Wolfgang Amadé Mozart: MITRIDATE, Ré di Ponto

  • MITRIDATE, Ré di Ponto
    Opera seria in tre atti


    Libretto von Vittorio Amadeo Cigna-Santi
    nach der Übersetzung der Tragödie von Jean Racine
    durch Abbate Giuseppe Parini


    Uraufführung: 26. Dezember 1770 in Mailand


    Mithridate im Opernführer:
    MOZART Wolfgang Amadeus: MITRIDATE, RE DI PONTO


    Die erste großen Italienreise der Familie Mozart findet vom 13.12.1769 bis 28.03.1771 statt, damit nicht der Wolfg: in die Jahre und denjenigen Wachsthum kommt, die seinen Verdiensten die Verwunderung entziehen (Leopold Mozart, 11.05.1768 ). Bereits fünf Jahre zuvor hat Wolfgang Amadé Mozart von dem Kastraten Giovanni Manzuoli (1720-1782) in London Gesangsunterricht erhalten - Anfang Februar 1770 komponiert der gerade 14jährige zwei (heute leider verschollene) lateinische Motetten für 2 junge (15- und 16jährige) Kastraten in Mailand. Er hört Opern von Johann Christian Bach (1735-1782), Nicola Piccini (1728-1800), Niccolò Jommelli (1714-1774) und Johann Adolf Hasse (1699-1783). Während einer Soirée des Grafen Karl Josef von Firmian (1712-1782) in Mailand werden drei Arien Mozarts aufgeführt. An diesem 12. März (1770) erhält Mozart den Auftrag (Scrittura), für die kommende Saison des Mailänder Regio Ducal Teatro eine abendfüllende Opera Seria zu komponieren. Die Gage wurde mit 100 Goldgulden sowie freier Logie während des Aufenthaltes in Mailand festgesetzt.


    Die Mozarts setzten Ihre Tournee durch Italien fort. Der junge Komponist hatte bis Oktober die Rezitative für die ersten Proben nach Mailand zu senden und die Arien vor Ort den Sängerinnen und Sängern auf den Leib zu schreiben. Dieses Verfahren wurde seinerzeit von allen bekannten Seriakomponisten angewandt: Die Rezitative wurden am jeweiligen Aufenthaltsort der vielbeschäftigen Meister in Standardstimmlagen vorgefertigt, die Arien auf die jeweiligen Künste der begnadeten Kastraten und Primadonnen detailliert und vor Ort zugeschnitten, so daß auch noch Änderungswünschen entsprochen werden konnte. So erschien beispielsweise Johann Christian Bach Mitte August 1778 (im Gepäck: Rezitative seiner neuen Oper 'Amadis de Gaulle' und sein Kastrat Tenducci) in Paris, um seine Oper fertigzustellen.


    Die Reise der Mozarts geht von Mailand aus weiter über Bologna (wo sie den Kastraten Carlo Broschi gen. Farinelli besuchen), Florenz (3. April: Der Kastrat Giovanni Manzuoli singt Arien Mozarts), Siena, Orvieto, Rom, Neapel (30. Mai: Besuch der Oper 'Armida abbandonata' von Jommelli in Teatro San Carlo), erneut Rom (Juni, im Juli wird Mozart zum 'Ritter vom Goldenen Sporn' ernannt), Bologna (27. Juli: Mozart bekommt das Textbuch zu 'Mitridate', Treffen mit Joseph Myslivecek und dem Kastraten Giuseppe Manfredini, 29. September: Mozart beginnt mit der Komposition der Rezitative!) zurück nach Mailand, wo sie am 18. Oktober einreffen.


    Das Gros der Rezitative wurden also in der knappen Zeit von etwa drei Wochen komponiert, was für den jungen Komponisten nicht folgenlos blieb: Ich kan nicht viell schreiben dann die finger thuen sehr weh von so viel Recitativ schreiben [...] (20. Oktober 1770). Anfang Dezember 1770 (nicht einmal vier Wochen vor der Premiere!) beginnen die wirklichen Proben zur Oper mit auf 16 Musiker reduziertem Orchester. Die Uraufführung findet am Abend des 26. Dezember 1170 statt. Die Besetzung war die folgende:


      Mitridate (Tenor) Guglielmo d'Ettore
      Aspasia (Sopran) Antonia Bernasconi
      Sifare (Soprankastrat) Pietro Benedetti
      Farnace (Altkastrat) Giuseppe Cicognani
      Ismene (Sopran) Anna Varese
      Marzio (Tenor) Gaspare Bassano
      Arbate (Soprankastrat) Pietro Muschietti


    Besetzungsstärke des Orchesters: 54 (56) Musiker

      14 erste Violinen
      14 zweite Violinen
      6 Bratschen
      2 Violoncelli
      6 Kontrabässe
      2 Flöten
      2 Oboen
      4 Hörner
      2 Trompeten
      2 Fagotte


      1. Cembalo und Leitung: Wolfgang Amadé Mozart
      2. Cembalo: Giovanni Battista Lampugnani


    Drei Kastraten also, die knappe 50% der Solistenbesetzung ausmachten, wie es sich für eine sogenannte Kastratenoper gehört.


    Der Erfolg war atemberaubend: Was sich zunächst eher nüchtern liest, nämlich: die Oper sei mit allgemeinem Beyfall vorsich gegangen (L.M. 29.12.1770), muß wie folgt präzisiert werden: Wider aller Gewohnheit und in Mailand erstmals mußte eine Arie der Primadonna gemäß Leopold Mozarts Bericht wiederholt werden, nach beinahe jeder Arie folgte ein erstaunliches Händeklatschen und Viva-il-Maestro- oder Viva-il-Maestrino-Rufen. Am Abend darauf wurden zwei Arien der Primadonna wiederholt, die Wiederholung des Duetts wurde wegen zu weit vorgerückter Stunde abgewürgt. Das gesamte Event dauerte 6 Starke Stund, denn die Oper wurde nach jedem Akt noch mit Balletten von Francesco Caselli garniert. Die Balletteinlagen wurden mit zunehmender Häufigkeit der Aufführungen immer weiter gekürzt... Insgesamt wurde Mitridate 20 Mal in der Saison 1770/1771 gegeben. Es ist davon auszugehen, daß Mozart selbst lediglich seinen musikalischen Part dirigierte und die Leitung der Balletteinlagen vom 2. Cembalisten übernommen wurden.


    ~ ~ ~


    Leider hält sich das Autograph zur Oper noch versteckt. Allerdings zeugen etliche erhaltene Erstfassungen der Arien von dem nervenaufreibenden 'Arrangement' mit den Sängern der Uraufführung. Folgende Erstfassungen sind erhalten (und - soweit möglich - eingespielt):


      Aria N° 1 (G-Dur anstelle C-Dur) Al destin che la minaccia (Aspasia)
      Aria N° 9 (mit Oboen, 2 Hörnern, 2 Trompeten) In faccia all' oggetto (Ismene)
      Aria N° 13 (unvollständig) Lungi date, mio bene (Sifare)
      Aria N° 13 (Variante ohne Solohorn)
      Aria N° 14 (unvollständig) Nel grave tormento (Aspasia)
      Arie N° 16 Son reo, l'error confesso (Farnace)
      Duetto N° 18 (Es- anstelle A-Dur, 2 anstelle von 4 Hörnern) Se viver non degg'io (Aspasia, Sifare)
      Aria N° 20 Vado incontro al fatto (Mitridate)


    Je drei Änderungen für Aspasia und Sifare, sowie je eine (als sei es das Mindeste, was man verlangen muß!) für Ismene, Farnace und Mitridate sprechen für sich: was müssen insbesondere die Kastraten für Dramaqueens gewesen sein...


    :hello:


    Ulli


    Quellen:
    Wolfgang Amadeus Mozart: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Band IV, Bühnenwerke I (Bärenreuter/dtv)
    Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadé Mozarts von Dr. Ludwig Ritter von Köchel, 8. Aujflage, 1983 (Breitkopf & Härtel)
    Mozart, Briefe und Aufzeichnungen, Gesamtausgabe, Band I (Bärenreiter/dtv)
    Wolfgang Amadeus Mozart, Chronik eines Lebens, zusammengestellt von Joseph Heinz Eibl (Bärenreiter, 1965)

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • oh Danke für diese tolle Einführung



    dafür folgt eine verunstaltete Kermes ( :D) als Dank



    Als ich anfing mich der Musik Mozarts zu nähern, bzw. alles an Musik was nach 1750 komponiert wurde (was allein dem Forum zu danken ist) konnte ich zuerst mit den Opern Mozarts wenig anfangen.
    Aber durch den Idomeneo und die Operninterpretationen von Rene Jacobs fand ich schließlich den Zugang für mich - auf einmal verstand ich die Musiksprache und konnte mich daran erfreuen.
    Mitridate, wie auch die anderen italienischen Opern die vor Idoemeno komponiert worden sind, scheinen ja nicht sonderlich beliebt zu sein.
    Auch hier im Forum bekommt man den Eindruck.
    Und ich kann das auch nachvollziehen, denn ich glaube für die Opera Seria muss man sich erstmal einhören.


    Zuerst fand ich Mitridate relaitiv belanglos, fast langweilig.
    Und jetzt ist die Oper neben dem Idomeneo zu meiner liebsten Mozart Oper avanciert.
    Aber nichts entscheidet so sehr über den Erfolg dieser Werke, wie die Interpretation - das dürfte damals nicht anders gewesen sein.
    Als ich dann die DVD von der Salzburger Inszenierung mit den Musiciens du Louvre unter Minkowsky zu sehen bekam, war die Begeisterung entgültig da.
    An die Inszenierung musste ich mich allerdings erst gewöhnen, aber die ist schon sehr gut geraten.
    Mich hat die Geschichte der Oper ziemlich erschüttert, normalerweise gibt es in der Opera Seria ja ein Happy End, aber hier ist es eben das Vorbild der Tragödie von Racine, das nach wie vor bestimmend ist.
    Wieder ein schlagender Beweis dass eine Opera Seria sehr wohl emotional und literarisch berühren kann.


    Ja und dann natürlich die geniale Musik.
    Jede Arie ist ein Schmuckstück, allein die Arien für Mitridate sind einfach atemberaubend.
    Nach dem Marsch, der seine Ankunft vorbereitet singt er die Arie "Se di lauri crine adorno"
    selten hat mich Mozart mehr zu Tränen gerührt.


    Aber das Highlight ist sicher die Rache Arie des Königs die wenig später folgt "Quel ribelle e quell'ingrato" nie besser gehört als von Richard Croft, er sang die Arie wirklich mit Zorn, man hätte seine aufgemalte Platzwunde fast für echt halten können :hahahaha:


    Heute kann ich die damalige Begeisterung absolut nachvollziehen - ich habe aus dieser Zeit (1770) selten eine bessere Oper gehört.
    Und das ist es eben was so unglaublich ist, das ein 14jähriger ein solches Meisterwerk vollbringt.


    Es ist unfassbar.
    Wenn man einen Beweis dafür braucht das Mozart ein Wunderkind war, dann ist es zweifelos diese Oper!

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Heute kann ich die damalige Begeisterung absolut nachvollziehen - ich habe aus dieser Zeit (1770) selten eine bessere Oper gehört.
    Und das ist es eben was so unglaublich ist, das ein 14jähriger ein solches Meisterwerk vollbringt.


    Es ist unfassbar.
    Wenn man einen Beweis dafür braucht das Mozart ein Wunderkind war, dann ist es zweifelos diese Oper!


    Falsch, Matthias. Er war einfach ein Genie. :yes:


    Mitridate mag ich auch besonders gerne und ich finde es eine gelungene Oper. Auch wenn Ulli damit nicht einverstanden war (sagte er mir vor 2-3 Jahre).


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Mitridate mag ich auch besonders gerne und ich finde es eine gelungene Oper. Auch wenn Ulli damit nicht einverstanden war (sagte er mir vor 2-3 Jahre).


    Du hast wohl 'ne Meise! Mithridate war schon IMMER und ausnahmslos eine meiner Lieblingsopern. Du verwechselst das sicher mit den beiden 'Finten'.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich würde sie so gerne einmal kennenlernen. Nennt mir doch bitte einmal eine, wenn es geht preiswerte, wirklich lohnenswerte Aufnahme auf CD.


    :hello: Gustav

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  • Mitridate ist eine wunderbare Opera Seria, bei der sich gleich einer Perlenkette ein musikalischer Höhepunkt an den nächsten reiht.
    Ich persömnlich liebe diese Oper sehr, habe sie aber z.Z. bloß in dieser Aufnahme da:



    Meines Wissens nach gibt es noch eine Aufnahme bei Brilliant und in der Gesamtedition bei Philips war auch eine dabei, die immer wieder einmal als Einzelausgabe auftaucht und die ich sehr positiv, vielleicht sogar positiver als die o.g. in Erinnerung habe. Leider weiß ich aber jetzt nicht mehr, wer die Interpreten waren.
    In Vol. 23 dieser Edition "Kozertarien, Ensembles, Kanons" sind übrigens auch noch die Erstfassungen der Arien Nr.1, 9, 13, 18 und 20 mit Edith Wiens, Elzbieta Szmytka und Gunnar Gudbjörnson mit der Academy of St.Martin in the Fields unter Marriner enthalten, die weiter gut 30 Minuten herrlichste Musik beinhalten.


    Viele Grüße
    John Doe

  • spar Dir Dein Geld, ein wenig besser ist nur noch die DVD von den Salzburger Festspielen unter der Leitung von Marc Minkowski und Richard Croft in der Hauptrolle.
    An CD Aufnahmen hast Du bereits das beste was es derzeit gibt ;)


    Alles andere kann man eigentlich vergessen.


    Die von Dir angesprochene Aufnahme bei Brilliant ist zwar auch HIP, aber die Sänger sind allesamt mit ihren Partien überfordert - ich weiß nicht ob man sowas braucht.

  • Zitat

    Original von Michael


    Der Mitschnitt aus Schwetzingen, der leider niemals offiziell auf dem Markt erschien (es gab allerdings einst eine LP-Sonderedition) - ebenfalls mit dem grandiosen Gösta Winbergh als Mithridates -, ist weitaus besser. Man kann ihn m. W. beim SWR erhalten.


    Zitat

    [...] bei Philips war auch eine dabei, die immer wieder einmal als Einzelausgabe auftaucht [...]


    Das ist diese:



    Werner Hollweg als Mithridates, Arleen Augér als Aspasia, Edita Gruberova als Sifare, Agnes Baltsa als Farnace, Ileana Cotrubas als Ismene, David Kübler als Marzio und Christine Weidinger als Arbate. Dazu: Mozarteum-Orchester Salzburg, geleitet von Leopold Hager.


    Die Aufnahme ist keinesfalls schlecht, stimmlich m. E. etwas zu dick besetzt mit Ausnahme von Augér und Kübler. Ich habe die Ausgabe übrigens auch übrig... falls jemand Interesse hat...


    Wie 'der Lullist' bereits schrieb, ist die Einspielung mit Robert Croft als Mithridates und Bejun Mehta als Sifare phänomenal! Erstgenannter ersetzt mir den Winbergh zuweilen (da mir der SWR-Mitschnitt zu teuer ist). Zwischenzeitlich ist die Aufnahme im Rahmen von M22 als DVD erschienen:



    Unbedingt zu empfehlen!


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Besten Dank für all die Tipps. Ich habe ja meine Schwierigkeiten mit Oper auf DVD, aber da die CD-Ausbeute so mager ist, komme ich wohl nicht mehr drumherum. Den Rousset habe ich auch schon mehrfach umschlichen, war mir aber immer noch zu teuer, dem Hager werde ich mal auflauern, ihn findet man immer wieder in Antiquariaten. Trotzdem werde ich wohl mal in den sauren Apfel beißen und mir die Salzburger DVD besorgen.


    :hello: Gustav

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  • Nachdem ich mir letzte Woche mal wieder einen Mitridate angehört habe, dachte ich ich müsste diese Aufnahme auch noch haben.....


    *

    Aria N° 1 Al destin che la minaccia (Aspasia)

    Arie N° 8 Se di lauri il crine Adorno (Mitridate)

    Aria N° 9 In faccia all' oggetto (Ismene)

    Aria N° 13 Lungi date, mio bene (Sifare)

    Aria N° 14 (unvollständig) Nel grave tormento (Aspasia) vervollständigt Stanley Sadie

    Arie N° 16 Son reo, l'error confesso (Farnace)

    Duetto N° 18 Se viver non degg'io (Aspasia, Sifare)

    Aria N° 20 Vado incontro al fatto estremo (Mitridate)


    Somit ist dies GA vollständig.

    Diese großartige Leistung, ein echter Rivale von Christophe Roussets mit Stars besetzter Decca-Version von 1999, wird durch die Aufnahme einer vierten CD* mit den Originalversionen von acht Arien, die der jugendliche Mozart auf Geheiß seiner damaligen Besetzung geändert hat. Erwähnt in Post1 aber unvollständig.

    Und nach dem ersten anhören findet sie auch das Wohlwollen meiner Ohren.


    Weitere Aufnahmen in meinem Bestand....

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    eine sehr gute Aufnahme

    Diese GA ist nicht nicht ganz so gut in der Bestzung und etwas schwerfällig.

    Diese Aufnahme ist sehr gut gesungen, aaaaber leider stark gekürzt. X(


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Damit auch die neue Aufnahme unter Marc Minkowski im Forum Erwähnung findet ...


    Minkowski, der das Orchester Les Musiciens du Louvre leitet, vertritt hier natürlich den neuen, modernen Mozartstil. Heißt also, dass man sich hier weiter entfernt hat vom "Mozart-Belcanto-Stil", hin zu einem "Barock-Mozart". Die Musik, auf historischen Instrumenten gespielt, ist ruppiger und härter als frühere Mozart-Interpretationen. Der Musik wird ein Feuer verliehen, welche das Werk und die Handlung deutlich dramatisiert.


    Michael Spyres in der Titelrolle ist sensationell. Mit seinem robusten Baritenor, gepaart mit einer fulminanten Technik, hat er selbst mit den schwierigsten Anforderungen der Partie keinerlei Mühe. Sein Stimmumfang ist beeindruckend. Von extremen Spitzentönen bis zu baritonalen Tiefen steht Spyres alles zur Verfügung. Meisterhaft ist seine Auftrittsarie Se di lauri il crine adorno mit der zweiten Strophe, die er Pianissimo singt. Fulminant trumpft Spyres in den weiteren vier Arien des Mitridate auf. Die gewaltigen Oktavensprünge begeistern ebenso wie seine Rachearie. Zuhören und staunen!


    Dass in Rezensionen die anderen Sänger dieser Aufnahme teilweise nicht ganz so gut wegkommen, ist nachvollziehbar. Auch wenn es durchaus solide Leistungen gibt. Unter den Sängerinnen sticht am ehesten Julie Fuchs als Aspasia hervor, die ihre Rolle manchmal etwas zu nüchtern angeht. Wie man die Rolle sinnlicher gestaltet hört man zum Beispiel von Arleen Augér in der wunderbaren Aufnahme unter Leopold Hager von 1977. Eine zärtliche Ismene hingegen ist Sabine Devieilhe, deren Sopran die Partie mit makellosen Tönen austattet, die aber auch etwas monochrom erklingt. Das hört sich bei Ileana Cotrubas - ebenfalls in der Hager-Aufnahme - einfach großzügiger an. Cotrubas stehen aber auch Farben zur Verfügung die es bei Devieilhe nicht gibt. Sifare wird von Elsa Dreisig gesungen, deren Stimme sich bei allem was über die Mittellage hinausgeht immer wieder unschön schärft. Dass ihr Timbre noch dazu dem von Fuchs sehr ähnelt nimmt dem großartigen Schlussduett mit Aspasia im zweiten Akt an Wirkung.

    Um bei der Hager-Aufnahme zu bleiben - die Sifare von Edita Gruberova ist da auch ein ganz anderes Kaliber. Überhaupt fällt auf, dass die Sängerinnen der neuen Aufnahme über kein individuelles Timbre verfügen. Es klingt alles sehr einförmig. Bei Hager unterscheiden sich Gruberova, Augér und Cotrubas aber in allem deutlich voneinander.


    Ob man nun einen Countertenor oder einen Mezzosopran für die Rolle des Farnace vorzieht, ist wahrscheinlich Geschmackssache. Agnes Baltsa ist ausgezeichnet in der Hager-Aufnahme, aber auch Paul-Antoine Bénos-Dijan hat wunderbare Momente in der Minkowski-Einspielung. Vor allem in seiner Arie im letzten Akt gefällt er.


    Cyrille Dubois ist ein etwas leichtgewichtiger aber agiler Marzio. Interessanterweise ist Juan Diego Florez auf der Rousset-Aufnahme von 1998 ein hervorragender Marzio, obwohl ich Florez als Mozart-Interpret eigentlich eher entbehrlich finde.

    Als Arbate ergänzt die dunkel timbrierte Mezzosopranistin Adriana Bignagni Lesca.


    Die Minkowski-Aufnahme glänzt vor allem durch Michael Spyres in der Titelrolle - er allein macht die Aufnahme unbedingt hörenswert - und durch das Dirigat von Minkowski. Die Damen bieten durchwegs solide bis gute Gesangsleistungen.

    Wer lieber im geschmeidigeren Mozart-Wohlklang badet wird mehr mit der Hager-Aufnahme anfangen können. Ich kann beiden Interpretationen etwas abgewinnen. Bei Hager triumphieren vor allem die Damen Augér, Gruberova und Cotrubas. Und auch Baltsa. Hollweg ist vom Stimmtyp her ein ganz anderer Mitridate.


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    Gregor

  • Lieber Gregor, verbindlichsten Dank für Deine ausführlichen Anmerkungen, die ich mit Gewinn las. Ich teile sie. Sie machen ein Problem deutlich, mit dem ich mich ständig herumschlage. Neuen und neuesten Aufnahmen grundsätzlich zugetan, lande ich rasch wieder bei den historischen Produktionen, was ich eigentlich nicht möchte. Denn im Vergleich mit Minkowski ist die Hager-Einspielung den Jahren Jahr sehr historisch. Es liegen fast fünfzig Jahre dazwischen.


    Um bei der Hager-Aufnahme zu bleiben - die Sifare von Edita Gruberova ist da auch ein ganz anderes Kaliber. Überhaupt fällt auf, dass die Sängerinnen der neuen Aufnahme über kein individuelles Timbre verfügen. Es klingt alles sehr einförmig. Bei Hager unterscheiden sich Gruberova, Augér und Cotrubas aber in allem deutlich voneinander.


    So empfinde ich das auch. Für mich hängt die Wirkung von Oper immer an der Qualität der Sänger. Da kann der Dirigent rasant sein wie er will. Bei Minkowski geht die Post ab. Wenn nur durchgehend auch so gesungen würde.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Oh je, soll ich oder soll ich nicht, nein ich soll nichts sagen ! :stumm:

    •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••

    Nur mal soviel zu Hager Aufnahme, wie kann man eine Baltsa als Farnace nur gut finden :thumbdown:!

    Da ist z.B. Die Kasarova um läääängen besser und letztendlich wie schon erwähnt wurde hat die GA einige Jahre auf dem Buckel, aber für heutige Ohren, zumindest meine, kommt sie sehr antiquiert rüber!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Lieber Gregor, verbindlichsten Dank für Deine ausführlichen Anmerkungen, die ich mit Gewinn las. Ich teile sie. Sie machen ein Problem deutlich, mit dem ich mich ständig herumschlage. Neuen und neuesten Aufnahmen grundsätzlich zugetan, lande ich rasch wieder bei den historischen Produktionen, was ich eigentlich nicht möchte. Denn im Vergleich mit Minkowski ist die Hager-Einspielung den Jahren Jahr sehr historisch. Es liegen fast fünfzig Jahre dazwischen.


    Das freut mich, lieber Rüdiger, dass du etwas mit meinen Zeilen anfangen konntest und darauf reagierst. Gut, Fiesco's infantile Replik ignorieren wir besser. Was ist mit diesem Mann eigentlich los? Immer nur Draufhauen und Bashing um des Bashings willen spricht nicht gerade von Forumstauglichkeit. So macht das Forum wirklich keinen Spaß. Umso dankbarer bin ich dir, Rüdiger, für deine gut formulierten Gedanken.


    Mir geht es doch genauso wie dir, lieber Rüdiger. Auch ich höre immer gerne neue Aufnahmen und neue oder heute aktive Sänger, das heißt aber nicht, dass ich nicht auch jahrzehntealte Aufnahmen und Sänger genauso schätze. Dass die Hager-Aufnahme aus den 70er Jahren stammt macht sie doch nicht schlechter. Sie vermittelt lediglich ein anderes Mozart-Bild und einen anderen Zugang zu seiner Musik als den von heute. Wie bereits weiter oben gesagt, kann ich beiden etwas abgewinnen und beides genießen. Altes ist nicht gleich schlecht. Darum ist mir ein Schwarz-Weiß-Denken à la Fiesco fremd. Zum Glück. Man nimmt sich selbst vieles dabei weg.


    Für mich hängt die Wirkung von Oper immer an der Qualität der Sänger. Da kann der Dirigent rasant sein wie er will. Bei Minkowski geht die Post ab. Wenn nur durchgehend auch so gesungen würde.


    Das habe ich mir auch gedacht.

    Wenn man doch nur Aufnahmen mischen könnte. Spyres mit Gruberova, Auger, Baltsa und Cotrubas in einer Mitridate-Aufnahme hätte schon was.

    Wenn man heutzutage Elvis Presley mit Helene Fischer und Robbie Williams mit Frank Sinatra im Duett hören kann, sollte das eigentlich gar kein Problem sein. Was meinst du? ;)


    Gregor

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