Anna Netrebko - Einzigartig oder nur Marketing?

  • Francesco Cilea: Arie Io son l’umile ancella aus Adriana Lecouvreur


    Lieber Gregor, wegen dieser Arie werde ich in das Konzert hineinhören. Danke für den Hinweis. Die Adriana ist bestimmt eine gute Wahl. Ich bin sehr gespannt, zumal ich diese Oper leidenschaftlich liebe. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was Anna Netrebko über Norma sagt, habe ich hier vor Jahren über die Lucia di Lammermoor geschrieben. Auf keinen Fall werde ich das wiederholen. Was mich am meisten irritiert und hier offensichtlich keinen stört, ist, dass sie nur mit ihrem Mann (Name russisch, angeblich Tenor) gebucht werden kann. Einen Satz, der meine Freunde immer wieder erbost, zitiere ich: Was haben Bob Dylan (heute singt Bob Düll an, hör dir diesen Müll an!), Leonard Cohen, Herbert Grönemeyer und Endrik Wottrich gemeinsam. Sie können nicht singen, tun es aber trotzdem. Nach dem Tode von Wottrich ersetzt ihn jetzt der Netrebko-Gatte.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Endrik Wottrich gemeinsam. Sie können nicht singen,


    Lieber Dr. Pingel,
    da muß ich Dir widersprechen. Endrik Wottrich war der beste Siegmund, den ich live erleben durfte, in den 90-ern in Chemnitz. Seine Karriere bekam eine Knick, als er sich weigerte, unter Schlingensiefs Regie den Bayreuther Parsifal zu singen. Ich habe dazu ein Interview mit ihm im "Opernglas" gelesen, er sprach damals schon offen an, was bis heute tabu ist - Kritik an bestimmten Regisseuren, denen man das RT zuordnen kann. Das Ergebnis: Angebote großer Häuser blieben aus. Nicht wegen Stimmenproblemen, davon konnte ich mich selbst überzeugen!!
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Lieber Dr. Pingel,
    da muß ich Dir widersprechen. Endrik Wottrich war der beste Siegmund, den ich live erleben durfte, in den 90-ern in Chemnitz. Seine Karriere bekam eine Knick, als er sich weigerte, unter Schlingensiefs Regie den Bayreuther Parsifal zu singen. Ich habe dazu ein Interview mit ihm im "Opernglas" gelesen, er sprach damals schon offen an, was bis heute tabu ist - Kritik an bestimmten Regisseuren, denen man das RT zuordnen kann. Das Ergebnis: Angebote großer Häuser blieben aus. Nicht wegen Stimmenproblemen, davon konnte ich mich selbst überzeugen!!
    Herzlichst La Roche


    Sorry, aber das ist eine nicht haltbare Legendenbildung! Wenn das der beste Siegmund war, den du je live erlebt hast, dann kann ich dich nur bedauern! Der Chemnitzer "Ring" startete auch erst so richtig ab 2000.



    Herr Wottrich HAT 2004 in Bayreuth den Parsifal in der Schlingensief-Inszenierung gesungen und hat auch in den nächsten Jahren bei den Bayreuther Festspielen andere Rollen gesungen. Ich hatte ihn dort 2005 als Erik und 2007 als Siegmund, seine stimmlichen Probleme nahmen von Jahr zu Jahr zu, und das ganz sicherlich nicht wegen Herrn Schlingensief, aber darüber hat er im OPERNGLAS-Interview natürlich nichts gesagt...


    Hier kann man hören, wie er im Jahre 2015 in einem konzertanten ersten Akt "Walküre" den Siegmund sang:



    https://www.youtube.com/watch?v=hBIpV-aqZfM
    An den großen stimmlichen und gesundheitlichen Problemen, die dort zu hören und zu sehen sind, hatte kein Regisseur Schuld, sondern hatten viel eher Mittelchen Schuld, die er seit Jahren einnahm, um vom Hämpfling (der er in dne Neunzigern noch war) zum Bodybuilder zu werden. Das war letztlich sein Verderben.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich konnte mich bisher der Netrebko- Vergöttlichung nicht anschließen. Bis ich sie und ihren Gatten Yusif Eyvazov am 26. Mai 2018 im Carmen Würth Forum in Künzelsau live erleben konnte. Das war schon phantastisch, was die beiden im italienischen Fach und mit Liedern aus ihren Heimatländern geboten haben. Stimmlich ist Anna Netrebko einfach großartig, ihre Stimme ist in allen Lagen wundervoll ausgeglichen und bezaubert durch ein wunderschönes Timbre und perfekte Gesangstechnik. Ihr Tenorpartner war weit besser als erwartet. Große Stimme, mit der er alles singen kann und bei der Strahlkraft dominiert. Allerdings sollte weniger Forte und mehr Piani, gesangliche Dynamik und Differenzierung geboten werden. Große Stimme und Lautstärke sind ein wichtiger, aber eben nur ein Teil der Gesangskunst. Das Erlebnis für meine Frau und mich war die Gesamtheit des Auftritts von Frau Netrebko. Da stimmte einfach alles: Von den Roben angefangen, bis zum Ausleben der Bewegung, Mimik und Gestik. Obwohl im Konzertsaal üblicher Weise nicht mit so viel Bewegung gesungen wird, verschmolz an diesem Abend Gesang, Erscheinung, Ausdruck zu einer natürlichen, mitreissenden, voll überzeugenden Einheit. Selten so viel natürliche Ausstrahlung erlebt und schon gar nicht im Konzertsaal, so dass das Gesamterlebnis wundervoll stimmig und einheitlich war. In der Tat die Weltklasse, die von den Marketingstrategen gerne herbei formuliert wird. An diesem Abend wurde dieser seltene Zauber Wirklichkeit.



    Herzlichst



    Operus


    Wenn ich einmal Regisseur spielen dürfte wäre Anna Netrebko die Inkarnation der Venus im Tannhäuser, eine lebendig gewordene, sündige Versuchung. Allerdings würde ich mich dann auch als Kostümbildner versuchen. Dies wäre nicht allzu schwierig, denn die Verhüllung wäre dezent - sparsam. :thumbsup:

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  • Was mich am meisten irritiert und hier offensichtlich keinen stört, ist, dass sie nur mit ihrem Mann (Name russisch, angeblich Tenor) gebucht werden kann.

    Wobei dies für das Sommerkonzert der Wiener Philharmoniker anscheinend nicht gilt. - Aber vielleicht übernimmt der Tausendsassa Gergiev diesen Part gleich mit ... Im übrigen singt Frau Netrebko ohnehin nur drei, mit Zugaben vielleicht fünf Arien, so dass der Schwerpunkt des Konzertes wohl eher im symphonischen liegen wird. Frau Netrebko ist da natürlich trotzdem eine reizvolle Beigabe :thumbup:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Lieber Gregor, das war schon ziemlich gemischtes Obst. Zumindest habe ich mir die drei Arien von Anna Netrebko angehört - jede in einem unglaublich üppigen Fummel. Also viel Deko für das an sich dürftige Angebot. Die Adriana, auf die ich gespannt war, hat mir gut gefallen, wenngleich man natürlich nicht an die großen Namen denken darf, die sich auch mit der Partie versucht haben - wie beispielsweise die Gavazzi. Die Netrebko blieb mir zu allgemein, zu sehr auf die stimmlichen Aspekte konzentriert. Sie sang sehr verschwenderisch. Wenngleich immer dunkler. Sie sollte sich die Rolle ganz erarbeitet. Tosca war wie es so ist. Diese Arie geht immer. Hingegen fand ich das so genannte Vogellied der Nedda unpassend für diese Sängerin mit ihrem derzeitigen stimmlichen Potenzial - zu schwer, zu bodenständig. Das muss schweben, luftig und duftig klingen.


    Grundsätzlich sind solche Veranstaltungen nichts für mich. Das Publikum im Park von Schönbrunn wird es ganz anders erlebt haben. Wenn schon, dann muss man wohl dabei sein.

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  • Grundsätzlich sind solche Veranstaltungen nichts für mich. Das Publikum im Park von Schönbrunn wird es ganz anders erlebt haben. Wenn schon, dann muss man wohl dabei sein.


    Lieber Rüdiger,

    ich war zwar nicht in Schönbrunn, sondern am 26. Mai im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau. In dem Saal mit nur 800 Plätzen und einer ideal gelösten Bestuhlung erlebte man die Sänger ganz hautnah. Das Programm waren italienische Arien und Duette, überwiegend Verdi und Lieder aus der Heimat der beiden Gesangssolisten. Also nichts besonderes oder originelles. Ich habe über das Konzert bereits berichtet. Die Netrebko ist die gewollte und fabelhafte Inkarnation einer Idealfigur: Da gehören neben Stimme und dem Mut, sogar im Konzertsaal sehr bewegt zu agieren auch die Erscheinung, die genau ausgewählten Roben, die Bewegungen, die scheinbare Bescheidenheit des Ausdrucks, der bewußt lang gewährte Blick in den Ausschnitt, das kokettieren mit dem Publikum, das Licht, bis zu den sorgfältig einstudierten Auf- und Abgängen dazu. Auch der mit Lautstärke assistierende Tenor-Ehemann ist - als etwas zu rührend bemühter Liebhaber - Teil der perfekten Inszenierung . Ich muss zugeben, dass ich beim Konzert von diesem Faszinosum emotional überrumpelt wurde und nicht mehr so sehr auf die Einzelheiten achtete. Erst auf dem Heimweg mit meiner opernerfahrenen Frau analysierten wir - wieder normal empfindend - und wurden in der Diskussion der gesanglichen Leistungen doch nüchterner:
    Alles war gut bis sehr gut, aber gesanglich und ausdrucksmäßig gibt es vergleichbares und mindestens gleichwertiges. Anna Netrebko bietet zwar ein faszinierendes Gesamterlebnis, ist aber auch nur eine der herausragenden Sopranistinnen unserer Zeit. Mir war die Darbietung insgesamt gesehen zu intensiv zu vordergründig, zu inszeniert, zu viel Schauspiel . Begeisterung war die gewollte und erreichte Wirkung. Mir fehlten die weniger bombastischen leisen, zarten Töne, Pastell statt greller Farben, die mich innerlich ergreifen und berühren können. Dieses tiefere Erleben ist bei einer Präsentation im Disney-Stil kaum möglich. Aber ich muss mich bewußt distanzieren, denn Anna hat durch die bewußte Pflege des überhöhten Starkults durchaus Suchteffekt.


    Herzlichst

    Operus

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  • das war schon ziemlich gemischtes Obst. Zumindest habe ich mir die drei Arien von Anna Netrebko angehört - jede in einem unglaublich üppigen Fummel. Also viel Deko für das an sich dürftige Angebot.


    Lieber Rheingold1876,


    nun ja, mehr ist bei Veranstaltungen solcher Art auch nicht zu erwarten. Schon die Tatsache, dass man von einer Ouvertüre ("Wilhelm Tell") nur das Finale spielt, sagt eigentlich schon so ziemlich alles. Da graust es dem ernsthaften Musikfreund schon …..


    Anna Netrebko war als Stargast und Publikumsmagnet verpflichtet worden, und, nun ja, sie sang, wie Anna Netrebko eben so singt (von ihrem unmöglichen "Outfit" sollte man lieber nicht reden). Alles in einem eingeebneten Einheitssound, von Interpretation kaum eine Spur. Natürlich war der Beifall groß, aber ich bin mir ziemlich sicher, auch mit einer Arie des Sarastro hätte sie ihr Publikum begeistert. :D
    Doch im Ernst: Die erste Arie aus "Adriana Lecouvreur" war durchaus akzeptabel, aber an Renata Tebaldi oder Montserrat Caballé sollte man lieber nicht denken. Auch die Tosca-Arie hätte man goutieren können, wenn nicht die Stimme inzwischen so abgedunkelt wäre, und wenn man nicht Leontyne Price (in der alten Karajan-GA) oder Zinka Milanov im Ohr hätte, von der legendären Callas einmal ganz abgesehen.
    Doch Neddas "Vogellied" war ein totales Missvergnügen, da ist Netrebko völlig fehl am Platz. Dieses leicht beschwingte Liedchen mit einer solchen Stimme darzubieten, gehört zu den vielen Unfassbarkeiten unserer Zeit. An Victoria de los Angeles (in der alten Cellini-Aufnahme, mit Björling), Caballé oder Mirella Freni darf man da gar nicht denken, sonst kommt man ins Grübeln. Die obligatorische Zugabe "O mio babbino caro" aus "Gianni Schicchi" hinwiederum war recht gut gelungen, aber auch hier sollte man Vergleiche mit den Größen der Vergangenheit besser unterlassen.


    Das Spiel der Wiener Philharmoniker hingegen war (für mich) eine reine Freude. :jubel: So klingt eben ein Weltklasse-Orchester (selbst wenn es im Freien spielt). Dazu hätte es eines Stardirigenten vom Range Gergijews (bei dem populären Programm) gar nicht bedurft.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Dieses leicht beschwingte Liedchen mit einer solchen Stimme darzubieten, gehört zu den vielen Unfassbarkeiten unserer Zeit. An Victoria de los Angeles (in der alten Cellini-Aufnahme, mit Björling), Caballé oder Mirella Freni darf man da gar nicht denken, sonst kommt man ins Grübeln. Die obligatorische Zugabe "O mio babbino caro" aus "Gianni Schicchi" hinwiederum war recht gut gelungen, aber auch hier sollte man Vergleiche mit den Größen der Vergangenheit besser unterlassen.


    Lieber nemorino,


    Deine Ausführungen ergänzten meine mehr generelle Beleuchtung des "Phänomens" Netrebko konkret durch Namensnennungen von Sängerinnen, die Maßstäbe in den von dem heutigen (Marketing)-Superstar gebotenen Stücken, setzten. Interessantes Zusammenwirken von uns beiden in dieser Diskussion. Danke. Darf ich Dir mitteilen, dass Du Dich - aus meiner Sicht - in kurzer Zeit zu einem profilierten, meinungsbildenden die Opernfraktion verstärkenden Mitglied entwickelt hast. :jubel: Bitte weiter so!

    Das Alter bringt neben Einschränkungen auch gewisse Freiheiten. Deshalb bin ich ermutigt, auch ungefragt, solche persönlichen Statements wie das vorstehende öfftenlich zu äußern. Du wirst es sicherlich verstehen und richtig einordnen.


    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Ich weiß nicht, warum an Anna Netrebko so viel herumgemäkelt werden muss. Sie ist eine hervorragend ausgebildete Sopranistin mit einer wunderbaren Stimme. Das sie auch schon mal eine Partie oder Arie singt, die ihrer Stimme nicht liegt, kann man ihr doch nicht jedesmal vorwerfen. Diese Fehler begingen und begehen heute viele Sänger/innen in allen Stimmlagen. Nur wird da nicht dauernd drauf herumgetrampelt. Ich sehe das wie unser Operus:

    Zitat

    Stimmlich ist Anna Netrebko einfach großartig, ihre Stimme ist in allen Lagen wundervoll ausgeglichen und bezaubert durch ein wunderschönes Timbre und perfekte Gesangstechnik.

    W.S.

  • Lieber Operus!


    Herzlichen Dank für Deine anerkennenden Worte. Ich habe sie ganz richtig verstanden und eingeordnet, und werde mich bemühen, mich hier so gut wie möglich einzubringen.


    Das Alter bringt neben Einschränkungen auch gewisse Freiheiten.

    Das ist wahr, aber leider werden die Einschränkungen immer größer. Bis vor wenigen Jahren konnte ich noch ganze Opern durchhören, das fällt mir leider immer schwerer, weil die Konzentration oft schon nach einer halben Stunde merklich nachlässt, so dass ich meine Opern-GA (ca. 6 m Regalwand, ohne die zahlreichen Querschnitte und Recitals) nur noch scheibchenweise hören kann. Deshalb habe ich mich seit einiger Zeit auch mehr auf Orchestermusik konzentriert, doch die Oper ist nach wie vor eines meiner Hauptinteressengebiete (von Gluck bis zu Richard Strauss).


    Allerdings bin ich kein Experte. Ich habe weder Gesang noch Musik studiert, doch eifriges und vor allem vergleichendes Hören über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren hat natürlich schon meinen Geschmack gebildet, und deshalb traue ich mir schon ein, natürlich gänzlich subjektives und nur gefühlsmäßiges, Urteil über Gesangsleistungen zu, nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    Ich hoffe, wir werden uns hier noch öfter über Oper und Operngesang austauschen können.


    Ein schönes Wochenende und
    LG :hello: Nemorino

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  • Ich weiß nicht, warum an Anna Netrebko so viel herumgemäkelt werden muss. Sie ist eine hervorragend ausgebildete Sopranistin mit einer wunderbaren Stimme.

    Lieber Wolfgang,


    das habe ich doch mit keinem Wort in Zweifel gezogen! Ich habe lediglich meinen Eindruck von dem Wiener Open-Air-Konzert vom 31.5. wiedergegeben, in dem Anna Netrebko als Stargast aufgetreten ist.


    Meine Kritik richtete sich überhaupt nicht gegen die "wunderbare Stimme" von Frau Netrebko und sollte auch nicht ihre "hervorragende Gesangsausbildung" infrage stellen. Darum ging es mir überhaupt nicht. Meine Einwände galten vorrangig der Darbietung, nicht dem Gesang. Für mich hört sich Anna Netrebko als Adriana nicht anders an wie ihre Tosca oder ihre Lauretta. Von ihrer Nedda will ich erst gar nicht reden, die passt zu ihrer Stimme wie die Faust aufs Auge!


    Ich habe sie erstmals als Violetta in der Ricci-Aufnahme (mit Villazón und Hampton) kennengelernt, kurz nachdem der erste Netrebko-Hype hochgekocht war. Und ich war damals schon ziemlich enttäuscht, weil sie keinem Vergleich mit so berühmten Vorgängerinnen wie Callas, Caballé, Sutherland, Cotrubas, Scotto standhielt. Hinzu kam noch das rasch für den schnellen Markt gemachte Produkt an sich, das sich in seiner Gänze nicht mit den großen Vorgänger-Aufnahmen messen konnte. Das war alles schön gesungen, aber sie verkörperte (für mich) so wenig eine Violetta wie Villazón einen überzeugenden Alfredo darstellte. Einzig Thomas Hampton erfüllte seine Rolle mit echtem Leben. Ich habe die Aufnahme erst gar nicht meiner Sammlung einverleibt, sondern nach einmaligem Hören weggegeben.


    Anna Netrebko ist für mich der Prototyp einer "Sängerin von heute", hippig-flippig, von Null auf Gleich in die höchsten Höhen katapultiert, ohne den langwierigen Aufstieg von der Provinz in die großen Opernhäuser der Welt, wie das früher die Regel war. Das muss man nicht der Sängerin vorwerfen, sondern so ist der heutige Opernbetrieb nun einmal, und nicht nur der (das ist auf anderen Gebieten nicht viel anders, ob im Sport oder der Politik). Dass Frau Netrebko eine schöne Stimme hat, steht gar nicht zur Debatte, aber sie hat mich bis heute mit ihrer Stimme noch nie berührt oder gar zu Tränen gerührt. Man denke nur an ihre Mimi (ebenfalls mit Villazón) und vergleiche einmal mit Mirella Freni oder Victoria de los Angeles - Freni ist Mimì, Netrebko singt Mimi! Und so geht das mir bei praktisch jeder Rolle, in der ich sie gehört habe.


    Es tut mir leid, aber mir kommt bei ihr immer Cathy Berberian in den Sinn, die einmal folgendermaßen geurteilt hat: " …. schöne Stimmen, aber sie bedeuten nichts, weil ihre Inhaberinnen eine kuhartige Mentalität haben …… sie denken nicht nach, was sie singen ….. wenn diesen Sängerinnen eines Tages die Stimmen versagen, dann sind sie nur noch arme, alte Kühe". Dabei kann Cathy Berberian gar nicht an Anna Netrebko gedacht haben, denn sie starb bereits 1983 und hat sie also nie kennengelernt. Es gab diesen Sängerinnen-(und Sänger-)typ also schon viel früher, und man könnte hier auch Beispiele nennen, wenn es nicht zu weit führen würde.


    Ich habe mir nach der Sendung noch kurz die Adriana-Arie "Io son l'umile ancella" mit Maria Callas angehört (Aufnahme von 1955), man glaubt zwei verschiedene Stücke zu hören! Wie schon gesagt, es geht vorrangig nicht um die Stimme (Callas war selbst in ihren besten Zeiten keine ausgesprochene "Schönsängerin"), sondern um die Interpretation. Der englische Kritiker Alan Blyth hat zu Callas einmal geschrieben: "Ihre Stimme war völlig einzigartig und unverwechselbar ….. Schon die Einleitungsphrase eines Rezitativs oder einer Arie weist den Klang eindeutig als den der Callas aus: er ist volltönend, eindringlich, emotionsgeladen. Durch eines jener großen Paradoxa, die das Geheimnis großer Kunst sind, konnte sie die Stimme in jeder Partie so verändern, daß sie zur jeweils zu verkörpernden Rolle passte. Es hing davon ab, wieviel Stimme sie einsetzte, wie sie sie färbte, wie sie das Timbre veränderte, um die Persönlichkeit eben jener Frauengestalt genau nachzuzeichnen, die sie gerade darstellte."
    Und davon fehlt mir in den Darbietungen von Anna Netrebko so gut wie jede Spur. Da ist alles beliebig, schön gesungen, aber ohne jede Gestaltung …..


    Man kann natürlich einwenden, dass ein Open-Air-Konzert nicht gerade für Connoisseurs geschaffen ist, sondern mehr den Massengeschmack zu bedienen hat. Dem würde ich sogar zustimmen, wenn Anna Netrebko mit ihren zahlreichen Aufnahmen, und das gilt gleichermaßen für Opernaufführungen wie auch für Recitals, mir andere Eindrücke vermittelt hätte. Leider kenne ich bis heute keine einzige Arie oder Opernszene von ihr, die ich nicht von anderen Sängerinnen überzeugender und idiomatischer gehört hätte.


    Meine Antwort auf den Titel dieses Threads ist: Sie ist nicht nur Marketing - aber ganz bestimmt auch nicht einzigartig!


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Die Netrebko ist die gewollte und fabelhafte Inkarnation einer Idealfigur: Da gehören neben Stimme und dem Mut, sogar im Konzertsaal sehr bewegt zu agieren auch die Erscheinung, die genau ausgewählten Roben, die Bewegungen, die scheinbare Bescheidenheit des Ausdrucks, der bewußt lang gewährte Blick in den Ausschnitt, das kokettieren mit dem Publikum, das Licht, bis zu den sorgfältig einstudierten Auf- und Abgängen dazu. Auch der mit Lautstärke assistierende Tenor-Ehemann ist - als etwas zu rührend bemühter Liebhaber - Teil der perfekten Inszenierung . Ich muss zugeben, dass ich beim Konzert von diesem Faszinosum emotional überrumpelt wurde und nicht mehr so sehr auf die Einzelheiten achtete. Erst auf dem Heimweg mit meiner opernerfahrenen Frau analysierten wir - wieder normal empfindend - und wurden in der Diskussion der gesanglichen Leistungen doch nüchterner:
    Alles war gut bis sehr gut, aber gesanglich und ausdrucksmäßig gibt es vergleichbares und mindestens gleichwertiges. Anna Netrebko bietet zwar ein faszinierendes Gesamterlebnis, ist aber auch nur eine der herausragenden Sopranistinnen unserer Zeit. Mir war die Darbietung insgesamt gesehen zu intensiv zu vordergründig, zu inszeniert, zu viel Schauspiel . Begeisterung war die gewollte und erreichte Wirkung. Mir fehlten die weniger bombastischen leisen, zarten Töne, Pastell statt greller Farben, die mich innerlich ergreifen und berühren können. Dieses tiefere Erleben ist bei einer Präsentation im Disney-Stil kaum möglich. Aber ich muss mich bewußt distanzieren, denn Anna hat durch die bewußte Pflege des überhöhten Starkults durchaus Suchteffekt.


    Lieber Operus, herzlichen Dank für die an mich gerichtete Antwort, auf die in Beitrag 1511 auch 9079Wolfgang zustimmend abhebt. Wer sollte euch beiden Koryphäen des Operngesangs auch widersprechen? Das wäre ja töricht. Zumal Du offenbar auch mit Anna Netrebko persönlich gut befreundet bist - weil Du sie Anna nennst. Das hatte ich nicht bedacht. Mein Urteil über das Konzert war ganz privat und meinem individuellen Urteilsvermögen angepasst. Mehr nicht. Es ist wohl so, dass man bei dieser Sängerin nur positiv reagieren - oder einfach seinen Schnabel halten sollte. :stumm: Deshalb würde ich den Threadtitel dahingehend ändern: "Anna Netrebko - Einzigartig". Dann kommen nicht erst gemeine Gelüste auf, den Rummel um ihre Person auch mal kritisch zu hinterfragen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Allerdings bin ich kein Experte.


    Lieber Nemorino,


    wer kann sich bei einer Kunst, die man nicht messen, wiegen oder durchleuchten kann, schon als Experte bezeichnen? Der ausübende Sänger, der Gesangspädagoge, der Musiker, der Musik- oder Theaterwissenschaftler, der Germanist usw.? Du beschäftigst Dich seit mehr als 50 Jahren analysierend und vergleichend mit der Oper, also hast Du das Recht Dich über Oper, Sänger, Gesangstechnik zu äußern und Urteile abzugeben, egal ob Experte oder nicht. Nachdem ich Deine Beiträge gelesen habe würde ich Dir Expertenstatus in jedem Fall zugestehen. Ich habe in jungen Jahren 3 Semester Gesangsunterricht gehabt. Danach habe ich 45 Jahre als erster Vorsitzender das Heilbronner Sinfonie Orchester geführt. Schreibe seit Jahrzehnten Kritiken und bin seit 25 Jahren von der Gründung an in der Gottlob-Frick-Gesellschaft mit vorne dabei. Auch ich habe kein Dokument, das mir Expertenstatus bestätigt. Aber ich glaube zu Recht, dass ich qualifiziert mitreden kann. Mich wundert es immer, dass Persönlichkeiten, die so viel Erfahrung und Kompetenz haben, wie Du, oft herausstellen, dass Sie keine Experten sind.Da wünsche ich mir mehr Vertrauen und Zutrauen zu den erworbenen Fähigkeiten und Selbstbewußtsein im Handeln. Aber wie sind wir doch erzogen und geprägt: "Bescheidenheit ist eine Zier..." "Hochmut kommt vor dem Fall" aber es heißt auch:"Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen" und nun noch eine etwas drastisch-schwäbische Formulierung:" Nur die dumme Sau hat keine Hemmungen."

    Nun grüße ich den Opernexperten Nemorino und wehe Du wehrst Dich noch immer gegen Expertenstatus, denn dann ist mein ganzer Beitrag für die Katz.


    Herzlichst

    Operus

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  • Es ist wohl so, dass man bei dieser Sängerin nur positiv reagieren - oder einfach seinen Schnabel halten sollte. :stumm: Deshalb würde ich den Threadtitel dahingehend ändern: "Anna Netrebko - Einzigartig". Dann kommen nicht erst gemeine Gelüste auf, den Rummel um ihre


    Lieber Rüdiger,

    nun bin ich aber sehr erstaunt, dass Du meinen Beitrag, den Du nicht nur gelesen hast, sondern sogar zitierst, so interpretierst. ich habe doch bei aller Anerkennung das Phänomen
    Anna Netrebko aus meiner Sicht versucht ausgewogen darzustellen.


    Anna Netrebko bietet zwar ein faszinierendes Gesamterlebnis, ist aber auch nur eine der herausragenden Sopranistinnen unserer Zeit. Mir war die Darbietung insgesamt gesehen zu intensiv zu vordergründig, zu inszeniert, zu viel Schauspiel . Begeisterung war die gewollte und erreichte Wirkung. Mir fehlten die weniger bombastischen leisen, zarten Töne, Pastell statt greller Farben, die mich innerlich ergreifen und berühren können. Dieses tiefere Erleben ist bei einer Präsentation im Disney-Stil kaum möglich. Aber ich muss mich bewußt distanzieren, denn Anna hat durch die bewußte Pflege des überhöhten Starkults durchaus Suchteffekt.



    Mit diesen durchaus kritischen Aussagen versuchte ich doch gerade die Überhöhung, den Starkult zu relativieren und die Netrebko-Hype auf Normalmaß zu schrumpfen
    .

    Es ist wohl so, dass man bei dieser Sängerin nur positiv reagieren - oder einfach seinen Schnabel halten sollte.

    Aber ja nicht, mein lieber Rüdiger, diese Sängerin durch kritiklose Anhimmelung noch höher zu schießen, wäre ein Bärendienst für alle. Nur durch das Aufzeigen der Grenzen wird der wahre Kern ihrer künstlerischen Fähigkeiten und Potentiale herausgearbeitet und das ist bei Anna Netrebko enorm vieI. Ihre Leistungen brauchen keinen Blick durch die rosarote Brille oder fangetrübte Lobhudelei. Dadurch würden nur die verdienten Prädikate an Glaubwürdigkeit verlieren. Also lege Dir kein Schweigeverbot auf, sondern rede, denn Deine Meinung ist wichtig.


    Ich bin fast ein wenig irritiert, ob ich mich nicht präzise genug ausgedrückt habe, wenn selbst Du die kritischen Töne nicht wahrnimmst.


    Herzlichst
    Operus

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  • Lieber operus, ich habe Dich sehr gut verstanden - auch wenn Du ein Zitat von Dir, das ich inhaltlich teile, nun aus Versehen mir in den Mund legst: ("Anna Netrebko bietet zwar ein faszinierendes Gesamterlebnis, ist aber auch nur eine der herausragenden Sopranistinnen unserer Zeit. Mir war die Darbietung insgesamt gesehen zu intensiv zu vordergründig, zu inszeniert, zu viel Schauspiel. Begeisterung war die gewollte und erreichte Wirkung. Mir fehlten die weniger bombastischen leisen, zarten Töne, Pastell statt greller Farben, die mich innerlich ergreifen und berühren können. Dieses tiefere Erleben ist bei einer Präsentation im Disney-Stil kaum möglich. Aber ich muss mich bewußt distanzieren, denn Anna hat durch die bewußte Pflege des überhöhten Starkults durchaus Suchteffekt.") Ich hätte niemals von Anna gesprochen, weil ich sie nicht kenne und folglich auch nicht duze.


    Wie gesagt, ich überlasse das Urteil über Anna Netrebko gern anderen Forumsmitglieder, die sich näher mit ihr beschäftigt und sie sicher oft selbst live erlebt haben. Ich fand seinerzeit ihre Salzburger Susanne überaus entzückend und auch stimmlich superb. Für mich hat es seither keine solche Entwicklung gegeben, die mein Interesse an Oper und Sägern berührt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Zitat

    Mit diesen durchaus kritischen Aussagen versuchte ich doch gerade die Überhöhung, den Starkult zu relativieren und die Netrebko-Hype auf Normalmaß zu schrumpfen.


    Genau dies habe ich auch versucht darzustellen. Sie gehört zu den großen Sängerinnen unserer Zeit, mit allen Vorzügen und Fehlern, aber auch zu den am meist Kritisierten. Ihr ergeht es auch nicht besser als bei den Tenören Jonas Kaufmann.

    W.S.

  • Lieber Gregor, das war schon ziemlich gemischtes Obst. Zumindest habe ich mir die drei Arien von Anna Netrebko angehört - jede in einem unglaublich üppigen Fummel. Also viel Deko für das an sich dürftige Angebot. Die Adriana, auf die ich gespannt war, hat mir gut gefallen, wenngleich man natürlich nicht an die großen Namen denken darf, die sich auch mit der Partie versucht haben - wie beispielsweise die Gavazzi. Die Netrebko blieb mir zu allgemein, zu sehr auf die stimmlichen Aspekte konzentriert. Sie sang sehr verschwenderisch. Wenngleich immer dunkler. Sie sollte sich die Rolle ganz erarbeitet. Tosca war wie es so ist. Diese Arie geht immer. Hingegen fand ich das so genannte Vogellied der Nedda unpassend für diese Sängerin mit ihrem derzeitigen stimmlichen Potenzial - zu schwer, zu bodenständig. Das muss schweben, luftig und duftig klingen.


    Danke für die Schilderung deiner Eindrücke, lieber Rüdiger, die sich im wesentlichen mit meinen decken. Ihre Mittellage und ihre Höhen wirklich großartig, da gibt es nichts zu bemängeln, aber in der Tiefe klang ihre Stimme wieder eigenartig gaumig, da schwimmen die Töne schon ein wenig. Gerade bei ihrem ersten Auftritt mit der Adriana war das doch recht deutlich. Die Partie hat sie sich übrigens bereits vollständig erarbeitet und in St. Petersburg und in Wien gesungen.


    Ihre Tosca an der MET war ja nur ein mäßiger Erfolg. Ich weiß nicht, ob du die Radioübertragung aus New York vor einigen Wochen gehört hast. In den Duetten mit Scarpia (Michael Volle) war sie wirklich gut, aber in den Duetten mit ihrem im Einheitsforte singenden Ehemann so gar nicht. Da klang auch so manches noch unfertig und so einiges recht gaumig und kehlig. Gut, die Partie ist noch neu für sie, aber sie ist ja gar nicht so angetan von der Rolle. Eigentlich hätte sie sie im Sommer in München erneut singen sollen, aber da ist sie wohl ausgestiegen. Somit war die Radioübertragung aus New York bis auf weiteres die einzige Möglichkeit sie als Tosca zu hören. In Schönbrunn war das Vissi d'arte doch recht gut.


    Dass sie das Vogellied der Nedda gesungen hat, fand ich auch überraschend. Wie du sagst, muss eine Nedda hier stimmlich schweben. Für die Arie ist die Stimme inzwischen zu schwer. Aber gibt es überhaupt eine ideale Nedda? Hat eine Sängerin die Leichtigkeit in der Arie, fehlt ihr in der Regel die Verismo-Kraft für die dramatischen Momente.
    O mio babbino caro hat sie vor einigen Jahren noch deutlich geschmeidiger interpretiert, auch wenn sie das beim Sommernachtskonzert immer noch sehr gut gemacht hat. Mit herrlichen Höhen und Bögen. Die Stimme ist halt einfach schwerer geworden.


    Dass man interpretatorisch natürlich noch mehr herausholen kann, ist klar. Aber bei einem Arien-Potpourri erwarte ich sowas nicht unbedingt. Das ist nun mal keine Opernaufführung. Da sollte man schon differenzieren.
    Von Gergiev hätte ich mir gerade bei den Verismo-Krachern etwas mehr erwartet. Bei den Intermezzi aus Cavalleria Rusticana und Manon Lescaut fehlte es deutlich an Feuer. Sehr gediegen, das Ganze. Aber vielleicht gilt auch hier: Wohlklang vor Verismo-Interpretation.


    Dass Netrebko übrigens für jeden ihrer Auftritte in ein anderes Kleid schlüpfte, sollte man nicht überbewerten und ist für eine Starsopranistin bei so einem Fernseh-Event schon fast obligatorisch. Immerhin wurde das Konzert von mehr als 90 Fernsehsendern in aller Welt übertragen. Da ist sich Netrebko bewusst, dass sie bei keinem anderen Konzert - abgesehen vom Wiener Opernball, bei dem sie ja auch schon aufgetreten ist - von so vielen Millionen Menschen gleichzeitig gesehen wird. Da will man den Zuschauern wohl auch optisch was bieten. ;)


    Gregor

  • dann ist mein ganzer Beitrag für die Katz.


    Lieber Operus,


    einen schönen Sonntagmorgen wünsche ich.


    Nein, Dein Beitrag war sicher nicht "für die Katz", ich danke Dir nochmals sehr herzlich für Deine Worte.


    In einer Hinsicht muss ich Dir recht geben: Ich höre nicht nur seit über einem halben Jahrhundert klassische Musik, davon zu einem erheblichen Teil Oper, kenne die internationalen Plattenkataloge ziemlich gut und ebenfalls eine große Zahl von Sängerinnen und Sängern der Oper, vor allem der Nachkriegsgeneration, von Schwarzkopf bis zu Gottlob Frick. Auch bedeutende Künstler/innen der Zeit zwischen den Weltkriegen haben in meiner Sammlung Platz, z.B. Rosa Ponselle, Lotte Lehmann oder Tiana Lemnitz.


    Wenn ich mich als musikalischen Laien bezeichne, so meine ich damit vor allem, dass ich kein ausgebildeter Musiker bin, und ich bin sogar so ehrlich zuzugeben, dass ich noch nicht einmal Noten lesen kann. Das habe ich nicht gelernt, aber mein Gehör erlaubt es mir bis heute, musikalische Darbietungen rein gefühlsmäßig zu bewerten und zu einem, natürlich immer ganz persönlichen, Urteil zu kommen, das keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, und das niemand mit mir teilen muss.


    Zu Anna Netrebko habe ich gestern meine Eindrücke geschildert. Es ist gut, dass andere Musikfreunde zu ganz anderen Resultaten kommen. Es ist ja gerade die Vielfalt, die dieses Forum hier lebendig und interessant macht. Wenn wir alle immer gleicher Meinung wären, so wäre es doch zum Gähnen langweilig.


    In diesem Sinne, einen schönen, sonnigen Sonntag und
    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Ich habe mir gestern nach dem Fußball meine Aufzeichnung des Konzertes angesehen. Meine Eindrücke:
    - früher wurde dieses Sommernachtskonzert ca. 2 Stunden und länger übertragen. Warum diesmal nur 75 min? War das nur ein Auschnitt?
    - Die Tell-Ouvertüre und auch das Vogellied waren nicht komplett, es waren Fragmente. Warum?
    - Die Farbregie war bombastisch, besonders beim Florentiner Marsch und beim Abschlußwalzer
    - Die Tontechniker haben hervorragende Arbeit geliefert, das Orchester klang wie im Konzertsaal
    - Anna Netrebko fand ich optisch wie immer, eine tolle Frau, und auch die Kleider gefielen mir. Und sie hat wohl etliche Kilo verloren, was sie noch attraktiver machte
    - Ihr Gesang war der Gesang von Anna Netrebko, einer der führenden Sängerinnen unserer Zeit. Sie klang immer wie Anna Netrebko. Wozu sollte sie auch versuchen wie Tebaldi, de los Angeles o.a. zu klingen?
    Ihre Lecouvreur-Arie war phantstisch, im weißen Kleid sah sie besonders gut aus. Man kann ihr in einem Opernarien-Konzert, noch dazu Open air nicht vorwerfen, zu statisch gewirkt zu haben.
    Und Tosca war auch sehr gelungen, wenn man auch konstatieren muß, daß ihre Stimme immer dunkler geworden ist, sie die Höhen ohne Schärfe oder gar tremolierend singen kann. Das dunklere Timbre ist aber als Nedda nicht tragbar, da fehlt wie vielfach angegeben die Leichtigkeit. Dafür kann sie, wie in Dresden gesehen, jetzt aber die Elsa singen. Man kann gespannt sein, wie es weitergeht mit ihr.
    - es muß ja Gründe geben, außer dem Wetter, daß sich 100 000 Menschen nach Schloß Schönbrunn begeben haben.


    Für mich ein gelungenes Open air. Danke Wien, eine tolle Stadt, wie auch einige Bilder während des Konzertes zeigten. Bei meiner nächsten Geburt wäre ich nicht böse, wenn ich in Wien geboren würde, allerdings wäre es dazu nicht schlecht, gleich als Millionär geboren zu werden.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Alle, die das Freiluftkonzert vom 31. Mai 2018 aus Wien in ihrer CD-Sammlung haben möchten, können es ab dem 15.6. käuflich erwerben:



    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Anna Nebtreko hätte auch andere Arien singen können und es würde dann auch Taminos geben , die sie kritisieren. Ich fand auch , daß es ein unterhaltsames Programm war, wobei man bedenken muß, daß es Unterhaltung für die breite Masse ist und nicht nur für Opernkenner. Ich glaube den meisten Besuchern wird es egal gewesen sein, ob ihre Stimme für das Vogellied der Nedda zu schwer war. Geärgert hat mich auch, daß von der Wilhelm Tell Overtüre nur der zweite Teil gespielt worden ist, die Overtüre wurde wahrscheinlich zu Gunsten einer Arie von Frau Nebtreko gekürzt . Weiß jemand ob es ich bei der Fernsehübertragung um einen Livemitschnitt oder nur um ein " Zusammenschnitt " gehandelt hat ? Weil mit nur 75 Minuten fand ich das Konzert relativ kurz.

  • Ich fand auch , daß es ein unterhaltsames Programm war, wobei man bedenken muß, daß es Unterhaltung für die breite Masse ist


    Dann habe ich mich gestern abend mit meiner Frau mal unter die "breite Masse" begeben und habe mit Genuß und Vergnügen das Konzert gesehen. Die schöne Musik, die Erinnerungen an unseren Besuch in Wien und Schönbrunn, dazu leckere Erdbeeren vom Feld gleich um die Ecke mit Sekt von der Saale hellem Strande, mehr hat es wirklich nicht für einen schönen Abend gebraucht.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Lieber Reinhard,
    daß mit der breiten Masse war überhaupt nicht abwertend gemeint. Aber da du live dabei warst , kannst du mir vielleicht meine Frage beantworten, ob das Konzert nur knapp über eine Stunde gedauert hat. Ich wäre auch dort hingegangen

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  • daß mit der breiten Masse war überhaupt nicht abwertend gemeint.


    Das habe ich auch überhaupt nicht so verstanden.
    Und vielleicht habe ich mich etwas unklar ausgedrückt: Wir waren natürlich nicht live dabei (wäre gestern ja auch nicht gegangen :) )
    Aber das bekommen wir schon noch raus, ob und wie da gekürzt wurde.


    Hier gibt es das offizielle Programm

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Die russische Sopranistin Anna Netrebko, die lettische Mezzosopranistin Elina Garanca,
    der mexikanische Tenor Ramón Vargas und der französische Bariton Ludovic Tézier
    mit Arien und Szenen aus Werken von Bellini, Donizetti, Rossini, Verdi, Saint-Saëns, Delibes,
    Bizet, Puccini, Lehár und Chapi.


    Dirigent: Marco Armiliato, Orchester: SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg,


    Solist Instr.: Elina Garanca, Ludovic Tézier, Anna Netrebko, Ramón Vargas,


    TV Classica
    Sonntag, 03.06.18, 20:15 - 22:35 Uhr

    Vor einer Stunde ging mit dem Brindisi aus "La Traviata" ein großartiges Konzert im TV zu Ende.
    Es war eine Aufzeichnung aus dem Festspielhaus Baden-Baden von 2007.
    Anna Netrebko - stimmlich und optisch ein Genuß.


    Neben vielem anderen ein Höhepunkt "Meine Lippen die küssen so heiß...",
    wo sie nicht nur gesanglich, sondern zur Freude des Publikums dies auch richtig ausgelassen
    und stimmungsvoll gestaltete.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Weiß jemand ob es ich bei der Fernsehübertragung um einen Livemitschnitt oder nur um ein " Zusammenschnitt " gehandelt hat ? Weil mit nur 75 Minuten fand ich das Konzert relativ kurz.

    Ich war dort (obwohl ich von dem Konzept eines lautsprecherverstärkten Open-Air-Events mit klassischer Musik für 100.000 nichts halte). Es waren nur 75 Minuten, dafür gab es 90 Minuten Wartezeit vorher, da Einlass bis 19:00 war und das Konzert erst um 20:30 begonnen hat. Wahrscheinlich wurde die Wartezeit nicht vollständig übertragen, das Konzert wohl schon.
    :D
    Da die Bühne sehr weit entfernt war und die Lautsprecher es schwerer haben, einen großen Schloßpark auszufüllen als die Stereoanlage das Wohnzimmer, kann ich über die Netrebko-Darbietung wengier sagen, als die Hörer und Seher zu Hause. Dafür gab es "Bad in der Menge" und Schönbrunn in wechselnden Bonbonfarben. Wahrscheinlich geht es ja darum. Mal was anderes. Das nächste Mal gehe ich auf ein richtiges Popkonzert.

  • Das einzige, das mich an dem Konzert gestört hat, war, dass nicht die ganze Wilhelm Tell-Ouvertüre gespielt wurde. Ich verstehe nicht, was das sollte. Gerade als erstes Stück wäre die komplette Ouvertüre doch angebracht gewesen. Hat man geglaubt, dass das Open-Air-Publikum davonlaufen würde?? Sehr schade!

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Zitat


    Vor einer Stunde ging mit dem Brindisi aus "La Traviata" ein großartiges Konzert im TV zu Ende.
    Es war eine Aufzeichnung aus dem Festspielhaus Baden-Baden von 2007.
    Anna Netrebko - stimmlich und optisch ein Genuß.


    Lieber Chrissy!


    Das Gleiche gilt wohl auch für Elina Garanca! Wäre die Fahrt nicht so weit, hätte ich dafür schon ein paar Spargroschen geopfert. :D

    W.S.

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