Schostakowitsch-Sinfonien: Die favorisierten Aufnahmen der einzelnen Sinfonien

  • Lieber Joseph II., nachdem ich nun auch in die Aufnahme von 78 hineingehört habe, verstehe ich zwar Deine Begeisterung (zumal sie ja etwas knappertsbuschisch wirkt...); mir erscheint sie im direkten Vergleich jedoch zu extrem und reisserisch. Swetlanows Studioaufnahme ist dem "ehrlich empfundenen" Konzept von Eliasberg und dem anderer älterer sowj. Aufnahmen näher und hat nebenbei den Vorteil besserer Klangbalance.


    Lieber Gombert,


    danke für Deine Eindrücke! Das, was für Dich eher negativ ist, ist für mich positiv. Natürlich kann und darf man das so sehen.


    Übrigens habe ich die oben gezeigte Aufnahme mit dem Schwedischen Rundfunk-Sinfonieorchester bei Spotify entdeckt. Sie ist in ihrer Konzeption näher an der Aufnahme von 1978 als an jener von 1968. Die Extreme sind im Kopfsatz, der hier über 29 Minuten dauert, wohl noch etwas ausgeprägter. Die Schweden schlagen sich erstaunlich gut und brauchen keine Vergleiche zu scheuen. Die Eigenart Swetlanows, die letzten Takte bis ins Unermessliche hinauszuzögern, findet sich auch hier. Sage und schreibe 14 Sekunden. Man hält den Atem an! Denselben Effekt setzte er übrigens auch in seinen ganz späten Aufnahmen von Strawinskijs "Feuervogel" und Mahlers 8. Symphonie (nicht die CD-Aufnahme, sondern ein spätes Video) ein. So habe ich das nie wieder gehört. Käme man nur an diese Aufnahme heran (sie war seinerzeit bei YouTube zu finden).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Thomas,
    Danke für Dein Zuvorkommen, das Youtube-Video des Eliasberg- Mitschnitts hier zugänglich zu machen.


    Selbst habe ich lange im Internet gesucht, die von mir erwähnte Neunte unter Jan Krenz irgendwo zu finden, leider vergeblich.
    Auf meiner Festplatte habe ich zwar meine Digitalisierung meiner alten LP, aber davon hat hier im Forum ja niemand etwas.
    Leider!


    Die "Leningrader" mit Eliasberg erstand ich mal als LP in einem Plattenantiquariat- in Groningen/Niederlande.
    Davon habe ich auch meine CD gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals in irgendeinem Plattenladen in der DDR je gesehen zu haben.


    Wieder eine Nennung einer Aufnahme, an die niemand 'rankommt: es existiert ein Mitschnitt der Uraufführung der 13. unter Kondrashin.
    Nicht mit Artur Eisen, sondern mit Vitali Gromadsky.
    Nicht nur, dass die Aufführung ja verboten war. Fünf Bassisten hat Kondrashin gefragt, vier haben abgesagt und einer hatte aus Angst buchstäblich die Hosen voll.
    Liest sich vielleicht witzig, ist aber so nicht gemeint!
    Der damals 19-Jährige Gromadsky singt sich durch das Werk mit großem Mut. Mit Weh-Mut sogar.
    Nirgends sonst ist der "Humor" so bedrohlich, aber auch die stillen Sätze derart lastend wie in diesem Mitschnitt.
    Der Satz: "Im Laden" hat eine besondere Eigendynamik: kaum jemand kann sich vorstellen, in einem "sozialistischten Wartekollektiv" zu stehen um ein Brot zu kaufen.
    Was geschieht unter den Wartenden: bekomme ich noch eins ab? Habe ich mehr ein Recht darauf als der vor mir? Über allem: das Warten.
    Was sich hier so leicht schreibt war damals Alltag und Kondrashin zeichnet ein Abbild des Alltags in diesem Mitschnitt.
    War mal erschienen bei "Russia Reveletion".


    Und die Vierzehnte.
    Sicher ein besonderes Werk. In der Uraufführung starb im Publikum ein Parteifunktionär und Schostakowisch dazu: "wenigstens einer hat das Werk verstanden."
    Wenn ich diese Sinfonie höre, was selten der Fall ist, greife ich immer wieder zurück auf die Aufnahme von Rudolf Barschai. Die frühe, die mit der Vischnewskaja und Nesterenko.
    Die, die Schostakowitsch bei seiner Beerdigung hören wollte, was ihm verwehrt blieb.


    Ich kann jedem nur raten, die Memoiren zu lesen, herausgegeben von Solomon Volkov.
    Sie sollen echt sein und wären sie es nicht, sie zeichneten ein authentisches Bild der Zeit und der Umstände.
    Letztlich sind sie auch eine Stellungnahme Maxims, der einen besonderen Platz in der Biographie Schostakowitschs hat.


    Es tut mir leid, ich mag nicht folgen diesem Artifiziellen, wie lang eine Pause ist bei Swetlanov.
    Für mich ist diese Musik ein Teil meines Lebens und Stokowskis Aufnahme der Elften war es, die mir beistand, als ich 88 in Leipzig trotz und wegen der Scharfschützen auf den umliegenden Dächern doch mit so vielen auf die Straße ging.

  • Was für ein spannender Thread ist das geworden - schade, dass all die besonderen Aufnahmen, auf die uns Melante hingewiesen hat, nicht zugänglich sind. Schostakowitschs Musik hat doch Lebensgeschichten geprägt, wie man hier erfahren kann! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • Die 7. mit Mrawinsky fehlte in meiner Sammlung. Wie immer bei Schostakowitsch ist er auch hier unverzichtbar. Das programmatische Klischee sagt: In der Exposition wird das schöne Leningrad als "heile Welt" geschildert, in seiner schönen Pracht, nichts Schlimmes ahnend. Dann kommt diese an Ravels Bolero erinnernde Litanei permanenten Marschierens als Einbruch des Bösen - der Einmarsch der Deutschen soll das natürlich sein. Daran halten sich viele Dirigenten. Solchen Klischees geht gerade Mrawinsky nicht auf den Leim. Die Exposition klingt zynisch forsch, bitter. Nichts ist heil in dieser symphonischen Welt. Mrawinsky dirigiert das streng, intensiv, mit einer atemberaubenden Präzision. Kitschverdacht kann so erst gar nicht aufkommen. Er setzt auf die symphonische Logik und Schärfe der Rhetorik - entzieht sich mit diesem Purismus jeder ideologischen Vereinnahmung. Großartig!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger


    zu der Aufnahme von Petrenko auf Naxos hatte ich geschrieben.

    Gleich der erste Satz fällt auf, da deutlich langsamer angegangen als z.B. Kondrashin/Barshai, die über die gesamte Symphonie fast 10 min schneller sind als Petrenko. Hier wird schon am Anfang kein Bild eines friedlich-fröhlichen Landes gemalt, in das dann die "Deutschen Barbaren" einfallen. Dieses Land ist schon vorher von tiefer Depression und Schwermut geprägt. Der bolerohafte Einfall wird dann brilliant exekutiert, wie es sich gehört und schon hier fällt auf, dass das Orchester klanglich viel näher an russischen Orchestern ist als z.B. Chicago (Bernstein) oder London (Haitink). Allerdings mit deutlich größerer Präzision und klanglich hervorragend eingefangen. Höhepunkt der Aufnahme ist sicher das zutiefst empfundene Adagio, das ich besser nicht gehört habe. Und dann im letzten Satz, der vermeintliche Sieg, hier wird er zum Pyrrhussieg. Bleischwer kommen die Bläserchoräle der Schlußapotheose daher, die Musik bleibt zeitweise fast stehen und droht unter ihrer Last zusammenzubrechen. Hier wird nicht gejubelt, sondern hier sind die Zukunftsaussichten schwärzester Natur. Grandios dirigiert, gespielt und aufgezeichnet. Ich bin gespannt auf weitere Einspielungen dieser Serie. Dies ist meine erste aber sicher nicht letzte Petrenko Aufnahme.

  • Lieber Holger
    zu der Aufnahme von Petrenko auf Naxos hatte ich geschrieben.


    Sehr schön, lieber Lutgra. Das hat Mrawinsky schon 1953 begriffen - also noch in der abklingenden stalinistischen Ära! Ich werde mir wohl mal eine der Petrenko-Aufnahmen besorgen! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • Zumindest bei Tamino weitgehend unbeachtet, erschien vor knapp zwei Jahren ein kompletter Zyklus der 15 Symphonien von Schostakowitsch mit dem Mariinsky-Orchester unter Valery Gergiev. Zudem enthalten sind die Klavierkonzerte Nr. 1 & 2, die Cellokonzerte Nr. 1 & 2 sowie die Violinkonzerte Nr. 1 & 2. Es handelt sich um Konzertmitschnitte aus dem Salle Pleyel in Paris von 2013/14.


    Aus der Produktbeschreibung:


    "Es ist das erste Mal überhaupt, dass Schostakowitschs Sinfonien sowie seine sämtlichen Konzerte auf DVD und Blu-ray erscheinen. [...] Gergievs Schostakowitsch ist ohne Zweifel einer der besten jemals mitgeschnittenen Zyklen. Die Aufnahmen, die im Salle Pleyel von Paris an acht Konzertabenden in den Jahren 2013 und 2014 entstanden, erscheinen hiermit erstmals und sind nicht deckungsgleich mit Gergievs auf CD erschienenem Schostakowitsch-Zyklus aus früheren Jahren. Enorm spannend ist es da zudem, Gergievs interpretatorische Weiterentwicklung zu studieren. Ein MUSS!!!"


    "So here you have it, an essential set if ever there was one, in superb sound and video. My only complaint is that an audio-only version wasn’t offered. As is, these live readings will stand as some of the best Shostakovich around, and easily the best collected set."
    — Steven Ritter, Audiophile Audition (May 10, 2016)


    Kennt jemand diesen Zyklus oder besitzt ihn sogar?

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der von Josef im Vorbeitrag genannte Gergiev-Schostakowitsch-Zyklus von 2013/14 mit den Konzerten wurde von 2015 - 2016 Jahr über einen längeren Zeitraum (ich glaube es war ZDF Kultur) gezeigt. Ich habe davon einige Mitschnitte auf FP vorliegen.


    Ich fand seinen Schostakowitsch insgesamt sehr hörenswert, konnte aber gegenüber meinen drei Favoriten Kondraschin, Roshdestwensky und Swetlanow (vereinzelt Mrawinsky) keine auffallenden Vorteile entdecken. Einer ist natürlich vorhanden = die aktuelle Soundqualität.
    Soweit ich da reingehört habe, konnte ich nun keine aussergewöhnlichen emotionalen Überraschungen in seiner eher "auf dem Boden bleibenden" Int feststellen, die bei mir mehr Begeisterung und Gänsehautfeeling erzeugen könnten, als meine Favoriten.


    Die Schostakowitsch-Sinfonien als DVD-Video-Zyklus zu haben, wäre sicher eine interessante Option ... aber 88,-Euro würde ich dafür nicht ausgeben, denn dazu fehlt mir eindeutig ein Aha-Erlebnis bei Gergiev.
    (((Wenn es auch blöd klingt:
    Aber Gergiev´s unrasierte Optik finde ich nicht so angemessen für einen TOP-Dirigenten der Weltochester dirigiert ... und das soll ich mir dann auch noch auf DVD ansehen müssen für den Preis ... :D .)))


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    :hello: Mich würde freuen, wenn das Thread-Thema "Die favorisierten Aufnahmen der Schostakowitsch-Sinfonien" wieder aktuell aufgenommen werden würde und die Tamonos ihre Favoritenaufnahmen der Sinfonien benennen.


    Es ist klar, dass sich über die Jahre da einiges wieder ändern kann, schon deshalb, weil neue Aufnahmen dazugekommen sind. Meine Persönlichen Voting-Listen liegen in diesem Thread von 2006 und 2014 vor. In Kürze werde ich die Schostakowitsch-Favoriten ein drittes Mal erneuern.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Diese habe ich auch in meiner Sammlung, wahrlich eine interessante Paarung - Schostakowitsch mit der Tschechischen Philharmonie und Vaclav Neumann:



    Es gibt noch diese Doppel-CD mit zusätzlich der 9., die ich allerdings leider, leider nicht habe:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ein allgemeines Ranking der 15 Symphonien gibt es ja andernorts. Hier habe ich mich dazu geäußert.


    In diesem Thread allerdings soll es um die Favoritenaufnahmen der einzelnen Symphonien gehen. Auch daran will ich mich versuchen, indem ich jeweils ein, zwei favorisierte Interpretationen nenne:


    Nr. 1: Swetlanow (1966), Kondraschin (1972)
    Nr. 2: Roschdestwensky (1984), Kondraschin (1972)
    Nr. 3: Roschdestwensky (1984), Kondraschin (1972)
    Nr. 4: Kondraschin (1962)
    Nr. 5: Roschdestwensky (1984), Kondraschin (1968)
    Nr. 6: Roschdestwensky (1983), Mrawinsky (1972)
    Nr. 7: Swetlanow (1978)
    Nr. 8: Swetlanow (1979)
    Nr. 9: Kondraschin (1965)
    Nr. 10: Swetlanow (1966)
    Nr. 11: Kondraschin (1973), Rostropowitsch (2002 live)
    Nr. 12: Kondraschin (1972), Mrawinsky (1984)
    Nr. 13: Kondraschin (1974)
    Nr. 14: Barschai (1969), Currentzis (2009)
    Nr. 15: Kondraschin (1975), M. Schostakowitsch (1972)


    Mein Eindruck: Eigentlich könnte man mit den vier großen sowjetischen Dirigenten Kondraschin, Mrawinsky, Roschdestwensky und Swetlanow (alphabetisch geordnet) allein schon perfekt auskommen. Einzig bei der 14. und 15. werden oft eher andere Namen als Referenzen genannt (Barschai, Rostropowitsch, M. Schostakowitsch). Mit dem Kondraschin-Zyklus allein hätte man bereits eine Top-Gesamtaufnahme, die im Grunde genommen kaum einer Ergänzung bedürfte. Was es von Swetlanow gibt, toppt diese tollen Aufnahmen allerdings sogar noch (mir liegen derzeit die 1., 7., 8. und 10. vor). Besonders bei der 7. sehe ich Swetlanow vor Kondraschin und Roschdestwensky (der hier merkwürdig nichtssagend wirkt). Die Live-Aufnahme von 1978 (nicht verwechseln mit Studio 1968) ist für mich sogar die beste Schostakowitsch-Aufnahme, die jemals gemacht wurde. Roschdestwensky punktet für mich gerade in den eher ungeliebten frühen (2., 3.) und durch Top-Tontechnik gerade auch in der 5. (die Paukenschläge in der Coda sind hier wirklich im wahrsten Sinne des Wortes "hammermäßig"). Der hochgeschätzte Mrawinsky scheidet für viele wegen oft suboptimalem Klang eher aus, aber bei der 6. und besonders bei der wenig geliebten 12. geht doch eigentlich nichts über seine Interpretationen. Wenn ich bei der 11. neben dem vorwärtsdrängenden Kondraschin ausgerechnet den monumentalen Rostropowitsch in seiner späten Live-Aufnahme nenne, dann mit voller Überzeugung. Ich persönlich sehe es als große Bereicherung an, hier extrem gegensätzliche Zugangsweisen vorliegen zu haben. Beide funktionieren auf ihre Art. Die einzige andere aktuelle Aufnahme, die in meiner Liste vorkommt, ist ausgerechnet von Currentzis, der mir die schwierige 14. deutlich näher brachte. Was Uraufführungen angeht, darf hier Barschai nicht fehlen, genauso wenig wie M. Schostakowitsch bei der 15. und Kondraschin bei der 4. und 13. (hier fraglos der Top-Favorit).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Holger,


    das sind schon alle drei grosse Aufnahmen der Sinfonien Nr.5, 10 und 12, die ich hoch schätze und gerne höre. Klangtechnisch weit besser, als was man manchmal mit Mrawinsky präsentiert bekommt.
    :!: Klangtechnisch ist aber tatsächlich Kondraschin (AULOS), in dem neuen Remastering von 2006, doch noch etwas detailreicher und klarer; und für mich auf von der Int sogar noch vorzuziehen, sodass die drei Mrawinsky-Aufnahmen sich auch in meiner Liste (die in Kürze erneuert folgt) warscheinlich nicht finden.
    :angel: Mrawinsky´s Aufnahme der Sinfonie Nr.10 ist in der Tat der Hammer! ;) Aber Kondraschin oder Swetlanow nicht minder!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Klangtechnisch ist aber tatsächlich Kondraschin (AULOS), in dem neuen Remastering von 2006, doch noch etwas detailreicher und klarer; und für mich auf von der Int sogar noch vorzuziehen, sodass die drei Mrawinsky-Aufnahmen sich auch in meiner Liste (die in Kürze erneuert folgt) warscheinlich nicht finden.


    Da müßte man dann aber ins Detail gehen., lieber Wolfgang. So klingt bei Kondrashins 10. der Übergang zum Finale zweifellos romantisch schön, bei Mrawinsky werden die Pausen zum erschütternden Ereignis, ein Kehraus-Finale, dass einfach nicht so richtig losspielen will, sozusagen sich selbst "überwinden" muss in einem Stocken, Zögern, Zaudern, Zweifeln an sich selbst. Im Vergleich dazu wirkt Kondrashin dann doch einfach nur naiv. Genau diese "existenzialistische" Tiefendimension fehlt mir auch bei der 8. von Kondrashin. Kondrashin dynamisiert, dramatisiert den Kopfsatz, Mrawinsky verzichtet darauf komplett, macht dafür beklemmend den totalitären Horror deutlich, wo Bewegung in Erstarrung umschlägt, Leben in einer Totenmaske auftritt (wie im Mahler Lied "sie stehn da in Reih´ und Glied wie Leichensteine"). Allerdings unterscheiden sich die drei Mrawinsky-Aufnahmen deutlich, die müßte man einzeln analysieren! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Werte Schostakovitschianer!


    Der Gedanke, ich müsste alle 15 Sinfonien in 5 oder 7 Vergleichseinspielungen hören, vielleicht sogar einzelne Sätze mehrfach, um für jede einzelne stichhaltig und begründet in einem Ranking die Topinterpreten festzulegen, macht mir Angst.


    Respekt für die, die sich der Aufgabe unterzogen haben und wagten, ein Ergebnis ihrer Anstrengung vorzulegen.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Genau diese "existenzialistische" Tiefendimension fehlt mir auch bei der 8. von Kondrashin. Kondrashin dynamisiert, dramatisiert den Kopfsatz, Mrawinsky verzichtet darauf komplett, macht dafür beklemmend den totalitären Horror deutlich, wo Bewegung in Erstarrung umschlägt


    In diesem Therad geht es ja um die favorisierten Aufnahmen der Sinfonien. Aber wenn man sich mal über Einzelheiten austauscht, ist das auch kein Fehler, lieber Holger.


    Jeder hört und empfindet das ja nun anders.
    Die existenzialistischen Tiefendimensionen, wie Du es nennst, sind IMO bei Kondraschin auch vorhanden und werden auch hörbar wiedergegeben. Ich finde dass man ihm das keinesfalls absprechen kann. Er deutet nicht nur an, sondern spielt die Gefühle und den Horror auch aus. ;) So will ichs hören!
    Von Mrawinsky´s letzter Aufnahme der Sinfonie Nr.8 (Philips) war ich jedenfalls recht enttäuscht, diese erreicht mich einfach nicht, weil sie mir zu zahm/trocken erscheint, sodass bei mir sogar die die zur gleichen Zeit angeschaffte CSO-Aufnahme mit Solti (Decca) mehr Wirkung hatte; von Roshdestwensky (Melodiya/Eurodisc), der ja nun in der Achten den absoluten Wahnsinn präsentiert, ganz zu schweigen. (Wir hatten ja schonmal eine Diskussion darüber).



    Lieber Caruso,
    es macht unglaublichen Spass sich mit den verschiedensten Aufnahmen der Schostakowitsch - Sinfonien zu beschäftigen.
    Im Laufe der Jahre komme ich aber immer wieder zu der Feststellung und Überzeugung, dass ich immer wieder zu den grossen alten russischen Aufnahmen der grossen Vier zurück komme:
    Kondraschin (alle) - Roshdestwensky (alle) - Swetlanow (es liegen mir die Nr.1., 5., 7., 8., 10. vor) - Mrawinsky (bei 5., 10., 12.)

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Jeder hört und empfindet das ja nun anders.
    Die existenzialistischen Tiefendimensionen, wie Du es nennst, sind IMO bei Kondraschin auch vorhanden und werden auch hörbar wiedergegeben. Ich finde dass man ihm das keinesfalls absprechen kann. Er deutet nicht nur an, sondern spielt die Gefühle und den Horror auch aus. ;) So will ichs hören!
    Von Mrawinsky´s letzter Aufnahme der Sinfonie Nr.8 (Philips) war ich jedenfalls recht enttäuscht, diese erreicht mich einfach nicht, weil sie mir zu zahm/trocken erscheint, sodass bei mir sogar die die zur gleichen Zeit angeschaffte CSO-Aufnahme mit Solti (Decca) mehr Wirkung hatte; von Roshdestwensky (Melodiya/Eurodisc), der ja nun in der Achten den absoluten Wahnsinn präsentiert, ganz zu schweigen. (Wir hatten ja schonmal eine Diskussion darüber).


    Ich bin ja nun auch zunächst durch Kondraschin geprägt worden, lieber Wolfgang. Durch Mrawinsky habe ich dann später erst gelernt, dass Schostakowitsch doch noch eine andere Dimension hat. Kondrashin dirigiert den 1. Satz der 8. "dramatisch", sehr dynamisch mitreißend mit einer Klimax. Wenn man dann Mrawinsky mit seiner letzten Aufnahme hört, muss man sich in der Tat umgewöhnen. Aber wenn man den Satz dann zuende gehört hat, dann versteht man wie ich finde Schostakowitsch doch tiefer. Kondraschin ist zweifellos dramatisch mitreißender aber auch letztlich altmodischer. Er dirigiert den Schostakowitsch im Grunde so, als hieße der Komponist Tschaikowsky. Die emphatische Klimax und Dramatik ist nämlich letztlich noch romantische Subjektivität. Tschaikowskys Musik ist eben Romantik. Der alte Mrawinsky dagegen zeigt, dass Schostakowitsch kein Romantiker mehr ist - er stellt ihn wenn man so will neben Strawinsky. Da wird das Subjektive dann statt übersteigert mit Emphase ins Objektive gewandelt. D.h. die Klimax verliert ihre subjektive Emphase, wird starr und "objektiv" - aber genau das wirkt um so beklemmender, wenn man sich nur Mrwawinskys "Logik" überlässt. Im Totalitarismus ist das Subjekt längst verschwunden in einer es verschlingenden, toten "Bewegung". Darin liegt die musikgeschichtliche Bedeutung der 8. als ein Schlüsselwerk der Moderne, so wie ich es sehe, und nicht im Anknüpfen an romantische Subjektivität. Es ist wirklich atemberaubend, wie Mrwawinsky diese Bewegung, gerade wenn sie sich zur Klimax steigern will, erstarren läßt zur Bewegungslosigkeit, d.h. er Subjektivität, wo sie aufflammt, sogleich erstickt. Das ist viel beklemmender und bewegender für mich als Kondraschins vordergründige subjektive Dramatik und Emphase. Zudem das Solo bei Mrawinsky wirklich schreit. Expressionismus pur. Die Solti-Aufnahme habe ich auch - die finde ich dem gegenüber einfach nur blass. Solti spielt das freilich sehr schön und vom Orchester her brillant, wie nicht anders zu erwarten aus Chicago. Der höllische Verdichtungsaspekt in den Scherzi, die "Gifitgkeit" der Bläser, der böse Hintersinn, all das fehlt aber bei Solti. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • Vor kurzer Zeit habe ich mir die Box geleistet. Mit Schrecken habe ich heute festgestellt, dass sie jetzt 30 Euro teurer ist als noch vor zwei Wochen.


    Ich habe den Kauf nicht bereut. Die Aufnahmen, die ich bisher gehört habe, haben mich total überzeugt. Fabelhaft das 1. Cellokonzert mit dem Cellisten Capucon. Also besser geht's wohl gar nicht. Die Vierte, die Neunte, die Dreizehnte - ein Traum. Obwohl ich von letzterer mit derselben Besetzung ein Live-Video von den Londoner Proms gesehen/gehört habe, das noch spannender ist. Das Konzert muss ein paar Jahre vor den Pariser Aufnahmen stattgefunden haben. Leider gibt es das nicht zu kaufen, und in Youtube hat es eine sehr schlechte Qualität.


    Russische Musik mit einem russischen Spitzenorchester - wem so etwas vor Ort bevorsteht, bitte unbedingt Karten kaufen. Zum Trost gibt es dann nur noch alte Aufnahmen - oder eben diese Box. Nach Wien kommen im Oktober die St. Petersburger Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten und spielen zweimal die Dreizehnte von Schostakowitsch im Musikverein. Der Bass-Chor ist allerdings ein österreichischer. Ich frage mich, ob die Kapelle denn zu wenig Geld hat, ihre Chor-Bässe auch mitreisen zu lassen. Ein absolutes Muss. So ein Konzert darf man sich nicht entgehen lassen.


    Die Box ist ein Juwel. Das "Booklet" ein Buch mit erstklassigen Texten zu jedem Werk. Tonqualität und Bildqualität sind natürlich top, auch die Bildregie. Das Menü könnte jemand ein wenig umständlich finden, ist es aber nicht wirklich. Vor jedem Werk spricht Gergiev auf Englisch intelligente und verständliche Worte dazu. Im Intro mit den Credits hört man jeweils Musik aus dem Scherzo der Zehnten. Und zu dem Kommentar über den Bart: Schau einfach weg, wenn dir Gergievs Bart oder Frisur nicht gefallen. Also auf die Idee wäre ich bislang auch noch nicht gekommen, das mich während dieser Aufnahmen das Aussehen des Dirigenten stören könnte oder dass er mit einer Art Zahnstocher dirigiert. Ich genieße jede Sekunde, in der er im Bild ist. Das ist Gergiev. Ernsthaft, menschlich, mit ganzem Herzen bei der Sache.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Merlot,


    diese Sinfonien- und Konzerte wurden im TV ja über Jahre laufend in TV übertragen. So mache Sinfonie habe ich mal auf FP mitgeschnitten.
    Mir gefallen Gergiev´s sehr ausgehörte und intensive Int auch gut. Das sind schon tolle Darbietungen mit überdurchschnittlichem Niveau.
    Aber eines muss man deutlich sagen:
    Wenn man (wie ich) von Kondraschin-Roshdestwensky-Swetlanow geprägt ist, dann wirkt einiges insbesondere bei Sinfonien bei aller Wertschätzung doch zu kontrolliert.
    :thumbup: Schön aber, dass es mal die erste GA mit den Konzerten ist, die man auch auf DVD oder BluRay mit Bild geniessen kann.


    Wenn der Preis mal "stimmig" ist, bestelle ich mir die auch - aber dann in erster Line wegen den Konzertdarbietungen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang