Komponisten, von denen man keine Operetten erwarten würde

  • Lieber Fiesco,
    vielen Dank für Deine freundliche Korrektur zum Inhalt der CD "Alles Kapriolen". Ich hätte mich ja geärgert, wenn jemand neugierig die CD bestellt hätte und keine Musik aus der genannten Operette darin gefunden hätte. Sicher hätte ich aufmerksam werden müssen, daß die Operette eigentlich "Alles Capriolen" heißt und die CD "Alles Kapriolen".
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Kurt Weill - Der Kuhhandel

    Leider konnte auch Kurt Weills „Der Kuhandel“ meine Erwartungen an eine „moderne“ Operette nicht erfüllen. Nach eigenen Worten wollte Weill mit diesem Werk "eine Operette weit weg vom Operetten-Schund zuwege bringen“ und „an die beste Tradition der Operette, die seit Jahrzehnten verschüttet war, endlich wieder anknüpfen“. Was er genau mit ersterem meinte, ist nicht ganz klar – tatsächlich gab es ja zu dieser Zeit eine ähnliche Operetten-Inflation wie heutzutage beim Musical – bei Letzterem dachte er jedoch an Offenbach, den er sehr verehrte. Ich finde, weit weg vom Schund, das dürfte ihm gelungen sein aber vom Geist und Witz eines Offenbach ist das Werk weit entfernt. Das liegt zunächst mal am Textbuch. Die Handlung, die ich hier nicht eigens beschreiben will, denn sie ist hier nachzulesen, hätte durchaus das Potential dazu, denn wie es bei Offenbach Anspielungen auf die Großen seiner Zeit (Napolen III und Kaiserin Eugénie) gibt, finden sich solche bei Weil z. B. auf Göring und Göppels und wenn in der "Großherzogin" der Minister einen Krieg anzettelt, weil er befürchtet, die Großherzogin könnte sich langweilen und dabei auf die Idee kommen, selbst Politik zu betreiben, so zettelt im Kuhhandel ein US-amerikanischer Waffenhändler einen Krieg unter zwei Inselstaaten an, um seine Waffen verkaufen zu können. Aber gerade der letzte Vergleich führt mich zu der Frage: welcher von beiden ist lustiger? Genau darin liegt die Crux im Kuhhandel: alles ist ernsthaft, schulmeisterhaft, mit erhobenem Zeigefinger und kein bisschen lustig. Das gilt sowohl für den Handlungsverlauf, die Dialoge, die Liedertexte und folgerichtig auch für die Musik.


    Die Musik selbst ist nach meinem Empfinden stilistisch sehr unterschiedlich, mal sehr schön mit einer ungewöhnlichen, für die damalige Zeit modernen Instrumentation, teils sehr modern und avantgardistisch und dann wieder eher konventionell – aber nie lustig. Und da nützt es auch nichts, wenn z. B. der ORF schreibt:


    Zitat

    Nicht, dass es nicht weiter den typischen deklamatorischen Weill-Balladenton gäbe, wie man ihn seit "Happy End" kennt. Sehr raffiniert kommt er diesmal daher in der reichhaltigeren und manchmal sogar pariserisch angehauchten Orchestereinkleidung.


    Und hier noch ein weiteres Zitat. "Die Welt" schreibt anlässlich einer Aufführung des Anhaltischen Theater im Jahre 2000:


    Zitat

    Weill befindet sich hier in einer Übergangsphase, ist auf der Suche nach einer neuen musikalischen Identität. Nett klingt das, aber manchmal auch eintönig und nie so inspiriert oder genialisch wie in früheren oder späteren Werken.


    Mein Fazit: Ein durchaus ambitioniertes Werk, eine ernste Satire, aber kein musikalisches Werk, das sich als Operette durchsetzen kann.


    Noch ein Wort zur Inszenierung der Wiener Volksoper, auf der diese DVD basiert.



    Man kann sie eigentlich unter Regietheater einordnen, vielleicht nicht ganz „lupenrein“ aber doch sehr eigenartig. Da spielt, singt und tanzt das Liebespaar in der Eingangsszene zwischen ständig schaukelnder Wäsche herum. Der lustlose Präsident des bis dato noch friedlichen Inselteils agiert aus einer an Seilen von der Decke herunterschwebenden Couch, die Szene eines Mädchenraubs nach heidnischem Brauch (Ich wohne auf der anderen Seite des Flusses) wird weder durch den Text und schon gar nicht durch die Choreographie verständlich, Chor und Ballett tragen merkwürdige Kostüme und generell leidet das Ganze unter mangelhafter Textverständlichkeit.


    :( Uwe

  • Kurt Weill - The Firebrand of Florence


    Auch Kurt Weills zweite Operette konnte mich nicht überzeugen. Das Booklet der sehr aufwendig gestalteten CD-Box schildert bereits einige Gründe, die zum Scheitern dieses Werkes führen mussten. Fernziel Weills war es, eine Broadway Oper zu schreiben. Nachdem er schon einige Musical im gängigen Broadway-Stil geschrieben hatte, schwebte ihm im Weg dahin wieder mal eine Operette vor, und zwar, wie schon zuvor beim Kuhhandel im Stile Offenbachs. Zusammen mit Ira Gershwin und Edwin Justus Mayer, mit denen er zuvor schon bei einem Musical-Projekt zusammengearbeitetet hatte, wählte er Mayers erstes Bühnenstück „The Firebrand“, mit dem dieser 1924 auf dem Broadway Furore gemacht hatte zur Bearbeitung in eine Operette. Leider musste er dann feststellen, dass Mayer viele Dialoge Wort für Wort aus seinem Bühnenstück übernahm, was Weill daran hinderte, seine ursprüngliche Vorstellung, „Dramatik durch lange, durchkomponierte Passagen zu schaffen“, konsequent umzusetzen. Lediglich in der Eingangsszene, die völlig neu von Ira Gershwin getextet wurde, konnte er dies in einer fast 20-minütigen Introduktion verwirklichen. Und trotz der Länge gehört diese Passage noch zu den gelungensten des ganzen Werkes und enthält auch gleich zwei Hauptschlager der Operette: "Come to Paris“ und „Life, Love and Laughter“, die im weiteren Verlauf noch öfter wiederholt werden.


    Das Booklet nennt drei Passagen der Operette, die etwa vierzig Prozent der gesamten Partitur mit fast durchlaufender Musik enthalten. Ohne das „fast“ trifft das nur auf die Eröffnungsszene zu. Das Finale des ersten Aktes bringt mit einer Dauer von ca. 12 Minuten viele Reminiszenzen. Das wäre an sich noch nicht kritikwürdig; auch die Finale vor allem der sog. Silbernen Operettenära strotzen nur so von Wiederholungen. Aber dieses wird ständig von Dialogen unterbrochen; es ist Weil also nicht gelungen, das ganze Finale musikalisch zu gestalten. Und das gleiche gilt für die dritte der genannten Passagen, die Verhandlungsszene. Diese Szene wollte Weill als eigentliches Finale gestalten, ebenfalls wieder durchkomponiert wie die Eröffnungsszene und ohne Happy End, womit er sich in die Gefilden von Lehárs Spätwerke begeben hätte. Aber die Produzenten wollten ein Happy End, das in Paris spielte und so musste Weill seine Pläne für ein richtiges Operettenfinale fallen lassen. Stattdessen geriet die Verhandlungsszene zu einer Aneinanderreihung einzelner Musiktitel, die durch Dialoge verbunden sind.


    Schon im Ansatz musste Weill sein Ziel, eine Operette auf dem Weg zur Broadway Oper zu schreiben, aufgrund seiner Mitstreiter verfehlen. Er selbst schreibt, man habe beschlossen, (nur) einen Teil auf richtigen Opernstil zu trimmen, ohne jeden Versuch, amerikanische Populärsongs zu schreiben. Diese opernhafte Musik sollte sich nur auf die beiden Hauptpersonen beschränken, alles andere sollte im Komödienstil bleiben.


    Generell entdecke ich nur wenig Opernhaftes in Weills Musik und seltsamerweise enthält ja die opernhafteste Szene, die Introduktion, nun gerade doch und glücklicherweise zwei populäre Songs. Weills Musik ist völlig anders als zu seiner europäischen Zeit, wie etwa im Kuhhandel und entspricht weitgehend der standardmmäßigen musikalischen Komödie des Broadways. Für meinen Geschmack ist vieles sogar recht durchschnittlich bis langweilig. Aus einer Verbindung von Opernhaftem mit dem Stil des amerikanischen Musicals wird so schnell keine Operette und schon gar keine in der Qualität eines Offenbach.


    :( Uwe

  • Nachtrag zu Weills Firebrand of Florence

    Ich hatte mir in obigem Beitrag eine Inhaltsbeschreibung gespart, zumal ich das Werk ja nicht weiterempfehlen mochte. Nun bin ich zufällig auf nachfolgende Kritik aus dem Jahr 2000 gestoßen, welche den Inhalt zumindest in Ansätzen wiedergibt.


    Ebenso zufällig habe ich entdeckt, das es über diesen Benvenuto Cellini auch eine Oper von Hector Berlioz gibt. In der Oper ist es der Papst, der Bellini begnadigt, falls er bis zu einen gewissen Zeitpunkt die Statue des Perseus anfertigt, in Weills Stück der Herzog von Florence, der Aufschub von der Hinrichtung gewährt, weil eine für ihn bestimmte Statue noch nicht fertig ist.

    :) Uwe