Ein großer Sänger spricht Klartext

  • Der weltberühmte Bariton Professor Dr. Bernd Weikl gibt unter dem Titel "Bernd Weikl höchstpersönlich" im Weikl-Museum in Bodenmais ein hoch interessantes Interview. Der Sänger, Regisseur, Wissenschaftler, Autor und engagierte Kämpfer für die Werte der Oper - so wie er sie sieht - antwortet in dem Interview auf die Fragen von Werner Huemer, die "WissensWerteWelt". Schwerpunktmäßig geht es in diesem Gespräch darum, welche Auswirkungen das Singen auf den Menschen und menschlichen Organismus hat. Die Stärke dieses Interviews ist, dass Weikl in der Lage ist, seine Aussagen mit Ergebnissen zu belegen, da er zu diesem Fragenkomplex eine wissenschaftliche Studie initiiert hat. Selbstverständlich wird auch die aktuelle Situation der Oper angesprochen und wir bekommen Futter für unsere unerschöpflichen Regietheaterdiskussionen und zwar von einem Fachmann, der selbst inszeniert hat. Erstaunlich und daher beeindruckend ist, wie offen Bernd Weikl über seine Erfolge und seine Flops spricht. Wie immer mache ich es spannend, denn jetzt kann noch nicht gelesen werden: Aber der Link folgt demnächst und dann hoffe ich auf viele Kommentare und eine lebhafte Diskussion.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber operus,
    mein Logopädie der selbst Tenor ist hat mit von einem 80jährigen Patienten erzählt, der nach einem Schlaganfall wenn er spricht stottert und das Sprechen sonst auch recht mühsam ist. Wenn er aber mit ihm die altbekannten Volkslieder singt, dann hat er wieder die kräftige Stimne von früher, wo er noch im Chor gesungen hat. Aber ich merke auch in meiner Arbeit im Altenheim auf den Geronto Stationen, daß auch wenn die Bewohner viel vergessen haben, die meißten kennen noch alle Lieder oder Gedichte auswendig.

  • Aber ich merke auch in meiner Arbeit im Altenheim auf den Geronto Stationen, daß auch wenn die Bewohner viel vergessen haben, die meißten kennen noch alle Lieder oder Gedichte auswendig.


    Lieber rodolfo39,


    das ist eine ganz hervorragende, lobenswerte Arbeit, die Du hier leistet. Kompliment und Anerkennung.


    Herzlichst
    Operus

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  • Lieber Hosenrolle1,

    Du bist der Beweis, wie rasch und aktuell wir Tamios reagieren. Danke für diese Aufmerksamkeit und Initiative, den Link einzustellen. Ich meine auch, wir beweisen gerade wieder eine Stärke unseres Forums, nämlich, immer am Puls des Geschehens zu sein und die aktuellsten und heißesten Informationen zu liefern. Bis die anderen aufwachen, läuft bei uns bereits die Diskussion. So ist es und so soll es auch bleiben.


    Herzlichst
    Operus

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  • Lieber operus,


    Lieber Hosenrolle1,


    Du bist der Beweis, wie rasch und aktuell wir Tamios reagieren. Danke für diese Aufmerksamkeit und Initiative, den Link einzustellen. Ich meine auch, wir beweisen gerade wieder eine Stärke unseres Forums, nämlich, immer am Puls des Geschehens zu sein und die aktuellsten und heißesten Informationen zu liefern. Bis die anderen aufwachen, läuft bei uns bereits die Diskussion. So ist es und so soll es auch bleiben.


    dein Lob für die Aufmerksamkeit nehme ich gerne und dankend an :)


    Von ein paar anderen Dingen, die du in Verbindung mit mir gesagt hast, möchte ich mich jedoch (u.a. auch im Hinblick auf die heutigen, sehr unschönen Ereignisse hier) lieber distanzieren; ich bin einfach nur „Hosenrolle1“, der ausschließlich seine eigenen Interessen verfolgt, und sich nicht als Teil einer Masse/Gruppe/Bewegung/etc. sieht, sich auch nicht vereinnahmen lässt. Dafür hast du sicher Verständnis :)


    Nochmal danke für das Lob,



    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

  • Zum eigentlichen Thema:



    Ich habe mir das Interview jetzt angehört; beim Thema Figaro und Salome bin ich natürlich aufmerksam geworden. Er berichtet hier über seine Inszenierung dieser beiden Opern.


    Bei der Salome sagt er wörtlich:


    Zitat

    Als der abgeschlagene Kopf zu ihr gebracht wurde auf einer sehr großen Schüssel, da war sie dann splitternackt und hat eben mit dem Kopf, mit dem blutenden Kopf, den hat sie sich überall über ihre nackten Brüste und überall drüber ge… Sie hat dann ihren Sex gehabt, mit dem abgeschlagenen Kopf.


    Ob der Komponist seine Freude damit gehabt hätte? Strauss schrieb:


    Zitat

    (…) denn was in späteren Aufführungen exotische Tingeltangeleusen mit Schlangenbewegungen, Jochanaans Kopf in der Luft herumschwenkend, sich geleistet haben, überstieg oft jedes Maß von Anstand und Geschmack!

  • Zitat

    denn was in späteren Aufführungen exotische Tingeltangeleusen mit Schlangenbewegungen, Jochanaans Kopf in der Luft herumschwenkend, sich geleistet haben, überstieg oft jedes Maß von Anstand und Geschmack!


    Die zeitgenössische österreichische Zensur fand, generell, daß dieses Stück jedes Maß von Anstand und Geschmack übersteige...




    Zitat

    „… abgesehen von mehr textuellen Bedenken kann ich über das Abstoßende des ganzen Sujets nicht hinaus und kann nur wiederholen: Die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne.“


    – Dr. Emil Jettel von Ettenach: Schreiben des Hofzensors an Staatsopern-Direktor Gustav Mahler, 31. Oktober 1905


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • was m.E. zum Erfolg der Salome beigetragen hatte...


    Auch Kaiser Wilhelm war ja nicht amüsiert. Das Ergebnis seiner Aussage, daß diese Oper Richard Strauss schaden würde ist ja bekannt. Seine Villa in Garmisch.
    Ich bekenne mich als Riesenfan der Salome (die Handlung ist nicht nachahmenswert), die Musik ist genial!! Und dann noch richtige Sänger! Schauererlebnis garantiert.
    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Von ein paar anderen Dingen, die du in Verbindung mit mir gesagt hast, möchte ich mich jedoch (u.a. auch im Hinblick auf die heutigen, sehr unschönen Ereignisse hier) lieber distanzieren; ich bin einfach nur „Hosenrolle1“, der ausschließlich seine eigenen Interessen verfolgt, und sich nicht als Teil einer Masse/Gruppe/Bewegung/etc. sieht, sich auch nicht vereinnahmen lässt. Dafür hast du sicher Verständnis


    Lieber Hosenrolle,

    ich weiß zwar nicht, wann ich Dir das Etikett einer Gruppe angeklebt hätte? Wenn ja dann Sorry. Obwohl ich eher traditionell geprägt bin wehre auch ich mich, einer Gruppe anzugehören. Ich halte eine starre Gruppenbildung für eine offene, Übereinstimmung anstrebende Diskussion für kontraproduktiv. Ausserdem sind für mich zu einseitige Standpunkte und Glaubenssätze in der Regietheaterfrage fachlich nicht haltbar. Ich habe jedoch Respekt, davor, wenn eine Meinung begründet vertreten und durchgehalten wird.


    Ob der Komponist seine Freude damit gehabt hätte? Strauss schrieb:

    Ich habe die Salome-Inszenierung damals in Kaiserslautern gesehen und darüber auch geschrieben. Das war ein großer Wurf. Die Nacktszene am Schluss war so gekonnt gemacht, dass jeder Anflug von Obszönität vermieden wurde. Das ist ja das Geheimnis, dass man gewagte Szenen so inszenieren kann, dass sie nicht anstößig wirken und dies ist bei Weikls damaliger Salome-Inszeinierung gelungen.

    Herzlichst

    Opers

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Nachdem ich mir das Interview auch angehört und angesehen habe, bin ich erstaunt und erfreut zugleich, im Regisseur Bernd Weikl einen Vertreter des hier oft gescholtenen so genannten Regietheaters gefunden zu haben. Das hatte ich so nicht erwartet. :) Eine splitternackte Salome, die am Schluss Sex mit dem abgeschlagenen Kopf des Jochanaan hat, dessen Blut sie sich dabei auf dem Körper verteilt, das steht so nicht bei Strauss. ;) Das ist Regie! Im übrigen bin ich im Gegensatz zu Operus der Meinung, dass die Oper "Salome" anstößig sein wollte und sein muss. Weikl wählte - wenn ich ihn richtig verstanden habe - offenbar eine sehr radikale Variante und scheute nicht die "Verunstaltung" ;) . Regisseure stehen immer vor der fast unlösbaren Ausgaben, wie man das darstellen soll. Insofern stimme ich Caruso zu, dessen Beitrag ich erst gelesen hatte nachdem ich den meinen abschickte.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • ....Salome-Inszenierung damals in Kaiserslautern ...., dass jeder Anflug von Obszönität vermieden wurde.


    Lieber Operus!
    Ja, gibt es denn irgendo weniger Obzönität als in der Salome?
    Wenn man die vermeidet, verfehlt man dann nicht das Stück?
    Ich will mich nicht in Regietheaterdiskussionen verstricken.
    Also nimm es einfach als eine Fage, die zu Nachdenken anregen soll.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ein aufschlussreiches Interview, das mir die Augen über diesen hochgelobten Sänger etwas weiter geöffnet hat, als ich ihn bisher wahrgenommen habe. Zum Glück werden wir von seiner heiß ersehnten Inszenierung eines schwulen Eugen Onegin verschont bleiben.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zum Glück werden wir von seiner heiß ersehnten Inszenierung eines schwulen Eugen Onegin verschont bleiben.

    "wir" => Sprachrohr aller User.
    und weitere Variante der RT-Diskussion.Es wird sogar über Inszenierungen debattiert, die es gar nicht gibt. Das könnte selbst den Hannover Freischütz-Thread in den Schatten stellen.

  • Lieber Operus!


    Ja, gibt es denn irgendo weniger Obzönität als in der Salome?


    Wenn man die vermeidet, verfehlt man dann nicht das Stück?


    Lieber Caruso, lieber Rüdiger,

    offensichtlich kann ich mich nicht mehr ganz klar ausdrücken. Selbstverständlich wurde Nacktheit und eine Art "Vermählung" von Salome mit dem Kopf des Jochanaan sehr deutlich gezeigt. Muss aber Obszönität immer brutal, breit ausgetreten werden? Im Pfalztheater in Kaiserslautern wurde diese Szene trotz aller Deutlichkeit in ästhetischer Form verwirklicht. Keine Verfehlen des Stückes, sondern große Regiekunst.

    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zit. Rheingold1876: "Nachdem ich mir das Interview auch angehört und angesehen habe, bin ich erstaunt und erfreut zugleich, im Regisseur Bernd Weikl einen Vertreter des hier oft gescholtenen so genannten Regietheaters gefunden zu haben. Das hatte ich so nicht erwartet"


    Entschuldige bitte, lieber Rheingold, aber eben tust Du dem guten Herrn Weikl unrecht!
    Darf ich Dir noch einmal zitieren, was er gesagt hat?
    Der Interviewer hält ihm vor:
    „Sie sind kein Vertreter erzkonservativer Inszenierungen, in denen im Grunde nichts passiert. Aber es geht Ihnen um eine Psychologie, eine Personenführung, eine Regie, die sich aus den Werken heraus entwickelt, sich entwickelt.“
    Antwort Weikl:
    „Aus der Partitur, natürlich!“
    Seine Salome-Regie wurde - einschließlich der hier angesprochenen Szene - genau in diesem Sinn „aus dem Werk heraus“ entwickelt.

  • Wie immer man zu "Exzessiven" Ausdeutungen der Handlung steht - es ist keine Verfremdung
    Man kann aber durchaus der Auffassung sein, daß derlei "unappetitlich sei" Wie übrigens das ganze Stück, wie der österreichiese Zensor (er gilt NICHT als Hardliner sondern vertrat eine zu seiner Zeit eher moderate Linie, wie man auch an der milden Formulierung der Ablehnung des Stückes erkennen kann)
    Ich hab es hier ganz einfach - ich mag auch die Musik nicht, bleibe lieber bei Mozart, Dittersforf und Cimarosa...


    Aber weil ich soeben (unzulässigerweise ?) zu Mozart abgeschweift bin:
    Die Szene, wo Don Giovanni den Komtur ermordet (eigentlich nicht ermordet, sondern im Kampf tötet) wurde über Jahrzehnte hindurch sehr dezent gespielt.
    Der Komtur singt getroffen nieder und stirbt. Heute kann man auch jede Menge Blut spritzen sehen.....


    Geschmacksache.


    Aus meiner Sicht sollte Kunst dezent beschönigen
    Das hat man "immer" so gehalten,
    Man verreckte nicht blutüberströmt auf dem Schlachtfeld über einem Leichenberg , sondern starb "den edlen Heldentod"


    Wie auch immer das ist alles noch im Normalbereich
    Wir dürfen hierbei nicht vergessen, daß man dereinst sogar "Cosi fan tutte" als "amoralische" Oper gesehen hat, von "Carmen" gar nicht zu sprechen. In einem uralten Opernführer stand ca 1913 daß dieses Stück nur durch seine Musik überhaupt eine Daseinsberechtigung habe....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aus meiner Sicht sollte Kunst dezent beschönigen
    Das hat man "immer" so gehalten,
    Man verreckte nicht blutüberströmt auf dem Schlachtfeld über einem Leichenberg , sondern starb "den edlen Heldentod"

    Es tut einen leid, derlei Erwartungen an Kunst bzw. Einschätzungen zu enttäuschen.


    Aber Kunst kommt prinzipiell nicht gerade dezent rüber und meint es eigentlich selten besonders "gut".


    Weder z.B. bei Homer (Odyssee aus 9. Gesang):


    ... Darauf gab er mir, ohne Erbarmen, keinerlei Antwort,nein, sprang auf und reckte die Arme nach meinen Gefährten,
    packte zwei und schlug sie, wie Hunde, gegen den Boden;
    auf den Felsgrund spritzte ihr Hirn und netzte die Erde.
    Glied für Glied zerlegte er sie, zum Schmaus für den Abend,
    schlang sie restlos hinunter, vergleichbar dem Löwen der Berge,
    alles, die Eingeweide, das Fleisch wie das Mark mit den Knochen.
    Auf zum Kroniden erhoben wir weinend die Hände beim Anblick
    dieses entsetzlichen Mahles, doch konnten nicht raten, nicht helfen.
    …..
    … Und seinem Schlunde entquollen
    Wein und Menschenfleischbrocken; im Rausch erbrach sich der Riese
    …….
    …. Kräftig packten den Pfahl sie und stießen die Spitze dem Riesen
    tief in das Auge. Ich stemmte mich über das Ende und drehte,
    ganz wie ein Meister den Drillbohrer preßt in das Holz für den Schiffsbau,
    während die Helfer darunter den Riemen beiderseits kräftig
    packen und ziehen, so daß der Bohrer beharrlich herumschnurrt:
    ebenso drehten im Auge des Riesen die glühende Spitze
    kräftig wir um, und heiß umquoll sie das Blut, das hervorbrach.
    Völlig versengte der Gluthauch, während der Augapfel brannte,
    Brauen und Lider; die Augwurzel zischte im Wüten der Flamme.
    Wie ein Schmied die gewaltige Streitaxt oder das Schlichtbeil
    unter betäubendem Zischen eintaucht ins eiskalte Wasser,
    um sie zu härten; denn darauf beruht die Härte des Eisens:
    so umzischte die Spitze des Ölbaumholzes das Auge.
    Fürchterlich heulte der Unhold auf, rings gellte der Felsen.
    Grausen ergriff uns, wir stoben davon. Wild zerrte der Riese
    sich aus dem Auge den Pfahl, den das quellende Blut überströmte….

    Noch z.B. bei Shakespeare wirds ausgespart.


    z.B. 2. Titus Andronicus Akt 4. Szene:
    ... Tamoras Söhne kommen mit der geschändeten Lavinia. Ihre Hände sind abgehackt, ihre Zuge
    herausgeschnitten.

    Demetrius: Geh, sprich, wenn deine Zunge sagen kann,Wer sie dir abschnitt und dich schändete !
    Chiron: Schreib’s auf ! So kannst du sagen, was du weißt.
    Wenn’s deine können, schreib mit ihnen ……..

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  • Die Szene, wo Don Giovanni den Komtur ermordet (eigentlich nicht ermordet, sondern im Kampf tötet) wurde über Jahrzehnte hindurch sehr dezent gespielt.
    Der Komtur singt getroffen nieder und stirbt. Heute kann man auch jede Menge Blut spritzen sehen.....


    Das mit dem "dezent" stimmt leider. Die Musik verrät (wie ich auch hier veranschaulicht habe), dass Don Giovanni den Komtur nicht nur einmal trifft, sondern noch ein paar Mal auf den bereits zu Boden sinkenden Komtur einsticht. Spritzendes Blut habe ich in dieser Szene bislang noch keines gesehen, das bräuchte ich jedoch auch nicht - die Tatsache, dass Giovanni hier noch extra ein paar Mal zusticht, um sicherzugehen, dass der Komtur draufgeht, ist brutal genug.


  • Das mit dem "dezent" stimmt leider. Die Musik verrät (wie ich auch hier veranschaulicht habe), dass Don Giovanni den Komtur nicht nur einmal trifft, sondern noch ein paar Mal auf den bereits zu Boden sinkenden Komtur einsticht. Spritzendes Blut habe ich in dieser Szene bislang noch keines gesehen, das bräuchte ich jedoch auch nicht - die Tatsache, dass Giovanni hier noch extra ein paar Mal zusticht, um sicherzugehen, dass der Komtur draufgeht, ist brutal genug.


    Genau das meine ich. Auch hier gilt: weniger ist mehr. Wenn die blutjunge Salome in Weikls Inszenierung -die übrigens eine wundervoll anzusehende Frau war - nackt, wie Gott sie schuf mit dem Kopf des Propheten kindhaft-neugierig und dennoch mit viel Erotik spielte, dann war das eine äußerst eindrucksvolle Szene. Jede weitere Steigerung hätte diese Stimmung zerstört. Wobei Weikl im Interview durch eine sprachlich recht derbe Schilderung einen martialischen Eindruck schuf.

    Herzlichst

    Operus

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  • Selbstverständlich wurde Nacktheit und eine Art "Vermählung" von Salome mit dem Kopf des Jochanaan sehr deutlich gezeigt. Muss aber Obszönität immer brutal, breit ausgetreten werden? Im Pfalztheater in Kaiserslautern wurde diese Szene trotz aller Deutlichkeit in ästhetischer Form verwirklicht. Keine Verfehlen des Stückes, sondern große Regiekunst.


    Lieber operus, Du hast Dich sehr klar ausgedrückt, so dass auch ich es verstand. ;) Es ist ein Wahrnehmungsproblem zwischen uns bei der Frage, was brutal und öbszön ist. Darauf können wir offenbar keine Antwort finden, auch deshalb nicht, weil Du diese Aufführung erlebt hast, ich aber nicht. Deshalb hatte ich mich auch nicht direkt auf die Insznierung bezogen sonder auf das, was der Regisseur Bernd Weikl selbst schildernd dazu sagt. Ich bin mal wieder in die alte Falle getappt indem ich mich zu einer Sache dem Hörensagen nach äußerte. Deshalb wäre es besser, gar nichts zu sagen und das von Dir empfohlene Interview als das zu nehmen als das, was es ist - ein ganz normales Interview.

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    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent


  • Lieber Helmut, das kann ich leider nicht nachvollziehen. Dazu reicht meine Phantasie nicht aus. Das letzte, was ich beabsichtigt hatte, war, Herrn Weikl unrecht zu tun. Ich gebe allerdings zu, dass ich in lieber singen höre. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der weltberühmte Bariton Professor Dr. Bernd Weikl gibt unter dem Titel "Bernd Weikl höchstpersönlich" im Weikl-Museum in Bodenmais ein hoch interessantes Interview.
    der Link folgt demnächst
    und dann hoffe ich auf viele Kommentare und eine lebhafte Diskussion.

    Lieber Hosenrolle1,
    Du bist der Beweis, wie rasch und aktuell wir Tamios reagieren. Danke für diese Aufmerksamkeit und Initiative, den Link einzustellen.


    Lieber Operus und HR 1
    Ich habe mir dieses Interview mit großer Freude und wachsendem Interesse angehört /angesehen und möchte mich bei Euch beiden
    für den Hinweis und den Link ganz herzlich bedanken. Kann und möchte ich unbedingt empfehlen.
    Interessant sind nicht nur seine Ausführungen zu musikalischen Themen, sondern auch das Berühren und Abstreifen in das Gebiet der Psychologie.
    Im Interview erzählte Prof. Weikl, daß Pavarotti ihn mit nach Paris genommen hat und er dort aber jeden Abend ausgebuht wurde.
    Leider sagte er aber nicht bei was und auch nicht warum. Weiß das jemand?
    Schön auch am Schluß das kurze musikalische Ausblenden mit dem Leiermann. Ein Lied, was ich aus der Winterreise besonders mag.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Im Interview erzählte Prof. Weikl, daß Pavarotti ihn mit nach Paris genommen hat und er dort aber jeden Abend ausgebuht wurde.


    Lieber Chrissy,

    das weiß ich auch nicht. Es beweist jedoch Selbstbewußtsein und Größe, wenn jemand so offen mit seinen Flops umgeht, wie es Weikl kann.
    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich kam erst heute dazu, mir das Interview mit Bernd Weikl vollständig anzusehen.
    Es war zu erwarten, dass gerade die Aussagen über die Inszenierung der „Salomé“ heftiger diskutiert würden. Dennoch empfand ich diese Darstellung nicht – wie Rheingold – als das, was ich unter Regisseurstheater verstehe. Die genannten Szenen der „Salomé“ sind nun einmal obszön, und - hier stimme ich Caruso zu – wäre das Stück nicht verfehlt, wenn sie nicht auch dargestellt würden?
    Ich habe nichts gegen Nacktheit auf der Bühne dort, wo sie in das Stück gehört, nach der Partitur vertretbar ist und nicht – wie heute vielfach üblich – mit der Holzhammermethode dem Zuschauer aufgedrängt wird. Zur Holzhammermethode gehört auch das übermäßige Blutverspritzen und manches andere.
    Für mich ist wesentlich, dass sich der Regisseur an die Partitur hält und das Stück – wie in dem Interview gesagt - „aus dem Werk heraus entwickelt“. Jede zwanghafte Verlegung des Werkes in eine andere Zeit oder einen anderen Ort, jede „Neuerschaffung“ der Handlung nach Gutdünken des Regisseurs, jedes Hinzufügen dummer Mätzchen, die nicht in dem Werk vorgesehen sind, jede Veralberung sind für mich üble Verunstaltungen des Werkes. Das ist das, was ich unter Regisseurstheater verstehe
    Nicht dagegen ist einzuwenden, wenn der Regisseur bestimmte Details des Werks betonen will (wie z.B. Beckmesser auf der Standleiter). Ich habe auch gesagt, dass ich gewisse Auffassungen durchaus akzeptieren kann, wie ich es hier schon an Harry Kupfers Bayreuther Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ beschrieben habe, in dem er das Ganze als Phantasiegebilde Sentas inszeniert, dabei aber die Handlung weder verlegt noch deren Ablauf verändert(bis auf die kleine Abweichung am Schluss, wo sich Senta nicht ins Meer stürzt, sondern – eigentlich folgerichtig – aus dem Fenster wirft). Dass dabei Senta, wenn sie nicht gerade in das (Original)geschehen eingreift, während es gesamten Stücks auf einer Empore im Bühnenraum sitzt (also alles innerlich erlebt) stört die Handlung keineswegs, sondern ist folgerichtig. Nichts hingegen hat für mich der „Fliegende Holländer!“ in einer Ventilatorenfabrik noch in einem Kontor, wo die Sekretärinnen beim Spinnerlied Akten herumschleppen, zu suchen, ebenso wenig wir Tannhäuser in einem Biogasbehälter usw.usw.
    Ich selbst teile zwar nicht die Auffassung von Bernd Weikl, dass Onegin schwul ist, was man in seinen Worten Tatjana gegenüber aber durchaus herauslesen könnte. Aber auch hier hätte Weikl – wenn ich es richtig verstanden habe – die Handlung durchaus nicht angerührt, sondern wohl lediglich die Todesszene und den Schluss etwas anders betont, eine Veränderung, die wohl manchem Zuschauer garnicht als Abweichung vom Stück aufgefallen wäre.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich habe nichts gegen Nacktheit auf der Bühne dort, wo sie in das Stück gehört, nach der Partitur vertretbar ist und nicht – wie heute vielfach üblich – mit der Holzhammermethode dem Zuschauer aufgedrängt wird. Zur Holzhammermethode gehört auch das übermäßige Blutverspritzen und manches andere.

    Merkwürdig, da wurde wohl 2018 einiges verpasst z.B. Aida, Verkaufte Braut in Hannover, Götterhämmerung in Kiel, weil ohne Anlass für derartige „Beanstandungen“.
    Doch mit deinen gründlichen Kenntnissen, weil diese kraft regelmäßiger Besuche aktueller Opernproduktionen 2018 unterfüttert, wirst du sicherlich in der Lage sein, die zahlreichen aktuellen Inszenierungen aufzuzählen („wie heute üblich“), welche die echten Werke durch Nacktheit und übermäßiges Blutspritzen verunstalten, weil nicht gemäß Partitur bzw. Libretto. Bereits sehr gespannt auf die Ergebnisse.

  • Itrengwie lustig. Wenn die Oszönität und Nacktheit und die hässlichste Ästhetik des Hässlichen von Weikl stammt, vor der man sonst wie vor einem mit der Pest Behafteten davonläuft, ist sie auf einmal genehm und "werktreu". Das nur als Randnotiz! Manchmal gibt es doch wundersam-überraschende Bekehrungen! Nach der Opern-Komödie gestern (Don Giovanni) heute morgen gleich die nächste! Der Tag ist gerettet! :D :D :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Für mich ist wesentlich, dass sich der Regisseur an die Partitur hält und das Stück – wie in dem Interview gesagt - „aus dem Werk heraus entwickelt“.


    Bernd Weikl konfrontiert uns mit der Ambivalenz, die unsere Diskussionen über das Regietheater und einen die Oper lebend und lebendig haltenden Regiesitil prägen, komplizieren und letztlich unlösbar machen Ich empfinde recht deutlich, dass Bernd Weikl eine Inszenierung als eine Herausforderung sieht, sich mit dem Stück auseinanderzusetzen, es kritisch zu hinterfragen, es weiterzudenken, es weiterzuführen und letztlich neu zu interpretieren aber und das ist sein Credo das Neue muss die Ideologie, den Geist des Werkes bewahren und aus der Partitur, also der Musik heraus entwickelt werden. Weikl zeigt mit seinem lauten Nachdenken über eine Neuinszenierung von Eugen Onegin auch auf, wie extrem weit er Neuerungen fasst, wenn der die Beziehung von Onegin und Lenski als homophil sieht und auch so zeigen würde. Vereinfacht ausgedrückt: Neuerungen -auch weitgehende - sind erlaubt, wenn sie noch den Geist des Werkes atmen. Nicht mehr legitim wäre, wenn das Werk auf den Kopf gestellt, die Auslegung Text und Musik geradezu widersprechen würde. Dafür zwei Beispiele: Wenn im "Tannhäuser" Wolfram Elisabeth in eine Art Gaskammer schiebt und diese von aussen verschließt. Wenn der Wassermann in Rusalka als Kinderschänder dargestellt wird, entspricht diese Darstellung weder der Intention des Textes, noch dem Wollen des Komponisten. Wolfram ist im "Thannhäuser" besonders in seinem Preislied der enschiedenste Kämpfer für die hohe himmlichsche Liebe. Ist das dann noch der Geist des Werkes und der Liebe, die der Minnsägner so leidenschaftlich beschwört , wenn dieser Wolfram Elsabeth hinrichtet? Der Wassermann ist die Inkarnation einer gütigen Vaterfigur, der seine Nixen und vor allem Rusalka vor den Verführungen durch sündige Menschen bewahren will. Das kommt in Dvoraks Musik und im Gesang des Wassermanns genial zum Ausdruck. Kann dieser weise Vater ein Kinderschänder sein? Darf man das Schicksal von Entführungopfern und die ungeheuren Verbrechen eines sadistischen Verbrechers so auf die Bühne bringen, wie es sich Kusjev wagt? -(Der Fall Natascha Kampusch..lässt grüssen) - Rusalka vegetiert mit ihren Nymphen in einem feuchten Kellergefängnis der Wassermanns der sich die Eingesperrten zu wiederlichster Lustbefriedigung gefügig macht. Meines Erachtens nicht, weil diese Auslegung in keiner Weise mehr dem Text und der Musik entspricht.

    Können wir dem Pfad folgen, den uns Bernd Weikl weist? Das hieße: Nicht mehr grundsätzlich kontovers über und gegen traditionelle oder moderne Inszenierung und die Verfasser dieser Beiträge zu diskutieren, sondern als Maßstab die schlichte Fragestellung nehmen. Entspricht diese Interpretation des Regisseurs dem Text, der Musik dem Geist des Werkes und ist sie eine gelungene Neudeutung im Rahmen dieser Forderungen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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