Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 9

  • Nur kurz zu Chaillys Amsterdamer Mahler. Ich habe vor einem halben Jahr die die komplette Aufnahme (Einzel-CDs mit dem interessanten Zusatzprogramm) von meinem alten holländischen Freund übernommen, ein großer Mahler-Liebhaber, der sie aus seiner Sammlung aussortiert hat. Zwischenfazit: Bislang ist der Chailly-Mahler für mich eine wirklich totale Enttäuschung! Die 7. ist interpretatorisch schwach, die 1. nicht berauschend, die von der Kritik so in den Himmel gelobte 4. habe ich gerade gehört, sie schwankt zwischen gähnender Langeweile und aufgesetzten Gesten, mit einer fürchterlich opernhaften, affektierten Barbara Bonney im Wunderhorn-Lied am Schluss. Das ist ein völliger Fehlgriff im Ton. Dies ist die mit Abstand langweiligste Aufnahme der 4. in meiner Sammlung! Dagegen den spätromantischen Berg auf der CD, das kann Chailly wirklich! Ich verstehe jetzt die kritischen Töne aus Holland, wo man schon länger sagte, Chailly sei einfach kein Mahler-Dirigent. Ich bin mal auf die 9. gespannt - die habe ich noch nicht gehört!


    Schöne Grüße
    Holger


    Die 9., lieber Holger, habe ich nicht mehr prägnant im Ohr (um on-topic zu beginnen ;) ). Das Highlight der Box ist die für mich wunderbar ausgeglichene und hervorragend klingende Aufnahme der 5. Sinfonie. Auch die 3. Sinfonie gefiel mir sehr gut und ich meine, auch die 2. Die 6. ist für mich missinterpretiert, die 4. viel zu "süßlich".


    Nach Haitink und vor Jansons ist Chailly sicherlich kein prägender Mahler Dirigent in Amsterdam gewesen. Es ist schade, dass seine Leipziger Aufnahmen nicht auf CD erschienen sind. Hier hat er für mich wesentlich stärkere Momente gehabt als in vielen Mahler Einspielungen mit dem Concertgebouw Orchester.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Norbert: Es ist schade, dass seine Leipziger Aufnahmen nicht auf CD erschienen sind,


    Aber sie sind doch auf Blu Ray erschienen. Das ist klanglich besser undman hat auch noch ein erstklassiges Bild. Die Erste ist übrigens mittlerweile auch erschienen. die habe ich allerdings noch nicht. Nun fehlt nur noch die Dritte, mittlerweile trotz der Neunten meine Lieblingssymphonie.
    Und, by the way, dass Chailly kein Mahlerdirigent sei, wie aus Holland kolportiert worden sein soll, kann ich einfach nicht nachvollziehen. Ich habe Chailly live mit der Ersten Mahler mit dem GHO erlebt. Das war ein Traum. Das hat mir noch ein wenig besser gefallen als die Erste mit Rattle, mit dem ich übrigns 2010/2011 alle neun Symphonien live eerlebt habe. Auch Rattle ist m. E. ein Mahler-Dirigent. Chailly ist übrigens längst dabei, die Mahler-Symphonien mit einem der besten Mahlerorchester weltweit in Luzern aufzunehmen. Das macht keiner, der kein Mahlerdirigent ist.
    Offtopic:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die 9., lieber Holger, habe ich nicht mehr prägnant im Ohr (um on-topic zu beginnen ;) ). Das Highlight der Box ist die für mich wunderbar ausgeglichene und hervorragend klingende Aufnahme der 5. Sinfonie. Auch die 3. Sinfonie gefiel mir sehr gut und ich meine, auch die 2. Die 6. ist für mich missinterpretiert, die 4. viel zu "süßlich".


    Nach Haitink und vor Jansons ist Chailly sicherlich kein prägender Mahler Dirigent in Amsterdam gewesen. Es ist schade, dass seine Leipziger Aufnahmen nicht auf CD erschienen sind. Hier hat er für mich wesentlich stärkere Momente gehabt als in vielen Mahler Einspielungen mit dem Concertgebouw Orchester.

    Lieber Norbert,


    auf die 5. bin ich auch gespannt. Die 3. ist in der Tat gut hörbar, aber kommt finde ich auch nicht an Haitink (mit dem Chicago SO) und Neumann (mit der Tschech. Philh.) heran. Du hast völlig Recht, ein prägender Mahler-Dirigent war er in Amsterdam nicht! Die 2. hatte ich schon länger, die fand ich insofern interessant, als er da Mahler eher wie Bruckner dirigiert. Seine Mahler-Aufnahmen aus Leipzig kenne ich gar nicht (nur die Schumann-Symphonien, orchestriert von Mahler, das ist eine hervorragende Aufnahme!). :)

    Und, by the way, dass Chailly kein Mahlerdirigent sei, wie aus Holland kolportiert worden sein soll, kann ich einfach nicht nachvollziehen.

    Es ist aber schon merkwürdig, lieber Willi, dass ein Chefdirigent des Concertgebouw Orkest mit diesem nun wirklichen Mahler-Orchester ausgerechnet Mahler nicht richtig hinbekommt. Dass man in Holland besonders kritisch ist in diesem Punkt, liegt natürlich auch einfach daran, dass es diese große Mahler-Tradition des Orchesters gibt angefangen mit Mengelberg. Da ist die Messlatte hoch und die Erwartungen entsprechend. Ich finde auch, dass Chailly vom Naturell her eigentlich ein Bruckner-Dirigent ist. Da hat er seine große Stärken. Für Mahler fehlt ihm irgendwie das richtige Gefühl für die typische Mahler-Tonsprache. Simon Rattles Mahler zieht mich übrigens auch nicht besonders an - da finde ich Abbado einfach erheblich besser. :)


    :hello: Liebe Grüße
    Holger

  • Ich verstehe jetzt die kritischen Töne aus Holland, wo man schon länger sagte, Chailly sei einfach kein Mahler-Dirigent


    Lieber Holger,
    dann frage doch mal die Leipziger nach ihren Eindrücken zu Chailly und Mahler. Du wirst Dich wundern, wie man ihn da beurteilt!!
    Für mich waren Leipziger Live-Erlebnisse mit dem GHO und Chailly unvergessene Erlebnisse, zu Mahler- und Strauss-Interpretationen. Bei Bruckner fand ich Blomstedt überzeugender, bei Schostakowitsch Bychkow. Chailly wird in Leipzig trotz Nelsons immer noch vermißt! Vielleicht kannst Du die kritischen Amsterdamer Beurteilungen mal nennen!? Oder ist es einfach Antipathie?
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    Chailly/Amsterdam und Chailly/Leipzig kann man nur bedingt miteinander vergleichen. Höre dir mal die Brahms Sinfonien an, die Chailly sowohl mit dem Concertgebouw-, als auch mit dem Gewandhausorchester aufgenommen hat, dann wirst du verstehen, was ich meine.


    Nicht nur, aber auch durch die deutsche Orchesteraufstellung, sind Chaillys Aufnahmen aus Leipzig "schlanker", transparenter im Klang, stellenweise (wesentlich) schneller im Tempo und des öfteren "geschärfter" in den Klangstrukturen.


    In sofern unterscheiden sich die Mahler Aufnahmen aus Amsterdam und aus Leipzig deutlich voneinander.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    auf die 5. bin ich auch gespannt. Die 3. ist in der Tat gut hörbar, aber kommt finde ich auch nicht an Haitink (mit dem Chicago SO) und Neumann (mit der Tschech. Philh.) heran. Du hast völlig Recht, ein prägender Mahler-Dirigent war er in Amsterdam nicht! Die 2. hatte ich schon länger, die fand ich insofern interessant, als er da Mahler eher wie Bruckner dirigiert. Seine Mahler-Aufnahmen aus Leipzig kenne ich gar nicht (nur die Schumann-Symphonien, orchestriert von Mahler, das ist eine hervorragende Aufnahme!). :)


    Lieber Holger,


    wer kommt schon an Haitinks (für mich) unübertroffene Aufnahme aus Chicago heran? ;)


    Zitat

    Es ist aber schon merkwürdig, lieber Willi, dass ein Chefdirigent des Concertgebouw Orkest mit diesem nun wirklichen Mahler-Orchester ausgerechnet Mahler nicht richtig hinbekommt. Dass man in Holland besonders kritisch ist in diesem Punkt, liegt natürlich auch einfach daran, dass es diese große Mahler-Tradition des Orchesters gibt angefangen mit Mengelberg. Da ist die Messlatte hoch und die Erwartungen entsprechend. Ich finde auch, dass Chailly vom Naturell her eigentlich ein Bruckner-Dirigent ist. Da hat er seine große Stärken. Für Mahler fehlt ihm irgendwie das richtige Gefühl für die typische Mahler-Tonsprache. Simon Rattles Mahler zieht mich übrigens auch nicht besonders an - da finde ich Abbado einfach erheblich besser. :)


    :hello: Liebe Grüße
    Holger


    Das, finde ich, ist ein interessanter Aspekt. Du verweist zurecht auf Mengelberg, aber auch Bernard Haitink und Mariss Jansons haben in Amsterdam die große Mahler Kompetenz des Orchesters maßgeblich geprägt.


    Leider kenne ich keine Konzertmitschnitte von Riccardo Chailly aus der Amsterdamer Zeit, aber seine Gesamtaufnahme bewerte ich nicht ganz so kritisch wie du. Er hat sicherlich keine "allgemeingültige Referenz" geschaffen, aber zumindest einzelne Sinfonien auf sehr hohem Niveau interpretiert.


    Interessant wäre es, nebenbei, gewesen, welchen Stellenwert Daniele Gatti bei Mahler eingenommen hätte. Ich kenne von ihm eine hervorragende Interpretation der 5. Sinfonie von 2011 und eine sehr unausgewogene Aufnahme der 2. Sinfonie von 2016 mit unerklärlichen und stellenweise maniriert wirkenden Tempowechseln.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Es ist aber schon merkwürdig, lieber Willi, dass ein Chefdirigent des Concertgebouw Orkest mit diesem nun wirklichen Mahler-Orchester ausgerechnet Mahler nicht richtig hinbekommt. Dass man in Holland besonders kritisch ist in diesem Punkt, liegt natürlich auch einfach daran, dass es diese große Mahler-Tradition des Orchesters gibt angefangen mit Mengelberg. Da ist die Messlatte hoch und die Erwartungen entsprechend. Ich finde auch, dass Chailly vom Naturell her eigentlich ein Bruckner-Dirigent ist. Da hat er seine große Stärken. Für Mahler fehlt ihm irgendwie das richtige Gefühl für die typische Mahler-Tonsprache.


    Das kann ich angesichts seiner viel gelobten und auch preisgekrönten Aufnahme der 9ten nicht nachvollziehen? Es war auch seine letzten Mahler-Eispielung mit dem Concertgebouw. Die Aufnahmen aus Leipzig kenne ich nicht, kann man denn von den Blu Rays nur die Tonspur extrahieren? Dann würde ich mir das evtl. besorgen. Aber ich möchte es unbedingt ohne Bild nur hören.
    Viele Grüße
    Christian

  • wer kommt schon an Haitinks (für mich) unübertroffene Aufnahme aus Chicago heran?


    Da muss ich mich kurz einhaken, denn da sind wir ziemlich einer Meinung, lieber Norbert. Um die Frage dennoch zu beantworten: Aus dem Stegreif würde ich sagen Horenstein (mit dem London Symphony Orchestra).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • wer kommt schon an Haitinks (für mich) unübertroffene Aufnahme aus Chicago heran?

    ... auf jeden Fall Vaclav Neumann - es gibt 2 Aufnahmen, Supraphon und die späte bei Exton. Jede Aufnahme hat natürlich ihre Meriten - Haitinks unglaubliche Feinsinnigkeit im 2. Satz z.B. Aber unübertroffen finde ich Neumann im Kopfsatz. Keiner vermeidet da so konsequent, dass die Musik zu episch wird und in Episoden zerfällt und hält den großen Spannungsbogen aufrecht. Vom vorzüglichen, immer wieder begeisternden Spiel der Tschechischen Philharmonie ganz zu schweigen - da sind die Amerikaner doch einen Tick nüchterner. Das Posthornsolo von Miroslav Kejmar ist einfach zum Hinschmelzen. Ich vermisse bisher bei Chailly doch die eigene Note jenseits von Routine. Boulez z.B. ist in der 1. eindeutig besser interpretatorisch, finde ich. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zitat

    Norbert: Das, finde ich, ist ein interessanter Aspekt. Du verweist zurecht auf Mengelberg,


    Auch Chailly hat sich mit Mengelberg und seinen Eintragunen in die Partitur beschäftigt. Wer die Leipziger Blu-Ray-Aufnahmen sein eigen nennt, weiß, dass auf jeder Blu Ray als Bonus ein kurzer Film mit Chailly enthalten war, in dem er zu dem jeweiligen Werk Stellung nahm, und zumindest in einem dieser Filme bezog er sich eingehend auf die Eintragungen Mengelbergs, die er schon während seiner Amsterdamer Zeit kenngelernt hatte, und wie er ihre Aussagen in seine Interpretaitonen mit einfließen lassen könnte. Ich kann aber jetzt nicht mehr genau sagen, in welcher Folge das der Fall war. Wie gesagt, waren bis letztes Jahr erst die Symphonien Nr. 2. 4. 5. 6 .7. 8 und 9 auf dem Markt. Erst Anfang dieses Jahres ist die Erste erchienen. Jetzt warte ich noch auf die Dritte, von der ich vor einiger Zeit hier im Forum gehört habe, dass sie auch mitgeschnitten worden sei, aber noch nicht veröffentlicht wurde. Übrigens, für Neo-Rauch-Anhänger: die Cover-Bilder sind von ihm, hier das Neueste:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Da muss ich mich kurz einhaken, denn da sind wir ziemlich einer Meinung, lieber Norbert. Um die Frage dennoch zu beantworten: Aus dem Stegreif würde ich sagen Horenstein (mit dem London Symphony Orchestra).


    Okay, lieber Joseph,


    es gibt schon eine knappe "Handvoll" Aufnahmen, die ich über alles schätze bzw. liebe: Da wäre Sir John Barbirolli (Hallé Orchester, Live-Aufnahme von 1969, die zudem hervorragend klingt), Rafael Kubelik (Audite, 1967, mit dem "besten Posthorn", das ich überhaupt jemals kennengelernt habe), da wären Lorin Maazel (Wien), Mariss Jansons (Concertgebouw), Kent Nagano oder Esa-Pekka Salonen. In der gesamten "Stimmigkeit" bleibt jedoch Bernard Haitink für mich unerreicht.


    Und, um den lieben Holger mit einzubeziehen: Ich kenne und besitze die Suparaphon Aufnahme mit Neumann, kann aber aus dem Gedächtnis heraus den Ausnahmerang weder bestätigen noch dementieren. Da ich aber Vaclav Neumann (nicht nur) als Mahler-Dirigenten sehr mag (fast noch mehr mit seinen Aufnahmen aus Leipzig als mit denen aus Prag), bin ich gerne geneigt dir zu glauben. ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • In sofern unterscheiden sich die Mahler Aufnahmen aus Amsterdam und aus Leipzig deutlich voneinander.


    Lieber Norbert,
    leider mußte ich gerade feststellen, sehr wenig Aufnahmen mit Chailly zu besitzen. Meine positiven Erfahrungen mit ihm beruhen auf persönlichem Erleben im Gewandhaus, und da sind Vergleiche schlicht nicht möglich. Sicher habe ich Chailly um die 20 x erleben dürfen, nicht nur glanzvolle Erlebnisse, auch Enttäuschungen (z.B. Bruckner 7). Aber bei Mahler war ich immer sehr begeistert (kleine Ausnahme zum Mahlerfest die 8., da konnten einige der Gesangssolisten das Niveau der von Arman einstudierten Chöre und des gesamten Orchesters besonders im 2. Teil nicht ganz erreichen).
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Das ist aber nur die 9., lieber Christian. ;)


    Schöne Grüße
    Holger


    Ja, lieber Holger! Aber genau darum geht es doch in diesem Thread, oder?
    Ich habe noch in seine 5te reingehört, fand ich nicht so stark, auch die 6te nicht.



    Die von Willi geposteten Aufnahmen aus Leipzig würden mich schon sehr interessieren.
    Deswegen nochmal meine Frage: Kann man hier nur die Tonspur extrahieren?


    Viele Grüße


    Christian

  • Ja, lieber Holger! Aber genau darum geht es doch in diesem Thread, oder?
    Ich habe noch in seine 5te reingehört, fand ich nicht so stark, auch die 6te nicht.

    Ich habe gerade Chaillys 9. gehört! Das ist wirklich eine Spitzenaufnahme. Da ist Chailly über sich hinausgewachsen! Gleich der Beginn ist schon beeindruckend: die quälende Schwermut als Stimmung. Die expressionistischen Härten kommen voll heraus. So ähnlich wie beim Jubiläumskonzert, wo Haitink die 4. auch so beeindruckend dirigierte, hat man das Gefühl, das Concertgebouw Orkest wächst bei solchen Gelegenheiten auch über sich hinaus. Das ist wirklich ein "Sprung" zu dem, was ich von Chailly vorher an Mahler gehört habe! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • So ähnlich wie beim Jubiläumskonzert, wo Haitink die 4. auch so beeindruckend dirigierte, hat man das Gefühl, das Concertgebouw Orkest wächst bei solchen Gelegenheiten auch über sich hinaus.


    Welche Aufnahme ist das? Die mit Christine Schäfer?
    Viele Grüße
    Christian

  • Zitat

    Norbert:
    Nicht nur, aber auch durch die deutsche Orchesteraufstellung, sind Chaillys Aufnahmen aus Leipzig "schlanker", transparenter im Klang, stellenweise (wesentlich) schneller im Tempo und des öfteren "geschärfter" in den Klangstrukturen.


    Das ist ja ein ganz neuer Aspekt, lieber Norbert, den du da am Beispiel Riccardo Chaillys auftust. Ich wusste bisher noch nicht, dass man aufgrund der unterschiedlichen Sitzordnung (amerikanische mit Celli gegenüber den 1. Geigen und Kontrabässe hinter den Celli und Bratschen rechts, 1. und 2. Geigen links) und deutscher (mit Celli links zur Mitte hin neben den 1. Geigen und Bratschen, 2. Geigen den ersten Geigen gegenüber so viel schneller spielen kann. Ich habe mal die Spielzeiten von Chaillys Amsterdamer Aufnahme der Neunten aus dem Juni 2004 mit der der Neunten in Leipzig im September 2013 verglichen (weiter s. u.)
    In letzter Zeit habe ich neben meinen ausgedehnten Klavierabenden auch zunehmend Orchesterkonzerte mit Orchestern beider Sitzordnungen erlebt, und zwar vorzugsweise mit dem Gürzenichorchester Köln und dem WDR-Sinfonieorchester Köln:


    Gürzenichorchester Köln



    WDR-Sinfonieorchester Köln


    Ich habe festgestellt, dass die Transparenz nicht nur von der Spielqualität abhängt, sondern auch von Fall zu Fall verschieden ist, je nachdem, was gespielt wird, da ich immer genau in der Mitte sitze, sozusagen mit den äußeren Orchesterecken ein gleichschenkliges Dreieck bilde. Dabei sitze ich in letzter Zeit bei Mahler nicht mehr in der 10. Reihe, sondern in der 4.. bis 6. Letztes Jahr im Juni hatte ich noch ein wunderbares Konzert in Köln mit dem WDR-Orchester und Saraste mit Dvoraks Cellokonzert (Gautier Capucon) und Mahlers Neunter. Die Kölner hatten die Celli in der Mitte rechts sitzen, also links von den zweiten Geigen die den ersten direkt gegenübersaßen.
    Es war ein ergreifendes Erlebnis, die zweiten Geigen so klar als Melodieinstrumente zu erleben, abgesehen davon, dass die Interpretation als Solche großartig war und nicht identisch ist mit der CD, die es von der Neunten unter Saraste gibt. Die stammt nach Meinung des Amazon-Rezensenten von einem Konzert aus dem Jahre 2009. Das Konzert aus 2017 ließ es an Expressivität und lyrischen Höhepunkten in keinster Weise fehlen.
    Das Gürzenich-Orchester wiederum preferiert die amerikanische Aufstellung, jedenfalls unter seinem jetzigen Chefdirigenten. Und auch da waren die Vorzüge dieser Aufstellung von Stück zu Stück in anderer Weise festzustellen, zuletzt als Saisonabschlusskonzert am 10. Juli am Schluss mit Beethovens Fünfter. Der Vergleich war interessant auch bei dieser Sinfonie mit dem WDR-Orchester, den ich nur wenige Monate vorher in der Gesamtaufführung aller neun Sinfonien innerhalb weniger Monate treffen konnte. Dass du, lieber Norbert, "geschärfte" Klangstrukturen festgestellt haben wirst, ist sicherlich der Aufnahmetechnik auf einer Blu Ray geschuldet, die meines Wissens einen größeren Frequenzgang hat als eine normale CD.
    Was ich nun für vollkommen unmöglich halte, ist, dass die Leipziger Aufnahme "auch" durch die deutsche Aufstellung um 10 Minuten kürzer sein soll als die Amsterdamer neun Jahre zuvor. Das kann nur daran liegen, dass Chailly in der Zwischenzeit zu anderen Tempovorstellungen gekommen sein muss.
    Alleine der Amsterdamer Kopfsatz ist mit 30:34 Minuten gegenüber dem Leipziger mit 26:17 Minuten um 4 1/4 Minuten länger, der Ländler 16:56 - 14:05 um 2:51 und die Rondo-Burleske 14:02 - 12:47 um 1 1/4 Minuten. Das sind alleine fast 8 1/2 Minuten, ohne die Berücksichtigung des Adagios, dessen genaue Zeit ich jetzt nicht vorliegen habe, das aber auf jeden Fall etwas kürzer ist als der Kopfsatz, so dass die 10 Minuten Differenz so zustande kommen.
    Anders verhält es sich z. B. mit der Spielzeit der Zweiten, die gesamt aus Leipzig, Mai 2011, mit 88:18 min. angegeben ist und aus Amsterdam, November 2001, mit 87:57 min.;
    Warum Chailly nun ausgerechnet bei der Neunten solche Zeitdifferenzen in beinahe jedem Satz aufweist, erschließt sich mir noch nicht unmittelbar. Ich müsste vielleicht in den nächsten Tagen mal das halbstündige Bonusmaterial auf der Blu Ray sichten. Vielleicht sagt der Maestro da ja was zu dem Tempo,


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Das ist ja ein ganz neuer Aspekt, lieber Norbert, den du da am Beispiel Riccardo Chaillys auftust. Ich wusste bisher noch nicht, dass man aufgrund der unterschiedlichen Sitzordnung (amerikanische mit Celli gegenüber den 1. Geigen und Kontrabässe hinter den Celli und Bratschen rechts, 1. und 2. Geigen links) und deutscher (mit Celli links zur Mitte hin neben den 1. Geigen und Bratschen, 2. Geigen den ersten Geigen gegenüber so viel schneller spielen kann.


    Lieber Willi,


    hm, da hätte ich nach dem "transparenter im Klang" besser einen Punkt gesetzt und kein Komma. ;)


    Mit den Tempovorstellungen eines Dirigenten hat die Sitzordnung nichts zu tun. In sofern bitte ich das entstandene Missverständnis zu entschuldigen.


    Die "geschärften Klangstrukturen" müssen auch nicht zwingend etwas mit der Orchesteraufstellung zusammenhängen. Sie sind mir aufgefallen im Vergleich der Mahler- (wenngleich ich nicht alle aus Leipzig kenne) und ibs. der Brahms-Sinfonien.


    Ich schätze die sehr "klangsatten", "warmen", mit nicht außergewöhnlichen Tempi versehenen Brahms Aufnahmen aus Amsterdam sehr. Mit dem Gewandhausorchester meint man einen anderen Dirigenten zu erleben: Die Tempi sind wesentlich schneller, das Klangbild ist "schlanker", transparenter, rhythmisch prägnanter.


    Es mag tatsächlich angehen, dass Chailly in seiner Leipziger Zeit einen "neuen Zugang" zu verschiedenen Werken gefunden hat.


    Und, nach Holgers Begeisterung werde ich mir Chaillys Aufnahme der 9. Sinfonie aus Amsterdam demnächst mal wieder anhören...


    Einen sehr starken Eindruck hat übrigens Kurt Sanderling bei mir hinterlassen:



    Die Einspielung entstand am 7. Dezember 1987 und weist den damals 85-jährigen Sanderling aus kundigen Mahler-Interpreten aus. Dazu demnächst näheres (auch diese CD wartet darauf, wieder einmal gehört zu werden...).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Norbert: Mit dem Gewandhausorchester meint man einen anderen Dirigenten zu erleben: Die Tempi sind wesentlich schneller, das Klangbild ist "schlanker", transparenter, rhythmisch prägnanter.


    Ich habe mir vorhin überlegt, lieber Norbert,


    dass es vielleicht nicht nur am "Gewandhausorchester" liegen mag, sondern am Gewandhaus an sich; denn wenn ich das Concertgebouw richtig erinnere, so hat der Konzertraum doch eine quaderförmige Ausdehnung, während das neue Gewandhaus eine neuneckige Grundfläche hat, entfernt ähnlich mit der Grundfläche der Kölner Philharmonie:
    seating-grosse-saal.png


    Sitzplan_037.jpg


    Möglichweise dehnt sich da der Schall zeitlich ganz anders aus als in einem quaderförmigen Konzertsaael und ein anderes Grundtempo wird notwendig. Ich werde vielleicht heute Abend noch einmal die Leipziger Aufnahme nachhören und die Nettozeiten aufschreiben, denn bei den Bruttozeiten kommt Chailly, zumindest in der Neunten, zuganz anderen Ergebnissen, wie sie m. E. innerhalb so kurzer Zeit (eniger als 10 Jahre) kaum zustand kommen könnten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • So, nachdem ich diese Aufnahme:


    noch einmal nachgehört und -gesehen habe, komme ich zu einer noch größeren Zeitdifferenz zwischen der Leipziger und der Amsterdamer Aufnahme, die eigentlich nur auf einer völlig neuen Beurteilung der Zeitmaße durch Chailly schließen lassen. Zur besseren Unterscheidung schreibe ich mal die Amsterdamer Satzzeiten in rot, die Leipziger in schwarz:


    Amsterdam 2004: 30:34 - 16:56 -14:02 - 28:27 -- 89:59 min.
    Leipzig....... 2013: 25:49 - 13:34 - 12:20 - 24:13 --- 75:56 min.


    Die Amsterdamer Aufnahme ist nun 14:03 Minuten länger, wobei sich dies folgendermaßen verteilt:
    1. Satz: + 4:45 min;
    2. Satz: + 3:22 min;
    3. Satz: + 1:42 min;
    4. Satz: + 4:14 min;
    Wenn man die Satzvorschriften bezüglich des Tempos ansieht, kann sicherlich nicht gesagt werden, dass die eine Aufnahme zu langssam sei oder die andere zu schnell, zumal ja beide Aufnahmen ihre Liebhaber haben oder es Leute gibt, die beide Aufnahmen mögen, so wie ich z. B.
    Ich habe mal zum Vergleich zwei Aufnahmen genommen, die zeigen, dass ein ähnlicher Zeitunterschied zwischen dem Amsterdamer und dem Leipziger Orchester besteht:
    Haitink, .......RCO, 6/1969: 27:01 - 15:56 - 12:57 - 24:42 --- 80:36 min.;
    Neumann, GHO, 11/1967: 24:48 - 15:21 - 13:10 - 22:32 --- 75:51 min.;


    Neumann ist zwar näher bei Haitink, ist aber mit dem Gewandhausorchester insgesamt sozusagen zeitgleich mit Chailly, nimmt nur den Ländler deutlich langsamer, ist dafür in den Ecksätzen etwas schneller.
    Ist der deutlichen Zeitunterschied zwischen den Aufnahmen aus dem Concertgebouw und dem Gewandhaus am Ende doch durch die Architektur und die Akustik bedingt?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wenn ich heute noch dazu komme, werde ich die DVD noch einmal durchhören und -sehen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass er sie wesentlich anders interpretiert hat als die 6 Jahre vorher entstandene New Yorker Aufnahme.


    nach der Wiedergabe mit den Berlinern 1979 änderte Lennie deutlich seine Auffassung von Mahlers 9.


    Die Aufnahmen mit den Concertgebouworkest (1986) und dem IPO (1985) beeindrucken mich in den ersten drei Sätzen sogar noch stärker, als seine früheren. Orchestersound mit dem IPO generell etwas dunkler als Concertgebouworkest ...
    Nur mit den zerdehnt rüberkommenden Adagio tu ich mich weiterhin sehr schwer.

    Im Kopfsatz: Andante comodo, wurde schnell klar, dass Bernstein nicht nur die lyrischen Stellen wunderbar musizieren ließ,


    Das gelang Lennie - finde ich - mit dem Concertgebouworkest (1986) und dem IPO (1985) besonders stark. Beide Wiedergaben (1986/85) zählen mit zu meinen Favoriten, was Mahlers 9. betrifft ....
    Es drängt sich beim Reinziehn Eindruck auf, dass das Andante dabei zuweilen schier kammermusikalisch aufgefächert wird. Und ganz am Ende vom Andante kommt das Pizzicato und Flagolett der Streicher besonders schneidend und schräg rüber. Mucke des Kopfsatzes zerbricht sich quasi selbst..

    Auf diese Weise wurde ein, wenn man das so sagen kann, moderner, ja auch nüchtern-dramarischer Mahler deutlich.


    Vor allem auch wieder beim Andante mit den Concertgebouworkest (1986) und dem IPO (1985).


    Der NDR-Kultur-Mitschnitt mit NDR-SO unter Gielen vom 26.09.10 kommt vergleichsweise emotionaler rüber, m.E. vor allem durch Färbung der Holzbläser bewirkt.. NDR-SO unter Gielen brauchte sogar ca. 2 bis 3 Minuten länger als Lennie 1986/85.


    Beim Ländler betonte Gielen das besonders das "gemächlich". Der 2. Satz beginnt mit dem NDR-SO quasi zeitlupenartig, so dass Mucke gespenstisch und kaputt gerät...


    Mir ist der im Vergleich zu Lennie (1986/85) kompaktere Zugriff vom Adagio im Mitschnitt unter Gielen näher. Und gruselig und beklemmend gestaltet Gielen am Ende der Adagio-Mucke deren Zersetzung und spurenlose Auflösung...

  • Der NDR-Kultur-Mitschnitt mit NDR-SO unter Gielen vom 26.09.10 kommt vergleichsweise emotionaler rüber, m.E. vor allem durch Färbung der Holzbläser bewirkt.. NDR-SO unter Gielen brauchte sogar ca. 2 bis 3 Minuten länger als Lennie 1986/85.

    Amfortas! Die Wunde! - Ich war wenige Tage zuvor am 23.09.2010 in diesem Konzert in der Laeiszhalle und was der damals bereits 83jährige Michael Gielen mit dem NDR-SO ablieferte, war schon großes Mahler-Kino! Leider ebenso unvergeßlich dann das Handyklingeln in die letzten morendo-endenden Takte hinein - Tatsächlich, es gibt auch in einem Mahler-Konzert Momente, in denen man töten könnte ... :cursing:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich habe vorhin eine Aufnahem eines anderen großen Mahler-Dirigenten zuende gehört und gesehen, der ebenfalls leider nicht mehr unter uns weilt, wie auch der gestern 100 gewordene Leonard Bernstein, das war der Nachfolger seines großen Konkurrenten Karajan in Berlin, Claudio Abbado, aber zum Zeitpunkt dieser Aufnahme schon längst nicht mehr in Berlin, sondern mit einem Orchester konzertierend, das, wenn es zusammen war, kaum von einem anderen Orchester Im Können erreicht werden konnte, das Lucerne Festival Orchestra:



    Dieses Orchester ist mit Solisten gespickt, vo denen ich in dieser Aufnahme sofort einige namentlich erkannt habe, und zwar in den
    ersten Violinen: Kolja Blacher, Sohn von Boris Blacher und unter Abbado Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern, sowie Sebastian Breuninger, 1. Konzertmeister beim Gewandhausorchester,
    Bratschen: Wolfram Christ, schon unter Karajan seit 1978 Solobratschist bei dern Berliner Philharmonikern, bis insgesamt 1999,
    Celli: Natalia Gutman,
    Trompeten: Reinhold Friedrich, langjähriger Solotrompter beim RSO Frankfurt und seit 1989 Professor in Karlsruhe, Christopher Dicken, Solotrompter bei der Deutschen Kammphilharmonie Bremen
    Klarinetten: Sabine Meyer, eine der weltweit führenden Klarinettistinnen (Primadonna assoluta)
    Flöten: Jacques Zoon, Soloflötist beim Royal Concertgebouw, Chamber Orchestra of Europe, Berliner Philharmonikern, Boston Symphony und ebenfalls Professor in Rotterdam, Indian, Boston, und seit 2002 in Genf und 2008 in Madrid;
    Pauken. Raymond Curfs, Solopaukist beim Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks;
    Raymond Curfs, Sebasrian Breuninger und Christopher Dicken habe ich schon öfter live erlebt.
    Diese Aufnahme von 2010 war schon eine denkwürdige, Abbado, gezeichnet vons seiner Krankheit, dennoch voll engagiert und konzentriert bei der Sache, im Tempo gegenüber dem zuletzt besprochenen Riccardo CHailly (Leipzig) doch um 7 bis 8 Minuten langsamer, aber keineswegs weniger mitreißend. Wie großartig das Konzert war, kann man auch daran ersehen, dass nach dem letzten Ton zweieinhalb Minuten absolute Ruhe war, bevor der Beifall wie ein Orkan losbrach und der ganze Saal nach einer Minute stand.
    Vor allem im abschließenden Adagio bestach das Orchester durch Transparenz noch im tiefsten dreifachen bis vierfachen "p", aber auch in allen Sätzen durch den gesamten dynamischen Raum an sich und das bei der Riesenbesetzung, wie ich hier im Forum ja schon verschiedentlich ausführte. Luzern hat eines der größten Podien, die ich kenne, und das ist bei jeder Mahlersinfonie proppevoll und dennoch transparent wie ein Kammerorchester, nicht so ein dumpfes Gewummere wie bei der von mir eingestellten Aufnahme der Fünften Beethoven mit Currentzis und seinem Orchester.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Gustav Mahler

    Sinfonie Nr.9 D-dur

    1: 30:09

    2.19:12

    3.16:14

    4.25:39

    Otto Klemperer

    Jerusalem Symphony Orchestra

    Live: BinyaneiHaUma Konzerthalle, 4.08.1970

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    Die Komposition eröffnet mit dem berühmten Andante comodo, das von vielen als die vollkommenste und genialste Zurschaustellung von Mahlers Fertigkeiten angesehen wird. Programmatisch beginnt der Satz mit der Verbildlichung der Schläge von Mahlers krankem Herzen. Im Laufe des Satzes kulminieren immer wieder die Gefühle zu teils wilden Ausbrüchen, welche sich aber gegen Ende wieder beruhigen, wenn auch mit einem fahlen Beigeschmack.Ein derber Ländler und eine verzweifelte Rondo-Burleske stellen die beiden Binnensätze dar. Erst im berührenden Finale, dem Inbegriff des Adagios, lässt Mahlers Geist von der treibenden Kraft seiner Existenz: von der Liebe. Dieser Satz ist das Intimste, was Mahler je geschrieben hat, und rührt immer wieder zu Tränen.

    Liebe Grüße

    Patrik

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Dieser Satz ist das Intimste, was Mahler je geschrieben hat, und rührt immer wieder zu Tränen.

    Ich habe im TV sogar eine Aufführung gesehen mit dem Mahler-Jugendorchester vor etlichen Jahren aus dem Konzerthaus Berlin, da hatten nicht nur Zuschauer feuchte Augen, auch einige der jungen Musiker konnten ihre Rührung nicht verbergen.

    Man kann das nur begreifen, wenn man den seelischen und körperlichen Zustand Mahlers zur Zeit der Entstehung der Sinfonie kennt. Kein Werk, selbst der Schluß von Bruckners 3. Satz der 9. oder "Im Abendrot" vom Richard haben es da schwer.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Otto Klemperer

    Jerusalem Symphony Orchestra

    Live: BinyaneiHaUma Konzerthalle, 4.08.1970

    zaP2_G6430440W.JPG

    Dieser ganz späte Mitschnitt kursiert seit Jahrzehnten inoffiziell in zweifelhafter Qualität. Was mich hier interessieren würde: Wie ist denn der Klang bei der Tobu-Veröffentlichung? Stereo ist die Aufnahme nach meiner Erinnerung ja immerhin allemal. Das Jerusalemer Orchester hat wohl auch teils ziemliche Schwierigkeiten mit dem alles andere als einfach zu spielendem Werk.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dieser ganz späte Mitschnitt kursiert seit Jahrzehnten inoffiziell in zweifelhafter Qualität. Was mich hier interessieren würde: Wie ist denn der Klang bei der Tobu-Veröffentlichung? Stereo ist die Aufnahme nach meiner Erinnerung ja immerhin allemal. Das Jerusalemer Orchester hat wohl auch teils ziemliche Schwierigkeiten mit dem alles andere als einfach zu spielendem Werk.

    Dies ist eine Stereoaufnahme, die Qualität ist gut.

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfan1 ()

  • Ich habe zu dieser Sinfonie schon allein deswegen eine besondere Beziehung, weil ich mehrmals den Ort der Entstehung in den Dolomiten, das "Komponierhäuschen" bei Toblach aufgesucht habe und dabei auch versucht habe, mich in die Zeit seiner Entstehung (1909) hineinzuversetzen. Krass empfand ich dabei den Gedanken, dass nur 6 Jahre später vielleicht 5 km entfernt die mit schlimmsten Schlachten des ersten Weltkrieges geschlagen wurden...

    Ich komme bei dieser Sinfonie einfach nicht damit klar, dass der erste Satz (insbesondere der Schlussteil) und das finale Adagio einfach in ihrer Abgeklärtheit und Schönheit überwältigen, dagegen die "plumpen" Mittelsätze mich eher abstoßen... Wie geht es Euch dabei?

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

  • Wie geht es Euch dabei?

    Im Prinzip genauso, aber das ist bei mehreren Mahler-Sinfonien der Fall (bei mir!!). Bei einem Satz könnte man feuchte Augen bekommen, beim nächsten Satz wäre Abschalten eine Option.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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