Der genaue Titel lautet:
"L'anima del filosofo" ossia "Orfeo ed Euridice"
Zu deutsch: "Die Seele des Philosophen" oder "Orpheus und Eurydike". Ulli hat dazu bereits eine Inhaltsangabe geschrieben.
Der Titel wurde von Haydn nicht ohne Absicht so gewählt: Seine Interpretation des bekannten und vielfach in Musik gesetzten Stoffes ist durchaus eigenwillig. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass ich als großer Liebhaber von Haydn-Opern mit diesem Werk (seine letzte Oper!) meine Probleme habe. Platt gesagt: Das Werk kann langweilig wirken. Allerdings werde ich nach und nach - ausgehend vom jüngsten Live-Erlebnis in Budapest (Bericht folgt) - eines Besseren belehrt.
Worin besteht nun das Problem:
(1) Wenig Handlung, blöde Geschichte.
(2) Die Oper wurde in London für ein Londoner Theater komponiert, dem Theater wurde die Lizenz entzogen, es kam zu keiner Aufführung (Uraufführung: 1951). Wurde das Werk überhaupt zu Ende komponiert? Hätte Haydn im Falle einer Aufführung noch wesentliche Teile geändert? Haben wir es mit einem Fragment zu tun?
(3) Angebliche dramaturgische Schwächen.
Zu (1):
Stimmt. Wenn man es als mehr oder weniger spannende Geschichte betrachtet. Darum ging es dem Komponisten aber nicht.
Zu (2):
Die Musikgeschichte zeigt: Ein Werk ist, je nach Betrachtungsweise, nie fertig. Siehe Verdi, siehe Bruckner. Es zeigt nur den momentanen Stand. Der Komponist verändert es nur deswegen nicht mehr, weil er anderes zu tun hat. Sobald er sich wieder dem Werk zuwendet, verändert er es. Insofern ist Haydns "Orfeo" mit Sicherheit fertig, Stand 1791. Im übrigen muss bei einer Aufführung ohnehin der Regisseur eine zeitgemäße Interpretation liefern.
Zu (3):
Hier lehne ich mich an Adam Fischer (Haydn-Experte, Dirigent der Budapester Aufführung) an. Kritisiert wird, dass Orfeo bei der Wiederbegegnung mit Eurydike in der Unterwelt keine geniale Arie singt, um so die Götter zu erweichen. Das wird so nebenbei in einem Secco-Rezitativ abgehandelt. Fischers Interpretation: Der Mensch hat nie begreifen wollen, dass der Tod unwiderruflich ist. Die Erweckung von Toten durch Kunst (hier: Musik) ist eine Illusion. Orpheus bildet sich das alles nur ein. Haydn deutet die Sache also zutiefst pessimistisch.
Für mich klingt das plausibel, auch wenn es noch weitere plausible Deutungen geben mag.
Davon abgesehen ist die Oper nicht zuletzt wegen der vielen Chöre und deren Einbindung in das Geschehen interessant und aus Sicht der Entstehungszeit originell und fortschrittlich.
Eine erfolgreiche Aufführung benötigt:
- Top-Besetzungen für Orfeo, Euridice, Genio.
- Einen hervorragenden Chor, der auch entsprechend zur Geltung gebracht wird.
- Eine schlüssige Interpretation durch den Regisseur, die nachvollziehbar auf die Bühne kommt.
Jaja, ähnliche Forderungen wird man für jede Oper stellen. Der "Orlando Paladino" braucht das auch. Aber dort fällt es wesentlich leichter. Ich meine, der Orlando wird es ins Repertoire schaffen. Der Orfeo evtl. in seinem Fahrwasser. Ich finde ihn mittlerweile interessanter als den Idomeneo...
Thomas Deck