Konzertbesuche und Bewertung

  • Liebe Mimi,


    es war mein erstes Kirchenkonzert seit langer Zeit. Und das erste, wo ich aus meiner freien Entscheidung hingegangen bin. An die bisherigen kann ich mich kaum erinnern; ich bin damals wegen meines Freundes hin.


    Das Jubilate war auch ein Teil der Missa solemnis. Und bei den Teilen, die ich als heiter empfunden habe, trifft das Wort die Sache tatsächlich nicht ganz. Leicht ist besser, ein wenig beschwingt stimmt auch.


    Bei einer Messe weiß ich so in etwa, um was es inhaltlich geht. Da lenken mich die Texte nicht von der Musik ab. Und beim "Grabgesang" wüßte ich nicht, wo ich den vollständigen Text dazu finde. Müßte mal im Internet recherchieren. Oder weißt du da Bescheid?


    Wie sind so deine Erfahrungen mit Kirchenmusik, überhaupt geistlicher Musik?


    Ich danke dir übrigens für deine Reaktion und deine Anregungen.

    Anna-Beate

  • hallo Holger,
    bin gespannt auf Deine Meinung zum Konzert in der Kölner Philharmonie, das parallel im WDR 3 übertragen wurde. ich selbst war da.
    Mein Eindruck:
    das Schumann- Cellokonzert gespielt von N. Gutmann war stark unterkühlt vorgetragen, ohne Verve, ohne Temperament, allenfalls der 2. Satz kam diesem Spiel entgegen. Hier war mehr die romantische Kompenente zu spüren.
    Der Bruckner war nicht zu messen an früheren Aufführung von Wand, der ja das Kölner Musikleben mit diesem Komponisten zu einem hohen Standard geführt hat.
    Nun der Bruckner war nicht schlecht gespielt: eher kam alles sehr kompakt rüber.
    Trotzdem fand ich dabei die Auffassung von Saraste schlüssig, aber insgesamt eher Mittelmass.

  • @Edwin


    hab Deine Kritik zum gestrigen Konzert im MV gelesen.


    St. Petersburger Philharmoniker
    Yuri Temirkanov
    Symphonie classique/Prokofjew
    Konzert für Violoncello und Orchester/Schostakowitsch (Cello: Natalia Gutman)
    Mussorgskij/Bilder einer Ausstellung/Orchesterfassung von Ravel


    Und warum schreibt der Standard so einen Kas?????


    Super war's !


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Hallo Anna-Beate


    Ich glaube, mit dem Text zur Grabmusik kann ich Dir helfen:


    Wo bin ich? Bittrer Schmerz


    1. Recitativo
    Wo bin ich? Bittrer Schmerz, ach! Jener Sitz der Liebe,
    mein Ruh', mein Trost, das Ziel all meiner Triebe, und meines Jesu gött'Iichs Herz, das reget sich nicht mehr und ist von Blut und Leben leer. Hier trieft die Wunde noch von Blut; verdammte Wut!
    Was für ein herbes Eisen könnt' dieses süßeste und allerliebste Herz zerreissen?


    2. Aria
    Felsen, spaltet euren Rachen, trauert durch ein kläglich's Krachen,
    Sterne, Mond und Sonne, flieht, traur' Natur, ich traure mit.
    Brüllt, ihr Donner, Blitz und Flammen, schlaget über dem zusammen,
    der durch die verruchte Tat dieses Herz verwundet hat.


    3. Recitativo
    Geliebte Seel, was redest du? Bedaure das verwund'te Herz,
    ich lobe deinen Schmerz, und willst du zürnen?
    Zürne doch, doch über wen? Ach, ehrlich über dich, willst du den Mörder finden, so denk an deine Sünden, die führten diesen Stich und leiteten den Speer. Jetzt zürne, wie du willst, jetzt traure, aber traure mehr.


    4. Aria
    Betracht dies Herz und frage mich: Wer hat die Kron' gebunden,
    von wem sind diese Wunden?
    Sie ist von mir und doch für mich. Sieh, wie es Blut und Wasser weint,
    hör, was die Zähren sagen. Die letzten Tropfen fragen, ob es mit dir nicht redlich meint. Ergib dich hartes Herz, zerfließ in Reu und Schmerz


    5. Recitativo
    0 Himmel, was ein traurig Licht, so jetzt zu meiner Qual aus diesen Worten bricht!
    So bin ich denn die Grausame gewesen, so dieses Herz verwundet hat?
    Dies Blut ist meine Tat? 0 Schmerz, zerbrich mit das beklemmte Herz!


    6. Duetto
    Jesu, was hab ich getan? Durch mich hast du diese Wunden, durch mich Tod und Kreuz gefunden.
    Auch den letzten Tropfen Blut sucht im Herzen meine Wut, ach, was habe ich getan?


    Schau dies Herz nur reuvoll an, aber auch durch diese Wunden
    hast du Heil und Gnad gefunden, auch den letzten Tropfen Blut gibt die Liebe dir zu gut; schau das Herz nur reuvoll an.


    Dies soll jetzt mein Vorsatz sein, liebstes Herz, dich will ich lieben,
    nimmer will ich dich betrüben.
    Ach, verzeih' es, göttlich's Herz. Es verzeihet deinem Schmerz.


    7. Recitativo
    0 lobenswerter Sinn! 0 tausendmal beglücktes Wählen! 0 weisliches Entschließen!


    8. Coro
    Jesu, wahrer Gottessohn, dem ein ungerechter Richter
    heut' den Stab des Lebens bricht, richte uns nach Schärfe nicht!
    Wenn zu deinem Wolkenthron rufet der Posaunen Schall
    und das Heer der Himmelslichter sich bereitet zu dem Fall.


    So und nun hoffe ich, daß hier niemand schimpft, weil meine Antwort auf Deine Fragen eigentlich in diesem Thread nicht so richtig hingehören. Allerdings weiß ich nicht, wo ich es jetzt hinpacken soll – vielleicht kümmert sich Alfred darum... :hello:


    Geistliche Musik höre ich oft und sehr gerne, nicht nur, weil ich ein gläubiger Mensch bin. Im Grunde interessiere ich mich erst so richtig dafür, seit ich begonnen habe, Kirchenorgel zu spielen. Zu der Ausbildung gehörte u.a. auch das Singen von Messen, gregorianischen Gesängen, Kirchenliedern etc.


    Zitat

    Bei einer Messe weiß ich so in etwa, um was es inhaltlich geht


    Um die geistliche Musik richtig verstehen zu können, wäre es schon ideal, wenn Du Dich ein bißchen mit dem Thema Messe/Gottesdienst auseinandersetzen würdest. Eine Messe ist im Grunde immer gleich aufgebaut – mit geringen Abweichungen z.B. an hohen, kirchlichen Feiertagen --> Missa solemnis. Die Texte zum Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei findest Du im Internet in Latein und Deutsch.


    Zitat

    Da lenken mich die Texte nicht von der Musik ab

    8o


    Die Texte dürfen Dich nicht von der Musik ablenken, sie gehören dazu und sind wirklich wichtig. Sie erzählen Geschichten, stellen Gefühle und Glaube dar. Sie sind fest verwoben mit der Musik.


    Mein Tipp für Dich wären folgende CDs (allerdings solltest Du vorher reinhören, vor allem in die 2. CD, die sehr speziell ist)




    Ich hoffe, sie gefallen Dir!
    Liebe Grüße - Mimi

    che gelida manina....

  • Danke Mimi, für deine Hinweise. Ich werde mir die Cds bei Gelegenheit mal anschauen; im Moment ist Brahms Schwerpunkt.
    Sicher sind die Texte bei Vokalmusik wichtig. Nur darf es nicht so sein, dass ich mich wegen der Anstrengung, sie zu verstehen, nicht mehr auf die Musik konzentriere.

    Anna-Beate

  • Claudio Abbado dirigierte das Gustav Mahler Jugendorchester im Münchner Herkulessaal der Residenz, 21.4.2006


    Es steht der Idealismus im Vordergrund, bestmögliche Orchestererziehung zu gewährleisten. Seit 1986 gibt es dieses Projekt, Musikerinnen und Musiker aus ganz Europa zweimal jährlich zu Probenwochen und erlesenen internationalen Konzerten zusammenzufassen. Viele ehemalige Orchestermitglieder sind mittlerweile bei renommierten Klangkörpern gelandet. Die Ostertournee 2006 führt das Gustav Mahler Jugendorchester unter der Leitung seines Gründers Claudio Abbado von Bozen über München und Madrid nach Wien (Musikverein, 25.4.) bis Paris und Turin. Und für 2007 kündigt man die Zusammenarbeit mit Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra an. DAS ist Weltpolitik vom Feinsten! Natürlich stehen Werke auf dem Programm, die die Orchestermitglieder famos präsentieren können, die den jungen Mitwirkenden die Chance geben, sich virtuos wie emotional, exponiert wie im Kollektiv vorzustellen. „Pelleas und Melisande“, Symphonische Dichtung für Orchester op. 5 von Arnold Schönberg: die tragische Liebesgeschichte zwischen der geheimnisvollen Melisande und dem Halbbruder Pelleas des Ehemannes Golaud, erfordert ein groß besetztes Orchester, das einen eher dunklen und doch pastellfarbenen Grundton durchzuhalten hat. Die farbenreiche Partitur gibt ausreichend Gelegenheit zu prachtvoller Klangentfaltung. Es ersteht ein üppiges, nachwagnerianisch spätromantisches Klangbad. Und was das Tolle ist: Man spürt die ungeheure Emotion sowohl der Interpretation wie auch der Psychologie in der Musik. Die spielen alle um ihr Leben, aber gleichzeitig bis in winzigste Details nuanciert einstudiert und die Feinheiten der Probenarbeit minutiös beachtend, ohne dass dies äußerlicher Selbstzweck würde. Einige Passagen drohen den Herkulessaal fast zu „sprengen“, doch wer sollte es den Beteiligten verübeln. Orchesterhöhepunkte vom Anfang des 20. Jahrhunderts sind eben so kräftig. Die fulminanteste Steigerung ereignet sich nach dem Schlussakkord. Totale Stille. Ein paar Sekunden lang. Dann zögerlicher Applauseinsatz, eine Mischung aus Unsicherheit und Lösung vom lautlosen Ergriffensein. Und dann das Crescendo, die „Erleichterung“ zum großen Jubel. Gustav Mahlers Symphonie Nr. 4 G-Dur nach der Pause fächert vor allem Claudio Abbados grandiose Klangbalance auf. Man hört die Vielschichtigkeit der Musik ganz wunderbar durch, das Ineinandergreifen der einzelnen Stimmen. Vieles wirkt wie Kammermusik, da können sich die Exponierten gut einbringen, und dann gibt es aber doch auch vollblütige, satte, große Stellen, die den kompakten Klangkörper in voller Pracht massiert in den Vordergrund rücken. Mahlers Vierte als Mischung aus Fin de siecle Karikatur (erster und zweiter Satz), großem Seelendrama (dritter Satz) und Versuch einer Beschreibung des himmlischen Lebens (vierter Satz), diesfalls bei der Sopranistin Juliane Banse nicht kindlich naiv, sondern erwachsen herzlich. Kleine Teile des Publikums „entlarven“ sich nach dem ersten Satz als nicht Klassikkonzert-kundig und setzen zum Applaus an, der sofort wieder abebbt. (So wunderschön ausmodelliert gesteigert, wie Abbado das Finale dieses Satzes präsentiert, muss man auch als „Klassikmusik-Verbildeter“ zugestehen: Diese paar Klatscher kommen allemal von Herzen, die meinen es so wie sie tun.) Wieder Stille nach dem Ausklang der Symphonie – dann aber großer, lang anhaltender Jubel. Wer da noch an die klitzekleinen Unsicherheiten im Blech beim zweiten und dritten Satz denkt, dem ist nicht zu helfen. Juliane Banse und Claudio Abbado werden auch noch aufs Podium zurückbeklatscht, als die Orchestermitglieder bereits ihre Plätze räumen. Für München war dieses Benefizkonzert für das Sterbehospiz Allgäu sicher ein absoluter Höhepunkt der Konzertsaison.


    Herzlicher Gruß und schönes Wochenende
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Hallo,


    ich habe mir heute in Bremen Hélène Grimaud und das NDR Sinfonieorchester mit Edo de Waart angeschaut. Auf dem Programm standen Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 und Dvoraks Neunte.


    Dann also die ersten Takte des Klavierkonzerts, Grimaud beginnt, und ich denke: Hoppla, ist das der Beginn des fünften Klavierkonzerts? Bin ich jetzt schon so verwirrt und kriege was durcheinander oder gibt es etwa eine neue Zählung - wie bei den Schubert-Sinfonien - von der ich nichts mitbekommen habe? Denn das war eindeutig das vierte Klavierkonzert, was mir da entgegenschallte. Machte aber nichts. Wenn ich recht überlege, finde ich es auch schöner als das fünfte. Trotzdem blieb mir unwohl, weil ich dachte, der Irrtum läge bei mir und ich wüsste nicht mehr, welches Klavierkonzert welches ist. Der irritierte Blick auf die Eintrittskarte und in das Programmheft suggerierten mir weiterhin, Ohrenzeuge des fünften zu sein... Erstaunlich, dass beim Mithören des obligaten Pausenplauschs aber wirklich niemand darauf zu sprechen kam, dass hier Angekündigtes und real Gespieltes nicht übereinstimmten.


    Zun zu meinem Höreindruck: In einem anderen Thread mokierte sich jemand über die exaltierte, laut keuchende, sexualisierte Spielweise Grimauds. Schade, heute war nichts davon! :stumm: Gut, einige Male schmiss sie ihren Kopf ekstatisch in den Nacken, das war's aber auch schon. Meine Favoritin für Beethoven ist sie sicherlich nicht, dennoch fand ich sie recht übezeugend. Nämlich immer in den lyrischen, sensiblen Passagen, so im zweiten Satz, wo das Klavier im Dialog mit den stakktohaften Unisono-Streichern zart und verletzlich klingt. Das volle Zupacken hingegen war nicht ihre Stärke. Dennoch fand ich das das ineinandergreifende Zusammenspiel von Klavier und Orchester absolut gelungen.


    Dvoraks "Aus der neuen Welt" war solide und schmissig dargeboten. Zwei- oder dreimal waren die Einsätze des Flötisten und der Soloholzbäser nicht galnz auf dem Punkt. Dafür war die Ausgewogenheit zwischen Streichern und dem schweren Bech in meinen Ohren hervorragend. Insgesamt ein durchaus positiver Höreindruck!


    Etwas mau war die Verweigerung jeglicher Zugaben. Weder Madame Grimaud im ersten Teil, noch Herr de Waart im zweiten, begaben sich nochmal an Flügel oder Taktstock. Dabei hatte ich um ein Pausenbier gewettet, dass ein slawischer Tanz Dvoraks oder ein ungarischer von Brahms käme....mit einer Totalverweigerung hatte ich nicht gerechnet. Na ja, der Abend war ja eh eine unvorhergesehne Wundertüte.



    Gruß
    B

  • Hallo Alexander!
    Abbado war mit diesem Programm eben auch im Wiener Muikvrein zu erleben. Sensationell! Schöner und berührender geht's nicht. Und wenn das Wiener Publikum den Dirigenten mit rhythmischem Klatschen und Trampeln feiert, ist das etwas, was alle heiligen Zeiten einmal vorkommt.
    LG

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Alexander!
    Abbado war mit diesem Programm eben auch im Wiener Muikvrein zu erleben. Sensationell! Schöner und berührender geht's nicht. Und wenn das Wiener Publikum den Dirigenten mit rhythmischem Klatschen und Trampeln feiert, ist das etwas, was alle heiligen Zeiten einmal vorkommt.
    LG


    Hallo Edwin,


    wenn ich mich richtig erinnere, ist es eine "Spezialität" des MJO, ihren jeweiligen Dirigenten per "Trampeln" zu akklamieren - sozusagen im jugendlichen Übermut dürfen sie das ;-) Daß das Publikum sich natürlich davon anstecken läßt, ist klar. Und war in diesem Fall auch berechtigt.


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Sagitt meint:


    Eben in N3 Frau Grimaud. Das vierte Beethoven-Konzert,angekündigt angeblich das fünfte. Eine Spezialität von ihr: angekündigt 2tes Brahms,gespielt Schumann, angekündigt Bach BWV 1052, dann für den Abend Mozart KV 488, dann alles ausgefallen.
    Frau Grimaud spielt neuerdings die Stücke, die man von ihr bestens kennt. Man wundert sich, wenn man ihren intellektuellen Ansatz hört, dass sie gar nichts anderes bietet als das Bekannte. Im nachfolgenden Interview sprach sie vom 11.9.2001 und ihrem Konzert ( mit Eschenbach in London, Beethovens viertes- das war ein Ereignis) Heute war es konventionell. Man kennt es von ihr besser. Das Publikum tobte.
    Eine Zugabe wurde aber nicht gegeben.

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  • Moin moin,


    ich kann mich Alexander, Austria und Edwin nur anschließen - Abbado mit "seinem" Gustav Mahler Jugendorchester (im Musikverein) war ein Erlebnis. Das hat Alexander sehr viel besser beschrieben, als ich es könnte. Deshalb möchte ich nur eins anschließen: die Haltung Abbados am Ende des Konzerts hat mich sehr beeindruckt.
    Das Publikum war wie schon geschildert wirklich aus dem Häuschen (das habe ich so trotz mancher Begeisterung in Berlin noch nicht erlebt), und namentlich, wenn Abbado wieder auf dem Podium erschien, steigerte sich der Beifall deutlich. Doch ging er nie allein zum Publikum, stets hatte er Juliane Banse bei sich. Dabei hatte ich das Gefühl, das die Sängerin ihn gern einmal allein nach vorn geschickt hätte, das auch die Zuhörer ihn gern gebührend gefeiert hätten. Er wollte sich eben - so habe ich das verstanden - partout nicht nach vorn drängen (dabei fand ich Juliane Banse weniger überzeugend als Magdalena Kozena, die ich Anfang des Jahres in Berlin bei der 4. erlebt hatte).


    Grüße, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Sagitt meint:


    Es wird mir peinlich, ich wünschte andere, nicht aus Bremen,hörten so ein Konzert und schrieben darüber. Jeder wird denken, ach der Lokalpatriot.
    Aber: was die Kammerphilharmoniker heute abend - mal wieder- an Beethoven abgeliefert haben, 1te und 2te Sinfonie, Coriolan-Ouvertüre ( das 2 Konzert mit Lars Vogt vernachlässige ich, das Stück sagt mir nicht zu und Vogt hat nicht dazu beitragen können, das sich das ändert) gehört einfach zum Besten, was man momentan hören kann und je hören konnte.
    Ein so unglaublich präziser Beethoven, so vielgestaltig, so heftig und auch romantisch ( zweiter Satz der zweiten Sinfonie). Paavo Järvi bündelt die Kräfte und heraus kommt eine Interpretation, die zwar an Toscanini in ihrer Unerbittlichkeit erinnert, aber viel mehr Differenzierung erbringt. Selbst ein Stück wie die Coriolan-Ouvertüre ist nicht nur deftig bis zur Brutalität, sondern hat auch lyrische Passagen.
    Das Orchester steckt mitten in einem Beethoven-Projekt ( alle Cds aufnehmen) und wird alsbald in Japan an einem Wochenende alle neun Sinfonien aufführen.Järvi holt das Beste aus dem Orchester heraus und das ist einfach viel. Jubel. Berechtigt.

  • Hallo,


    in einem anderen Thread habe ich kurz einen Konzertbesuch in der Kölner Philharmonie geschildert und gefragt, ob die Enttäuschung, die dieses Konzert in mir hervorgerufen hat, mit Christian Thielemann zusammenhängen könnte. Leider gab es keine Antwort - deshalb versuche ich es hier noch mal:


    Thielemann dirigierte vor etwa anderthalb Monaten in Köln die Wiener Philharmoniker, geboten wurden Beethovens Pastorale und Schumanns Frühlingssinfonie. Während des ganzen Abends wollte nur selten richtige Spannung aufkommen, teilweise war es richtig schwierig, sich auf die müde wirkende Interpreation der Werke zu konzentrieren. Und während die Streicher technisch perfekt und sehr klangschön spielten, machte das Holz überhaupt keine gute Figur. Daß ich die Wiener Oboen nicht mag, ist wohl eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber daß der Klarinettist streckenweise intonationsmäßig regelrecht absoff, habe ich ansonsten bei einem Orchester von Weltruf noch nicht erlebt. Auch das Solo-Fagott wirkte reichlich mager.


    Insgesamt habe ich mich jedenfalls darüber geärgert, für diese Veranstaltung mehr als 40 Euro ausgegeben zu haben, und meinen Freunden, die mit dabei waren, erging es kaum anders.


    Kommen die Wiener mit Thielemann nicht zurecht? Hatten sie eventuell deswegen keine rechte Lust?


    Es wäre nett, wenn jemand, der sich mit den Wienern gut auskennt und sich intensiver als ich um Thielemann gekümmert hat, etwas dazu sagen könnte.


    Herzliche Grüße


    Bernd

  • Ich gehe ca. jede Woche ins Konzert, und auf diesen reinen Schumann-Klavierabend gestern mit Aimard habe ich mich besonders gefreut. Maisenbergs reiner Schumann-Abend neulich war zwar auch wunderbar, aber bei Aimard ist es für mich deswegen so besonders, weil ich mir nie vorstellen konnte, dass er an einem Abend die Symphonischen Etüden und Carnaval spielen würde. Zumindest kennt man von ihm, dass er meist Ligeti oder Messiaen etc. dabei hat - was ja auch sehr interessant gewesen wäre! Aber ein reiner Schumann-Abend ist schon etwas viel Schumann, und ich dachte, so etwas gibt es ja gar nicht mehr, und so etwas gefällt ja nur mir.


    Leider konnte ich erst nach nochmaligem Hören (es kam heute Vormittag im Radio, und ich hatte zum Glück nicht vergessen, den DVD-Rekorder zu programmieren) feststellen, dass die Stücke hervorragend gespielt waren (bis auf ein paar kleine Patzer, die ich nicht der Rede wert fand). Ich nehme an, es lag an meinem Sitzplatz, dass ich das Klavier auf eine Weise hörte, als wäre das Pedal durchgehend durchgetreten gewesen. Ist etwas übertrieben ausgedrückt, aber auf weiten Strecken hörte ich alles zu vermischt. Ich saß in einer der Balkonlogen seitlich - vom Plan her müsste man denken, es wäre akustisch wunderbar, denn es gibt kein "Dach" darüber, und es ist quasi mitten im Raum.


    Was wäre denn in einem großen konservativen Saal wie im Wiener Konzerthaus oder auch Musikverein ein akustisch guter Sitzplatz bei einem Klavierabend? Einmal saß ich relativ nah - aber nicht ganz vorne (ca. Reihe 12), da hörte ich Sokolovs Schumann und Schubert sehr klar. Allerdings waren das mit die teuersten Plätze, was ich mir auch nicht oft leisten kann.


    Im Programmheft wurde das Publikum in äußerst höflicher Form gebeten, sich "vor allem während und in zeitlicher Nähe zu dem jeweils aufgeführten Stück" besonders still zu verhalten, da das Konzert nicht nur im Radio ausgestrahlt werden würde, sondern der Künstler es überdies gerne für eine CD verwenden würde.
    Ich glaube, so eine Ankündigung bringt überhaupt nichts. Die Leute - diesmal waren es vor allem die Frauen - haben munter drauflos gehustet. Man fragt sich manchmal, wo man so einen Huster mit weit aufgerissenem Maul lernt. Ich glaube, ich habe noch nie so alles übertönend gehustet. In einem Konzert habe ich glaube ich noch nie gehustet - oder habe mich höchstens während des Applauses ausgehustet. In meiner Nähe saßen ältere aufgetakelte Damen mit Opernguckern :rolleyes:, die bei Beginn von Carnaval weiter plauderten als wäre noch Pause. So unter dem Motto "Ich habe bezahlt und werde mich doch nicht vom Klavierspieler in meiner Unterhaltung mit den anderen wichtigen Damen unterbrechen lassen..." ?? Obwohl der Saal komplett verdunkelt wurde, mussten viele - ich sah das, denn ich hatte einen guten Überblick - im Programmheft schmökern, und in meiner Nähe wurde munter herumgeblättert, mit Geräusch.


    Trotzdem war es ein wunderbarer Klavierabend. Bei den Zugaben (Debussy, aus den Préludes I)) hätte ich mir gewünscht, dass jetzt ein reiner Debussy-Klavierabend folgen würde für mindestens eine weitere Stunde, doch dann kam leider schon die letzte Zugabe: "Pantomime" von György Kurtag. Es war ... - eine Pantomime (ohne Ton).

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo,


    Rezension des besuchten Konzertes wie nachstehend:


    Abteikirche Kloster Corvey / Ostwestfalen, 14.05.2006
    AD FESTUM II
    Festkonzert zum Mozartjahr
    17.00 Uhr


    Programm: Johann Sebastian Bach (1685-1750)
    Suite Nr. 2 für Violoncello solo in d-Moll, BWV 1008
    Suite Nr. 4 für Violoncello solo in Es-Dur, BWV 1010


    Wolfgang Amadeus Mozart (1765-1791)
    Missa da Requiem in d-Moll, KV 626 (1791)
    (vervollständigt von Franz Xaver Süßmayr)


    Ausführende:


    Peter Bruns, Violoncello solo (J.S. Bach)


    Detmolder Kammerorchester (W.A. Mozart; Requiem)
    Chor und Solisten der Hochschule für Musik, Detmold (W.A. Mozart; Requiem)
    Leitung: Prof. Gerhard Weinberger (W.A. Mozart; Requiem)


    Auch Ostwestfalen möchte in einem würdigen Rahmen das Mozartjahr mit einem AD-Festum begehen, dass in der alt-ehrwürdigen Abteikirche des Klosters Corvey
    einen angemessenen Rahmen besitzt und in Folge II - am Sonntag, 14.Mai 2006 - veranstaltet wurde.

    Abteikirche Kloster-Corvey


    Für den 1. Programmpunkt, Violincello solo von J.S. Bach, konnte eine Koryphäe
    in der Person von Peter Bruns, Professor und Dozent an der Musikhochschule in Leipzig, verpflichtet werden.



    Solist: Peter Bruns, Violincello solo


    Peter Bruns spielt auf einem Cello von Carlo Tononi, Venedig 1730, das sich im Besitz des legendären spanischen Cellisten Pablo Casals befand. J.S. Bach schrieb 6 Suiten für Violincello solo, es wird vermutet, dass sie in zeitlicher Nähe zu den Sechs Sonaten und Partiten für Violine solo komponiert wurden.


    Die Entstehungszeit wird auf den Zeitraum der Köthener Jahre von 1717 bis 1720 datiert. In diesen schwierigen solo Werken von J.S. Bach beherrschte ein hochrangiger Künstler sein Instrument mit aller dazugehörenden technischen und künstlerischen Perfektion.


    Die Akustik war phänomenal und perfekt, der Solist wurde auf einem erhöhten Podest in den Altarraum der Abtei-Kirche platziert. Ohne Partitur diese zwei Solostücke in einem Zeitrahmen von ca. vierzig Minuten den Besuchern zu Gehör zu bringen, ohne einer großen Pausenunterbrechung, bezeugt von einer absoluten Spitzenklasse an Konzentrationsfähigkeit, die nur zu bewundern ist.


    Das Cello erwies sich in den Resonanzbögen als das „Non plus Ultra“ für eine perfekte und gekonnt erklingende Wiedergabe Bachscher Violincello Solo-Musik. Stürmischer und verdienter Applaus für einen Künstler, der das Publikum zu begeistern wusste.


    Der anschließende Höhepunkt wurde mit Mozarts „Missa da Requiem in d-moll, KV 626“, (Süßmayr-Fassung) geboten.


    Hier wurde Spät-Barockmusik in einer feinen und kleinen Besetzung wiedergegeben, die den baulichen Gegebenheiten perfekt angepasst wurden. Das Detmolder Kammer-Orchester (ca. 40 Mitwirkende) sowie der Chor (25 Sängerinnen und Sänger) nebst den vier Gesangssolisten, erfüllten vollends den Erwartungen, die man von dieser hochrangigen Musikhochschule bereits in der Vergangenheit her erleben durfte.
    Das Kammerorchester wusste zu überzeugen durch ein virtuoses Spiel, und perfekte Ausstrahlung, Sensibilität, Temperament, Beweglichkeit und falls erforderlich die Leichtigkeit und Eleganz als Attribut mit einzubringen.


    Die vier Gesang-Solisten (ehemalige Studierte der Hochschule), Sabine Ritterbusch (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), Wolfgang Tiemann (Tenor) und Markus Köhler (Bariton), sangen ihren Part gekonnt und perfekt auch in der stimmlichen Artikulation und Wortaussage.


    Zu bewundern ist der kleine Hochschul-Vokal-Chor, (bestehend aus 25 Mitgliedern und Studenten der Musik-Hochschule Detmold) der restlos zu überzeugen wusste. In den einzelnen Stimmlagen gut ausgebildete Sängerinnen und Sänger, die diesem Requiem mehr als gewachsen waren. Hier erklang das Mozart-Werk in einer kleinen und
    feinen Besetzung, wie man sie nicht alle Tage zu Gehör bekommt.


    Wie wohltuend ist so ein kleiner Besetzungskreis, einmal losgelöst von einer sonstigen Aufführungspraxis des Größenwahns (Orchesterbesetzung von 60-80 Mitstreitern, Chöre von 100 und mehr Mitgliedern), erklingt dieses großartige Werk in ganz anderen Dimensionen.
    Das Empfinden für die klangliche Wiedergabe durch das Orchester und Gesangsdarbietung erlebt der Hörer viel intensiver, nuancenreicher und in einer viel innigeren musikalischen Form.


    Auf forciertes Pathos verzichtend, verlieh Weinberger Mozarts so ganz und gar nicht depressiv wirkender, gleichwohl abgründiger Vertonung der Totenliturgie, Transparenz. Plastisch formende Führung feuerte zu glühenden Steigerungen an und erzwang mit jähem Piano suggestiv Zartheit. Kraftvoll gelang der Einsatz der gewaltigen Doppelfuge im Kyrie. Erregt wogende Stimmen erweckten die Vorahnung kommender Schrecken, bevor das Jüngste Gericht mit Wucht hereinbrach. Herrlich leuchtete das „lux aeterna“.




    Dirigent Prof. Gerhard Weinberger, Detmolder Kammerorchester



    Diese Aufführungsform ist dem Leiter Prof. Gerhard Weinberger mehr als gelungen und zu danken, zumal er durch sein umsichtiges und gekonntes Dirigat zu dieser Aufführung das Wesentliche mit beizutragen im Stande war.


    In Zukunft sollte diese Aufführungspraxis Bestand haben und die Form einer Mammut-Veranstaltung von „Gestern“ sein.


    Eine musikmeisterliche Sternstunde in der schönen barocken Abteikirche. Ehrfurchtsvolles verharren der Besucher nach dem Schlussakkord um dann von dem entzückt Erlebten mit einem stürmischen und lang anhaltenden Applaus den Vortragenden für ein Konzert der absoluten Spitzenklasse zu danken.




    Grüsse
    Volker.

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat:


    Wer ist hier der Tölpel?
    (Die Presse) 20.05.2006
    Daniele Gatti enttäuschte beim Mahler-Gedenkkonzert.


    Anton Bruckner, ein derber Bauerntölpel? Ist es das, was uns Daniele Gatti mit seiner Lesart der neunten Symphonie zeigen wollte? Noch lauter und plumper hätte das Werk wohl nur Valerie Gergiev zustande gebracht. Der erste Satz geriet noch halbwegs solide, sogar so etwas wie Feierlichkeit kam hier auf. Doch dann zerbröselte Gatti das Werk unter den Händen - besonders auffallend im dritten und vierten Satz.


    Zitatende


    Tja - wer ist hier der Tölpel?


    :D
    Austria
    PS: es wurden nur die 3 Sätze gegeben, nix Te Deum oder so ......

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • @ Bernd Schulz


    Es ist immer schwierig über ein Konzert zu schreiben , das man gar nicht gehört hat (wiewohl manche Kritiker das angeblich meisterhaft beherrschen)


    Thilelmann und die Wiener sind in gewisser Weise ein ideales Gespann.


    Was mir bei der Beschreibung des Konzertes aufgefallen ist:


    Zitat

    Während des ganzen Abends wollte nur selten richtige Spannung aufkommen


    Ich kann zwar nicht für alle Wiener sprechen - aber "Spannung" - das ist nicht unbedingt das - was ich mir von einem klassischen Konzertprogramm erwarte. Und ich glaube daß eher "Klangschönheit" das ist, was man den Wiener Philharmonikern als Attribut zuschreiben kann und soll. Die Qualität der Bläser der Wr. Philharmoniker war immer schon instabil, was an den verwendeten Intrumenten liegen soll, die einerseits "an guten Tagen" ganz besonders schön klingen - aber im Extremfall auch vieles verderben können .........
    Letztlich könnte auch die Akustik eine Rolle spielen ....
    oder die Tagesverfassung...


    Letztlich wird aber eher Thielemanns Wagner gelobt als sein Beethoven...


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hi,
    am 6.8.2006 werde ich das folgende Konzert besuchen:


    Giuseppe Verdi: Messa da Requiem


    In München im Gasteig, Leitung Placido Domingo. Europa Chor Akademie, Youth Orchestra of the Americas. Aufnahme auf CD und DVD.


    Die Eintrittskarte habe ich schon: Block C, Reihe 4 Platz 28.
    Danach werde ich darüber berichten.

    mit vielen Grüßen
    J.

  • Schnell berichten, so lange es noch frisch ist. Bin gerade von Dortmund zurückgekommen, da spielte ein gewisses „Amadeus Kammerorchester“ im Konzerthaus. Als ich kurz vor der Hinfahrt noch mal ins Programm sah, fragte ich mich, weshalb ich wegen einer so unbekannten Truppe montagabends 140 km fahren wollte. Es lag am Programm: Haydn Sinfonie Nr. 47, Mozart Jeunehomme-Konzert und Linzer Sinfonie.


    Der ziemlich junge Dirigent Felix Reimann trat schwungvoll ans Pult. Und die Haydn-Sinfonie war eine echte Offenbarung. Vollkommen transparent gespielt, Dirigent und Musiker „durchlebten“ die kleinsten Details. Viele Haydn-typische schwierige Horn-Passagen, die größtenteils perfekt gemeistert wurden, herrliche Oboen-Stellen, differenziertes Spiel der Streicher. Diese meines Wissens nicht sehr bekannte Sinfonie wurde richtiggehend „durchleuchtet“, und das von gerade mal 19 Musikern. Lag natürlich auch am großen Meister selbst, wobei ich mir vorstellte, wie er damals auf Esterháza ein ähnlich kleines Orchester sicherlich ähnlich gut im Griff hatte wie heute Abend Felix Reimann. Auf seine Hornisten muss er jedenfalls große Stücke gehalten haben.


    Der Solist beim Jeunehomme-Konzert hieß Stefan Irmer. Ich bin nicht kompetent genug, um sein Spiel zu bewerten, es gab jedenfalls von meiner Seite nichts auszusetzen. Interessant war, wie bei Mozart bei gleicher Besetzung (bis aufs Klavier) das Ganze viel „voller“ (aber nicht besser!) klang als vorher bei Haydn. Dass das Mozart-Konzert von der Anlage her großartiger ist als die Haydn-Sinfonie, steht natürlich außer Frage. Die Interpretation der letzteren hat mich aber mehr beeindruckt.


    Der sehr sympathische Pianist brachte aufgrund des großen Beifalls (das will bei dem zurückhaltenden Dortmunder Publikum was heißen) gleich eine hübsche Zugabe, ein Tango von einem gewissen Piazzolla, wenn ich den Namen richtig in Erinnerung habe. Kennt den jemand?


    Für die Linzer Sinfonie wurde das Orchester um 5 Instrumente (eine Pauke und je zwei Trompeten und Fagotte) aufgestockt. Das klang dann wirklich „sinfonisch“, manchmal vielleicht nicht ganz so differenziert wie bei einem Weltklasse-Orchester, aber auch hier war ich begeistert, wie Dirigent *und* Musiker die einzelnen Passagen mit Leben füllten. Im Übrigen zeigte sich einmal mehr, dass man bei einem Live-Konzert (gute Interpreten vorausgesetzt!) ein Werk besser durchdringt als beim Hören einer CD. So habe ich z.B. bei der Linzer endlich erkannt, wie der 4. Satz schon auf die letzten Sätze seiner späten Sinfonien hinweist.


    Alles in allem war das eines meiner besten Kozerterlebnisse der letzten zwei Jahre. Der ganze Spaß hat übrigens gerade mal 15,50 Euro (auf dem besten Platz) gekostet. Es gibt im Dortmunder Konzerthaus natürlich auch wesentlich teurere Konzerte, ich wage aber dennoch, diesen Veranstaltungsort als Geheimtipp zu bezeichnen. Nervend ist allenfalls ein Teil des Publikums, der am Ende Hals über Kopf hinauseilt, wenn der Applaus nicht mal ansatzweise beendet ist. Die haben wahrscheinlich Angst, ihre Currywurst wird kalt.



    Thomas Deck

  • Salut,


    Zitat

    Original von thdeck
    Mozart Jeunehomme-Konzert


    siehste, Alfred, der neue Name setzt sich nicht durch... :P


    Ansonsten wäre es sinnvoll gewesen, bei der Linzer-Torte zwei Pauken zu verwenden C/G. [Ich weiß, Klugscheißerei... aber ich hab mir grade die Linzer mit nur einer Pauke vorstellen müssen... meine Wahl fiel auf G :rolleyes: ]


    Aber es hat Freude gemacht, den Bericht zu lesen.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Moin,


    meine Frau und ich waren am 24.V. im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt und hörten Mahlers 8. unter Pierre Boulez. Der Abend lässt mich immer noch etwas ratlos zurück. Wirklich gefallen hat mir vor allem das Adagio zu Beginn des zweiten Teils. Das war klar aufgefächert, und wie ich fand nahezu modern-sachlich gespielt.


    Was mir jedoch weniger zusagte, war, dass die Sänger (namentlich Bariton und Bass schien das nicht zu bekommen) im Fortgang des zweiten Teils manches Mal schon arg gegen das Orchester anbrüllen mussten - als Sieger ging da dann das (Chor-verstärkte) Orchester hervor. Zum Vergelich habe ich gestern mal die Aufnahme unter Abbado mit den Berliner Philharmonikern gehört, bei der auch solche Passagen ungleich transparenter gelangen. Vielleicht saßen wir aber auch einfach nur falsch (Parkett, 6. Reihe), der Klang hatte allgemein eine Tendenz ins Diffuse.


    Am Ende gingen wir gleichwohl mit Gewinn aus dem Konzert. Denn das Finale war nichts anderes als mitreißend (was ja üblicherweise so sein soll, mir aber nicht selbstverständlich scheint). Denn trotz des Fortissimo-Gau in der 8. gelang es Boulez, Höhepunkte zu setzen.


    Vielleicht hat ja ein anderes Tamino-Mitglied den Abend (oder den vorhergehenden in der Philharmonie) erlebt und kann seine Eindrücke schildern. Denn trotz des letztlich starken Endes bleibt meine Einschätzung ambivalent.


    Grüße aus B., l.

    "Jein".

    Fettes Brot


  • Jetzt, wo du es sagst: Der Kerl hatte tatsächlich *zwei* Bengel in der Hand und auch zwei Pauken vor sich.


    Ich habe übrigens darauf geachtet, ob der Dirigent auch dem Pauker die gebührende Beachtung schenkte. Er tat es nicht. Er wusste wohl, dass er sich auf den Pauker (Optik: alter Hase) verlassen konnte. Ich fand das toll, wie er immer zur rechten Zeit aktiv wurde. Präzise, voll bei der Sache, aber ohne irgendwelche Theatralik. In meinem nächsten Leben werde ich Pauker.


    Letztes Jahr in Palermo hatte ich einen gesehen, der las zwischendurch in einem Buch, weil er so wenig zu tun hatte. Beim Nussknacker. Fand ich unprofessionell.



    Gruß
    Thomas

  • Salut,


    die meisten Punkte beim "Pauker" sind die Pausen - so oder so.


    :rolleyes:


    Gute Nacht
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Sagitt meint:


    Erst einmal feiert sich das Orchester. Die Beethoven-Tournee war ein Riesenerfolg in Japan.Für uns Bremer ist ein wenig so, wie einem Hungrigen vom einem tollen Essen berichten, das anderswo verzehrt wurde. Trotzdem herzliche Glückwunsch.
    Heute eine Besonderheit: Vor der Pause als letztes Stück op. 5 von Webern,nach der Pause das gleiche Stück nochmals. Erstaunliche Stücke,sehr kurz,sehr intensiv,brilliant ausgeführt. Das Publikum reagierte mit kräftigem Husten- ein Stück für Husten mit begleitendem Streichorchester.
    Sonst Mozart pur. Tetzlaff geigte KV 211,216,218. Weniger Husten. Er geigte sehr sauber, das Kammerorchester war ein höchst durchsichtiger Partner. Es war blitzsauber. Allerdings sind das Konzerte, die kaum so interpretiert werden können, dass man gespannt hinhört. Andere können das auch so wie Tetzlaff und die Kammerphilharmoniker. Dennoch Jubel am Schluss.
    Das Ereignis aber war Webern.

  • Musikverein, 10. Juni 2006
    Radio-Symphonieorchester Wien
    Dirigent: Andrey Boreyko
    Herren des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
    Robert Holl, Bass; Alexei Lubimov, Klavier



    Ich war überwältigt - und das schon von Anfang an. Dabei habe ich "den Pärt" quasi mitgekauft, da ich wegen Schostakowitschs 13. Symphonie hingegangen bin. Arvo Pärt - der bei seinem Stück LamenTate, das 2003 in der Turbine Hall der Londoner Galerie Tate Modern uraufgeführt worden war, gestern anwesend war - gehört jetzt zu "meinen" Komponisten dazu, und ich will natürlich jetzt mehr von ihm hören; neben Schostakowitsch, Dutilleux, Mahler, Debussy und allen anderen, zu denen ich eher spät gefunden habe.


    Schostakowitschs 13. Symphonie, deren Musik sich mir bis zum gestrigen Konzert noch nicht so ganz erschlossen hatte, war für mich eine erschütternde und überwältigende Erfahrung. Robert Holl mit seinem dramatischen Vortrag und der von Johannes Prinz einstudierte Männerchor wurden der Eindringlichkeit der Musik und der Wichtigkeit der Gedichte Jewtuschenkos mehr als gerecht. Das RSO Wien spielte dank Andrey Boreyko hervorragend, allerdings habe ich noch nicht viel Vergleichsmöglichkeit gehabt.


    Das Konzert wurde aufgezeichnet und kommt am Freitag, 16. Juni um 19:30 Uhr im Radio Ö1. Wer Ö1 nicht empfangen kann, könnte es sich via Web-Radio anhören, wenn die Voraussetzungen gegeben sind (schnelles Internet und guter Sound/Kopfhörer). Das Programm läuft nämlich ständig parallel über Internet:
    http://oe1.orf.at ("WEBRADIO STARTEN" klicken)




    v. l. n. r.: Pärt, Schostakowitsch, Boreyko, Lubimov, Holl

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • P. S. Jetzt habe ich auch schon eine Besprechung gefunden:


    "http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=k&ressort=ke&id=564583"

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Eben im Wiener Musikverein gehört: Schostakowitschs Siebente Symphonie mit dem Concertgebouw Orkest unter Mariss Jansons.
    Was für ein Orchester!
    Und fabelhaft dirigiert obendrein - alle Brüche klar und deutlich, viel Emotion und am Schluß der qualvollste Triumph, den man sich denken kann.
    Erschütternd.
    Begeisternd!

    ...

  • Gestern in der Kölner Philharmonie:


    Bachs doppelchörige Motetten BWV 225, 226, 228 und 229, im Wechsel mit bachscher Orgelmusik (BWV 528, 538 und 593), gespielt auf der "philharmonischen" Klais-Orgel von W. Kronenberg.


    Chor war der "Chorus musicus Köln", ein ca 40-köpfiges Kammerensemble unter der Leitung von Christoph Spering, begleitet wurden die Motetten von 15 Instrumentalisten des "Neuen Orchesters".


    Fazit: Während ich Solo-Orgelmusik aufgrund der recht trockenen Akustik in der Kölner Philharmonie immer als ein bisschen unbefriedigend empfinde (ganz unabhängig vom wirklich exzellenten Spiel des Organisten!) und mir der in Kirchenräumen quasi automatisch entstehende "Hall" fehlt, war der Chor in diesem Ambiente wirklich tadellos! Sehr schöner Gesamtklang, gute Textverständlichkeit, virtuose Koloraturen in den schnellen Teilen!
    Ein echter Ohrenschmaus!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Eben im Wiener Musikverein gehört: Schostakowitschs Siebente Symphonie mit dem Concertgebouw Orkest unter Mariss Jansons.
    Was für ein Orchester!
    Und fabelhaft dirigiert obendrein - alle Brüche klar und deutlich, viel Emotion und am Schluß der qualvollste Triumph, den man sich denken kann.
    Erschütternd.
    Begeisternd!


    Lieber Edwin,


    Du kennst sicher Jansons Aufnahme mit dem Petersburger Orchester auf EMI, oder? Wie würdest Du das Konzert mit dem Concertgebouw im Vergleich einstufen? Ich frage, weil dieser Tage ein Mitschnitt der Sinfonie mit dem Concertgebouw und Jansons erscheint und ich hadere, ob sich das zusätzlich lohnen würde....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Lieber Claus,
    die CD ist wirklich ausgezeichnet, das Concertgebouw fulminant, Jansons so gut wie selbst bei ihm nicht alle Tage.
    Aber...
    Aber es gibt bei der EMI eine Jansons-"Leningrader" mit den St. Petersburgern. Die ist noch besser, weil das Orchester sich buchstäblich die Seele aus dem Leib spielt. Müsste ich die fünf Spitzenaufnahmen der "Leningrader" nennen, wäre die mit Jansons/St. Petersburg sicher dabei, die mit Jansons/Concertgebouw vielleicht.
    LG

    ...

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