Strauss - Der Rosenkavalier

  • Lieber Waldi,


    dann lag ich mit dem Leiblakai und unehelichen Sohn ja doch nicht falsch.


    Natürlich hast Du Recht: der Film ist in vielfacher Hinsicht eine andere Sache, aber doch sehr interessant in Bezug auf die physiognomischen und charakterlichen Vorstellungen Hofmannsthals und seines "Weiterdenkens" des ursprünglichen Textes.


    :hello: Rideamus

  • Zitat


    Original von Rideamus
    . Die Figur ist von dem Dichter kräftig genug gezeichnet, so dass der Darsteller eher mildern und verschönern soll, statt das Derbe und Unsympathische noch zu utnerstreichen. "


    Lieber Rideamus,


    da hat Strauss Hofmannsthal wohl falsch verstanden. Hofmannsthal hat den Ochs nicht derb und unsympathisch gesehen. Bei den gemeinsam mit Kessler (dessen Erwähnung in diesem Thread noch gar nicht erfolgt ist) erarbeiteten Charakteristika der Figuren hat Hofmannsthal "seinen Ochs" niemals als dummen Rüpel gesehen sondern als "Kerl, ein rusticaler, im Falstaff stecken gebliebener kleinaldliger Don Juan, ein Luder ist er aber kein Vieh, gar nicht ohne Kraft, nicht ohne Humor, sonst wäre er mir als Hauptfigur unerträglich."


    Thomas hat ihn hier oben im Thread m.E. im Sinne Hofmannsthals charakterisiert.


    Einig waren sich Hofmannsthal, Strauss und Kessler, dass die Figur des Ochs eines hervorragenden Darstellers bedarf. Sie stellten sich ihn keineswegs so vor, wie wir ihn immer wieder auf der Bühne sehen. Weder alt noch dick. Aber das ist ja oben bereits erwähnt worden.


    Ich würde es begrüßen, wenn in diesem Thread etwas zur Entstehungsgeschichte des "Rosenkavalier" geschrieben würde. der ja ganz anders heißen sollte. Da musste Pauline Strauss wieder einmal ein Machtwort sprechen, dass die Oper "Der Rosenkavalier" wurde.


    :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Emotione


    Lieber Rideamus,


    da hat Strauss Hofmannsthal wohl falsch verstanden. Hofmannsthal hat den Ochs nicht derb und unsympathisch gesehen.


    Liebe Emotione,


    ich bin vollauf mit Dir einverstanden, glaube aber nicht, dass Strauss etwas anderes gemeint hat, wenn er "kräftig genug" schrieb. Natürlich ist das "Derbe und Unsympathische" in der Figur enthalten, aber genau das sollte man nicht MEHR betonen als Hofmannsthal es schon ausgedrückt hat.


    Natürlich gibt es zu der Oper und ihrer Vorgeschichte noch viel zu sagen, und es steht Dir frei, denke ich, das jederzeit einzubringen. Ich möchte für's Nächste aber dem Threadstarter Thomas folgen und mich vorerst noch auf die Figuren konzentrieren.


    :hello: Rideamus

  • Meine Lieben,


    Gestern feierte ich beglücktes Wiedersehen und -hören mit der Karajan-Inszenierung von 1984, merke aber von Euch noch keine Reaktion. Höflich-schweigende Ablehnung? Stumm vor Entzücken? Nicht einmal ignorieren? Oder habe ich Tölpel irgendwo schlicht etwas übersehen?


    Für mich jedenfalls gehört diese Inszenierung zu den besten Regieleistungen Karajans; gleicherweise überwältigen die Kostüme Erni Knieperts und mit leichtem Abstand das Bühnenbild Teo Ottos - gute alte Zeit sozusagen. Wunderbar die schrille Ausstattung in Faninals Palais (auch in seinem Festkostüm).
    Die Besetzung ist deliziös. Sicher hat HvK schon einen klareren und silbrigeren "Rosenkavalier" dirigiert, aber trotzdem - man bewegt sich hier auf so hohem Niveau, im "Rosenkavalier"-Olymp quasi, daß man nicht kleinlich sein braucht. Anna Towowa-Sintow: Eine berührende, sehr noble Marschallin, schon recht reif im Typ. Janet Perry: Eine entzückende Sophie (die auch das Erwachen zu fraulichem Empfinden ebenso zart wie deutlich vermittelt). Agnes Baltsa: Wunderbar, vor allem, wie sie zum Ausdruck bringt, daß Octavian die Signale, die die Marschallin doch aussendet, nicht versteht, weil er eben eine andere Generation ist. Wenn er dann Sophie trifft, funktionieren diese stillen Signale bei ihm ohneweiters. Moll: Ein nahezu pefekter Ochs (nur etwa der "Saafensiader" war etwas zu dick aufgetragen). Heinz Zednik: Ein Glücksfall von Valzacchi. Gottfried Horn als Faninal: Großartig. Die Lipp als Leitmetzerin und Terkal als Wirt: Das waren tatsächlich luxuriöse Zeiten. Helga Müller-Molinari als Annina sehr gut, Kurt Rydl als Kommissarius detto - die Liste ließe sich fortsetzen.
    Sagt mir, bin ich hier sentimental verblendet? Oder gibt es jemanden, der meine begeisterte Aufwallung versteht (bei Knuspi kann ich es mir in punkto Inszenierung durchaus vorstellen)?


    LG


    Waldi

  • Hallo Walter,


    ich habe in den Rosenkavalier gestern nur etwa 20 Minuten reingeschaut, kann dazu also wenig sagen, ausser, dass mir diese 20 Minuten nicht übermässig gefallen haben. Sehr gut finde ich allerdings die uralte EMI-Aufnahme mit Karajan und wenn es auch optische Reize bieten soll dann lieber den Wiener Rosenkavalier mit Carlos Kleiber auf DG-DVD (wobei mir diese Inszenierung auch etwas staubig ist (aber die Sänger sind lebendige, überzeugende Schauspieler), aber ich kann damit leben)


    :hello:

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  • Lieber Thomas,


    Der frühere Karajan-"Rosenkavalier" ist natürlich noch besser, keine Frage (das wollte ich ja oben auch andeuten). Und alle Kleiber-Aufnahmen, Vater und Sohn , sind klarerweise bedingungslos anbetungswürdig.


    LG


    Waldi

  • Zitat


    Original von Walter Krause
    Sagt mir, bin ich hier sentimental verblendet? Oder gibt es jemanden, der meine begeisterte Aufwallung versteht


    Deine Begeisterung kann ich voll und ganz teilen. Man muss auch einmal die grandiosen Kleiber-Rosenkavaliere außer Acht lassen. Diese Inszenierung ist Karajan wirklich geglückt. Es war ein Fest für alle Sinne. Da schäme ich mich nicht, mich ausnahmsweise einmal "Staubi" zu nennen.


    :hello:


    Emotione

  • Mußte mir gestern leider erst vorher den Regensburger Krimi reinziehen :untertauch: obwohl ich mir sonst so gut wie nie welche anschau, aber deshalb kam ich dann erst zur Rosenübergabe des Kavaliers und fand nicht mehr so richtig den Anschluss. Hörte ja auch immer Wunderdinge von Mollis Rolle als Ochs, aber ich muss zu meiner großen Schande geschehen, dass er für mich immer der perfekte Sarastro war und das gestern (meiner Meinung nach) alles viel zu aufgesetzt wirkte.


    Da wir bis jetzt in München ja noch die wundervoll "staubige" Konzeption von Otto Schenk und Jürgen Rose haben und ich darin auch schon sehr gute SängerdarstellerInnen erlebte (z.B. Lott/Pieczonka, Damrau, Kirchschlager/Koch, Tomlinson) verstehe ich zwar voll und ganz, dass gerade Erinnerungen an frühere Liveerlebnisse alles noch mehr vergolden, aber leider konnte ich Deine Begeisterung, lieber Waldi, gestern nicht teilen, was aber wirklich an mir lag.


    Liebe Grüße
    Ingrid


    PS. Noch ein Link zu ein paar Fotos vom Münchner Rosenkavalier (müßte Moll als Ochs sein) und die Besetzung von diesen Festspielen, für die ich aber keine Karte habe.
    http://www.bayerische.staatsop…pielplan~vorstellung.html

  • Die Feldmarschallin ist eine, wie Du richtig schreibst, etwa 32jährige Frau,


    aber in dieser Zeit war man ab 30 als Frau schon alt, das hat sich heute geändert, heute sind ja nicht einmal 65jährige Frauen alt.


    Ausnahmen bestätigen die Regel.


    Ich denke Octavian ist, und war nicht ihre letzte Liebe, da sie verheiratet wurde war ihr der Feldmarschall eigentlich nur aus Konventionsgründen angetraut und herzlich egal, es war ihr ja lieb, dass er in den Böhmischen Wäldern zur Jagd war, so hatte sie ihre Ruhe und ihren jüngeren Liebhaber.


    Zumeist, und besonders in der Otto Schenk Inszenierung, kokettiert sie mit ihrem Alter und, dass sie ihn einer Jüngeren abgibt ist doch klar. Ihr Schluss-Seufzer ist nicht ernst zu nehmen.

  • An dieser Stelle wollte ich einen kleinen Fernsehtipp für heute abend loswerden:


    Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) 07.12.2008 23:30


    Der Rosenkavalier


    Die Oper von Richard Strauss einmal anders: nämlich als Stummfilm aus dem Jahr 1926 - mit Michael Bohnen.


    Zitat

    1925 startete Richard Strauss ein gewagtes Unternehmen: Zusammen mit dem renommierten Regisseur Robert Wiene ließ Strauss die Oper "Der Rosenkavalier" verfilmen.


    Strauss wollte den Stummfilm live begleiten, doch die Premiere in der Semperoper Dresden fiel ins Wasser, weil Strauss zu langsam dirigierte und den Film mit der Musik nicht in Einklang bringen konnte. Auch ein zweiter Versuch im Berliner Capitol-Kino misslang, und das Projekt geriet in Vergessenheit.


    In den Wirren des 2. Weltkriegs gingen die Filmbänder verloren und wurden erst vor wenigen jahren in Wien wieder aufgefunden. Im Jahr 2005 wurde der Film rekonstruiert und konnte im Oktober 2008 endlich in Berlin aufgeführt werden, wie es Richard Strauss einst gewünscht hatte. Dirigent Frank Strobel hat mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden die Filmmusik rekonstruiert und eingespielt.


    Neben Michael Bohnen, der den Ochs von Lerchenau spielte, wirkte auch die französische Schauspielerin Huguette Duflos als Marschallin neben Paul Hartmann als Marschall mit. In Nebenrollen zu sehen sind Karl Forest, Riki Raab und Fritz Eckhardt. Begleitet wurde das ganze von rund 10.000 Statisten.


    Stummfilm 1926, 110 min
    Film von Robert Wiene


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Meine Lieben,


    Fast bedaure ich, daß wir diese DVD nicht bzw. nur ganz am Rande in usnere frühere Diskussion einbezogen haben:




    Das ist ein in vielem unwienerischer, deutlich anglifizierter "Rosenkavalier", der trotzdem zu den eindrucksvollsten und überzeugendsten Realisierungen des Stoffs zählt, den ich kenne.


    John Schlesinger hat sich sehr sorgfältig in das Libretto vertieft, und diese Sorgfalt spürt man ununterbrochen. Hier wird nicht mit leichter Hand illusioniert und fünfe grad sein gelassen. Das ist bis ins kleinste Detail durchdacht und gelungen (und etliche Regisseure können hier lernen, was Operninszenieren eigentlich erfordert). Bühnenbild und Kostüme sind haargenau darauf abgestimmt und die Sänger sind durch die Bank hervorragende Schauspieler, denen die Verständlichkeit des Worts ebensoviel bedeutet wie die Musik. Nun ist der "Rosenkavalier" außerhalb von Österreich und Bayern wohl eines der schwersten Bühnenstücke überhaupt. Mein Kompliment für die erstaunliche Leistung, die hier geboten wird. Natürlich geht es nicht übermäßig wienerisch zu (wenn man von der Sophie Barbara Bonneys absieht), aber es wirkt auch nie lächerlich oder hilflos, ganz im Gegenteil. Nie sonst kann man die Bedeutung und den Sinn, welchen Hofmannsthal in das Stück legte, besser erleben als hier.
    Nehmen wir z.B. den Ochs, der hier als richtiger John-Bull-Typ erscheint. Aage Haugland verfügt weder über die stimmliche Geschmeidigkeit noch über den Wohlklang eines Kurt Moll oder Oskar Czerwenka etc. Aber er macht das mit seiner hervorragenden Schauspielbegabung wett und stellt tatsächlich eine Mischung zwischen degeneriertem Edelmann und verbauertem Rohling hin, die hundertprozentig überzeugt (und daher paßt auch seine musikalisch derbere Interpretation perfekt dazu). Er ist hier etwa in seinen Dreißigern, Noch jugendlich genug, um den Kraftlackel nicht bloß zu mimen, und alt genug, um nicht mehr als unreif entschuldigt zu werden. Hier kommen Nuancen heraus, die sonst eher überspielt bzw.übersungen werden. Kein hanswurstiger Typus, sondern ein wirklicher Mensch mit allen seinen Eigenschaften von gut bis böse.


    Auch Sir Georg Solti fabriziert nicht einfach betörenden Klang-Zuckerguß und Walzerseligkeit, sondern schlägt sehr innige, mitunter ans Herbe streifende Töne an. Wiederum: Fast mehr Hofmannsthal als Strauss und doch eine Einheit. Nichts von Soltis sonst manchmal spürbarer Oberflächlichkeit, sondern ebenso ernsthaft um das musikalische Ausloten bemüht wie Schlesinger um das optische und sinnhafte.


    Unfaßbar berührend die Marschallin Kiri te Kanawas, die besonders im ersten Akt eine Intensität und nuancenvolle Gestaltung erreicht, die an die psychologische Subtilität der besten BBC-Miniserien à la Jane Austen, Elizabeth Gaskell usw. erinnert. Ihr Leiden und ihre Größe drückt nicht nur ihr Singen aus, sondern oft auch nur ein Blick, eine kleine Bewegung oder auch nur die Art, wie sie dasteht. Das ist Bühnenpräsenz, wie sie besser nicht denkbar ist. Daß Dame Kiri sowieso ein Wunder an Stimmkultur ist, braucht wohl nicht erst betont zu werden.


    Anne Howells ist für die Rolle des Octavian eigentlich schon zu reif, sowohl stimmlich als auch in der äußeren Erscheinung. Trotzdem bietet auch sie eine Spitzenleistung - und ihre deutliche Artikulation muß als besonders vorbildhaft eingestuft werden.


    Barbara Bonney als Sophie: Da braucht man gar nichts zu sagen. Sie ist die Sophie. Und Schlesinger gibt ihr auch etwas mehr Persönlichkeit als die Regisseure in Wien und München. Auch läßt er die Zärtlichkeit zwischen Octavian und Sophie bei ihrer ersten Begegnung stärker ausspielen, sodaß die Gefühle der jungen Leute glaubhafter erscheinen.


    Im ganzen Ensemble gibt es keinen schwachen Punkt.
    Wien ist also auch beim "Rosenkavalier" nicht der Maßstab aller Dinge. Covent Garden hatte mit dieser Aufführung einen Höhepunkt an eigenständiger Opernkultur erreicht, vor dem man sich nur neidlos verneigen kann.



    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,


    es freut mich sehr, dass Dir die DVD dieser Aufführung ebenso gefällt. Deren Aufzeichnung konnte ich zu meinem großen Glück selbst erleben, weil ich damals ein Opernvideolabel betrieb und einen Ankauf erwogen habe, der uns leider dann zu teuer war. Bis heute mag ich nicht entscheiden, ob diese Aufführung oder der Kleibersche in München DER ROSENKAVALIER meines Lebens war. Vor allem aber bin ich glücklich, dass ich beide erleben durfte und heute noch jederzeit die Erinnerung auf DVD wiederbeleben kann, auch wenn bei dem Londoner ROSENKAVALIER zwangsläufig viele Details der in der Tat sehr vielschichtigen Inszenierung verloren gingen, weil die Kamera eine Auswahl treffen musste. Das betrifft vor allem, aber nicht nur, die Einleitung des Dritten Aktes. Andererseits enthüllen die Nahaufnahmen, vor allem bei Dame Kiri und Barbara Bonney, manche Delikatesse, die aus der Entfernung des Zuscherraums, jedenfalls für mich, nicht wahrhnehmbar war.


    Deine Plädoyers leuchten mir sehr ein, und ich werde meine TMOO-Noten, die ich ganz zu Beginn der Aktion (damals noch ohne Kommentare) einstellte, gerne bei Gelegenheit überprüfen, vor allem was den armen Aage Haugland betrifft, bei dem ich wahrscheinlich mehr die Defizite gegenüber seinen großen (Wiener) Vorgängern als die großartige schauspielerische Leistung eines nicht ganz so traditionellen Charakterportraits wahr nahm.


    Was Deine einleitende Bemerkung betrifft, dass es schade sei, dass wir die Inszenierung nicht in unseren früheren Diskussionen genug berücksichtigt haben, so haben diese Threads ja den unschätzbaren Vorteil, dass (fast) alles noch nachgeholt werden kann. Allerdings werde ich dazu erst einmal wenig beitragen können, denn Du findest bei mir nur volle Zustimmung und nicht ein Jota eines Widerspruchs.


    Deiner Empfehlung schließe ich mich also rückhaltlos an und freue mich darüber, dass diese Scheibe Dir ersichtlich zu einem guten Vierten Advent mit guter Besserung verholfen hat, die ich Dir auch weiterhin wünsche.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Lieber Jacques Rideamus,


    Wie beneide ich Dich um dieses Erlebnis! Vor allem die feinen Fäden zwischen den handelnden Personen können ja von der Kamera immer nur ausschnitthaft erfaßt werden. Aber auch so empfinde ich dieses DVD als Lehrstück regielicher Meisterschaft. Hier herrscht absolute Werktreue, und doch spürt man die weise Erfassung durch Schlesinger überall, ohne daß er sich dabei in den Vordergrund drängt.
    Sehr schade übrigens, daß Aage Haugland vor einigen Jahren viel zu früh gestorben ist. Aus dem hätte man wohl auch stimmlich noch viel mehr herausholen können. Wenns höher hinaufgeht, kriegt er bei dieser Aufnahme ein bisserl Schwierigkeiten, die mit ausgefeilterer Technik wohl zu bewältigen gewesen wären. Und vielleicht sollte ich erwähnen, daß Jonathan Summers der überzeugendste Faninal ist, den ich je gesehen habe. Sonst spürt man die Motivation längst nicht so unmittelbar, bei ihm erfaßt man aber, daß mit dieser Klammer zum Hochadel sein ganzes Selbst steht und fällt. Für ihn ist das tatsächlich eine Existenzfrage, nicht nur eine Attitude.


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Walter Krause
    Zum sozialen Empfinden der Marschallin bitte sich zu erinnern, daß sie nicht nur in die Kirche geht, sondern auch einen Besuch bei einem alten und gelähmten Verwandten anschließt (obwohl das sehr wahrscheinlich eine ziemlich saure Pflicht ist), weil "...das freut den alten Mann". Eine typisch Hofmannsthalsche Ausdrucksweise, in den wenigen Worten liegt eine ganze Welt an Mitteilung über die Denkweise der Marschallin.



    Das sehe ich ein wenig anders (obwohl es Strauss so komponiert hat und die Schwarzkopf es auch so singt).


    Erinnert euch an die Arabella: Die Freude, die Graf Waldner seinem alten Freund Mandryka père durch die unkommentierte Zusendung des Bildnisses seiner Tochter machen wollte, ist nicht ganz frei von Peinlichkeit


    "(...) ich hab mir halt gedacht, ich mach´ damit dem Alten einen Spaß."


    Die Freude des Alten am Jungen ist ein nicht wegzudiskutierender Zug im Rosenkavalier, und er verbindet die Marschallin und den Ochs:


    "Pudeljung! Gesund! Gewaschen! Allerliebst!"; vgl. dazu das fast penetrante Getu der Bichette um ihren Quinquin.


    Movens dieser Replik ist mein grundsätzlicher Verdacht, Straussens Beteuerung, die Marschallin sei höchstens 32 Jahre alt, versuche die Peinlichkeit zu vertuschen, die für seine Zeitgenossen darin liegen mußte, daß eine reife Frau mit einem unreifen Jüngling ins Bett geht. Octavians "Ungeübtheit" in solchen Sachen


    (in der Lustigen Witwe heißt es: "Dann machen sie noch .... solche Sachen ... so und so und so und ... so")


    passen nicht für einen Siebzehnjährigen des 18ième, eher für einen Gymnasiasten der Schnitzlerzeit. Auch die Drastik des Vorspiels spricht für sich: Gerade die spontane sexuelle Reaktion Quinquins enthält ja sowohl in nuce die männliche Rücksichtslosigkeit und sexuelle Selbstsucht; die schlecht getimte Ungleichzeitigkeit der beiden Begehren u n d ein großartiges Kompliment an die erotische Attraktivität der Marschallin (nicht wahr, meine Damen?)


    Bei den melancholischen Anwandlungen der Marschallin scheint mir weniger entscheidend die Frage, wie sie dazu kommt; sondern vielmehr, daß sie die Unverzeihlichkeit begeht, im allerunpassendsten Moment auf ihrer relativierenden Sicht zu beharren. Man kann nicht aufrichtig lieben, wenn man sogar vergißt, den Geliebten zu küssen; aus Ocatvians naiver Perspektive ist das Ende des ersten Akts ein einziger faux pas aus dem Brevier der leidenschaftlich Liebenden.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

    2 Mal editiert, zuletzt von farinelli ()


  • Der Bassbariton Werner Haseleu - heute hat Willi seines sechsten Todestages gedacht - ist auf Tonträgern nicht eben üppig dokumentiert. Obwohl er in der DDR auch an den großen Häusern sang, ist er mir vor allem durch seine darstellerischen und weniger durch seine stimmlichen Leistungen in Erinnerung geblieben. Er war der klassische Sängerdarsteller. Hauseleu wirlkte viele Jahre am Nationaltheater Weimar, gastierte nebenher auch an der Berliner Staatsoper. Wenn die "Götterdämmerung" angesetzt war, eilte er als Gunther herbei. Als der Regisseur Harry Kupfer von Weimar nach Dresden wechselte, ging auch Haseleu mit. Beide hatten oft zusammengearbeitet. Kupfer schätzte ihn wohl sehr.


    1982 gab es ein Dresdener Gesamtgastspiel mit dem "Rosenkavalier" im La Fenice. Von einer Vorstellung hat sich ein Mitschnitt erhalten, der später vom Label Mondo Musica im Rahmen einer interessanten Opernedition veröffentlicht wurde, deren Erlös in den Wiederaufbau des inzwischen bei einem Brand stark in Mitleidenschaft gezogenen Opernhauses floss. Auf dem Cover und im Booklet ist Theo Adam als Ochs geführt. In Wahrheit aber singt Werner Haseleu. Offenbar war er als Zweitbesetzung mitgreist und sprang ganz kurzfristig für Adam ein. Wer weiß. Jedenfalls hat sich Haseleu auf diese etwas geheimnisvolle Weise in einer großen Rolle auf CD verewigt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Auf dem Cover und im Booklet ist Theo Adam als Ochs geführt. In Wahrheit aber singt Werner Haseleu. Offenbar war er als Zweitbesetzung mitgreist und sprang ganz kurzfristig für Adam ein.


    Ich werde nie vergessen, wie ich mir vor etwa 20 Jahre zum ersten Mal diese CD auflegte und mir dabei dachte: Ach, wäre das schön, wenn jetzt nicht Theo Adam, sondern Siegfried Vogel den Ochs singen würde! Adam war ja durch den Dresdner Herz-"Rosenkavalier" von 1985 schon verewigt, während ich Vogel, den ich als Ochs häufig live erlebt hatte und in dieser Rolle sehr mochte, zum damaligen Zeitpunt in keiner Aufnahme dieser Rolle hatte (wenn man mal vom Studio-Finale des 2. Aktes absieht).
    Dann kam der Auftritt des Ochs im 1. Akt und ich hörte sehr schnell, dass Adam nicht singt - es dauerte dann aber noch einige Minuten, bis ich Haseleu erkannte. Das war ein unvergessliches Erlebnis, dass der Wunsch nach einer falschen Etikettierung zwar erfüllt wurde, aber nicht so wie erhofft... :D

    Als der Regisseur Harry Kupfer von Weimar nach Dresden wechselte, ging auch Haseleu mit. Beide hatten oft zusammengearbeitet. Kupfer schätzte ihn wohl sehr.


    Und als Kupfer dann 1981 von Dresden an die Komische Oper Berlin ging, kam Haseleu (vielleicht nicht ganz zeitgleich, sondern etwas später) wieder mit, wurde v.a. sein Lear und sein Holofernes. Letztere Rolle ist aufgezeichnet worden und zeigt Haseleu mit seinen stimmlichen Einschränungen ebenso wie mit seinen darstellerischen Vorzügen. Man verstand bei ihm eigentlich immer jedes Wort, nur eine Gesangslinie wollte sich dabei nicht immer einstellen... Das passte zu Reimann (leider wurde Kupfers Lear nicht verewigt) und Siegfried Matthus sehr gut, zu anderen Komponisten weit weniger, obwohl Haseleu auch ein sehr guter Don Alfonso war, aber als Ochs, um mal zum Rubrikthema zurückzukommen, blieben stimmlich doch einige Wünsche offen.


    https://www.youtube.com/watch?v=GJMvTvIFn1g&t=1099s

    https://www.youtube.com/watch?v=dwDGjkAU0jg&t=90s
    Übrigens hat Werner Haseleu (neben dem Minister im "Fidelio") zwischen 1972 und 1974 nicht nur 4x Gunther gesungen (und das nicht so, dass man ihn daraufhin fest an die Berliner Staatsoper verpflichtet hätte), sondern 1972 auch 2x den König Philipp in "Don Carlos" - eigentlich unvorstellbar!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die legendäre Aufnahme von 1954 mit Erich Kleiber gibt es auch in der verdienstvollen Reihe "DECCA Legends", und das ab 14,90 € (gebraucht) beim großen Urwaldfluss:

    mit einer Traumbesetzung (u.a. Ludwig Weber als Ochs auf Lerchenau!). Leider nur Mono, aber trotzdem gute Klangtechnik.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).


  • Dieser "Rosenvalier" hat es für mich in sich. Meine erste Aufnahme kaufte ich als VHS-Kassette bei Tower Records in New York, um bei der Rückkehr zu Hause festzustellen, dass mein Recorder das NTSC-Format nicht abspielen konnte. :( Ich ließ das Band umschneiden und war mir dem Resultat gar nicht glücklich. :( Dann kam diese Produktion von den Salzburger Festpielen 1960 als VHS auf den deutschen Markt und erwies sich hinsichtlich der Bildquilät nicht sehr viel besser als mein Umschnitt. :( Enttäscht war ich schließlich auch von der DVD-Ausgabe. :( Dann entdeckte ich bei Amazon die Blu-ray Disc - und wagte hoffnungsvoll die Bestellung. Die Lieferung war nicht möglich. :) Mehr als ein Jahr lang - oder waren es zwei - wurde mir in schöner Regelmäßigkeit versichert, dass man sich immer noch bemühe, den Einkauf zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Endlich erreichte mich die Mitteilung, dass die Aufnahme unterwegs sei. Und tatsächlich kam sie nach weiteren vierzehn Tagen des Wartens an. Und siehe da: Die Bildqualität ist betörend in ihrer Buntheit und erinnert an einen Hollywood-Film der Sechziger. Mitunter ist mir diese Schärfe schon zuviel. Es werden nämlich auch Details sichtbar, die besser im verborgenen blieben.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent