TSCHAIKOWSKY, Peter I.: Sinfonie Nr 6 in h-moll op 74 "Pathetique"

  • Eine weiter hier noch nicht genannte möchte ich empfehlen, die m.E. der Aufnahme Mrawinskys aus 1961 sehr nahe kommt, sie ist auch nur ein Jahr später entstanden, und sie ist schlichtweg grandios:



    Igor Markevitch hat hier mit dem London Symphony Orchestra eine großartige Gesamtaufnahme vorgelegt, innerhalb der die Pathetique sicherlich ein Höhepunkt ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sinopoli empfinde ich dagegen als pures Sacharin. Genau in die Tretmühle, voll rein in die Klischees über Tschaikowski, immer mit dem Alibi des Dr. med. Sinopoli, des großen Pschychaters. Wer das mag, gerne! Nicht mit mir! Für mich ist das an der Grenze zur Geschmacksverirrung. wie das meiste von Sinopoli, aber das ist "my humble opinion".


    Was ist ein "Pschychater"?


    Aber jetzt mal im Ernst, s.bummer: wenn Du wirklich Sinopolis Tschaikowsky als "an der Grenze zur Geschmacksverirrung" bezeichnest, frage ich mich, ob Du diese CDs wirklich gehört hast. Falls ja, sei Dir Deine - in meinen Augen befremdliche - Meinung gegönnt. Ich vermute aber mal, Du willst hier nur mal wieder einen "flotten Spruch" loslassen. So nach dem Motto: wenn sich alle Musikkenner (wie in vielen anderen Fällen zuvor, z.B. bei Tennstedts Zweiter von Mahler oder Barbirollis Neunter von Mahler) mal so selten einig sind, muss ich einfach mal dazwischen hauen und irgendeinen Gegenpol (in markigen Worten) aufbauen. Dabei bemühst Du dann immer ziemlich fragwürdige Worte wie "Geschmacksverirrung", welche in Bezug auf Britney Spears vielleicht einen Sinn ergeben mögen, hier aber - in fundierten Klassikdiskussionen über höchst angesehene Klassikinterpreten wie Giuseppe Sinopoli - nur dann angebracht sind, wenn einer Aufnahme wirklich begründbare Makel anhaften. Und solche gibt es bei Sinopolis Tschaikowsky nun mal nicht. Das einzige, was es hier gibt, ist ein s.bummer, der mal wieder provozieren will.

    Einmal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()


  • Obenstehende Aufnahme traf heute bei mir ein.


    Kurz zu den Details:


    Spielzeiten:


    I. 17:30
    II. 8:15
    III. 8:51
    IV. 9:09


    NDR-Sinfonieorchester
    Günter Wand
    Live-Aufnahme, 8.–10. Dezember 1991, Musikhalle Hamburg


    Wie bereits aus den Spielzeiten heraus ersichtlich wird, ist Wand ziemlich flott unterwegs. In jedem außer dem 3. Satz ist er schneller als Karajan. Solti ist im 1. und 4. Satz ein wenig langsamer, im 2. und 3. etwas schneller. Bei den konventionellen Aufnahmen ist der damals bereits knapp 80jährige Günter Wand also mit bei den schnellsten Interpreten dabei.


    Ersteindruck: Eine großartige Aufnahme. Vergleichend mit anderen habe ich sie noch nicht im Einzelnen gehört, aber daß sie zu den besten zählt, steht außer Frage. Die Blechbläser und die Pauken des NDR-SO sind prächtig aufgelegt. Da geht kein noch so kleines Detail unter. Bravo!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    Du bist ja zur Zeit auf dem "Günter Wand-Tripp". Es ferut mich, dass Du dort so einige positive musikalische Überraschungen erlebst, mit denen man gar nicht gerechnet hat. Du machst auf einiges (lange nicht nur für Tschaikowsky) neugierig.


    Wir Beide als Paukenliebhaber schätzen ja besonders im 3.Satz, der natürlich niemals zu langsam dirigigiert werden darf, die astreinen Paukenstellen.
    :!: Ich würde mir wünschen, das Du :D nach deinen Wand-Erkundungen mal die :angel:Swetlanow-Aufnahme (WARNER, 1990) zu hören bekommst und diese dann mit Wand vergleichen kannst. Es ist unglaublich wie Swetlanow den Schluss des 3.Satzes steigert und bis zum TZ aufbäumen läst - da stockt dem Hörer der Atem ! Aber auch im 4.Satz dreht er nochmal auf, wo andere Aufnahmen bereits zum Einpennen animieren und Schlaflieder singen ... das musst Du (und nicht nur Du) hören.


    Die Spielzeitenlänge sagt nicht immer etwas über die Spannung aus. Auch Swetlanow geht da "ab wie harry" wo es angebracht ist. Den 3.Satz bringt noch zügiger als meine 2.Lieblingsaufnahme Karajan (DG, 1964); fast gleiche Spielzeit wie die hochgeschätze mit Solti (Decca), aber ausgerechnet bei Solti sind die Pauken zu leise.
    Das Adagio lamentoso kostet Swetlanow angemessen aus (natürlich nicht so breit wie Bernstein (DG)):
    *** Spielzeiten Swetlanow (Warner): 18:08 - 7:05 - 8:19 - 11:22

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kenne so gar beide Swetlanow-Tschaikowski-Gesamteinspielungen:


    - Melodija
    - Warner


    Und durch die Bank alle Sinfonien in beiden Zyklen sind herausragend!


    :hello: LT


  • Dieser Zyklus, auf den William B.A. vor eniger Zeit schon hingewiesen hat, kann auch ich nur wärmstens empfehlen. Markevitch beseitzt das Talent, die Musik einerseits zu sezieren, d.h., daß man einen klar durchhörbarn "analytischen" Orchesterklang hat, aber trotzdem alles an Effekten und Emotionen vorgeführt bekommt, was diese Werke zu bieten haben.


    In ihrer Wirkung kommt hier gerade der "Pathetique" eine hervorragende Sonderstellung zu, die einen emotional in die Mangel nimmt (vor allem dererste Satz), aber diese Wirkung gleichzeitig auch zu analysieren und zu beobachten scheint.

  • Wir Beide als Paukenliebhaber schätzen ja besonders im 3.Satz, der natürlich niemals zu langsam dirigigiert werden darf, die astreinen Paukenstellen.


    In Bezug auf den dritten Satz und auch, ja soagar besonders auf die Pauken regt sich bei mir stets die Erinnerung an ein überragendes und vor allem sehr überraschendes Konzerterlebnis. Tschaikowsky VI unter Thielemann (MPO)!!!


    Der erste Satz war etwas farb- und kontrastlos und schien das Vorurteil zu bestätigen, dass sich der Maestro abseits des angestammten Repertoires meist nicht allzu souverän bewegt. Doch der dritte Satz verblüffte: So, als hätte ich diese Musik noch nie gehört, vernahm ich da eine vor Musizierfreude und fast greifbarer Begeisterung geradezu überbordende Interpretation, mit Paukeneinsätzen, die definitiv ihresgleichen suchen. Es war sicher der Zauber des Augenblicks, Thielemanns hocherfreute (diesmal nicht selbstgefällige) Mimik zeugte davon, dass auch ihn das spontan entstandene positiv überraschte.


    Ich war jedenfalls nicht der Einzige im Auditorium, dem die Interpretation überragend erschien, es gab nach dem Satz Applaus.


    Weder bei Bernstein noch bei Mravinsky, auch nicht bei Dorati oder Markevich konnte ich auch nur annähernd vergleichbares hören. Leider gibt es keinen (erhältlichen) Mitschnitt.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Leider gibt es keinen (erhältlichen) Mitschnitt.


    Vielleicht ist das hier zumindest ein kleiner Trost ... Auch da knallen die Pauken ordentlich, merke ich grad, und es gibt spontanen Applaus nach dem 3. Satz.


    Zudem kann man Thielemann am 11. März 2012 live in der Philharmonie mit den Berliner Philharmonikern damit erleben (Link).


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Aber irgendwie - ich habe es mir gerade angehört - kommt das Orchester, wie das übrigens meistens ein wenig der Fall ist, in der großen Durchführungskatastrophe im 1. Satz ins Schwimmen (ich übertreibe natürlich). Noten findet man übrigens kostenlos unter:


    http://cantorionnoten.de/music…8full-score%29/downloaded


    Ich bin nicht Wolframs Meinung, daß es in der Interpretation dieser Musik zu viele subjektive Sichtweisen gibt. Die Machart mit ihrer sequentiellen Technik in den verschiedentlich kontrastierenden Orchestergruppen (R. Strauss würde wohl von Schusterflecken sprechen) grenzt öfters an Primitive, was man besonders bei etwas langweiligen Dirigenten hört. - Der dramatische Aufriß gerade dieser gewaltigen Durchführung verlangt einerseits eine große Überhitzung, einen Willen zum Martialischen. Andererseits - vielleicht meinte Wolfram das - muß das Tempo alles so verklammern, daß zumal die trockenen Bläserakzente immer auf den Punkt kommen, gerade dann, wenn sie, wie im Verlauf von Part.Zf. N, um jew. eine Achtelpause nachgeschagen werden (die Ausführung dieser Schläge in tempo, ohne das ganze ins Stocken zu bringen, ist eine Herausforderung).


    Der Anfang der Durchführung nach dem Baßklarinettensolo illustriert auch schön die Grenzen des notentextlich Chiffrierbaren. Allegro vivo, fortissimo für den ersten Tuttischalg, sforzatissimo für den Einsatz der ersten Phrase, Bogenstrichanweisungen in den Streichern, Akzente auf den chromatischen Achteln - daraus allein folgt noch keineswegs der Umschlag des Tons, wie er hier erfordert wird.


    Die übergebundenen Einsätze der Bläser, pfeifendes Holz und dröhnendes Blech, erfolgen mit Methode zu früh - das fördert die Schockwirkungen des Unvorhersehbaren und fordert alle Mitspieler. Auf dem Höhepunkt dann jammern Holz und Streicher in dreifachem fortissimo, während das Blech nur fortissimo spielt. Aber dem "largamente, forte possibile" der Streicher steht das "marcato" der Posaunen entgegen, die an das jüngste Gericht denken lassen. In welchem Verhältnis, das frage ich Wolfram, steht das marcato zum largamente? Ich liebe die Akzentuierung bei Kletzki, und hier muß ein Dirigent alles noch übertreiben, um dieser Partitur überhaupt gerecht zu werden (man denke nur an den letzten Tuttischlag im vierfachen fortissimo).


    Alles an dieser Musik strebt ins Grelle, in den schärfsten Kontrast. Was hier an Kämpfen ausgefochten wird, verlangt nicht nur langen, sondern auch kurzen Atem, wild herausfahrende Gesten und ein Kochen in allen Adern. Mir jedenfalls scheint es so.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Schönen Dank für den Tipp, lieber Joseph, der dritte Satz ist ja wirklich beeindruckend. Hat mich neugierig gemacht.


    Ein schönes Neues Jahr 2012 wünscht dir


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Auf dem Höhepunkt dann jammern Holz und Streicher in dreifachem fortissimo, während das Blech nur fortissimo spielt.


    In meiner Goldmann-Schott-Taschenpartitur haben ab dem "marcatissimo"-Einsatz der Trompeten (absteigende Tonleiter) alle Instrumente fff. Wobei die Hörner und Posaunen tiefer gesetzt sind, als zur maximalen Kraftentfaltung sinnvoll wäre. Es geht also nicht nur um schiere Lautstärke, wir haben auch eine Diskrepanz zwischen mittlerem und tiefen Blech, das in relativ tiefer Lage spielt, und den Trompeten in höchster Lage. Reden wir von derselben Stelle? Ich meine die Stelle vor dem Choral aus der Russischen Totenmesse.


    Aber dem "largamente, forte possibile" der Streicher steht das "marcato" der Posaunen entgegen, die an das jüngste Gericht denken lassen.


    Bei dieser Stelle steht das "largamente" nur in den Streichern (nicht im Kb.), kann also keine Tempovorschrift sein, sondern scheint mir zum breiten Strich mit maximal viel Bogen aufzufordern (viel Bogenwechsel). Die Posaunen haben hier in der Tat "nur" ff, dafür marcato. Also Auftakt absetzen, doppelte Punktierung wirklich in der notierten Schärfe spielen und nicht verweichlichen durch ein ungefähres "zwischen einfacher und doppelter Punktierung". Durch die hohe Lage der 1. und 2. Posaune und die Oktavierung in 3. Posaune und Tuba hat die Stelle ohnehin genug Gewicht. Würden die Posaunen hier forcieren und alles geben, würde man vom Rest nichts hören. Wobei nur die Hörner hörbare harmonische Füllstimmen spielen (Oboen und Klarinetten gehen ohnehin unter). Ansonsten haben wir die einstimmge Linie (in drei Oktaven) der Streicher und in den Flöten, den Orgelpunkt Fis in Kb, Pauke und Fagott sowie das doppelpunktierte Thema in den Posaunen + Tuba. Kontrapunktisch gesehen also ziemlich dürftig. Diesbzgl. passiert im letzten Satz mehr.


    In welchem Verhältnis, das frage ich Wolfram, steht das marcato zum largamente?


    Beides sind also keine Tempovorschriften, sondern Artikulationsanweisungen: Streicher mit breitem Strich und viel Bogen, Posaunen/Tuba scharf profiliert und deutlich, ohne alles platt zu machen. Ich meine, es wäre das Verhältnis von intensivem und recht nahem Hintergrund und scharf geschnittenem Vordergrund.


    und hier muß ein Dirigent alles noch übertreiben, um dieser Partitur überhaupt gerecht zu werden


    Tja, das ist immer die Frage ... soll sich das Erdbeben im Orchester oder im Hörer ereignen? Oder in beiden?


    Danke lieber Farinelli für die Anregungen! :hello:

  • Zwischen 1957 (4.) und 1959 (5.) nahm Sir John Barbirolli mit seinem Hallé Orchestra die drei späten Tschaikowskij-Symphonien für HMV in Stereo auf (heute EMI). Während zumindest die 4. Symphonie auf der kürzlich erschienen Barbirolli-Box "The Great EMI Recordings" enthalten ist, wurden die beiden anderen seit zwanzig Jahren nicht mehr neu aufgelegt, was ein Ärgernis sondergleichen darstellt.


    519s7sXkADL.jpg


    Die Aufnahme der "Pathétique" entstand 1958 in Manchester im Studio und weist (gerade für das hohe Alter) eine vorzügliche Stereo-Tonqualität auf, die jedes Detail einfängt und gut ausgesteuert ist.


    Spielzeiten:


    I. 18:11
    II. 7:30
    III. 9:28
    IV. 9:25


    Sehr romantisch wird der gewaltige Kopfsatz genommen, wunderbar glutvoll ausgekostet, kann das Hallé Orchestra hier beweisen, daß es zumindest unter Barbirolli auch ein Spitzenklangkörper war. Bereits hier wird man der Bedrohlichkeit gewahr, die im Finale voll ausbricht. Die Spielzeit ist nahezu identisch mit Karajans 70er-Jahre-Aufnahme (18:23). Der 2. Satz wird überraschend flott gespielt, gar schneller als der beileibe nicht langsame Solti (17:49). Es klingt sehr heiter und verspielt, auch hier wieder pure Detailfreude hörbar. Der 3. Satz — für mich der Höhepunkt des Werkes — wird in dieser Interpretation auch zum Glanzpunkt: Ungemein gut durchhörbar die Pauken, die sich hier in einer Weise entladen, wie ich es noch nicht gehört habe. Nicht erst beim berühmten Marschthema, sondern schon zuvor vernimmt man sie ganz deutlich und sich stetig steigernd. Wahnsinn! Dagegen sieht auch Soltis CSO-Aufnahme alt aus. Zudem setzt Barbirolli hier ganz eigene Akzente, betont zuvor kaum Wahrgenommenes. Am Ende des Satzes explodiert die aufgebaute immense Spannung förmlich, ein Ohrenschmaus. Die veranschlagten neuneinhalb Minuten sind völlig angemessen, weder zu gehetzt noch zu gemächlich, verleihen dem Satz erst die richtige Würde und Majestät. Im weltentsagenden Finalsatz schließlich ist Sir John wiederum unprätentiös flott unterwegs, nur acht Sekunden langsamer als Solti (9:17), also keineswegs im Verdacht, schmalzig-kitschigen Exzessen zu fröhnen.


    Fazit: Interpretatorisch und klangtechnisch Höchstwertung. Ein neuer Kandidat fürs Treppchen bei den "westlichen" Aufnahmen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    mit Barbirolli haben wir ja in der letzten Zeit bereits einige positive Überraschungen erlebt: Sibelius - GA, Nielsen 4 !
    Das Halle Orchestra immer in TOP-Form mit herausragenden Pauken - so offenbar auch hier in der Pathetique.


    Das Solti´s Aufnahme "dagegen alt aussieht" ist aber ausdrücklich nur auf die Pauken im 3.Satz bezogen - ein Punkt der mich bei der ansonsten hochpackenden Solti-Aufnahme immer schon geärgert hat - die sind aufnahetechnisch tatsächlich etwas zu wenig präsent eingefangen (als LIVE-Erlebnis wäre das warscheinlich umwerfend).
    Du hast noch einen kleinen Fehler eingebaut: Der 2.Satz dauert bei Solti 7:46 und liegt damit im gleichen straffen Zeitrahmen wie Barbirolli.


    :!: Swetlanow (Warner, 1990) läßt das Allegro con grazia in angemessenen 7:05 ebenfalls sehr schön kurzweilig spielen. Kennst Du diese Aufnahme ?
    Ich kann ja nun das Halle Orchestra und deren Möglichkeiten und Grenzen durch zahlreiche Aufnahmen beurteilen: Den ganz grossen Atem und das Explosive, wie die russischen Orchester bekommen die nicht in dem Maße hin. Ich bin sicher, dass der Vergleich Dich überraschen würde, mit welcher Intensität Swetlanow den 3.Satz mit explodierenden Pauken und einem bebenden Wahnsinns-Schluss darbietet - da wird an Emotionen alles bisher dagewesene übertroffen (8:19). Das geht noch über meine 2.Lieblingsaufnahme Karajan (DG, 1964) hinaus !
    Den 4.Satz liefert er nicht so straff wie Karajan und Barbirolli, sondern kostet ihn in 11:22 sehr edel mit packenden Höhepunkten aus. Da ist er näher an Bernstein dran, als mancher glauben sollte, aber nicht so übertrieben auskostend, sondern ebenfalls niederschmetternd.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich traue mich ja kaum, nach all den Vergleichen der Aufnahmen hier nochmal mit einer ganz grundsätzlichen Betrachtung zu starten:
    Ich bin ein großer Tchaikovskyverehrer. Sein Violinkonzert ist immer und immer wieder gut. Neben Sibelius das größte überhaupt. Seine Klavierkonzerte sind herrlich, der Schwanensee in seiner Walzerseligkeit überwältigend und das gibt es viele andere Schätze.
    Die Symphonien: Die 1. lasse ich vorerst weg, weil sie für mich der 6. in der Endbeurteilung ähnlich ist. 2 und 3 halte ich für Fingerübungen. Dann geht es los: Die 4. ist für mich innovativ, kreativ, sprühend vor Ideen. Allein dieses Pizzicato auf die Spitze getrieben, herrlich. Dann die 5. in ihrer Überbordenheit (gab es das Wort eben auch schon?), mit dem Schluss, der aus allen Fugen gerät, wo T. sich einfach nicht mehr trennen kann von den Wallungen und Wellen. Wo nur noch die Climax das Ende bringen kann.
    Nebenbei die Manfredsymphonie, die aus mir unbekannten Gründen nicht zu seinen normalen dazuzugehören scheint: dramatisch, romantisch, episch und in den Orgelsequenzen mythisch/mystisch. Ich liebe sie.
    Und dann eben die 1. und vor allem die Pathetique: Handwerklich (denke ich mal laienhaft) sicher ganz toll. Schön zu hören. Irgendwie alles in Ordnung. Aber gerade das im Titel versprochene Gefühl stellt sich bei mir nicht ein. (Ich höre vor allem Karajan mit den Berlinern). Zwar machen die Pauken sehr schönen Krach und immer wieder legen die Bläser los, aber es ist und bleibt für mich ein akademisches Werk. Es atmet einfach nciht die Menschlichkeit, die Gefühlsseligkeit der anderen Werke. Es bleibt immer Kunst, im Sinne von künstlich. Ich kann mir sehr gut Herrn Kaiser vorstellen, wie er die Besonderheit ganz genau erklärt. Aber es ist und bleibt eine intellektuelle Ebene. Vielleicht hat er selbst das Stück deshalb so gemocht, weil er hier nicht als gefühlsduseliger Narr schrieb, sondern hochwertig.
    Ich merke gerade, dass ich das Stück schlecht mache. Das wollte ich nicht. Es ist in seinen Melodien natürlich auch sehr schön. Sonst würde ich es nciht schon wieder hören.
    Trotzdem: Das Programmatische ist mir zu offensichtlich.
    (die Klammer ist zu meiner eigenen Sicherheit: für mich könnte die 6. von Brahms sein. Eine wirklich gut geschriebene Symphonie, perfekt gebaut, schön zu hören, aber ohne die menschliche, mitreissende Tiefe, die ich liebe - ich komme jetzt wieder aus der Klammer heraus).
    Vielleicht fehlte Tchaikovsky damals einfach nur die Kraft, weiter zu kämpfen, seine archaischen Gefühle weiter aus dem Stein der Noten zu metzen, vielleicht hatte er sich doch in sein Erdenleben und sein Vergehen gefunden.
    Ich werde die Pathetique immer wieder hören, aber ich werde sie wohl nie verehren.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Sein Violinkonzert ist immer und immer wieder gut. Neben Sibelius das größte überhaupt.

    Du solltest dich definitiv mit den entsprechenden Werken von Beethoven, Mendelssohn und Brahms näher beschäftigen! ;)



    ..., aber es ist und bleibt für mich ein akademisches Werk. Es atmet einfach nciht die Menschlichkeit, die Gefühlsseligkeit der anderen Werke. Es bleibt immer Kunst, im Sinne von künstlich.

    Eine höchst überraschende Aussage. Du schreibst wirklich über Tschaikowskys 6. Symphonie?



    Ich werde die Pathetique immer wieder hören, aber ich werde sie wohl nie verehren.

    So du weiter ein Tschaikowsky-Fan bleibst, wirst du in ein paar Jahren über deine eigene Aussage den Kopf schütteln!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die 6. ist nicht völlig unproblematisch, aber von den numerierten 6 ("Manfred" kenne ich zu wenig) mit Abstand die originellste und gelungenste. Begründung s.o. oder im thread zur 4. oder 5.
    Das langsame Finale war der Geniestreich, der ihn hier vor der Tendenz zur lärmenden Banalität gerettet und ihm überdies erlaubt hat das "Marsch-Scherzo" extrem zuzuspitzen. (Das ist tatsächlich eine entfernte Gemeinsamkeit mit Brahms 4. Auch die hat ein marschartiges Scherzo, das in einer anderen Sinfonie vielleicht ein Finale abgeben hätte können und dann ein tragisches Finale, wenn auch eher "objektiv" und nicht "sentimental" wie bei PIT)
    Auch der Kopfsatz ist gewiss nicht schlechter als in 4 und 5.


    Die Sinfonie (wie auch 4 oder 5) ist sonst aber klar Anti-Brahms. Nie im Leben hätte der so etwas schreiben können oder wollen. Die Kluft zwischen Brahms und Tschaikowsky ist vielleicht tiefer als die zwischen Brahms und Bruckner (obwohl Brahms von beider Musik wohl wenig gehalten haben dürfte).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Am letzten Wochenende konnte ich nun (dank neuen Schallplattenspielers) endlich auch mal Tschaikowskys "Patetique" hören, nachdem mich die 3. und 4. gar nicht ansprach, muss ich sagen, dass nun diese 6. mich wirklich gefesselt hat. Nicht mal wegen des doch vorhandenen "Bumms" für den Tschaikowski ja doch viel übrig zu haben schien, sondern gerade wegen der leiseren Passagen. Für mich hatte das manchmal etwas leicht Abgründiges, Jenseitiges. Das hat mich auch überrascht, weil ich sowas von Tschaikowsky nicht gewohnt bin (habe gelesen in der "Pique Dame" soll es da auch so Momente geben...mal sehen). Und gerade der hier schon erwähnte, ruhige Schluss sagt mir wirklich zu, der hat was Geheimnisvolles. Ich will jetzt nicht so weit gehen, dass mit Schostis Ende der 15. zu vergleichen, musikalisch sowieso nicht, aber stimmungsmäßig finde ich das zumindest verwandt...ob das der russische Einschlag ist?
    Übrigens meine Version ist die mit Abbado und den Wienern.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Du solltest dich definitiv mit den entsprechenden Werken von Beethoven, Mendelssohn und Brahms näher beschäftigen! ;)


    Was Du hier, lieber Theophilus, zu Recht monierst, genau das überkam mich auch als ersten Gedanken. Jedennoch wage ich schüchtern zu ergänzen: Auch Schostakowitsch, Prokofjew und noch so manch andere sind wahre Schätze für die einsame Insel.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Eine sehr tiefgründige und überzeugende Interpretation legte 1972 der primär als Geiger bekannte David Oistrach bei einem Gastauftritt als Dirigent mit den Berliner Philharmonikern vor. Interessant ist besonders der Vergleich mit den Aufnahmen des damaligen "Chefs". Oistrach schlägt relativ ähnliche Zeitmaße an: 20:03 - 8:01 - 8:40 - 11:18, lässt sich in den Außensätzen etwas mehr Zeit als Karajan. Insgesamt klingt es bei Oistrach für meine Begriffe russischer und gewichtiger. Die eruptiven Ausbrüche im Kopfsatz sind beeindruckend, der zweite Satz ist ein Ruhepunkt des Werkes. Geradezu ekstatisch gelingt der marschartige dritte Satz, wo das Schlagwerk und die Blechbläser überzeugen. Verzweifelt und tief empfunden dann das Finale. Das Orchester war an diesem Tage sichtlich gut aufgelegt. Der Mitschnitt vom 16. März 1972 aus der Berliner Philharmonie (natürlich in Stereo) ist auch klanglich überzeugend und detailreich. Publikumsgeräusche gibt es beinahe keine, was angesichts der mitreißenden Darbietung nicht verwundert.


    Noch einige Anmerkungen zur Dirigententätigkeit Oistrachs. "David Oistrach ist nicht nur der beste aller dirigierenden Geiger, er ist gewiß der bedeutendste russische Dirigent, der je im Westen aufgetreten ist." Das schrieb die F.A.Z. nach seinem ersten Konzert als Dirigent auf deutschem Boden. Angesichts solch bedeutender russischer Dirigenten wie Mrawinski, Kondraschin, Swetlanow und Roschdestwenski ist das eine Ansage. Entgegen landläufiger Meinung dirigierte er in seinem letzten Lebensjahrzehnt sogar ziemlich häufig, so auch Tschaikowskis "Pathétique", die er 1968 in Moskau und im Mai 1972 auch mit den Wiener Philharmonikern aufführte. Ein Mitschnitt der Fünften von Tschaikowski mit den Wienern von den Salzburger Festspielen 1972 ist bei Orfeo erhältlich. Daneben lagen ihm besonders Brahms (1. und 2. Symphonie) und Schostakowitsch (7., 9. und 10. Symphonie) am Herzen. Dass ihn die Wiener Philharmoniker, die sich ihre Gastdirigenten ganz genau aussuchen, über die Maßen schätzten und weitere Konzerte mit Oistrach geplant waren, spricht eigentlich Bände.


    P.S. Wie ich gerade sehe, gibt es die Aufnahme bei jpc derzeit für sage und schreibe 1,99 EUR, bis Sonntag sogar versandkostenfrei. Ein Rezensent dort schreibt, dass es sich um die beste "Pathétique" mit den Berlinern handle.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich würde mich über Deine gewohnt profunde Meinung zu der Aufnahme zu gegebener Zeit freuen, lieber Holger. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hm, ich muss gestehen, dass ich Oistrachs Aufnahme in der Veröffentlichung der Reihe "Berliner Philharmoniker Im Takt der Zeit" für ziemlich verzichtbar hielt.


    Ich habe aber die CD schon lange nicht mehr gehört, werde also meinen Eindruck demnächst noch einmal wohlwollend auf den Prüfstand stellen...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich habe die auch schon lange weitergegeben, was aber mindestens so viel an meinem seinerzeitigen Desinteresse an dem Stück gelegen haben kann wie an der Interpretation, die ich vermutlich kaum mehr als einmal angehört habe. Die lohnenden Raritäten aus dieser Reihe sind m.E. andere (u.a. Horensteins Bruckner 7, E. Kleiber, Celi, Sanderling).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich würde mich über Deine gewohnt profunde Meinung zu der Aufnahme zu gegebener Zeit freuen, lieber Holger. ;)

    Ich werde mir Mühe geben, lieber Joseph. Mein erster Eindruck bei den Hörschnipseln war, dass mich das Scherzo nicht so vom Hocker riss, aber das Finale fand ich dann wieder spannend. Deshalb habe ich bestellt. Ich bin gespannt. Für 1.99 Euro ist das auf jeden Fall ein Hörabenteuer wert - und Oistrakh als Dirigenten habe ich bislang nicht in meiner Sammlung. Und die Paarung mit dem "Karajan-Orchester" ist schon interessant. Gibt es noch Anderes aus der Reihe so günstig? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger, ich glaube, bei jpc sind noch ein paar Teile der Reihe derzeit sehr günstig zu kriegen (siehe hier).


    Bzgl. der Oistrach-Aufnahme nochmal konkret:


    Guido Fischer nannte es im Rondo Magazin 2006 "eine ungemein tiefe und ernste Interpretation [...] mit der er sein Talent als Dirigent unter Beweis stellte" und bei Amazon schreibt John Fowler, dass Oistrach der einzige Gastdirigent der Berliner Philharmoniker zwischen 1936 und 1988 sei, der in diese Reihe "Im Takt der Zeit" aufgenommen wurde, um zu schließen: "I guess the committee knew what they were doing."

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Josef,


    ich hatte schon immer den Eindruck, dass Oistrach nicht nur ein Jahrhundertgeiger, sondern auch ein guter Dirigent gewesen ist, von dem es leider nur wenige Beispiele gibt.
    Es gibt neben den nachfolgenden Werken noch eine Brahms 2 und das VC mit Igor Oistrach als Solist.

    Ganz herausragend mit David Oistrach als Dirigent sind zwei Melodiya/Eurodisc-LP´s:
    1. Berlioz - Harold in Italien mit R.Barschai an der Viola
    2. Lalo - Symphony espagnole
    - Beides mit dem SO der Moskauer Staatlichen Philharmonie ... und nie von anderen Dirigenten besser gehört
    - nur den Lalo konnte ich irgendwann mal günstig auf CD bekommen


    Ich habe natürlich um den Oistrach-Bestand zu erweitern die Pathetique mit ihm auch bestellt ... ;) bei amazon bekommt man die CD noch für unter 1 € --- mein bestelltes Exemplar ist sogar NEU ^^
    Bin gespannt auf den 3.Satz, ob Oistrach wenigstens mit Karajan (DG, 64) gleich ziehen kann ... von "Swety" ganz zu schweigen ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ganz herausragend mit David Oistrach als Dirigent sind zwei Melodiya/Eurodisc-LP´s:
    1. Berlioz - Harold in Italien mit R.Barschai an der Viola
    2. Lalo - Symphony espagnole
    - Beides mit dem SO der Moskauer Staatlichen Philharmonie ... und nie von anderen Dirigenten besser gehört
    - nur den Lalo konnte ich irgendwann mal günstig auf CD bekommen


    Hallo Wolfgang,


    gute Nachrichten: All das (plus die 2. Symphonie und das Violinkonzert von Brahms) ist auf CD zu einem vertretbaren Preis erschienen:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Heute war sie im Briefkasten, die Lieferung von jpc - und ich habe Oistrachs Tschaikowsky eben gehört.


    Meine Eindrücke:


    Ich kann verstehen, warum sie diese Aufnahme in die Serie aufgenommen haben. Für die Berliner Philharmoniker war das wohl eine einmalige Erfahrung, gerade in der Karajan-Ära. Oistrach dirigiert Tschaikowsky in russischer Tradition ohne Schminke und Politur, direkt, schroff, scharf phrasierend. Da gibt es so gar keine Ästhetisierungen und Schönfärbereien in Karajan-Manier. Die Durchführung im ersten Satz ist fast schon elementar "roh" - und es passt. Auch das Finale ist nicht wehleidig-sentimental, sondern kraftvoll. Oistrach hat es wirklich geschafft, dass die Berliner Philharmonier wie ein russisches Orchester klingen.


    Die andere Seite ist die interpretatorische Qualität, die dann doch vom alles überragenden Niveau eines Jewgeny Mrawinsky himmelweit entfernt ist. Oistrach dirigiert diesen Tschaikowsky sehr pauschal, feindynamisch undifferenziert, um nicht zu sagen grobschlächtig. Wo Mrawinsky mit dem Marderpinsel arbeitet und die feinsten Verästelungen der Partitur ausleuchtet, benutzt Oistrach den groben Spachtel. Das Seitenthema ist weil viel zu undifferenziert ausdruckslos langweilig, einfach nur: fade. Ziemlich steif und holzschnittartig gerät das Scherzo - kein Liebreiz, keine Anmut. Das gleichsam vorgezogene Finale krankt daran, dass Oistrach gleich im grellen Licht "voll da" ist, es so keine Steigerung mehr gibt und an Dynamik, von der das Stück letztlich lebt. Das ist wirklich sehr derb-rustikal - Tschaikowsky in bayrischen Krachlederhosen gewissermaßen. :D Das Finale zielt bei Oistrach eher auf dramatische Wirkung, als dass es beklemmend verzweifelt wäre.


    Mir ist dieser Tschaikowsky einfach zu grob - statt einem farbkontrastreichen Ölgemälde ist das ein musikalischer Holzschnitt in Schwarz-Weiß.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine sehr tiefgründige und überzeugende Interpretation legte 1972 der primär als Geiger bekannte David Oistrach bei einem Gastauftritt als Dirigent mit den Berliner Philharmonikern vor. Interessant ist besonders der Vergleich mit den Aufnahmen des damaligen "Chefs". Oistrach schlägt relativ ähnliche Zeitmaße an: 20:03 - 8:01 - 8:40 - 11:18, lässt sich in den Außensätzen etwas mehr Zeit als Karajan. Insgesamt klingt es bei Oistrach für meine Begriffe russischer und gewichtiger. Die eruptiven Ausbrüche im Kopfsatz sind beeindruckend, der zweite Satz ist ein Ruhepunkt des Werkes. Geradezu ekstatisch gelingt der marschartige dritte Satz, wo das Schlagwerk und die Blechbläser überzeugen. Verzweifelt und tief empfunden dann das Finale. Das Orchester war an diesem Tage sichtlich gut aufgelegt. Der Mitschnitt vom 16. März 1972 aus der Berliner Philharmonie (natürlich in Stereo) ist auch klanglich überzeugend und detailreich. Publikumsgeräusche gibt es beinahe keine, was angesichts der mitreißenden Darbietung nicht verwundert.


    Mir ist dieser Tschaikowsky einfach zu grob - statt einem farbkontrastreichen Ölgemälde ist das ein musikalischer Holzschnitt in Schwarz-Weiß.


    Schon interessant, diese völlig diversen Meinungen von Josef und Holger .., trotzdem ... ich kann beide Höreindrücke nachvollziehen und auf gewisse Art teilen.


    Als ich Holgers Eindrücke gelesen hatte, dachte ich: Das könnte meine Aufnahme sein ! Ich finde allersings Holgers Eindrücke etwas scharf formuliert, denn es ist eine echt russische Int, die er mit den Berliner PH hingbekommen hat, zu der nunmal dieser etwas grobere Zugang dazugehört. Gefällt mir jedenfalls besser, als was eine Rattle als Wessiaufnahme daraus machen würde ... :pfeif:


    :!: Was ich an Ositarch auszusetzen habe, ist der viel zu lange 1.Satz mit über 20Min, denn hier habe ich ständig das Gefühl anschieben zu wollen ... Solti´s Hammeraufnahme (Decca) kommt mit 17Min aus !!! Aber sonst finde ich die Int auch gelungen und richtig spannend umgesetzt. Es stimmt auch, dass Oistrach gleich viel zu forsch im 4.Satz vorgeht um nach und nach Spannung aufzubauen, aber es stört mich zumindest weniger als Holger. Ganau das vermisse ich im 3.Satz, denn hier will ich gleich zu Beginn den spannenden Rhythmus spüren; hier ist Oistrach mir zunächst zu brav, aber das mcht er zum Schluss mit einem packenden Schluss wieder wett - megaklasse, wie er dort die Pauken knallen lässt.


    Fazit:
    Alles in allem würde ich Josef mit 70% und Holger mit 30% zustimmen, sodass für mich dennoch eine wirklich hörenswerte Oistrach_Int herausgekommen ist, die Spass macht.


    Was ein Rezensent allerdings schrieb ist Quark:

    Zitat

    Ein Rezensent dort schreibt, dass es sich um die beste "Pathétique" mit den Berlinern handle.


    Mehr Gefühl, mehr Sidehitze bringen für meinen Geschmack beide Swetlanow-Aufanhmen von (Melodiya, 1967) und (Warner, 1995) ... und Karajan 1964 ... daran kommt auch Oistrach trotz allem Wohlwollen nicht heran ...


    ;):thumbup: Die CD wird in meine SAmmlung eingereiht !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Mehr Gefühl, mehr Sidehitze bringen für meinen Geschmack beide Swetlanow-Aufanhmen von (Melodiya, 1967) und (Warner, 1995) ... und Karajan 1964 ... daran kommt auch Oistrach trotz allem Wohlwollen nicht heran ...

    Lieber Wolfgang,


    ich hatte mir ja die 1964iger DGG-Aufnahme von Karajan auch noch nachgekauft. Vor allem im ersten Satz gefällt er mir nicht. Die Einleitung und Exposition dirigiert er völlig statisch (um nicht zu sagen: langweilig), um dann plötzlich in der Durchführung hochdramatisch drastisch zu werden. Ganz anders Mrawinsky in der 1982iger Erato-Aufnahme. Da baut sich die dynamische Spannung mehr und mehr auf, um sich dann in der Durchführung zu entladen. Diese organische Entwicklung fehlt bei Karajan. Es ist immer wieder beeindruckend, was Mrawinsky alles aus so einer Partitur herausholt. Er hat auch in der 1982iger Aufnahme das Tempo im 3. Satz etwas zurückgenommen. Das tut dem symphonischen Aufbau aber gut, so dass dann das Finale dadurch aufgewertet wird. Hat jemand von Euch die Erato-Box? Ich habe da zwei Tonaussetzer für etwa 1 Sekunde im 1. Satz und einen im 3. Satz. Ich weiß noch nicht, woran es liegt. Ist das ein Fehler in der Aufnahme, der CD - oder liegt es an meiner Anlage? Demnächst höre ich noch Celi mit den Münchenern. Das ist natürlich ein ganz anderer Ansatz.



    :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose