Was mich an Heinrich Schütz fasziniert...

  • Hallo!


    Was mich an Schütz fasziniert, ist seine schlichte und dennoch erhabene und erhebende Tonsprache.
    Der oft kargen und amelodischen Gestaltung der Stücke erwachsen wunderbar beglückende musikalische Momente. Ich gebe zu, daß mir der religiöse (Kon)text der Musik für das Hören wichtig ist und stark zur Faszination beiträgt.
    Aber auch jenseits der religiösen Elemente halte ich Schütz' Musik für "zeitlos" und sehr "ästhetisch".


    Und was fasziniert Euch an Schütz?


    Viele Grüße,
    Pius.


    P.S.: Ich erinnere an Alfreds Worte, als er diese Threadreihe begonnen hat:


    Zitat

    Mitglieder, welche dem jeweiligen Namensgeberm wenig bis nichts abgewinnen können - mögen warten bis ihr Favorit an der Reihe ist, es ist sinnlos (und in diesem Thread unerwünscht) sein Mißfallen über die Werke des
    entsprechenden Komponisten zu bekunde - desgleichen Gleichgültigkeit.


    Aufgerufen sind also ANHÄNGER des entsprechenden Tonsetzers......


    P.P.S.: Der Forenunsystematik ist verschuldet, daß dieser Beitrag möglicherweise ins Barockforum gehört, möglicherweise aber auch ins Komponistenforum.


    Wegen des eher lockeren und auch missionarischen Charakters dieser threads würde ich sie im allg. Komponistenforum lassen.


    JR


    Dank der neuen Foreneinteilung landet der Thtread letztlich dort , wo er definitiv hingehört: Barock: Komponisten


    MOD 001 Alfred

  • Das ist schwierig. Ich kopiere mal eine Anstrengung von mir her:

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Nun bin ich ja kein gläubiger Mensch wenn auch womöglich ein kultureller Christ, also ein christlicher Atheist. Aber die Exequien sind für mich keine wohltuende Klangdusche und die Textausdeutungen werden nicht nur interessiert registriert sondern finden dann auch bejahende Resonanz aus dem Inneren. Und der Jubel, dass Gott "mein Teil" sei, ergreift mich, nachdem ich den schlappen Lappen meiner kümmerlichen irdschen Existenz gemeinsam mit Schütz bespien habe, umso fundamentaler (ja, wie hier die insistierenden Wiederholungen sein müssen!) - und das obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass so etwas wie Gott existieren soll oder ein Leben nach dem Tode.


    Ich habe in letzter Zeit recht viel Musik von den Schütz-Nachfolgern Weckmann, Bernhard, Tunder und Förster gehört, die ich allesamt wärmstens empfehle (solange die Einspielungen greifbar!) und verwundert höre ich, wie viel unmittelbarer, strenger und abwechslungsreicher die Exequien des Großmeisters sind. Woran liegt's? Vielleicht bringt Schütz oft die Aussagen deutlicher, knapper, unmißverständlicher auf den Punkt - umso mehr freut man sich dann über manche Girlanden und Redundanzen dazwischen, da die Abschnitte, wo man sich quasi zurücklehnt und an der schönen Oberfläche nuckelt, von komprimierteren Abschnitten umgeben sind. Besonders hervorheben möchte ich die "verharre einen Augenblick" (oder so ähnlich)-Stelle, wo die Musik kurz stehen bleibt, verharrt. Das tut sie einmal, und eindringlich. Über den so verdauten Zorn kann man dann wieder etwas geschwätziger werden ...
    :hello:

  • Was mich an Schütz fasziniert ist die Ausrichtung von Rhythmus und Melodie an denn Texten - eine gelungenere Überinstimmung von Musik und Sprache habe ich bisher nicht gehört, zumindest für das Deutsche.


    Als erstes Beispiel fallen mir die Musikalischen Exequien ein - in Gardiners Aufnahme waren sie die erste von Schütz Opera, an denen mir das klar wurde. Wie er die Dissonanzen einsetzt, um die Textzeile "Darum bricht mir mein Herz" zu vertonen - so etwas steht heutigen Komponisten dank des inflationären Gebrauchs der Dissonanz gar nicht mehr zur Verfügung ...

  • Was mich an Schütz fasziniert, ist der Gegensatz von Reinheit und purer Sinnlichkeit. Er komponiert Stellen, die eines Renaissance-Meisters wie Palestrina würdig wären, und im Handumdrehen ist seine Musik so sinnlich, daß der Klang nahezu greifbar erscheint. Und doch ist das alles strukturell gefestigt. Eine perfekte Kombination von Herz und Hirn!
    :hello:

    ...

  • Hallo Pius,


    an diesem Orte nun noch mal einig Worte zu meiner Beziehung zu Heinrich Schütz ( steng un- musikwissenschaftlich übrigens!):


    Schützens Musik ist das stärkste " Reserve- Antibiotikum" in meinem Plattenschrank. In den Krisen meines Lebens konnte ich bisher nie Musik hören - nur Schütz ging immer!


    Es ist wohl so, dass Schütz in seiner Musik enorme seelsorgerliche Kräfte entfaltet ( stärker noch als bei Bach) - wobei ich eher nicht die wärmende, umarmende Seelsorge meine, die viele Menschen suchen, sondern die eher seltener gefragte " Schwarzbrot- Seelsorge", das harte, unbeirrbare Dabeibleiben, das Mitgehen in die Höllen des Lebens, das Aushalten unaushaltbar scheinenden Leides.


    Eine Musik, die mich im Leid bewahrt - nicht unberührt und triumphierend ,sondern gezeichnet und "wie durch Feuer hindurch".
    In Ihr liegt ein Wissen vom Leben und vom Tod verborgen, dass uns modernen Menschen nahezu vollständig abhanden gekommen ist...!


    Ich bin dem alten Heinrich jedenfalls zutiefst dankbar, dass er geduldig in meiner Sammlung wartet und da ist, wenn ich ihn brauche!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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  • Das ist wunderbar formuliert und trifft das Wesen von Schütz im Kern. Mir ging es genauso - in Krisen keine Musik, außer Schütz. Zudem hatte ich das Glück, in einem Kammerchor mehrfach die "Musikalischen Exequien" zu singen, was für mich mit den Bach-Passionen und den Janacek - Opern die größte Musik überhaupt ist. Die Exequien haben wir übrigens so gesungen, dass auch die solistischen Stellen vom Chor übernommen wurden, was dem Stück eine unglaubliche Eindringlichkeit und Geschlossenheit verlieh. Außerdem gibt es für mich in der Musikgeschichte nur wenige Komponisten, bei denen Text und Musik eine solche Einheit bilden, außer Monteverdi und Cavalli sind es Schütz und Janacek.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)