Wichtige Mozart-Dirigate der Vergangenheit

  • Unbedingt hierher gehört Nikolaus Harnoncourt.

    Harnoncourt präsentiert seinen Mozart ungekünstelt, immer transparent. Die Phrasierung stimmt, die Tempi sind angemessen und die Musik ist stets ausdrucksvoll. Er hat eine ansehnliche Mozart-Diskographie hinterlassen. Ich höre ihn gerne.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo lieber nemorino, die habe ich auch, hatte mal ne ganz gewaltige Mozartphase....


    Lieber Fiesco,


    Mozart hat bei mir eigentlich immer Konjunktur, aber die CD habe ich vor allem wegen des Klarinettenkonzerts mit Jack Brymer gekauft, aber natürlich auch wegen Beecham.
    Ich hatte die Aufnahme bereits auf LP, und für mich zählt sie bis heute zu den schönsten des Konzerts, wenn auch das Finale an zwei Stellen (aus völlig unerfindlichen Gründen) gekürzt wurde. Ob dafür der Solist oder Beecham, der ja für seine Eigensinnigkeiten bekannt war, verantwortlich ist, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Wie auch immer, es ist eine ganz großartige Aufführung, selbst klanglich ("stereocomic"!) gibt es nichts zu beanstanden, obwohl die Aufnahme 1959 entstand.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Auch wenn er nicht vorrangig als Mozart-Dirigent in die Musikgeschichte eingehen wird, so sollte doch Rafael Kubelik nicht vergessen werden.


    In meiner Sammlung gibt es ein paar bemerkenswerte Aufnahmen, die m.E. der Erwähnung wert sind:

    Dieser "Don Giovanni" aus dem Jahr 1985 hat fast nur schlechte Kritiken geerntet, unverdientermaßen, wie mir scheint. Die Produktion gehört zwar vielleicht nicht zu den Top Five, aber Kubelik ist ein sorgfältiger Anwalt des Werks und hat eine Besetzung zur Verfügung, um die ihn manches große Opernhaus heute beneiden würde: Alan Titus (Don Giovanni), Julia Varady (Donna Anna), Thomas Moser (Ottavio), Arleen Augér (Elvira), Edith Mathis (Zerlina) und als Leporello Rolando Panerai (der zwar seinen Zenit hinter sich hat, aber mit seiner glänzenden Technik einige gesangliche Unebenheiten gut ausgleicht). Es ist eine DDD-Produktion, die hervorragend klingt.


    Dann sollten nicht vergessen werden:

    eine schöne Haffner-Serenade (ebenfalls mit dem SO des Bayerischen Rundfunks)


    und schließlich diese:
    MOZART: Klarinettenkonzert A-dur, KV 622
    aufgenommen 1967, mit dem Solisten Karl Leister, der viele Jahre erster Klarinettist der Berliner Philharmoniker war.
    Ich habe ganz bewußt die Original-LP von 1968 abgebildet; es gibt auch eine billige CD-Ausführung aus der "Resonance"-Serie, die aber längst nicht ein so schönes Cover aufzuweisen hat. Die Koppelung mit dem Weber-Konzert ist sinnvoll, es ist ebenso hervorragend gelungen.


    In seiner Spätphase hat Kubelik auch die späten Mozart-Sinfonien (Nr. 35, 36, 38-41) mit dem Bayerischen RSO aufgenommen (für CBS/Sony), leider sind sie klanglich nicht optimal gelungen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Am 16. Juni 2017 habe ich hier den IMO bedeutendsten Dirigenten aller Zeiten in Sachen Mozart erwähnt: Karl Böhm


    Nemorino drückt das im Karajan Thread (der Ikone in Bezug auf "Klassische Musik" - etwar vergleichbar mit Enrico Caruso in Betug auf "Operntenor") ganz klar aus.:


    Ansonsten hat ihm zu Lebzeiten stets Böhm den Rang abgelaufen, was Mozart betrifft.


    Welch ein Dirigent der den großen Karajan in einem Spezialbereich der Wiener Klassik übertrifft !!


    Aber seine quasi unzerstörbare Widergabe aller Mozart Sinfonien habe ich hier nicht erwähnt. Seit ihrem erstmaligen Erschien (in anderer Aufmachung) hält diese Aufnahme - bzw die ursprünglichen Einzelveröffentlichungen davon - eingespielt zwischen 1960 und 1969 - sich im Katalog. Soll heissen sie wird nicht nur aus historischen Gründen irgendwo erwähnt - nein sie verkauft sich auch. Kein Wunder ist si nun mal - historische Aufführungspraxis hin - Historische Aufführungspraxis her - eine der klangschönsten und harmonischesten.
    Es gibt Leute - vor allem in Deutschland (Österreich und auch England tickt hier anders - Japan sowieso) die suchen in jeder Sinfonie Spannungen und Konflikte, Brüche und das Elend der Menscheit. Die sind natürlich mit Böhms Mozart, die sind verdorb... äh beeinflußt von der Musik des 20. Jahrhunderts und ihrer Ästhetik und wollen ihre Maßstäbe auch bei der Wiener Klassik angewandt wissen. Das funktioniert bestenfalls bei Beethoven - aber auch da nur bedingt. Die "Renaissance" des "klassischen" BeethovenBildes durch Thielemann ist hier ein wichtiges Indiz dafür


    mfg aus Wien
    Alfred



    PS: Ich habe hier einiges angerissen, das auf Widerspruch stossen könnte. Hier bitte ich, genau abzuwägen, was hier geschrieben werden sollte und wo Statements in anderen Threads (z.B. Thielmann -Beethovent etc) besser untergebracht wären. Das Thema MOTART-Dirigenten sollte nicht aus den Augen gelassen werden-


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Am 16. Juni 2017 habe ich hier den IMO bedeutendsten Dirigenten aller Zeiten in Sachen Mozart erwähnt: Karl Böhm

    Das wäre ich nun nicht drauf gekommen. Der bedeutendste Mozart-Dirigent aller Zeiten ist aber höchstwahrscheinlich: Mozart! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Welch ein Dirigent der den großen Karajan in einem Spezialbereich der Wiener Klassik übertrifft !!

    …. und das auch noch von Karajan selber bestätigt bekommen hat!


    Ich gehe so weit zu sagen, daß die Musikwelt ohne die Mozart-Aufnahmen von Karl Böhm ein Stück ärmer wäre. Als Ende der 1960er Jahre die DGG Böhms GA aller Mozart-Sinfonien auf 15 Langspielplatten erstmals geschlossen vorlegte, wurde sie fast einhellig von den Musikfreunden in aller Welt und auch von der Fachkritik begeistert begrüßt. Die damals führende deutsche Fachzeitschrift FonoForum sprach in ihrer Rezension von "reinem Mozart-Glück" und war überzeugt, daß Böhm sich mit dieser Einspielung ein bleibendes Denkmal gesetzt habe. Es war übrigens die allererste Ausgabe aller Mozart-Sinfonien auf Tonträger:

    In der Folge erschien sie in diversen Auflagen, und als die CD den Markt eroberte, wurde sie auch sehr schnell auf dem neuen Medium vorgelegt.


    Natürlich kann man Mozart auch anders dirigieren als es Böhm getan hat, aber schöner und formvollendeter als er wohl kaum. Seine Aufnahme wird Bestand haben, solange es Tonträger zu kaufen gibt.


    Außer den Opern, die hier bereits vorgestellt wurden, möchte ich noch auf ein paar Mozart-Aufnahmen Böhms aufmerksam machen, die seinen Ruhm als "Mozart-Papst", wie er zu Lebzeiten genannt wurde, mitbegründet und gefestigt haben:



    Die letztgenannte (gekoppelt mit Brahms) ist die m.W. einzige Mozart-Aufnahme von Böhm mit Wilhelm Backhaus. Sie entstand im Mai 1955 in den Wiener Sofiensälen, bereits in Stereo, und ist mir besonders teuer. Es war meine erste Aufnahme des Konzerts KV 595, damals auf einer 25 cm-LP, und meine erste von Backhaus und von Böhm, also eine dreifache Premiere! Sie ist nicht nur musikalisch ein Genuß, sondern auch klanglich glänzend gelungen.


    LG Nemorino


    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Während ich gerade meine iTunes-Bibliothek mit den (viel zu) vielen Harnoncourt-CDs meines im Frühjahr verstorbenen Vaters ergänze, lasse ich diese Aufnahme vom Rechner spielen:



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    ...und höre die Symphonie Nr. 39 mit den Wiener Philharmonikern unter Karl Böhms Leitung.

    Für mich klar die Referenzaufnahme dieser Symphonie. Im Gegensatz zu Böhms anderer DG-Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern steht hier die Aufnahmetechnik den heutigen guten CDs eigentlich kaum nach, vielleicht sogar überhaupt nicht.

    Es stimmt handwerklich, musikalisch und vom Orchesterklang einfach alles. Die Instrumente sind perfekt ausbalanciert, auch die Pauke und die Blechbläser....einfach alle. Die Streicher sind auch im Forte immer im Klang warm und angenehm, doch niemals verschmiert. Alles ist im Gegenteil durch die sehr genaue und perfekte Artikulation und das schon kammermusikalisch zu nennende Zusammenspiel enorm transparent. Die Tempi sind stimmig, so dass man alle schnellen Noten klar nachvollziehen kann, und die fehlende Überpunktierung in der Einleitung ( 1. Satz) empfinde ich als so etwas von wohltuend.

    So sehr ich die Beiträge Harnoncourts zur Gestik, Rhetorik, Phrasierung und Artikulation auch schätze, aber ich höre es in seinem Stil oft nicht mehr so gerne, natürlich immer abgesehen von den CDs, die er mit Gulda aufnahm.

    Eine Aspekt ist hierbei auch, dass ich zwar bei Dirigenten die persönliche Note sehr schätze, aber am liebsten doch den Komponisten und nicht vor allem den Dirigenten hören möchte. Nun sind die alten Harnoncourt-Aufnahmen mit dem Concertgebouw-Orkest durchaus noch vertretbar, obwohl ich mich auch hier manchmal frage, ob es durch die ständig herausgehobenen Blechbläser nicht etwas steif-militärisch und im scharfen Kontrast mit den lyrischen Stellen einfach zu vorhersehbar werden kann. Über Spotify kann ich die späte CD mit dem "Oratorium" der letzten drei Symphonien hören. Hier gibt es - wie zu erwarten- im Detail durchaus erhellende und aparte Ideen, und auch eine große Freiheit im Umgang mit den selbst erkannten Mitteln, aber die Knallereien mit der Pauke und den Naturtrompeten sind derart vorhersehbar und wirken auf mich - wie gesagt- etwas steif, fast wie eine Marschmusik. Das gilt jetzt für den mit dem Concentus gespielten Mozart-Spätstil Harnoncourts, nicht nur für die Nr. 39. Das mitunter scharfe Orchesterklangbild, bei dem es kaum klangliche Verschmelzungen gibt, geht im Punkt "Mut zur Hässlichkeit" weit über das hinaus, was in den 80er- Jahren in Amsterdam eingespielt wurde. Von wegen "im Alter wurde er milder".

    Im Gegenteil: die genannte Oratoriums-CD geht vom rein handwerklichen noch durchaus, aber das auf 3Sat oder arte übertragene Live-Konzert zeigte mir, dass ihm solche Sachen wie Zusammenspiel und andere fundamentale Grundlagen aufgrund seines wahnsinnigen Ausdruckswillens bald egal zu sein schienen. Das wäre ihm in den 80er-Jahren so nicht passiert, meine ich.


    Bei Böhm fallen diese Kritikpunkte weg.

    Wenn ich also die 39 in dieser Böhm-WPO-Aufnahme höre, dann empfinde ich ein reifes Mozartglück.

    Es ist mir auch mittlerweile egal, wie es denn zu Mozarts Zeit klang. Zu Mozarts Zeiten hätten sie einen verstört angesehen, wenn man gesagt hätte, wir müssen den Händel im genauen Barockklang und in genau dieser und jener Spielweise wie zu Händels Lebzeiten aufführen. Den hier zu hörenden Klang des "heutigen" Orchesters mag ich -für Mozart jedenfalls- einfach mehr. Die - wie ich finde- Unsitte heutiger moderner Kammerorchester, es dem COE unter Harnoncourt nachzumachen und Naturtrompeten wegen des schärferen Schmetterklangs einzusetzen, kann ich immer weniger ertragen.

    Die modernen Blechbläser klingen weniger schmetternd, sondern wärmer und voller ( wenn man sie in guter Balance zum Rest des Orchesters einsetzt) und gerade das mag ich.

    Trotzdem klingt es beim Böhm nicht nach Wagner, sondern ausgewogen, warm und in jeder Hinsicht balanciert.


    Aus diesen Gründen möchte ich die o.g. CD unter der Rubrik "wichtige Mozart-Dirigate der Vergangenheit" empfehlen, dabei aber gerne hinzufügen, dass es bei bestimmten Aufnahmen eine gewisse zeitlose Güte gibt. Das ist bei dieser CD m.E. der Fall. Auch die 40-g-moll ist genau jene Aufnahme, die ich von allen Einspielungen am besten ertragen kann. Wenn ich jedoch darauf auch noch einginge, würde der Beitrag zu lang werden.


    Gruß

    Glockenton


    PS: bekomme es wieder mit dem Link/Bild nicht hin. Amazon-Schaltfläche und die ASIN-Nr. in die Mitte, wie immer. Wieso geht es nicht? Habe es sowohl mit Windows-Egde als auch Google-Chrome versucht, aber ohne Erfolg. Verzweiflung, Wut und Schrecken....

    Das liegt an AMAZON. nicht an Die oder uns. Das Bild ist nir mit 1000 Tricks zu verlinken - hat aber den Vermerk: Bild nicht verfügbar....... MOD 001 Alfred

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Noch einmal habe ich in die neue Harnoncourt-Aufnahme zum Vergleich hineingehört. Dass es auf jeden Fall sehr faszinierend klingt, höre ich natürlich! Was die Freiheit der Ausdrucksmittel und das Durchleuchten der möglichen Bedeutungen einer Partitur anbelangt, war Harnoncourt auf jeden Fall ein Gigant. Die Frage ist immer dieselbe: will man sich erschrecken lassen oder will man lieber genießen? Es klingt in diesem Fall so verschieden, dass man in diesem Fall daran zweifeln könnte, ob es sich um ein und dieselbe Partitur handelt. Ist das bei beiden Mozart? Ja, schon, wobei das Mozartbild Harnoncourts ein sehr existenziell-dramatisches ist. Irgendwie hat er oft sehr recht, dann aber kommen wegen einer gewissen Unbalance Zweifel auf.

    Wahrscheinlich wäre Mozart von beiden Interpretationen schockiert...


    Wenn es jedoch um den Vergleich mit anderen HIP-Gruppen geht, dann ziehe ich alledings Harnoncourt meistens vor, vor allem gegenüber dem für mich schwer erträglichen Jacobs, aber auch anderen Leuten, die meinen das es mit ruppigen Akzenten und dergleichen schon getan wäre. Herreweghe indes mag ich jedoch hier und da gerne hören.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Die Böhm Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern klingt besser als jene mit den Berlinern, weil sie später entstanden ist als die Berliner Gesamtaufnahme.

    Sie war zeil einer angedachten Neuaufnahme aller Sinfonien, die der Wunsch von Karl Böhm war.

    "Wenn ich es noch erlebe" war ein geflügeltes Wort von ihm zu diesem Projekt. Er hat es nicht mehr erlebt . aber das lag sowohl an ihm, als auch an der DGG, die beide das Projekt eher halbherzig vorantrieben. ES war bei dem gewählten Veröffentlichungstempo vorhersehbar, daß das Projekt noiemals abgeschlossen werden konnte.

    Aber man war damals eigentlich nicht so versessen auf Gesamtaufnahmen wie in späteren Jahren. Sie entstanden eher "zuföllig" was als Nachteil odt unterschiedlichn Klang zur Folge hatte (Verschiedene Locations, verschiedene Toningenieure), als Vorteil aber mehr Konzentration auf das jeweils eingespielte Werk an Stelle einer "Pflichtübung"---

    All das natürlich auf hohem Niveau....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, wirklich sehr schade, dass es dazu nicht mehr kam, denn seine Art Mozart zu dirigieren hätte auf jeden Fall eine bessere Aufnahmequalität verdient, als es damals bei den Aufnahmen mit dem BPO noch möglich war.


    Auch eine Neuaufnahme aller Schubert-Symphonien wäre schön gewesen, aber es gibt ja einige Live-Mitschnitte der späten Konzerte, darunter eine überirdisch mystische "Unvollendete" ( auch mit den Wiener Philharmonikern). Auch die spätere DG-Aufnahme der 5. Schuberts übertrifft musikalisch und technisch die alte Version aus DG-Gesamtaufnahme.



    Gruß

    Glockenton



    PS: Danke für die Aufklärung hinsichtlich des technischen Problems.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Denkt man an Böhms späte Mozart-Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern, sollte man nicht die Video-Produktionen unterschlagen:




    Auf 3 DVDs sind die Symphonien Nr. 1, 25, 28, 29, 31, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 40 und 41 in Aufnahmen zwischen 1969 und 1978 versammelt (33 und 39 mit den Wiener Symphonikern), dazu ein paar weitere Werke. Teilweise handelt es sich um Konzertmitschnitte, teilweise um Studioproduktionen ohne Publikum. Alle natürlich in Stereo. Etliche davon hat Böhm sonst nie mit den Wiener Philharmonikern aufgenommen, darunter die herrliche 1. Symphonie und eine fulminante 34. Symphonie. Als Bonus ist die interessante Dokumentation "Ich erinnere mich" von 1994 enthalten.


    So gesellen sich zu den wenigen CD-Einspielungen mit den Wienern doch noch einige mehr. Für Böhm-Fans eigentlich ein Muss.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Frage ist immer dieselbe: will man sich erschrecken lassen oder will man lieber genießen? Es klingt in diesem Fall so verschieden, dass man in diesem Fall daran zweifeln könnte, ob es sich um ein und dieselbe Partitur handelt. Ist das bei beiden Mozart? Ja, schon, wobei das Mozartbild Harnoncourts ein sehr existenziell-dramatisches ist.

    Da hast Du den Gegensatz schön zugespitzt, lieber Glockenton. Harnoncourts "existenziell-dramatischer" Mozart erschreckt mich zwar nicht, aber er begeistert mich ungemein, während mich Böhm nur langweilt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nun sind die alten Harnoncourt-Aufnahmen mit dem Concertgebouw-Orkest durchaus noch vertretbar, obwohl ich mich auch hier manchmal frage, ob es durch die ständig herausgehobenen Blechbläser nicht etwas steif-militärisch und im scharfen Kontrast mit den lyrischen Stellen einfach zu vorhersehbar werden kann.

    Lieber Glockenton,


    schön, von Dir nach sehr langer Zeit wieder etwas zu lesen! :) Die Hitze im Moment ist nicht gerade zum Musikhören angetan. Mit Harnoncourts Mozart-Aufnahmen kam ich in meiner Schüler- und Studentenzeit in Holland in Berührung. Mein musikliebender Freund dort war sehr begeistert von Harnoncourt. Ich hatte genau diesen Eundruck der Vorhersehbarkeit. Wenn man eine Symphonie gehört hatte wusste man genau was bei der zweiten passiert. Mir waren die Akzente schon damals zu wenig differenziert. Brendel schreibt sehr schön, wie flexibel man Akzentuierungen gestalten soll. Mir kam das immer etwas schematisch vor bei Harnoncourt. Die Böhm-Aufnahme hat mir schon beim Hereinhören sehr gefallen. Ich habe ihn mit Mozart als Begleiter von Emil Gilels - und Pollini. Mir fehlt allerdings diese Aufnahme hier:



    Da ist auch die Haffner-Symphonie drauf! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Joseph II. : Die DVDs habe ich ja zum Glück. Als ich sie kaufte, empfand ich vieles davon als langweilig - ähnlich wie Bertarido- aber mit der Zeit lernte ich Böhms Ansatz zu schätzen.

    Ob es sinnvoll ist, sich überhaupt bei Musik-DVDs/Blue-rays das bewegte Bild anzusehen, kann man diskutieren. Man hört definitiv mehr, wenn man den Bildschirm ausschaltet.

    Gerade hier bei Böhm sieht man einen streng aussehenden alten Herrn, der die Musik nur irgendwie zu überwachen scheint. Wenn man jedoch selbst einmal mit Orchestern und Dirigenten gearbeitet hat, dann kennt man diese Prozesse, die beim Musizieren ablaufen, etwas besser, sozusagen aus einer anderen als der Zuschauer- oder Zuhörerperspektive.

    Ich selbst habe vor einigen Wochen als begleitender Pianist mit Musikern des Orchesters Oslo Philharmonie und einem Chor eine CD mit aufgenommen. Da der Dirigent und Komponist für mich in diesem Jahr vorher bei einer wichtigen Messe als Orgel-Vertretung einsprang, habe ich es ihm Gegenzug für ihn gemacht, obwohl es mich von der Arbeitsmenge her anstrengte.

    Was ich aber sagen will:

    Die sozusagen telepathische Verbindung, die Böhm mit dem Orchester hat, kann man nur an seiner rechten Hand und an den Augen erahnen. Er kennt seine Leute so gut, dass er kaum noch etwas machen oder anzeigen muss.

    Aber gerade bei diesen Mozart DVDs hört man m.E. mehr, wenn man nur hört ohne zu sehen.


    Bertarido : Es wäre interessant zu wissen, ob Dich diese Aufnahme der Symphonie Nr. 39 mit Böhm auch langweilen würde, wenn Du sie vorher nicht in der sehr anderen Interpretation Harnoncourts gehört hast. Das kann ich mir kaum vorstellen. Aber es kommt auch darauf an, welche Qualitäten einer Aufführung man überhaupt hören möchte.

    Hier beeindruckt mich wie gesagt die perfekte Balance, die rhythmische Klarheit, das perfekte Zusammenspiel ( auch das Verklingen von Tönen ist z.B. bei der Einleitung exakt zusammen), die Wärme der Streicher und auch der Blechbläser und das durchaus vorhandene Temperament. Es bleibt hinsichtlich der Akzente im Rahmen, wovon aber m.E. der Aspekt des Geschichtenerzählens profitiert. Das ist schon wichtig, dass man in eine musikalische Geschichte mit hineingenommen wird, durchaus auch mit der Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob ich näher zuhören möchte, oder eben nicht. Ob Mozart ein im wagnerschen Sinne Überwältiger ist, ist eben die Frage. Werde ich sozusagen wider Willen durch eine Geschichte durchgerissen, oder bekomme ich sie erzählt?


    Holger: Danke erst einmal!

    Ich habe jetzt Urlaub und damit wieder etwas Zeit gefunden, hier hineinzulesen.

    Der Aspekt der Vorhersehbarkeit der für diese Musik ggf. überbetonten Kontraste ist bei Harnoncourt sicher vorhanden. Aber andererseits ist er auch in seinem Ideenreichtum und seiner Ausdruckskraft tatsächlich genial und teilweise wirklich faszinierend gewesen. Ob es noch Mozart ist, bzw. dem zuträglich ist, ist dann eben die Frage.


    Die von Dir gezeigte Aufnahme....bei meinem Anspielen über JPC klang sie verdächtig nach Mono. Die ist wohl recht alt?

    Aber bei Track 1 haben wir es wieder, diesen wunderbaren Ton des Geschichtenerzählers.


    LG

    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)