Teodor Currentzis, Exzentriker aus Griechenland

  • Bei Böhms Beethoven schlafe ich hingegen schnell mal ein. :thumbdown:

    Wobei ich gerade in diesem sehr späten Live-Mitschnitt (Tokio?) den Übergang vom 3ten in den 4ten Satz immer noch absolut großartig finde. Hingegen für den besten 1ten Satz insbesondere hinsichtlich der Tempogestaltung steht bei mir weiterhin Kempes Einspielung mit den Münchner Philharmonikern aus 1971.



    Interessant wird es sein, wenn Currentzis den Beethoven "ganz solide" im regulären Abo-Programm mit dem SWR-SO spielen muss; klar, die sind durch Sir Roger einiges gewohnt, aber spannend wird die Zeit unter Currentzis sicher trotzdem. Ich selber habe ihn bisher noch nicht live sehen können, habe aber ähnlich wie Willi :hello: in der kommenden Saison das Verdi-Requiem mit MusicaAeterna, sowie einige Monate zuvor als Kontrast Schnittkes Violakonzert und die Sinfonie Nr.5 e-Moll op.64 von Tschaikowsky mit dem SWR-SO jeweils in der Elbphilharmonie auf dem Programm.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Dann bin ich mal gespannt, lieber Michael, wie uns das Verdi-Rquiem gefällt, und wie mir dann im Juni die Siebte Schostakowitsch gefällt, die er mit dem SWR-Sinfonirorchester aufführt. Bei beiden Werken würde eine kammermusikalische Besetzung gar nichts bringen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich habe gerade mal in diese Aufnahme aus Moskau hereingehört, in der Currentzis die Russischen National-Philharmoniker dirigiert, ganz normale Besetzung, ein flottes Dirigat, aber nicht übermäßig, und bis auf die schlechte Aufnahmequalität gefiel mir das recht gut, nun, nicht ganz an Bernstein, Järvi, Abbaado und Chailly heranreichend, aber immerhin:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ...es ist in der Tat fürchterlich, aber mindestens ebenso schrecklich finde ich, daß das Orchester wie eine dörfliche Feuerwehrkapelle spielt! Man hat den Eindruck, da hört keiner auf den anderen, jeder spielt vor sich hin, wie es ihm gerade gefällt, vor allem im D-Zug-Tempo, weil das scheinbar das einzige ist, was den Dirigenten ernsthaft zu interessieren scheint.


    LG, Nemorino


    Das drängt sich sogar mir als Selten-Beethoven-und-noch-seltener-Sinfonien-Hörer auf - das rumpelt und kracht an allen Ecken, keinerlei Subtilität.

  • Was mich an diesem Thread stört ist, daß Accuphan eine negative Kritik über einen Dirigenten hier reinkopiert hat, den er offenbar nicht mag und sich bis jetzt auch noch nichts selbst dazu geschrieben hat. Wahrscheinlich war er auch nicht live in dem Konzert. Hätte zum Beispiel Gerhard im Opernbereich so einen Thread eröffnet, hätte es schon zurecht Kritik gegeben.


    Nein - nicht zu recht-
    Und auch hier nicht.
    Accuphan hat hier eine Kritik zur Diskussion gestellt ohne ein persönliches Werturteil abzugeben.
    Weder bestätigt er die Kritik, noch widerspricht er ihr. Er bringt sie einfach zur Kenntnis und bleibt (bis jetzt) neutral
    Solch reine Information ist legitim und kann - wie das Beispiel zeigt - durchaus zu einer fruchtbaren Diskussion führen


    Leider musste ich aus Gründen des Urheberrechts das Vollzitat entfernen. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß Vollzitate zulässig seien, wenn nebenher ein Link auf die Seite läuft. Der Copyrightinhaber KANN das tolerieren - er muß es aber nicht.


    Wenn ich hingegen die Worte "Mucke" - "reinziehen" etc in einem Beitrag lese, dann ist der Betreffende von mir bereits innerlich abgeurteilt.
    Ich habe den Verdacht, daß hier die Neuanmeldung einer bürgerlich konservativen Klientel bewusst hintertrieben wird und werde die Sache unter Beobachtung halten.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Danke, Alfred, für den Hinweis.
    Ich habe zu Currentzis keine Meinung, erst recht keine Ablehnung. Das wird von rodolfo hineininterpretiert.


    Ein Hinweis zum Zitat: ich hatte mich bei der FAZ vor einiger Zeit erkundigt und das Einverständnis erhalten, als Abonnent ganze Artikel in Foren zu veröffentlichen. Deshalb tue ich das immer mal wieder.
    Beste Grüße, Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Mit liegen zu diesem Thema einige Fragen auf der Zunge , die ich los werden möchte bevor ich mich dem Broterwerb zuwende.


    1. ist jemand gescheitert, dessen Konzert mit Standing Ovations bejubelt wird?
    2. Ist die eine Bewertung des Konzertes derartig hoch, wertvoll etc anzusetzen, dass Publikum (Standing Ovations) und andere Kritiker quasi als Dummies zurückbleiben?
    (Entschuldigung, wenn ich mich nicht fachlich korrekt ausdrücke und auch übertreibe)?
    3. wie steht man wirklich zu der Aussage des "philharmonischen Wohlfühlsound"? Ist es nicht eigentlich ein Übel dass immer wieder dieser " Sound " produziert wird, sich die Ausführenden dann an "uralten" sog. Referenzeinspielungen ( ich wechsle also von Konzert zu CD) messen lassen müssen und - immer weder verlieren?


    Letzte Anmerkung: ich habe Currentis mit Mozarts Requiem und Tschaikowksy S6 gehört und bin kein Fan geworden.


    VG
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Ein Hinweis zum Zitat: ich hatte mich bei der FAZ vor einiger Zeit erkundigt und das Einverständnis erhalten, als Abonnent ganze Artikel in Foren zu veröffentlichen. Deshalb tue ich das immer mal wieder.


    daa wäre dann jeweils ein Vermerk zweckmäßig, etwa "Wiedergabe mit Genehmigung der Berechtigten" oder so.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • 1. ist jemand gescheitert, dessen Konzert mit Standing Ovations bejubelt wird?
    2. Ist die eine Bewertung des Konzertes derartig hoch, wertvoll etc anzusetzen, dass Publikum (Standing Ovations) und andere Kritiker quasi als Dummies zurückbleiben?
    (Entschuldigung, wenn ich mich nicht fachlich korrekt ausdrücke und auch übertreibe)?
    3. wie steht man wirklich zu der Aussage des "philharmonischen Wohlfühlsound"? Ist es nicht eigentlich ein Übel dass immer wieder dieser " Sound " produziert wird, sich die Ausführenden dann an "uralten" sog. Referenzeinspielungen ( ich wechsle also von Konzert zu CD) messen lassen müssen und - immer weder verlieren?


    Zu eins: das kommt drauf an. Wenn ein Konzert mit standing ovations bejubelt wird, sagt das nicht unbeding etwas über die Qualität des Konzertes aus, sondern bestenfallls, dass die Zielgruppe -aus welchen Gründen auch immer- zufrieden war. Die Waldbühnen Potpourie-Konzerte finde ich persönlich gruseli, ähnlich wie die Klassik-Echo Verleihungen. Würde ich nie hingehen. Diejenigen, die hingehen, erwarten indes genaus das, was sie geboten bekommen und sind zufrieden. Also: keine Qualitätsaussage.
    Zu zwei: Nein, natürlich nicht; oft genug ist eine schlechte Rezension ein Grund, eine Aufführung zu besuchen oder einen Platte zu kaufen, weil man die Haltung des Rezensenten kennt. Ist durchaus nicht negativ gemeint: einzelne Reich-Ranicki habe ich mit Gewinn gelesen, weil mir klar war, aus welcher Ecke der Verriss kam. Das zeichnet gute Kritiker aus.
    Zu drei: Philharmischer Wohlfühlsound, was ist das? Meinst Du damit die Karajan-Politur? Freilich greife ich gerne auf die älteren Aufnahmen zurück, weil ich damit schon viele Jahre lebe. Für jüngere Menschen kann ich da natürlich nicht sprechen. Viele Aufnahmen von Karajan und Böhm kenn ich noch als Vorstellungen "Die neue Platte" aus dem Radio.. Ich gebe zu, dass sich irgendwann ein Punkt eingestellt hat, wo ich neuen Aufnahmjen gegenüber skeptisch geworden bin, besonders dann, wenn es um Komponisten wie Beethoven (den vor allem), Mozart, Schumann und Schubert ging. Auch an den immer neune Versuchen, Vivaldis "Vier Jahreszeiten" neu zu interpretieren und nie gehörte zu entlocken, kann ich in der Regel kein Gefallen finden. Aber da sind wir dann wieder bei der Zielgruppe. Siehe oben.
    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo,


    ich habe mir den von Willi gesetzten link mit dem Ausschnitt aus dem Kopfsatz der 5. Beethoven-Sinfonie mit Currentzis und seinem Ensemble gehört und gesehen. IMO zieht die begleitende Pantomime das Projekt in die Lächerlichkeit. Denkt man die Pantomime weg, finde ich das Gehörte sogar gut als ‚verwilderten HIP‘. Das liegt bei mir wahrscheinlich daran, dass ich diese Sinfonie wie auch den Schlussatz der 9. Sinfonie nicht mag. Ich empfinde diese Kompositionen eher als plakativ und durch den Schulmusikunterricht als ‚spießig‘. Da höre ich lieber sogar Vivaldis Vier Jahreszeiten oder Mozarts Eine kleine Nachtmusik !


    Andererseits sollte IMO Currentzis darauf Acht geben, diese Methodik nicht auf alle Kompositionen anzuwenden, da es dann zum Manierismus wird, was dann nervig wäre. Ich verweise da zum Beispiel auf Olli Mustonen, den Pianisten.


    LG Siamak

  • Hallo Thomas Pape,


    ein Konzert- unabhängig von der Zielgruppe - kann und soll auch emotional berühren. Die Hingabe , der volle Einsatz der Ausführenden - trotz technischer Imperfektion- reißt die Zuhörer mit, resultierend in "Standing Ovation" oder führt auch zu Stille und Besinnung. Wird das erreicht hat ein Konzert einen wichtigen Zweck erfüllt. Ist es nicht oft so, dass technische Perfektion bewundert wird, dabei aber nicht immer "vom Hocker reißt"? Nach meinen Konzertbesuchen stell ich mir immer die Frage : Was bleibt?
    Warum kann ich eine Konzert aus den 60er Jahren nicht vergessen, aber ein anderes aus den 2000er Jahren mit einem berühmten Dirigenten ist weg?
    Unter diesem Aspekt stellte ich die Frage, fand die Kritik in der FAZ etwas einseitig und die Überschrift des Threads irreführend , also fast wie " alternativer Fakt" wie es in andren Bereichen ausgedrückt wird, denn gescheitert ist er offensichtlich nicht, sondern hat emotionalisiert.



    Viele Grüße
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Zitat aus der Kritik:


    "....und es vermeidet beim Spiel der Streichinstrumente weitgehend das Vibrato. Das haben andere Ensembles auch schon so gemacht unter Dirigenten wie Christopher Hogwood, John Eliot Gardiner oder Nikolaus Harnoncourt."



    Stimmt auf jeden Fall für Harnoncourt nicht. Für ihn war das Vibrato ein wichtiges Ausdrucksmittel, von welchem er ständig Gebrauch machte. Auch das Non-Vibrato war bei ihm immer eine bewusste Sache, sehr musikalisch begründet.


    Mit dem Anti-Vibrato-Wahn eines Norrington etwa hat Harnoncourts Ansatz hinsichtlich Vibrato gar nichts zu tun.


    Man kann es auf Video-Aufnahmen sehen, man könnte es hören, wenn man den genauer hinhören könnte ( das spreche ich dem Kritiker glatt ab) und ich weiß es auch ja von ihm persönlich, da ich mit Harnoncourt einmal ein Gespräch darüber hatte.


    Ich bin auch mit der Kritik nicht einverstanden, weil der Verriss viel zu zahm ausfällt.


    Was das von Willi gepostete Video anbelangt, kann ich nur sagen: Das ist sehr furchtbar, hat mit klassischer Musik und Kultur schon kaum noch etwas zu tun.
    Der Järvi mag dem einem oder anderen Hörer ungewohnt erscheinen, aber was für eine Klang- und Spielkultur, was für eine Präzision im Rhythmischen uvm. im Vergleich zu diesem peinlichen Auftritt dort. Dirigieren ist kein Selbsterfahrungstrip, Beethoven keine Trittbrett für plakatives Geschrummse. Leider ist es so, dass dieser grausige Clip erstmals die von mir meistens als absurd angesehene HIP-These Alfreds zu bestätigen scheint. Wenigstens ab jetzt scheint sie Gültigkeit zu erlangen. Das ist ganz und gar unerträglich :cursing: , einer ernsthaften Diskussion nicht würdig.



    Diese Symphonie schätze ich sehr in Karajans und Böhms Interpretationen, die beide recht unterschiedlich sind, doch beide auf ihre Weise sehr gut. Auch den Thielemann mag ich, der an den wuchtigen Stil der Vor-Karajan-Zeit anknüpft.
    Bei Hogwood z.B. kann das Problem aufkommen, dass man sagt: " ach ja, alte Instrumente, transparent.....aber dann wird`s irgendwann langweilig".


    Nun könnte ich über viele Interpretationen in diesem Stil weitermachen, aber ich will es gar nicht.
    Die haben alle ein Merkmal gemeinsam: es wird von seriösem Künstlern interpretiert, so unterschiedlich es sein mag.


    Dieser Herr dort und seine Truppe haben jedoch den Boden der Seriösität verlassen. Sie machen Show, und zwar eine schlechte. Ja, und was machen die denn da mit dem Tuch? Was soll bloß dieser Blödsinn? So ein Tuch hat mit den konkreten Noten Beethovens nichts zu tun, aber rein gar nichts.

    Ich bin sehr für gute Unterhaltungsmusik, ob es nun David Foster mit Chaka Khan, Toto, Chick Corea oder die WDR-Bigband sein mag. Aber auch diese Damen und Herren arbeiten als sehr seriöse Künstler. Bei dem Video dort oben sehe ich mehr oder weniger deutlich einen Selbsterfahrungstrip verbunden mit einer zeitgeistig billigen Publikumsanmache sowie neumodischem Firlefanz mit Kindern und Tuch. Verstecken die sich unter dem Tuch vor dieser traurigen Darbietung? Meine Güte! Nein, solches Zeugs hat überhaupt nichts "zu sagen", und nein, der Beethoven braucht so etwas nicht, um auch heute noch verstanden zu werden. Die Musik heißt nicht für umsonst "Klassik", weil sie aufgrund ihrer Qualität die Zeiten überdauert. Solche Versuche wie dort bezweifeln das und wollen dem "in die Jahre gekommenen" Ludvig van mal ein bisschen nachhelfen.



    Ok, ich höre besser auf...muss jetzt auch los um meine Tochter abzuholen.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Dieser Herr dort und seine Truppe haben jedoch den Boden der Seriösität verlassen. Sie machen Show, und zwar eine schlechte.


    Auf der Website der BBC konnte man vor einiger Zeit in den Mitschnitt der 2. und 5. Symphonie von den Proms hineinhören. Auch ohne visuelle Unterstützung hat mich das nicht im Ansatz überzeugen können. Ich habe in der Vergangenheit einige Darbietungen von Currentzis durchaus gelobt und ihn mit Rameau auch schon einmal live erlebt. Aber das, was er mit Beethoven veranstaltet, ist wirklich keine Bereicherung der Diskographie. Von daher stimme ich Glockenton hier zu, wenn er von einer schlechten Show spricht. Wäre sie wenigstens gut, man könnte vielleicht noch ein Auge zudrücken.


    Scheinbar wird der Zyklus aus Salzburg vom ORF nicht übertragen (zumindest findet man bei Ö1 nichts). Ein allzu großer Verlust dürfte das nicht sein, wenn die Interpretationen ähnlich sind wie die in London. Das ist ja noch nicht einmal HIP, deren namhafte Interpreten hier schon genannt wurden. Ganz abgesehen vom gescheiterten Dirigat war ich bereits beim BBC-Konzert entsetzt über die unterdurchschnittliche Leistung des Orchesters, welches in Sachen Beethoven offenbar überhaupt keine Erfahrung hat. Umso seltsamer, als es damals beim Rameau durchaus zu überzeugen wusste.


    Daher lässt mich Currentzis' Beethoven ratlos zurück.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Glockenton: Was das von Willi gepostete Video anbelangt, kann ich nur sagen: Das ist sehr furchtbar, hat mit klassischer Musik und Kultur schon kaum noch etwas zu tun.
    Der Järvi mag dem einem oder anderen Hörer ungewohnt erscheinen, aber was für eine Klang- und Spielkultur, was für eine Präzision im Rhythmischen uvm. im Vergleich zu diesem peinlichen Auftritt dort. Dirigieren ist kein Selbsterfahrungstrip, Beethoven keine Trittbrett für plakatives Geschrummse. Leider ist es so, dass dieser grausige Clip erstmals die von mir meistens als absurd angesehene HIP-These Alfreds zu bestätigen scheint. Wenigstens ab jetzt scheint sie Gültigkeit zu erlangen. Das ist ganz und gar unerträglich :cursing: , einer ernsthaften Diskussion nicht würdig.


    Auf diesen Kommentar meiner beiden konträr gesetzten YT-Videobeispiele habe ich gewartet, lieber Glockenton. Danke, auf dich ist Verlass. Dass die Klang- und Spielkultur der Bremer unter Järvi nicht nachgelassen hat, obwohl ich im Orchester einige neue Gesichter gesehen habe, konnt ich diesen Sommer, etwas südlich von euch feststellen, als ich den Schumann-Zyklus von Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen beim Schleswig Holstein Musikfestival in Lübeck, Kiel und Rendsbrug live erleben durfte. Es war ganz großartig, und ich habe vielmehr über die Struktur der Musik und die Transparenz des Zusammenklangs gelernt, als wenn ich die GA 100mal nacheinander auf CD gehört hätte.
    Ich erwähnte ja hier schon, dass ich im nächsten März und Juni Teodor Currentzis zweimal in Köln erleben werde. Dass er auch anders kann, habe ich ja in Beitrag Nr. 19 schon angedeutet.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Im Thread "Die Zeit der großen Helden ist vorbei.(?) - Dirigenten und Interpreten" hatte ich am 03.12.2017 folgendes geschrieben:


    "Vor Jahren habe ich dann Currentzis im
    Fernsehen erlebt, mit einem Konzert des Permer Orchesters (ich kenne
    Perm aus den 80-ern, habe dort 3 Jahre gelebt) in Frankreich. Mir hat
    sein Äußeres gar nicht behagt. Als ich dann eine Doku über ihn und sein
    Wirken in Perm gesehen habe, war für mich eines klar: Für diesen Mann
    werde ich nie Sympathie empfinden können. Kann ein Unsympath ein Star
    werden? Für mich nicht, auch wenn er tolle Leistungen bringen sollte,
    was ich gar nicht ausschließe. Allerdings habe ich auch aus Perm das 1.
    Klavierkonzert von Tschaikowski gehört, mit seinem Orchester und seinem
    Lieblingspianisten. Ich habe es nicht wieder erkannt. Wenn man
    Swjatoslaw Richter mit Karajan auf der Platte und im Kopf hat und dann Currentzis erlebt, war für mich klar, wer ein Star ist. Nicht Currentzis.
    Er polarisiert. Andere mögen ihn als Star sehen. Warten wir ab, was er
    in Stuttgart anstellen wird, mit freiem Oberkörper dirigieren oder
    barfuß. Oder mit Frack."


    In der jetzt laufenden Diskussion über Currentzis fühle ich mich in meiner damals beschriebenen Auffassung bestätigt. Das Tschaikowski-Konzert vor etwa 5-6 Jahren war nicht nur in der Optik des Dirigenten, sondern auch in der Ausführung ein Vorgeschmack darauf, was jetzt in Salzburg so kritisch gesehen wurde und was auch Glockenton so ungemein treffend geschildert hat. Da waren die Tempi teilweise irre schnell, dann wieder verzögert, da kamen Einsätze nicht synchron, da glaubte man wirklich, im Kuhstall zu sein. Vielleicht hätte Hanslick seine Freude an Currentzis gehabt.

    Dann sah ich vor etwa 12 Monaten eine Reportage aus Perm, vom dortigen Tschaikowski-Theater (Tschaikowski wurde ca. 100 km Luftlinie von Perm entfernt geboren, in Wotkinsk) von Ioan Holender und das mir eigentlich aus den 80-er Jahren als vorzüglich bekannte Orchester. Holender erwähnte darin, daß Currentzis sicher gewöhnungsbedürftig sei, aber den dortigen Don Giovanni lobte er über alle Maßen. Kann sich ein Mann wie Holender täuschen? Oder ist zwischen einem Beethoven-Konzert und einer Mozart-Oper doch ein himmelweiter Unterschied? Auf alle Fälle wird es in Stuttgart (auch durch das Programm) spannend. Kommt da ein neuer Star oder das Gegenteil? Man sollte ihm Zeit geben, sein Können zu beweisen. Aber ob er sich optisch an den "philharmonischen Wohlfühlsound" anpassen wird, das wage ich zu bezweifeln. Er ist wohl so eine Art "junger Wilder" wie einst Nigel Kennedy oder David Gerritt, ein Mittelding zwischen klassischer Kunst und moderner Show.

    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat

    Man sollte ihm Zeit geben, sein Können zu beweisen. Aber ob er sich optisch an den "philharmonischen Wohlfühlsound" anpassen wird, das wage ich zu bezweifeln.


    Muss er sich denn optisch und musikalisch anpassen? Davon gibt es doch genug, oder?

    Zitat

    Er ist wohl so eine Art "junger Wilder" wie einst Nigel Kennedy oder David Gerritt, ein Mittelding zwischen klassischer Kunst und moderner Show.

    Da die beiden angesprochen werden: ich greife immer wieder zum "wilden Kennedy " mit den VKs von Mendelssohn und Bruch, wenn mir die anderen zu gleichformig klingen.
    wenn Garretts " cross over" in einer ausverkauften 10000er Halle dazu führt. dass einige sich doch für Klassik interessieren, wie erlebt, hat er der Sache Klassik einen guten Dienst erwiesen.


    VG
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Hallo,


    als ich mich für Klassik zu interessieren begann, war Kennedy ein Muss.


    So wie der aussah, auftrat und spielte, hat mir das irgendwie gut gefallen.


    Mit der Erfahrung und dem Wissen, das man sich dann im Laufe der Zeit aneignet, bleibt für mich nur eine Feststellung:


    "Der war nicht wild, der hat nur schlampig gespielt!"


    Es grüßt


    Karl

  • Da hier von Justin und Karl auch Nigel Kennedy in die Debatte eingebracht wurde, möchte ich darauf einsteigen:


    Zitat

    Justin: ich greife immer wieder zum "wilden Kennedy " mit den VKs von Mendelssohn und Bruch, wenn mir die anderen zu gleichformig klingen.


    Also, die Violinkonzerte von Bruch und Mendeselssohn habe ich von Kennedy nicht, aber dieses, das D-dur-Konzert op. 77 vo Johannes Brahms:

    mit dem großen Klaus Tennstedt und der London Symphony. Zum ihm habe ich heute Abend wieder gegriffen, als ich dies gelesen habe, aber nicht, weil "die anderen zu gleichförmig klingen", denn das tun sie nicht, ob es nun David Oistrach ist mit Otto Klemperer oder George Szell, oder Yehudi Menuhin mit Rudolf Kempe, oder Kyung Wha Chung, ebenfalls mit Rudolf Kempe, oder Thomas Zehetmair mit Christoph von Dohnany oder Anne-Sophie Mutter mit Herbert von Karajan oder Henryk Szering mit Pierre Monteux, oder Gidon Kremer mit Leonard Bernstein, alle in meiner Sammlung. Jede klingt anders, weil jeder Geiger einen anderen Zugang zu dem Werk hat und mit einem anderen Orchester spielt sowie meistens auch mit einem anderen Dirigenten.
    Auch im Konzert erlebe ich das so. Im Juni hörte ich Beethovens Violinkozert mit Klar Jumi-Kang und Christoph Poppen und dem Kölner Kammerocrchester, im September höre ich das gleiche Konezrt mit dem Freiburger Kammerorchster und Pablo Heras-Cassado und im November höre ich Brahms Violinkonzert mit Christian Tezlaff und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi. Übrigens kann ich Letzteres besonders empfehlen, weil nach der Pause und dem Brahms-Konzert Schubert Große C-dur-Symphonie D. 944 erklingt. Gerade diese drei Konzerte könnten durchaus polarisieren, weil sie alle drei mit Kammerorchestern aufgeführt werden bzw. schon wurden.



    Das kann ich anhand meines o. a. Musikbeispiels nicht nachvollziehen, lieber Karl. Kennedy hat das Brahms-Konzert m. E. sehr konzentriert und ernsthaft gespielt. Da wäre ihm bei einem Dirigenten wie Klaus Tennstedt auch gar nichts anderes übrig geblieben.
    Wie sagte Kennedy im Beiblatt so schön:

    Zitat

    Nigel Kennedy: Als ich mich mit 15 Jahren erstmals mit dem Brahmskonzert befasste, wurde mir eines sehr bald klar: sollte ich auf eine einsame Insel verbannt werden und nur ein Konzert mitnehmen dürfen, so wäre es dieses..... Als ich mich mit 16 Jahren mit diesem Konzert um das Londoner Diplom für Interpretation bewarb, war ich der erste Prüfling, der es mit 100% bestand, obwohl mir mein Lehrer zwei Wochen zuvor gedroht hatte, mich nicht antreten zu lassen, weil ich zuviel Jazz übte...ich halte es für das größte Allroundwerk dieser Gattung. Und dass ich es mit meinem Lieblingsdirigenten und einem der besten Orchester der Welt einspielen durfte, war ein Erlebnis.


    Spielt so einer schlampig, zumal er zu diesem Konzert für den Kopfsatz eine eigene Kadenz geschrieben hat und sie auch spielte?
    Hier spielt er das Konzert übrigens mit Roger Norrington:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich vergaß, dass ich ihn natürlich auch mit dem Beethovenkonzert habe, aber in dieser Aufnahme, auch schon viele Jahre, wieder mit Tennstedt:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • von Nigel Kennedy besitze ich die CD mit den VK1 von Bruch und Mendelssohn mit dem English Chamber Orchestra unter Tate, und Aufnahmen mit:


    1. Bruch von Mutter/Karajan Berliner, Perlman/RCO/Haitink, Hoelscher/Bamberger/Weil, Braunstein/Bamberger/Marin
    und hatte ein Konzerterlebnis mit Steinbacher/MPhil/Stenz
    2. Mendelssohn von Mutter/Karajan/Berliner, Perlman/RCO/Haitink,
    Seltsamerweise erlebte ich Mendelssohn in den letzten 15-20 Jahren nie im Konzert, stattdessen mehrfach Beethoven, Brahms , Bartok, dazu Szymanowsky Sibelius
    und Tschaikovsky mit Repin/Bamberger/Kreizberg, womit wir zurück zum eigentlichen Thema kommen.
    Gestern hörte ich nochmals Currentzis mit Tschaikovsky S6 und das VK1 mit Kopatschinskaja.


    ,


    Beide Interpretationen wirken (natürlich) stark polarisierend mit ungewohnten Tempoverrückungen, extremes leise/laut (nach meinem Empfinden), aber auch wunderbar ausgeformten Passagen.
    Bei der S6 hat mich am meisten die mit einem "Donnerschlag" einsetzende ff Stelle im 1. Satz nach dem Piano gestört, ich würde sagen: überflüssiger Gimmick.
    Beim VK1 hat Kopaschinskaja meinen Respekt , dass sie das Konzert auf diese Art spielen kann und will, was nicht heißen soll, dass mir die Interpretation zusagt.







    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Muss er sich denn optisch und musikalisch anpassen? Davon gibt es doch genug, oder?


    Lieber Justin,
    mir sagt es nicht zu, wenn ein Dirigent mit freiem Oberkörper Klassik dirigiert, oder in zerrissenen Jeans. ich habe nichts gegen ein schwarzes Hemd oder ein weißes. Ein gewisser Anstand gegenüber dem Publikum und dem Komponisten gegenüber sollte aber gewahrt bleiben.

    Und in diesem Zitat hast Du mich wohl nicht verstanden. Auch ich mochte Kennedy und Garrett. Ihre Verdienste um die Öffnung der Klassik für Anfänger kann man nicht hoch genug loben, und da hat das Outfit beigetragen. Ähnlich sehe ich Currentzis. Aber alle drei sind für mich "Rebellen", sie geben mit Kleidung, Frisur oder auch Interpretation zu verstehen, gegen das "Establishment" zu protestieren. Nichts anderes hatte ich gemeint.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    wenn er mit seinem Auftreten ein junges unvoreingenommenes neues Zielpublikum erreicht, welches (endlich) wieder den " Muff unter den Talaren" austreiben will, dann
    hat handelt er richtig, auch wenn man es ältere Generation verstörend findet, …..wenn es wirklich so ist.
    Auch wenn ich wesentlich näher den 70er als den 50ern bin, denke ich doch, dass Einiges in der Klassikwelt neu gedacht werden könnte.


    VG
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Hallo Willi,


    Zitat

    Das kann ich anhand meines o. a. Musikbeispiels nicht nachvollziehen, lieber Karl. Kennedy hat das Brahms-Konzert m. E. sehr konzentriert und ernsthaft gespielt. Da wäre ihm bei einem Dirigenten wie Klaus Tennstedt auch gar nichts anderes übrig geblieben.


    ich gebe zu, das war von mir schon etwas provokant und auch zu pauschal gehalten.


    Aber vergleiche mal das Violinkonzert von Beethoven und die Vier Jahreszeiten von Vivaldi in den Einspielungen von Kennedy und ASM.


    Eine der beiden Genannten spielt mit Disziplin und technischer Perfektion, es werden dabei auch feinste Nuancen herausgearbeitet.


    Nette Grüße


    Karl

  • wenn er mit seinem Auftreten ein junges unvoreingenommenes neues Zielpublikum erreicht, welches (endlich) wieder den " Muff unter den Talaren" austreiben will, dann
    hat handelt er richtig, auch wenn man es ältere Generation verstörend findet, …..wenn es wirklich so ist.
    Auch wenn ich wesentlich näher den 70er als den 50ern bin, denke ich doch, dass Einiges in der Klassikwelt neu gedacht werden könnte.


    Klingt für mich nach "Regietheater für die Ohren"!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Hat Currentzis tatsächlich mit freiem Oberkörper dirigiert ? ------ dann gehört er von der Bühne verjagt.


    Ausserdem ist das fast genau so schlimm (und wegen der Schweissspritzer unhygienisch) wie der Ganzkörper- Badeanzug (Burkini ?) in unseren Schwimmbädern, wo man asoziiert, dass da geradeeben einer ertrinkt. Ich habe allerdings noch nie einen solchen Anzug gesehen, obwohl ich Schwimmbäder frequentiere !


    Springerstiefel - und das weiss Currentzis - sind zumindest in der Bundesrepublik und in England das Synomym für Rechtsradikalismus. Ist es nur Pose und übermässig tiefes Einatmen ?


    Jedenfalls hinterlässt das obere Video aus Post # 3 einen viel mehr als zwiespältigen Eindruck. Dass die S 5 von Beethoven als Ballett dargestellt wird, würde ich noch akzeptieren, zumindest mir ansehen (von einem der vorderen Plätze aus). Dass er zu schnell spielen lässt, wird klar, weil das Orchester oder Teile davon nicht mehr hinterherkommen. Abgesehen von dieser mehr als unangenehmen, unsinnigen - weil immer weiter vorwärtsrennenden- Unruhe, die dieses Rasen in uns erzeugt. Der Rhythmus beginnt wegen der Grenzen der instrumentalen Präzision und der Hallenakustik zu verschwimmen, es wird Brei. Die Bläser müssten wissen, ob sie tatata - taaah oder Ta tata- ta spielen sollten und lange hohe und tiefe Streichertöne hören sich wie Gleiten über rauhes Holz an oder sonstwas Ungehobeltes. Zum Unglück ist das Klangerlebnis auch noch richtig technisch schlecht......


    Schaut man sich weiter im Netz um, so sieht man, dass es beim Dirigenten ja auch anders geht. Was er über wirksame Effekte hinaus noch kann, wird er uns - hoffentlich auch zu unserer Freude und nicht nur zu der des Veranstalters- noch zeigen. :thumbup: :rolleyes: Ich habe dieses Jahr mal noch keinen Termin bei ihm geplant.


    MlGD.

  • Was der Kennedy sonst so macht, weiß ich ja nicht, will ich auch gar nicht wissen.
    Dass er jedoch seinen Bach sehr ordentlich und auf hohem Niveau mit den Berliner Philharmonikern spielte, habe ich mitverfolgen können.
    Gut, am liebsten höre ich auch da die Elisabeth Wallfisch mit dem Orchestra of the Age of Enlightement- das ist dann schon noch eine andere Welt. Aber Kennedy kann seriös und auf sehr hohem Niveau spielen, selbst wenn er mit Sonnenbrille oder einer Kleidung unterwegs ist, die nicht typisch für die klassische Konzertwelt ist.
    Gerade bei CDs kann einem das ja egal sein. Wichtig ist, dass er als Musiker seriös und sich dem Komponisten unterordnend spielt - eine Frage von innerer Reife und Können. Auch Gulda trat in Cordhose und Pullover auf, aber was für ein Mozart, was für ein Beethoven war das!

    Beim Garrett ist es etwas anders. Für mich hat der sich schon durch seine Rock-Eskapaden das letzte Quäntchen an Kultur kaputtgemacht. Ich keine mit ihm das Brahms-Violinkonzert. Es ist durchaus nicht schlecht, aber ein Vergleich mit Julia Fischer macht dann schon klar, dass es eben doch noch anders geht.



    Was jedoch dieser Currentzis sich leistet, entzieht sich m.E. jeder seriösen Diskussion. Da gibt es sogar wesentlich anständigere Sachen mit Lang Lang, z.B. ein Beethoven-Klavierkonzert ( das erste, meine ich mich zu erinnern) mit dem wunderbaren Christoph Eschenbach als Dirigenten. Eschenbach hätte das Konzert m.E. am besten gleich selbst spielen sollen, aber der Lang Lang bleibt auf weiten Strecken durchaus seriös und ordentlich. Ich hörte es neulich im Radio und wusste nicht, wer das war. Ich dachte mir " wow, endlich mal einer der das anständig, rhythmisch sauber und singend spielt". Als ich dann im DAB-Display des Autos las, wer die Interpreten waren, war ich einerseits überrascht, andererseits auch nicht, weil ich ja das Konzert mit dem Eschenbach als Solisten und Karajan als Dirigenten kannte. Auch da ist mir Reife, Anstand und Kultur in jedem kleinen Winkel des Klanggeschehens aufgefallen. Diese Dinge sind es, die so eine Aufnahme über Jahrzehnte und länger wertbeständig bleiben lassen. Wildes und eitles Geschrammel hingegen kann man - wenn überhaupt- vielleicht einmal hören, danach geht es einem schnell auf die Nerven und man möchte gerne zu Beethoven ( oder wie der Komponist gerade heißt) zurückkehren.


    Die Partitur eines Komponisten ist kein Trittbrett zur eitlen Selbstdarstellung, jedenfalls innerhalb der Welt der echten Kunst.
    Dieser Erkenntnis will sich der Herr Currentzis offensichtlich nicht fügen. Er sollte besser versuchen, mit echtem Können zu überzeugen, statt sich im Mätzchenmachen zu ergehen.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Die Partitur eines Komponisten ist kein Trittbrett zur eitlen Selbstdarstellung, jedenfalls innerhalb der Welt der echten Kunst.
    Dieser Erkenntnis will sich der Herr Currentzis offensichtlich nicht fügen. Er sollte besser versuchen, mit echtem Können zu überzeugen, statt sich im Mätzchenmachen zu ergehen.


    Diese Kritik ist mir dann doch etwas zu weitreichend, wenn sie sich lediglich auf das hier eingestellte Beethoven-Video stützt. Ich habe in den letzten Jahren einige Aufnahmen von Currentzis kennengelernt, die ich herausragend finde (etwa das Mozart-Requiem und das Tschaikowski-VC). Die Interpretationen sind sicherlich exzentrisch, was für mich aber noch kein Werturteil ist, weder im Guten noch im Schlechten. Bei den genannten Aufnahmen hat es funktioniert und zu Ergebnissen geführt, die geradezu atemberaubend sind. Bei Beethoven hat es scheinbar nicht funktioniert (es geht hier ja eigentlich um das Konzert in Salzburg, von dem ich noch keine Aufzeichnung gehört habe, und nicht um das auf dem Video zu sehende Konzert in Berlin aus dem Jahre 2016). Das heißt nicht, dass man nur noch so spielen darf und alle vorherigen Interpretationen nichts mehr wert sind. Aber Currentzis ist für mich ohne Zweifel eine große Bereicherung des Konzertbetriebes. Wie er sich dabei kleidet ist mir ebenso egal wie das fehlende Schuhwerk bei einer Violinistin, mit der er gerne zusammenarbeitet. Grundsätzlich habe ich jedoch große Sympathie für Künstler, die gegen das Etablierte und damit auch gegen das Establishment angehen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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