlich schon - Natürlich nicht auf Dauer, aber diese Aufnahmen werden im Allgemeinen bis heute totgeschwiegen...


    Sie wurden auch immer wieder als Argument verwendet, daß man nur mit einem "bedeutenden Label" im Rücken "wirklich berühmt" werden kann, denn die alten VPX-Turnabout Aufnahmen haben kaum jemanden ernstlich beeindruckt.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    Zitat

    daß man nur mit einem "bedeutenden Label" im Rücken "wirklich berühmt" werden kann, denn die alten VPX - Turnabout Aufnahmen habern kaum jemanden ernstlich beeindruckt.....


    Naxos ist doch weder klein, noch unbedeutend und Brilliant ist auf dem Weg dorthin, außerdem haben sie, wie KH Günst schon festegestellt hat, eine ganz andere Geschäftsphilosophie.


    Natürlich gibt es reine Supermarkt- und Wühltisch-Labels, aber die sind dann teilweise so billig gemacht, dass man sich dort sogar die Interpretenangaben spart (und von dem her niemand geschädigt wird).
    Wobei ich mich aber dabei nicht des Eindruckes erwehren kann, dass die Großen mit ihren Sublabels da auch mehr als gut präsent sind und von dem her KH Günst nur beipflichten kann, genauso wie ich Alfred beipflichten möchte, dass die Angelegenheit Harnoncourt/Teldec eine ganz besondere Angelegenheit war.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Vier Jahre sind seit dem letzten Eintrag in diesem Thread vergangen. Die Szene hat sich gewandelt. Es gab Auf-, Ab- und Neu-Einsteiger. Welcher Billiglabelkünstler ist inzwischen zum Flagschiff eines der berühmten Labels geworden, wer hat das Label gewechselt - und mit welchem Erfolg ? Wer ist neu eingestiegen - und mit welchem Erfolg ?
    Erfolg ist ja ein Begriff, der sich ziehen lässt wie ein Kaugummi. Mancher sieht es als Erfolg an, beim Billigstlabel eine einzige Platte produziert zu haben, andere jedoch kommen aus dem Nichts, und werden von einem Großlabel uber Nacht zum "Weltstar" ernannt...
    Interessant auch, was EMI Künstler in Zukunft machen werden, wenn ihre Verträge abgelaufen sind. Wie Warner agieren wird ist noch nicht vorhersehbar....
    Und dann gibt es ja auch neue Namen im Budgetbereich.....


    mit freundlichen GRüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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