Polnische Komponisten des 20. Jahrhunderts

  • Hallo Taminos,


    angeregt durch Alfreds Thread der "leicht- oder unverdaulichen" Klassik möchte ich einmal ausloten, wie ihr es mit der Musik unseres östlichen Nachbarn haltet, und zwar gegenwartsbezogen, bzw. klassisch-modern, soll heißen: Chopin ist hier nicht angesprochen!


    Derzeit sind mir Leute wie Szymanowski (1882-1937), Lutoslawski (1913-1994), Kilar (1932-), Gorecki (1933-) oder Penderecki (1933-) bekannt, von denen sich viele von der avantgardistischen Musik (Kilar, Penderecki, Gorecki) hin zu einer mystisch-religösen Musik bewegt haben. Vieles aus den 50er-60er Jahren ist (immer noch) schwer zugänglich, aber einiges hat sich doch im Laufe der Zeit und durch die veränderten Hörgewohnheiten relativiert und wirkt heute weniger radikal als ich es noch von früher in Erinnerung habe.


    Mittlerweile hat es Gorecki ja sogar mit seiner 3.Sinfonie Anfang der 90er den Weg in englische und amerikanische Hitparaden geschafft, Penderecki schreibt eher konventionell und Kilar eher Filmmusik.


    Ich habe hier vorerst keine einzelnen Werke genannt, aber meine Frage an euch: Wie haltet ihr es mit obiger Musik: spricht sie euch an? Wenn ja, was? Und gibt es weitere Entdeckungen, auf die hingewiesen werden müsste?


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • Nicht ganz so modern, aber zeitlos:
    Moniuszko: "Halka", die ich als Mitbringsel erhalten habe.
    Vielleicht kann Alfredo eine kurze Biographie von Moniuszko abrufen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Meine Empfehlungen:


    Krzysztof Meyer: Violinkonzert Nr.1
    Ein modernes, aber sehr stimmungsvoll-melancholisches Stück.


    Emil Mlynarski: Violinkonzert
    Romantik pur.


    Alexandre Tansman: Violinkonzert
    Geht leicht ins Ohr. Schöne Melodien und sehr rhythmisch.


    Mieczyslaw Vainberg: Violinkonzert
    Gleiche Bewertung wie Tansman


    Mieczyslaw Karlowicz: Violinkonzert
    Auch ein alter Romantiker


    Grazyna Bacewicz: Violinkonzerte 1, 4 und 7
    Mehr was für modernere Ohren.


    Andrzej Panufnik: Violinkonzert
    Moderner, aber noch zugänglich. Eine düstere Komposition, wie ich finde.


    Ansonsten kenne ich noch Wlodzimierz Kotonski, Krzesimir Debski, Joanna Bruzdowicz, Adolf Gebauer, Czeslaw Marek, Karol Rathaus, Boguslaw Schaeffer, Zbiegniew Turski und Moritz Moszkowski. Debski kann man noch gut hören, der Rest ist mir nicht bleibend in Erinnerung geblieben.


    Gruß

  • Das Violinkonzert von Karlowicz ist ein unglaublich schönes Stück. Ich habe mir gerade eine Aufnahme davon gekauft. Da es nur eine gab hatte ich nicht die größte Auswahl. Es spielt Edward Zienkowski. Die Aufnahme ist ganz ok. Ab und an mal ein bischen unsauber finde ich und auch die Akkorde etwas kratzig aber insgesamt sehr schön!

  • Hallo Dain,


    dann hast du die gleiche Ausgabe wie ich, oder?

    Ich finde die Aufnahme nicht so schlecht.


    Du hättest auch die brandneue Hyperion CD mit Tasmin Little nehmen können. Aber wer weiß, ob die das besser spielt?


    Gibt's beide bei jpc und die Hyperion Ausgabe auch überall sonst noch billiger.



    Gruß,

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  • van Rossum hat sich zwar bemüht, mit seiner Aufzählung den Thread gleich wieder zu erschlagen, aber ich traue mich, auf einen der von ihm genannten nochmals hinzuzeigen:
    Boguslaw Schaeffer
    der sich darüber empört, dass Penderecki in den 60ern seine Effekte geklaut und besser vermarktet hätte (oder damit etwas populistischer umgegangen wäre). Ich habe zwar nur einmal ein Stück von Schaeffer gehört, das bestätigt allerdings diesen Vorwurf. (Mit dem Abgleiten Pendereckis ins komplett triviale in den 70er oder 80er Jahren hat das alles noch nichts zu tun.)
    Jedenfalls sollte man, wenn es mal wieder heißt, Penderecki sei in Klangflächenkomposition ein Pionier gewesen, an Schaeffer denken!

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  • Hallo,


    einige Anschaffungen in letzter Zeit durch Tips in diesem Forum, unter anderen:



    Wenn Karlovicz und Moszkowski auch Polen / Litauer? sind, höre ich dennoch den etwas typischen russischen Ton heraus. Bei Moszkowski ist, besonders im letzten Satz, das Bestreben erkennbar, zu zeigen, wie schnell und virtuos der jeweilige Geiger spielen kann. Der inhaltlichen Bereicherung dienen diese Passagen nicht.


    Aber nun zum Positiven: Es sind schöne schwelgerische, verträumte Passagen vorhanden, in dieser Aufnahme kommen diese sehr sauber heraus. Ich denke, diese gefallen den Hörern, die hauptsächlich emotionale Eindrücke genießen, gut. Was mir auch gut gefällt, ist der lange Atem der Stücke.


    Gruß,


    uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo Uwe,


    Dein heraushören eines "typisch russischen Tons" wird einen polnischen Musikliebhaber nicht besonders glücklich machen.....


    Ich möchte noch etwas zu polnischen Komponisten beitragen.


    Karlowicz war mit Sicherheit die größte Hoffnung des polnischen Musiklebens, leider ist diese Hoffnung ja recht früh unter einer Lawine begraben worden.
    Sein für mich überzeugendstens Werk ist die unglaublich depressive Tondichtung "Stanislaw und Anna Oswiecim", eines seiner letzten Werke.
    Leider gibt es im Augenblick nur relativ "glatt"interpretierte Neuaufnahmen auf CD.
    Die für mich überzeugendste Aufnahme aus den 60ern mit der Warschauer Staastphilharmonie unter Stanislaw Wislocki gab es nur kurz auf einem mittlerweile eingegangenen Label.


    Übersehen sollte man auch nicht den späteren kurzzeitigen Premierminister Polens, Ignacj Paderewski.


    Er hat ein besonders schönes Klavierkonzert sowie eine nicht minder schöne "Fantasie über polnische Themen"komponiert.
    Hinweisen möchte ich auch auf seine sehr ambitionierte Sinfonie "Polonia", die u.a. bei Hyperion erschienen ist.


    Zu anderen, ebenfalls interessanten Komponisten wie Ludomir Rózycki oder Grazyna Bacewicz(interessantes Streichquartett), von denen ich jetzt nur jeweils ein einziges Werk kenne, würde ich mich selber über etwaige vorhandene Meinungen freuen.
    Die früh verstorbene Komponistin Bacewicz erscheint mir hochinteressant.


    Beste Grüße,


    Michael

  • Hallo Michael!


    Der "russische Ton" ist schon klar - wenn etwas slawisch klingt, macht man's sehr oft zu "russisch". Aber "slawischer Ton" würde ich gelten lassen.
    Karlowicz ist dank (?) einer englischen Hochglanz-Aufnahme zum Reißer-Komponisten uminterpretiert worden; ich habe selten erlebt, dass ein fulminanter Komponist auf CD so kaputt gemacht wurde. Ich habe da ein paar alte polnische Schallplatten, wo diese Werke anders klingen, nämlich ruppig und wild. Verdammt gute Musik...!


    Die Bacewicz ist nahezu ein tragischer Fall. Sie war eine grandiose Komponistin, die aus der Nachromantik hervorging, dann zum Neoklassizismus tendierte und immer moderner wurde, bis sie schließlich eine Art Zentralton-Tonalität entwickelte. Ich kenne aus allen Schaffensphasen Werke von ihr - und sie begeistern mich restlos. Da verbindet sich Ausdruck mit brillanter Technik und einem gewissen nationalen Anspruch, ohne diesen in den Vordergrund zu stellen. Weshalb diese Komponistin nicht einmal in Polen entsprechend propagiert wird, ist mir ein Rätsel.


    Außerdem gibt es da noch den bei uns nahezu unbekannten Artur Malawski, der, sagen polnische Musiker, ein wichtiges Bindeglied zur polnischen Moderne sein soll. Aufgrund der leider nur drei Werke, die ich von ihm habe, bin ich geneigt, dieser Behauptung zu glauben. Diese rücksichtslos dissonante Stimmführung in engen Anständen ist IMO tatsächlich eine Vorstufe der Klangbänder, die dann bei Lutoslawski wichtig werden.


    LG

    ...

  • Hallo Edwin,


    danke für die Infos über Bacewicz!


    Mit Deiner Bemerkung über die neuen Karlowicz-Aufnahmen(ich denke, wir reden hier von der Chandos....) hast Du genau ins schwarze getroffen.


    Ich habe diese CD seinerzeit nach einer Minute ganz, ganz weit weggelegt und bin reumütig zu meinen alten Muza-Schallplatten zurückgekehrt.


    Ich könnte auch nur diese alten Aufnahmen empfehlen.
    Sie sind klanglich zwar recht schwach(etwas schrill und mit Limiter aufgenommen), aber die Interpretationen machen dies mehr als wett.
    Diese Aufnahmen mit der Warschauer Staatsphilharmonie unter Wislocki sind seinerzeit auf dem Label Olympia kurz als CD erhältlich gewesen.



    Beste Grüße,


    Michael

  • Ja, Michael, wir reden von Chandos. Grauenhaft. Herrliche Musik vertan als Test-CD für die neue Stereo-Anlage. (Noseda hat übrigens bei Chandos auch Prokofjews "Steinerne Blume" und Orchesterwerke von Dallapiccola auf die gleiche Weise ruiniert.) Ich habe auch die mittlerweile schon bedenklich knackenden Muza-Schallplatten. Unverständlich, dass die Polen da nichts in Sachen Karlowicz unternehmen. Naxos/Wit wäre eine logische Kombination und könnte gar nicht schlechter sein als Chandos.


    Von der Bacewicz habe ich eine Olympia-CD und eine, die der polnische Verlag dankenswerter Weise der Partitur eines Violinkonzertes beilegte - weder Dirigent noch Orchester noch Solist sind genannt. Aber die Werke: Sagenhaft!


    Alle weiteren Stellungnahmen meinerseits zu der polnischen Komponistin im Thread, den BigBerlinBear dankenswerter Weise eröffnet hat.


    LG

    ...

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  • Hallo Edwin,


    Die Chandos ist doch von Yan Pasqual Tortelier dirigiert?


    Ist aber auch egal, denn dieser Dirigent hat für Chandos auch die Werke von Lili Boulanger glattgebügelt, da lob ich mir die alten Markevitsch-Aufnahmen.


    Schade, daß Deine Platten langsam den Geist aufgeben zu scheinen, ich habe für solche Fälle eine Plattenwaschmaschine.


    Aber der Grund meiner Antwort ist eigentlich, daß es eine brauchbare Alternative zu den alten Schallplatten gibt, zwar nicht entfernst so fesselnd dargeboten, aber immer noch viel spannender als die Chandos-Aufnahme, und zwar die Gesamtaufnahme aller Sinfonischen Dichtungen von Karlowicz mit der Schlesischen
    Philharmonie unter Jerzy Salwarowski .


    An diese Aufnahmen kommt man noch heran, sie sind auch nicht gerade berauschend aufgenommen, aber insgesamt aktzeptabel.


    LG
    Michael


    P.S Ich lag auch falsch, es gibt mehrere Chandos, eine mit Tortelier und die anderen mit Noseda, da haben wir jetzt doch über verschiedene Aufnahmen gesprochen.
    Trotzdem gilt die Kritik genauso für den Totelier, ich habe mir die anderen Veröffentlichungen von Chandos erst gar nicht gekauft, da die erste schon so glatt und konturlos war.


    Das ist halt so eine Sache mit den modernen Aufnahmen.Es reicht halt nicht, ein glänzendes Orchester und eine perfekte Tonaufnahme mit allen heute verfügbaren Mitteln zur Verfügung zu haben, wenn dann keine Musik passiert.


    Und noch ein P.S. Ich habe soeben bei einem amerikanischen Versand, der mit Am beginnt, noch Restexemplare der alten Muza-Aufnahmen in der CD-Veröffentlichung bei Olympia entdeckt und mir gleich ein Exemplar unter den Nagel gerissen.
    Das wäre die allerbeste Alternative zu den Chandos-Aufnahmen.

  • Dem Herrn Tortelier sollte man zusammen mit Noseda das Dirigier-Patent entziehen! Tortelier hat IMHO folgende Komponisten bei Chandos ruiniert: Karlowicz, Boulanger, Debussy, Dallapiccola und Dutilleux (und das als Franzose...!). Wie kann man eigentlich an solchen Meisterwerken so total vorbeidirigieren? Eigentlich auch schon eine Kunst!


    Die Muza-Schallplatten habe ich bei einem Freund auf CD überspielt - für alle Fälle. Aber ich werde jetzt auch einmal nach den Olympia-CDs Ausschau halten. Lieber eine schlechte Tonqualität als ein unmusikalischer Dirigent!


    :hello:

    ...

  • Hallo


    Zitat

    Dein heraushören eines "typisch russischen Tons" wird einen polnischen Musikliebhaber nicht besonders glücklich machen.....


    Da hast Du möglicherweise recht. Wenngleich viele polnischen Musikliebhaber es nicht wissen wollen, wissen sie es aber dennoch: Der Einfluss der russischen "Brüder"...


    Zitat

    Der "russische Ton" ist schon klar - wenn etwas slawisch klingt, macht man's sehr oft zu "russisch". Aber "slawischer Ton" würde ich gelten lassen.


    Ohne darauf rumreiten zu wollen - wo es keine konkreten Grenzen gibt, ist persönliches Einschätzen gefragt - empfinde ich, zumindest beim Violinkonzert Karlowiczs, Gefühle der russischen Musik, was sich natürlich schwer beschreiben lässt. (Dies fällt mir umso schwerer, da ich aufgrund meiner Familienherkunft mit viel slawischer sowie russischer Musik aufgewachsen bin und natürlich sehr viel unkritisches Gefühl hereinbringe. So habe ich, bitte lacht mich nicht aus, zur russischen Musik nach der deutschen am meisten Bezug und liebe ihr Grundgefühl am meisten, im Großen und Ganzen mehr als das der französischen, italienischen oder englischen.)


    Also völlig subjektiv und ohne recht haben zu wollen: beim Violinkonzert Karloviczs höre ich teilweise ganz gut die weite Melancholie heraus, gleichzeitig aber auch das ebenso russische: "Aber wenn wir auch ein weiches Herz haben, haben wir doch eine starke Disziplin".


    Übrigens: Wer den letzten Satz von Tschaikovskis Violinkonzert mag (ich leider nicht), der wird auch wohl den ersten Satz (sehr ähnlich) oder das ganze Violinkonzert Moszkowskis mögen.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo Uwe,


    "Wenngleich viele polnischen Musikliebhaber es nicht wissen wollen, wissen sie es aber dennoch: Der Einfluss der russischen "Brüder"...


    Dies solltest Du einmal meinem Freund und Kollegen Adrian, der polnischer Abstammung ist, sagen.
    Allerdings solltest Du dich dann nicht wundern, wenn er sich nicht darüber freut :D


    Muß ich denn jetzt tatsächlich erkären, wie sehr die Polen unter der Unterjochung der Russen gelitten haben?
    Überhaupt saß Polen immer zwischen den Stühlen und es gab noch nicht einmal immer einen polnischen Staat.
    Vielleicht findet man ja auch in der hohen Tatra dieses Gefühl der Melancholie, ich persönlich bin mit Edwins Korrektur-slawisch-einverstanden.


    Entschuldige, wenn ich darauf rumreite, aber dies ist für mich ein überaus heikles Thema.
    Die polnischen Komponisten waren und sind weitaus mehr gen Westen ausgerichtet.




    Beste Grüße,


    Michael

  • Zitat

    Die polnischen Komponisten waren und sind weitaus mehr gen Westen ausgerichtet.

    Überhaupt ist die polnische Kultur westlich orientiert (auch bezüglich der Religion: katholisch, nicht orthodox). Das ist auch der Hauptkonfliktpunkt zwischen Russen und Polen. Für die Russen sind die Polen überfeinerte Westler, während die Russen für die Polen nur rohe Usurpatoren sind. Musikalisch äußert sich der Konflikt etwa in der "Polenszene" von Mussorgskij "Boris", die fast eine Parodie auf westlichen Schönklang ist, der für Russen Mussorgskij identisch war mit Verlogenheit.


    Es ist also eine Ironie der Geschichte, dass es ausgerechnet eine polnische Platteneinspielung war, die für Mussorgskijs Originalfassung des "Boris" den von der sowjetischen Obrigkeit verhängten Bann brach.

    ...

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  • Hallo,


    Zitat

    Dies solltest Du einmal meinem Freund und Kollegen Adrian, der polnischer Abstammung ist, sagen.

    Bitte sag es ihm nicht, dem Adrian. Wir sind doch alle Musikfreunde, und so soll es bleiben.



    Zitat

    Muß ich denn jetzt tatsächlich erkären, wie sehr die Polen unter der Unterjochung der Russen gelitten haben

    Warum so gereizt? Meine Familie väterlicherseits ist Teil der russischen und slawischen Geschichte, die Geschichte kenne ich schon ein wenig. Dennoch will ich auf meiner Beobachtung nicht bestehen (ich kenne doch einige alte Polen, die gleichermaßen vom alten russischen Geist wie natürlich auch von der grausamen politischen Wirklichkeit der Unterjochung sprechen und geprägt sind, was meint ihr, wie so manches polnische alte Väterchen Geschichten von den russischen Weiten erzählen kann..., natürlich sind die grausamen und überdisziplinierten russischen Soldaten auch bei fast jeder Geschichte dabei). Aber liebe Musikfreunde, ich möchte, wie gesagt, gar nicht auf der Alleindaseinsberechtigung meiner Aussagen bestehn, wie ich weiß, sind Eure Aussagen genauso begründet und Teil ganzen Wahrheit.



    Zitat

    Überhaupt ist die polnische Kultur westlich orientiert

    Selbstverständlich ist das so, sogar sehr extrem. Aber dennoch hat das ca. 100-jährige Violinkonzert von Karlowics für mich eine sehr russische Sprache. Das würde ich ja nicht generell von polnischen Komponisten, besonders der neueren Zeit, sagen. Um die bekanntesten zu nennen: bei vielen Werken Lutoslawskis, Meyers... vernehme ich europäische Sprache. Und gute Musik!


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • in den letzten Monaten habe ich noch eine erkleckliche Anzahl weiterer polnischer Violinkonzerte erhalten, unter denen einige fantastische Werke sind:


    Tadeusz Wielecki: Concerto a rebours
    Für dieses Konzert hat Wielecki eine ganz eigene Spieltechnik für die Violine "erfunden". Eine Wenseite erläutert das so:

    Zitat

    In his 1998 CONCERTO A REBOURS for violin and orchestra, the composer develops a special method of playing that could be referred to as "sliding". It is about continuous movement, fingers sliding along the strings, as opposed to the traditional technique where fingers are statically placed on the fingerboard of the instrument. According to the composer, this technical innovation has musical consequence as it impacts the sound of music.


    Um ehrlich zu sein, ziemlich simpel vom Gedanken her. Wundert mich, dass das noch niemand vorher gemacht haben soll. Naja, vielleicht noch keiner in der Klassik, aber im Jazz oder der Volksmusik bestimmt.
    Wie auch immer, das Hörerlebnis ist nichts desto trotz einmalig. Die Komposition ist ganz auf diese neue Technik abgestimmt und erzeugt ein unwirtliches Klanggebäude, sphärisch und nicht von dieser Welt. Ein echtes Erlebnis!



    Michal Spisak: Andante et Allegro, für Violine und Orchester
    Dieses Werk wiederum ist dagegen nicht so ungewöhnlich, sondern schlichtweg ein schönes Werk zum Genießen.



    Weronika Ratusinska: Konzert für verstärkte Violine, Ensemble und Tonband
    Das ist mein absoluter Liebling unter den neuen Entdeckungen. Ratusinska ist eine junge Violinistin (*1977), die auch komponiert. Dieses Violinkonzert ist eine Mischung aus minimal music, Jazz und chill-out. Da mag man die Nase drüber rümpfen, aber das ganze Werk macht einfach nur Spaß. Dreiviertel des Werkes geht es frech und unbeschwert im minimal music-paart-Jazz-Stil drauflos, um dann abrupt abzubrechen und nun werden verschiedene Alltagsgeräusche zusammengesmapelt: Autos fahren vorbei, Geschirr wird abgeräumt, ein Baby "plappert" vor sich hin, dazu ein paar seichte Klänge. Ende.
    Ich finde es genial. :beatnik:



    Zum Abschluss dann noch ein - im klassischen Sinne - schönes Violinkonzert, dass gerade in Polen sehr populär sein soll:
    Alexander Lason: Concerto festivo



    Die restlichen Werke haben mich nicht so begeisert, aber vier Knaller, das ist doch was. :D

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Krzysztof Meyer hat neben dem bereits erwähnten Violinkonzert ein feines Klavierkonzert 1988/89 geschrieben.


    Meyer sagte zu seinem Klavierkonzert; „Ich komponierte damals eine erste Fassung, mit der ich jedoch nicht zufrieden war. Ich legte also die Partitur in die Schublade und kam erst nach zehn Jahren wieder auf sie zurück, als mich Pavel Gililov – dessen Interpretationskunst mich schon seit einiger Zeit inspiriert hatte – dazu ermutigte. Für die neue Fassung benutze ich aus der ursprünglichen Version lediglich den zweiten Satz, die übrigen Sätze schrieb ich neu. Das Werk besteht aus vier Sätzen. In jedem Satz wird das Soloinstrument auf andere Weise behandelt – von einfachster Faktur bis zu sehr komplexer und virtuoser. Im Konzert trifft man auf ganz unterschiedliche Stimmungen – vom scherzhaften zweiten Satz, der Jazzelemente enthält, bis zur konzentrierten Expression und klagenden Charakter des dritten Satzes. Im ersten Satz ist das Orchester gleich berechtigter Partner des Solisten, während es sich im vierten Satz auf reine Begleitfunktion beschränkt. Die Uraufführung des Konzertes fand 1992 in Köln mit Pavel Gililov statt."


    Die Aufnahme von Koch Classics ist eine Rundfunkaufnahme von 1992 mit Pavel Gililov und dem Rundfunk-Sinfonieorchster Katowice unter der Leitung von Antoni Wit



    Meyer, der heute zu den profiliertesten polnischen Komponisten zählt, erhielt unzählige internationale Preise; seine Werke werden bei europäischen Festivals aufgeführt, so etwa beim Warschauer Herbst, beim Aldeburgh Festivald oder beim Schleswig-Holstein Festival. Konzerte schrieb er unter anderem für grosse internationale Solisten wie Aurèl Nicolet, Heinz Holliger und David Geringas. Seit 1987 ist er Professor für Komposition an der Musikhochschule Köln.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

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  • Ich möchte hier noch einmal auf einen bereits genannten aber nicht weiter behandelten Komponisten eingehen: Wojciech Kilar.


    Dieser hat nicht nur durchaus einige Filmmusiken geschrieben, sondern auch eine ganze Reihe sehr anhörenswerter Chor- und Orchesterwerke.


    Seine Musik ist sehr kraftvoll, mit teilweise starken Anleihen aus der Minimal Music, aber auch eher schwebende Klänge ala Gorecki verwendet er oft.


    Als beispielhafte Werke möchte ich folgende herausstellen:


    Orawa, ein Stück für großes Streichorchester wohl eines seiner bekanntesten Werke. In Exodus wird ein Thema ala Bolero von einem piano unter steter Wiederholung ins tutti-Fortissimo geführt (dieses Stück liebe ich sehr). Dann schuf er noch ein sehr schönes Klaviekonzert, in welchem er in 3 sehr unterschiedlichen Sätzen ganz unterschiedliche Farben zeigt: Der erste Satz schwebt eher zeitlos dahin, ohne Anfang und Ziel; der 2. Satz mit größeren Klavie-Solo-Einlagen scheint in der Mitte zu stocken, regelrecht einzufrieren, um sich dann neu von ganz unten aufzubauen und dann in einem schnellen 3. Satz mit fast furriosen Ende einzuleiten. Ein weiteres Werk für Chor und Orchester heißt Angelus und erinnert stellenweise sehr an Goreckis 3. Sinfonie. Bei all den Anleihen findet Kilar aber durchaus seinen eigenen Stil.


    Folgende CDs kann ich übrigens sehr empfehlen, was Qualität als auch Preis angeht:



    Wer Gorecki bzw überhaupt polnische Klangfarben mag, sollte sich auf jeden Fall einmal mit Kilar beschäftigen, ich kann seine Musik sehr empfehlen.



    Grüße, der Thomas.

  • Dieser Thread über polnische Komponisten des 20. Jahrhundert ist nun schon relativ alt -zu beginn wurden einige Namen erwähnt - nebst Kurzbewertungen durch einige Mitglieder, von dnen die meisten nicht mehr bei Tamino sind. Hier bietet sich also an, das Thema erneut aufzurollen. Ein neuer Thread ist hier nicht erforderlich, denn er ist ja nicht überlang- Ich werde jedoch den Titel ein wenig der Realität anpassen - aus "Polnische Komponisten" wird "Polnische Komponisten des 20. Jahrhunderts". Ferner ist jetz als Vorteil zu bewerten, daß man sich sogleich ein (akustisches) Bild machen kann, wenn man auf das Labelbild eine besprochenen oder erwähnten CD klickt.


    Miesczyslaw Vainbergs (1919-1996) Violinkonzert wurde ja bereit zu beginn des Threads erwähnt und kurz eingestuft - Hier kann jetzt aber jeder seinen eigenen Höreindruck bekommen, wenn der das Coverbild anklickt. Es handelt sich um die Tracks 4-7, welche die Soundschnippsel enthalten



    Damit wir uns nicht in Wiederholungen üben, sondern auch weiteres lernen, hier ein weiterer Link zu Vainbergs symphonischen Schaffen, welches 22 (!!) Sinfonien und einige Kammersinfonien umfasst.Wir haben hier die Sinfonie Nr 2 gewählt. Stilistisch gelegentlich mit Schostakowitsch verglichen ist er eher melodiös und weniger rhythmisch. Auf Wunsch kann ein eigener Thread über die Sinfonien eröffnet werden.
    Vainberg war ein überaus fruchtbarer Komponist, ich habe Opuszahlen über 150 gefunden, er schrieb faktisch für jede Sparte, sei es Sinfonie, Konzert, Klaviersonate,Kammermusik, Lied oder Oper.



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Eröffnungsbeitrag wurde der Komponist Witold Lutoslawski (1913-1991) erwähnt. Er war auch als Dirigent tätig. Mir gefällt seine Tonsprache. Das Label Naxos hat preiswerte, ausgesprochen gute Aufnahmen, sei es hinsichtlich Interpretation und Aufnahmetechnik, veröffentlicht. Bleibt noch anzumerken, dass die Werke von einem polnischen Orchester, dem Polish National Radio Symphony Orchestra und dem Dirigenten Antoni Wit eingespielt wurden. Wie von Alfred_Schmidt angeregt, kann man sich mit den Hörschnipseln ein akustisches Bild machen.


    Wie Witold Lusolawski seine eigenen Werke dirigierte, kann man auf dieser beim Label Brillant erschienenen BOX überprüfen.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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