„Götterdämmerung“ – Premiere Rheinoper Düsseldorf 27.10.2018

  • Dass dies ein herausragender Opernabend war, den man bleibend im Gedächtnis behält, lag an den ausführenden Musikern. Axel Kober bot eine musikalische Leistung der Extraklasse. Sein Auftritt jedes Mal nach der Pause wurde deshalb zu Recht mit enthusiastischem Extraapplaus bedacht. Das Orchester war perfekt ausbalanciert mit warmen, seidig klingenden Streichern, exzellenten Holz- und Blechbläsern. Die Partitur wurde sorgfältigst ausgelotet in ihrem ganzen dynamischen Spektrum von den leisesten, verhaltenen bis kräftigsten Tönen. Und das Sängerensemble war ebenfalls überragend. Bogdan Baciu als Gunther vermochte es, der Rolle Kraft zu geben und Hans-Peter König sang einen exzellenten Hagen. Beide bekamen vom offenbar doch sachkundigen Publikum auch besonderen Applaus. Brünnhilde ist eine zentrale Figur und Linda Watson verkörperte sie mit bedingungslosem sängerischen und schauspielerischen Einsatz. Auch Michael Weinius bot eine beeindruckende Partie, auch wenn es die Meinung gab, dass er nicht die typische strahlende Stimme eines Siegfried hätte. Ich habe sie nicht vermisst, denn dieser Siegfried ist kein strahlender Sieges-Held, sondern auch nur ein Versager in seiner Rolle einer Erlöser-Figur, der er sich zu keiner Zeit gewachsen zeigt. Beide Sängerleistungen waren überragend wie auch die der Nornen und erstaunlich stimmkräftigen Rheintöchter. Bei welcher Aufführung bekommt man ein Sängerensemble auf durchgehend so exquisitem Niveau geboten? Auch der Chor war ganz ausgezeichnet. Entsprechend wurden Sänger, Orchester und Dirigent gefeiert vom Publikum. Als dann allerdings der Regisseur Dietrich W. Hilsdorf auf der Bühne erschien, gab es ein kräftiges „Buuuh“-Konzert.


    Ich fand diesmal die Wahl des Bühnenbildes und die damit verbundene Regieidee – Hilsdorf wechselt die Spielorte nicht – die Handlung auf einem abgewrackten Kahn „MS-Wodan“ spielen zu lassen, gelungen. Die Stärke von Hilsdorfs Regie ist eindeutig die Personenführung, die ihre Qualitäten hat. Nur was dieser Inszenierung fehlt, ist eine tragende Idee des Ganzen. Da gibt es viele teilweise durchaus witzige Einfälle, wie den Chor der Soldaten als Düsseldorfer Karnevalsverein auftreten zu lassen, der Wotans Götterwelt, die schon längst sämtliche Macht und Bedeutung in Richtung eines Operettentheaters eingebüßt hat, verlacht. Oder andere Ideen wie die Fahnen des deutschen Kaiserreichs und der DDR mit Siegfried gleich mit beerdigen zu lassen. Solcherlei bleibt aber isoliert und folgt nicht als eine irgendwie schlüssige Konsequenz aus dem übrigen Geschehen. Letztlich erwarte ich von einem Regisseur am Ende gerade von Wagners „Ring“, der nun einmal eine nicht unbedeutende, schwergewichtige philosophische Aussage hat, dass er zu diesem so vieldeutig ausdeutbaren Schluss etwas Eigenes zu sagen hat, woran man eventuell Anstoß nehmen und worüber nachdenken kann. Hilsdorfs „Konzept“ scheint es aber zu sein, Wagner zu entmythologisieren in dem Sinne, dass die „Idee“ vom Himmel der Philosophenweisheit auf den Boden der Erde geholt wird durch die Reduktion auf das ganz Gewöhnliche und Alltägliche, eine im Grunde austauschbare weil allzeitlich verfügbare – banale – Alltagswahrheit. Das wird unterstrichen durch die eingeblendeten Spruchbänder, die dem Zuschauer das offenbar suggerieren sollen: Alles wiederholt sich nur in allbekannter Weise, was danach gespielt wird, ist nur Theater. Angesichts von Siegfried Tod appelliert die Regie an den Zuschauer mit gleich einem Haufen von Spruchband-„Ratschlägen“, ein sich multiplizierendes fabula docet, was eher auf die Ratlosigkeit der Regie hinweist, ein: „Was soll dieser Wagner uns heute eigentlich noch bedeuten – eigentlich wissen wir es nicht mehr so Recht!“ Das ist eindeutig zu wenig, um dieses Regiekonzept im Ganzen als ein Geglücktes zu betrachten.



    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    da will ich doch mal den Anfang machen und Dir zu dem gelungenen Opernabend in Düsseldorf gratulieren.


    Der Dirigent Axel Kober hat ja für sein relativ jugendliches Alter (auf den Dirigentenberuf bezogen :D ) schon eine beachtliche Karriere gemacht. Sein Name ist mir schon des Öfteren begegnet. Von den übrigen Mitwirkenden, d.h. dem Sängerteam, ist mir allerdings kein Name geläufig. Das mag daran liegen, daß ich mich weit mehr mit den großen Künstlern der Vergangenheit, die ich aus meiner Jugend und der Zeit des eifrigen Plattensammelns kenne, beschäftige als mit der aktuellen Szene.


    Zur szenischen Ausführung kann und möchte ich nichts sagen, denn, ehrlich gesagt, ich kann da nicht mitreden. Mir sind von früher her praktisch nur konventionelle Aufführungen bekannt, mit dem RT habe ich mich bis heute nicht beschäftigt.


    Es freut mich jedenfalls sehr, daß Du einen gelungenen und musikalisch erfüllten Opernabend erleben konntest.


    Liebe Grüße,
    Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Holger,
    vielen Dank für Deinen Bericht, dem ich mich nur anschließen kann, da ich auch die Premiere besucht habe. .Was ein Plus bei Herrn Hilsdorf ist, ist seine gute Personenregie. Das Bühnenbild mit dem Kahn, hat mich an die fliegende Holländer Inszenierung von Adolf Dresden erinnert. Das Bühnenbild wirkte sehr beliebig. Ich hätte es spannend gefunden, in den 80 Jahren eine Ring Inszenierung von Herrn Hilsdorf an der Rhein Oper zu sehen. Da war er noch ein richtiger Revoluzzer und ich hab all seine Verdi Inszenierungen am Aalto Theater in Essen gesehen. Die Premiere und die Folgevorstellungen waren alle ausverkauft, nur weil er inszeniert hat. Da hat mir der alte Ring an der Rhein Oper besser gefallen. Bei den Sängern möchte ich noch die drei gut aussehenden, spielfreudigen und stimmlich bestens aufeinander abgestimmten Rheintöchter nahmentlich erwähnen: Anke Krabbe, Ramona Zaharia ( die diese Spielzeit an der Met die Maddalena in Verdis Rigoletto singen wird) und Kimberley Boettger-Soller . Zwar nur kurze Auftritte hatten Michael Kraus als Alberich und Katarina Kuncio als Waltraute. Axel Kober wird diese Spielzeit viel an der Wiener Staatsoper dirigieren und zwar Hänsel und Gretel, den Ring und Arabella. Das mit dem fachkundigen Publikum kann ich nur bestätigen. Das Rhein Opern Publikum liebt vor allem seine Ensemble Sänger, was man auch beim Schlußapplaus der Rheintöchter oder von Bogdan Baciu gemerkt hat. Nächsten Samstag werde ich wieder in Düsseldorf sein und werde mir la Cenerentola in der Ponelle Inszenierung anschauen.

  • Axel Kober wird diese Spielzeit viel an der Wiener Staatsoper dirigieren und zwar Hänsel und Gretel, den Ring und Arabella. Das mit dem fachkundigen Publikum kann ich nur bestätigen. Das Rhein Opern Publikum liebt vor allem seine Ensemble Sänger, was man auch beim Schlußapplaus der Rheintöchter oder von Bogdan Baciu gemerkt hat. Nächsten Samstag werde ich wieder in Düsseldorf sein und werde mir la Cenerentola in der Ponelle Inszenierung anschauen.

    Lieber Rodolfo,


    das finde ich schön, dass so große Einstimmigkeit herrscht in der Bewertung dieses wunderbaren Opernabends! :) Wir konnten leider nicht zum Premierenempfang bleiben, weil wir nach Münster zurückfahren mussten. Beneidenswert - die Ponelle-Inszenierung von La Cenerentola würde ich auch zu gerne sehen! Hilsdorf hat seine beste Zeit wohl schon gehabt, das habe ich auch von anderer Seite gehört. :hello:


    Einen schönen Abend wünschend
    Holger

  • Auch Michael Weinius bot eine beeindruckende Partie, auch wenn es die Meinung gab, dass er nicht die typische strahlende Stimme eines Siegfried hätte. Ich habe sie nicht vermisst, denn dieser Siegfried ist kein strahlender Sieges-Held, sondern auch nur ein Versager in seiner Rolle einer Erlöser-Figur, der er sich zu keiner Zeit gewachsen zeigt.

    Na ja, das mit dem Sieges-Helden Siegfried ist ja auch so ein zweischneidiges Nothung: Zuerst ist da sein Vater Siegmund, wiederum von dessen (Götter-)Vater Wotan gewissermaßen konzipiert als Instrument, den Ring der Macht zu erobern und so das Ende der Götter zumindest herauszuzögern. Jedoch muss Wotan bald erkennen, dass die Nähe Siegmunds zu allem Geschehen noch zu groß, er nicht der erhoffte "Freieste der Freien" sein kann. Er wird seine Aufgabe nicht erfüllen können und muss vielleicht auch deshalb sterben, weil sonst Wotans zweite Chance, d.h. Siegmund nicht frei wäre. Der jedoch gerät zu frei: Nicht nur in seinem Tun und Handeln, sondern auch frei jeden Verständnisses der eigentlichen extrinsischen Motivation seines Seins. Zudem entbehrt er - aufgezogen von Mime ohne jeglichen Kontakt nach außen - aller sozialen Einbindung. Seine - zugegeben nicht selbst verschuldete Hilflosigkeit - gegenüber den Codes der Gesellschaft läßt auch ihn am von Wotan/Wanderer gewünschten Ziel scheitern. - Letztlich bleibt Siegried immer eine passive, von außen gesteuerte Figur; er wird geschickt von Mime, vom Wanderer, von Hagen. Ob er in den Dichtungen außerhalb von Wagners Ring des Nibelungen als Held taugt, sei dahingestellt, hier jedoch ist und bleibt seine einzige (Helden)-Tat das Töten des Drachen Fafner. Allein, am Leben scheitern muss Wagners Siegfried genauso, wie Goethes Dr.Faust und vielleicht ist es eine typisch deutsche Eigenart, solche "Helden" immer ein wenig zu sehr zu überhöhen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • …..ist und bleibt seine einzige (Helden)-Tat das Töten des Drachen Fafner


    Lieber MSchenk!


    Wieso musste er das arme Tier denn töten. Das hat ganz ruhig geschlafen und wollte seine Ruhe haben.


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • FAFNER
    stösst einen lachenden Laut aus
    "Trinken wollt' ich:
    nun treff' ich auch Fraß!"


    Bei allem Tierschutz, lieber Caruso, der hatte auch Hunger! Und der knackige Siegfried hätte ihm gewiss geschmeckt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Bei allem Tierschutz, lieber Caruso, der hatte auch Hunger! Und der knackige Siegfried hätte ihm gewiss geschmeckt.


    Warum hat ihn Siegfried denn in seiner Höhle wecken müssen? Eine Heldentat war das sicher nicht. Allenfalls Notwehr! Aber doch nach Ruhestörung und übermütigem Reizen eines schlafenden Wurms durch den testosterongesteuerten Halbstarken !

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wieso musste er das arme Tier denn töten. Das hat ganz ruhig geschlafen und wollte seine Ruhe haben.


    Bei allem Tierschutz, lieber Caruso, der hatte auch Hunger! Und der knackige Siegfried hätte ihm gewiss geschmeckt.

    Trotzdem ist die Frage ja nicht unberechtigt: Fafner liegt und besitzt, er nutzt wohl immerhin den Tarnhelm, um sich Drachengestalt zu geben, mit der Macht des Ringes weiß er jedoch nichts anzufangen (obwohl er um des Ringes Fluch willen seinen Bruder Fasolt getötet hat). Aus Sicht der Götter dürfte er also keine Gefahr darstellen, der Ring ist bei Fafner so sicher, wie er es bei den Rheintöchtern wäre; eine Götterdämmerung scheint nicht zwangsläufig, denn außer dem, der die Furcht nicht kennt, wird es keiner wagen, Fafner herauszufordern. Dieser Furchtlose ist einzig Siegfried - wobei der Begriff "furchtlos" vielleicht schon irreführend ist, muss ich nicht wenigstens wissen, was Furcht ist um furchtlos zu sein? - und für ihn hätte es ja ausgereicht, sich den Drachen einfach nur anzuschauen um festzustellen, dass er hier keine Furcht empfindet - Siegfried hätte Fafner nicht töten müssen! Im Grunde ist er auch hier wieder fremdgesteuert, denn es ist ja Mime, der will, dass Siegfried den Drachen tötet.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Muss ich wissen, was eine Mango ist, um mangolos zu sein? 8-)

    Nein, aber ich muss wissen, was eine Mango ist um zu wissen, dass ich mangolos bin. - Wir wissen, was Furcht ist, also können wir beurteilen, ob Siegfried furchtlos ist - er selber kann das nicht. Anders z.B. Alberich, der offenbar um die Liebe und deren Bedeutung weiß, andernfalls wäre seine Entsagung und sein erster Fluch sinnlos. Was Furchtlosigkeit bedeutet, kann Siegfried erst in dem Moment ermessen, in dem er zum ersten Mal Furcht verspürt, also in seiner ersten Begegnung mit Brünnhilde. Wüsste Siegfried, was Furcht ist und das er gegenüber Fafner keine Furcht verspürt, müsste er ihn nicht töten. So aber tötet er ihn, aber der erhoffte Erkenntnisgewinn bleibt aus, er hat nichts von seiner Furchtlosigkeit.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Nein, aber ich muss wissen, was eine Mango ist um zu wissen, dass ich mangolos bin.


    Ich sehe das nicht so. Wenn ich etwas nicht kenne, dann muss ich nicht wissen, dass es das gibt, um es nicht zu haben.
    Und dass er durch seine Furchtlosigkeit gegenüber Fafner nichts hat, würde ich auch nicht unterschreiben: er hat einen Ring, einen Tarnhelm, einen Hort und einen Fluch davon...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber MSchenk, lieber Stimmenliebhaber!


    Wie man von der Begegnung Siegfrieds mit Fafner auf elementare Frage der Erkenntnistheorie kommen kann. ist schon erstaunlich! Vielleicht kann Euch Holger Klärung bringen!


    Viel Glück
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich sehe das nicht so. Wenn ich etwas nicht kenne, dann muss ich nicht wissen, dass es das gibt, um es nicht zu haben.

    Dem will ich auch nicht widersprechen. Was ich meinte, dass ich etwas kennen bzw. einen Begriff von etwas haben muss um - im Sinne einer tatsächlichen Information - zu wissen, dass ich es nicht habe.


    Und dass er durch seine Furchtlosigkeit gegenüber Fafner nichts hat, würde ich auch nicht unterschreiben: er hat einen Ring, einen Tarnhelm, einen Hort und einen Fluch davon...

    Eigentlich dasselbe "Problem": Siegfried nimmt den Krempel mit, weil der Waldvogel es ihm sagt. Er selber weiß weder um die Bedeutung der Gegenstände, noch um den Fluch, weshalb er z.B. später den Ring ohne zu zögern bei Brünnhilde läßt. Sowohl Ring, als auch Fluch wirken anscheinend nur, wenn man weiß und fürchtet. Ich denke, im Rheingold kann Wotan Alberich den Ring entreissen, weil er zwar um dessen Macht weiß, sich aber in diesem Moment nicht dafür fürchtet.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wie man von der Begegnung Siegfrieds mit Fafner auf elementare Frage der Erkenntnistheorie kommen kann. ist schon erstaunlich!

    Was der Fafner dem Siegfried nicht ist, ist dafür die Kundry dem Parsifal ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • @ "Caruso41" und "Rheingold1876": Fafner ist kein Tier! :D

    Richtig, ist er - wenn ich recht erinnere - schon in der Edda als Fafnir nicht; auch insofern also ist das Bild des heldenhaften Drachentöters Siegfried etwas schief :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Aus Sicht der Götter dürfte er also keine Gefahr darstellen, der Ring ist bei Fafner so sicher, wie er es bei den Rheintöchtern wäre;

    Na ja, zumindestens ist Wotan sich darüber nicht so ganz sicher:


    Nur wenn je den Ring zurück er gewänne,
    dann wäre Walhall verloren:


    Sonst würde er auch nicht seine "Privatarmee" organisieren.
    Und bei den Rheintöchtern war das Gold auch nicht sicher... Alberich überlebt m.E. am Ende der Götterhämmerung..

    Zudem entbehrt er - aufgezogen von Mime ohne jeglichen Kontakt nach außen - aller sozialen Einbindung.

    Ganz so krass kommt mir das nicht rüber. Ich wähne, dass in Siegfried doch bereits rudimentär irgendwie sowas wie 2. Natur vorhanden ist; wie auch immer diese Chose vermittel ist:
    z.B. Er attestiert dem sterbenden Fafner gewisse mentale Fähigkeiten:
    weise ja scheinst du
    Wilder im Sterben:

    und seine Bezeichnung "Wilder" zeugt für mich bereits von einer gewissen zivilisatorischen Distanz.
    Und im 3. Akt vom Siegfried fällt er nicht über Brünnhilde her, als er von ihren erotischen Imago gepackt wird.

  • Wie man von der Begegnung Siegfrieds mit Fafner auf elementare Frage der Erkenntnistheorie kommen kann. ist schon erstaunlich! Vielleicht kann Euch Holger Klärung bringen!

    Aus dem Stehgreif ist das Thema etwas zu tief, um schlüssig oder gar erschöpfend beantwortet zu werden, lieber Caruso! Bei Kierkegaard ist es so, dass der Furchterfahrung (des Sündenfalls) die Angst als Vorahnung vorausgeht. Aber so komplex ist das bei Wagner glaube ich nicht. Vorbild ist Grimm "Von Einem der auszog, das Fürchten zu lernen" - und dieser Märchenbursche ist schlicht unempfindlich für das Empfinden von Furcht. Siegfried befindet sich im Naturzustand, in gewissem Sinne im Paradies vor dem Sündenfall (das ist bei ihm der Eintritt in die Gesellschaft) - und da ist er unwissend. Er handelt ja wirklich völlig blind und ahnungslos, kennt die Bedeutung von dem, was er tut, wenn er Fafner erschlägt, nicht. Ihm dürstet es nach Heldentaten - alles aber nur Kraftakte ohne Hintersinn. Furcht (eigentlich Angst) und Selbsterkenntnis bekommt er eigentlich erst durch die Liebe. Etwas schwierig zu deuten ist der Vergessenstrank. Die gesellschaftliche Intrigenwelt ist berechnend, kalkuliert die Zukunft. Siegfried dagegen lebt ganz in der Gegenwart - folgt lediglich Prophezeiungen, die man ihm vorhersagt, selbständig ist er dazu nicht in der Lage, vorauszudenken. Wichtig ist glaube ich Brünnhildes Satz, Siegfied sei daran gescheitert, dass er nicht Treue und Verträgen zugleich dienen könne. Der "Vertrag", der "Gesellschaftsvertrag" ist das Verderbende - gerade Siegfried, der aus dem Bereich der Natur kommt, wo es keine Verträge gibt, ahnt das Verderbliche des Vertrags nicht. Da kommt dann der Anarchist Wagner durch mit seiner tiefen Skepsis gegenüber dem Gesellschaftsvertrag. Aber das ist ein komplexes Thema! Übrigens hat Hilsdorf Siegfried den Vergessenstrank nicht trinken lassen! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    auch ich bedanke mich für deinen kompetenten Bericht und freue mich, dass du einen doch weitgehend erfüllten Opernabend hattest. Du berichtetest von den Qualitäten des Düsseldorfer Orchesters. Auch ich war bei meinem Besuch des Holländers im Frühsommer höchst angetan von den Qualitäten dieses Orchesters. Und als ich vor einiger Zeit las, dass mein "alter" Haydn-Dirigent" Adam Fischer dort seit drei Jahren erster Konzert-Dirigent ist, habe ich mal bei Amazon gekramt und herausgefunden, dass er eine Mahler-Serie gestartet hat und die 1. 3. 4. 5. und 7. Sinfonie schon aufgenommen hat.Ein weiteres Nachforschen bei der Tonhalle hat ergeben, dass ich noch Karten für die Neunte Mahler (12. 1. 2019) in Kombination mit Haydns Nr. 101 und die Zweite Mahler (8. 4. 2019) in Kombination mit Haydns Nr. 95 reservieren konnte. Ich hole sie mir dieser Tage ab. Außerdem konnte ich mir für den 20. 4. 2019 eine Karte für mein Lieblingsoper Verdis "la Traviata" sichern, Ltg. Antonio Fogliani oder David Crescenzi, Regie: Andreas Homoki. Vielleicht kannst du ja auch für eine oder mehrere dieser Vorstellungen Karten bekommen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Willi,


    herzlichen Dank für die Tips! Adam Fischer ist natürlich hervorragend und in der Tonhalle Mahler zu erleben - wunderbar! Anfang Januar ist ja auch das verschobene Pollini-Konzert in Köln! :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Lieber Willi,
    die Besetzung bei der Traviata ist sehr gut Ich hab sie mit fast anderer Besetzung in Duisburg zwei mal diese Spielzeit gesehen.

  • Aus dem Stehgreif ist das Thema etwas zu tief, um schlüssig oder gar erschöpfend beantwortet zu werden, lieber Caruso! Bei Kierkegaard ist.....


    Lieber Holger,


    besten Dank für den erkenntnistheoretischen Exkurs. Aber die Zusammenhänge von Wahrnehmung und Erkenntnis, Wissen und Bewußtsein, Gewißheit und Überzeugung, Zweifel und Dissoziationen sind natürlich weit, sehr weit. Und kompliziert, sehr kompliziert. Das muss nun wirklich nicht in diesem Thread abgehandelt werden.


    Was mir schwerfällt, ist allerdings die Vorstellung, dass eine Götterdämmerung mit Linda Watson heute noch sängerisch befriedigend gewesen sein kann. Aber ich habe die Aufführung ja nicht gehört. Also verzichte ich darauf, weiter über die musikalische Qualität zu räsonieren.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • besten Dank für den erkenntnistheoretischen Exkurs. Aber die Zusammenhänge von Wahrnehmung und Erkenntnis, Wissen und Bewußtsein, Gewißheit und Überzeugung, Zweifel und Dissoziationen sind natürlich weit, sehr weit. Und kompliziert, sehr kompliziert. Das muss nun wirklich nicht in diesem Thread abgehandelt werden.

    Lieber Caruso,


    wir hatten schon einmal so eine Diskussion bei "Siegfried". Ich habe mir daraufhin zwei "Wagnerspectrum"-Bände bestellt - bin aber einfach noch nicht zum Lesen gekommen. So etwas müssten wir dann in einem eigenen Thread machen.

    Was mir schwerfällt, ist allerdings die Vorstellung, dass eine Götterdämmerung mit Linda Watson heute noch sängerisch befriedigend gewesen sein kann. Aber ich habe die Aufführung ja nicht gehört. Also verzichte ich darauf, weiter über die musikalische Qualität zu räsonieren.

    In unserer Gruppe gibt es einige sehr sängerkundige Waganerianer. :D Sie meinten auch, dass Linda Watson rein stimmlich betrachtet wohl ihren Zenit überschritten hat, das aber mehr als wettgemacht hätte durch ihre große darstellerische Intensität. Das fand ich auch! Sie verkörpert die Rolle wirklich intensiv bis in die letzte Haarspitze und ist einfach eine Sängerin mit starkem Charakter - den hat ihre Stimme. Sie hatte keine Mühe, die Brünnhilde als die zentrale Figur gerade am Schluss dastehen zu lassen. Ich fand ihren Auftritt großartig! :hello:


    Liebe Grüße
    Holger