Muzio Clementi [1752-1832]

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    @Joschi


    Ich würde mal DIESE CD in die nähere auswahl ziehen....)




    Das habe ich neulich getan... und finde sie, ehrlich gesagt, nicht soooo beeindruckend.


    Die Musik ist natürlich toll - die CD enthält neben den "großen" Sinfonien Nos. 1-4 und den beiden Jugendwerken op. 18 Nr. 1 und 2 auch das [für mich völlig unverständlich: offenbar einzige] Klavierkonzert, zwei als "Ouvertüren" bezeichnete Werke nicht näherer Bestimmung sowie das "Menuetto pastorale". Letzteres erinnert mich doch unglaublich an Johann Strauß und seine Walzer - ein quietschiges Werk zum Gernhaben. Auch die Sinfonien sind durchweg kurzweilig - nur die Interpretation von The Philharmonia [welcher Einzigkeitsanspruch schon in dieser Namensgebung liegt] und Francesco D'Avalos sowie auch überhaupt die Klangwiedergabe erfreut mich weniger. Das klingt mir größtenteils alles viel zu romantisch verschmiert, hat wenig Leichtigkeit und Esprit. Gelegentlich blitzt die Interpretation durch saugute und strahlende Blechbläser und feuriges Spiel auf, z.B. in der B-Dur-Sinfonie op. 18 Nr. 1 - ansonsten ödet es mich eher an und rauscht im wahrsten Wortsinn so für sich hin.


    Interessenten des Klavierkonzertes empfehle ich daher nachwievor die Quadromania Box für 5,99 €.


    Ich werde mich aber mal weiter durchhören - die Hälfte habe ich bereits überstanden.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Hallo ihr Lieben,


    mitlerweilen besitze ich auch diese Box. Sie gefällt mir ausgesprochen gut. Die 2. CD habe ich mir gleich mehrmals angehört. Wirklich gefühlvoll komponierte Stücke. Bin gespannt was die anderen CD noch in sich bergen.


    Herzlichst


    Detlef

    Werden im Wirken - Großes braucht seine Zeit

  • Für mich gehört Clementi nicht zu den ganz Großen (was immer man auch darunter verstehen mag), aber aus dem Klavierstudium ist er nicht weg zu denken, mit seinem Gradus ad Parnassum, der weit über Czerny steht, wenn auch nicht in diesem weitläufigen Umfang wie Czerny.

  • Die da hat mich gereizt, obschon mir die Mozartstücke aus derselben Reihe bei Accent mit Immerseel nicht sonderlich zusagten:



    Muzio Clementi [1752-1832]
    Sonatas for the Pianoforte


    Sonate B-Dur op. 24 Nr. 2
    Sonate Fis-moll op. 25 Nr. 5
    Sonate G-Dur op. 37 Nr. 2
    Sonate f-moll op. 13 Nr. 6


    Jos van Immerseel, Pianoforte
    und zwar: Michael Rosenberger, Wien, c1795


    Die CD ist eine Wiederveröffentlichung dieser wesentlich zu teuren Ausgabe von 1992, entsprechend dürftig ist das Booklet gestaltet - aber, was soll's?


    Die enthaltenen Sonaten jedenfalls sind charakterlich sehr unterschiedlich und damit gut gewählt. Zunächst erklingt jene Sonate in B-Dur op. 24 Nr. 2, aus welcher Mozart [angeblich] das Motiv für seine Zauberflötenouvertüre entlehnte. Die folgende fis-moll-Sonate op. 25 Nr. 5 ist sehr melancholisch und durchgängig in allen drei Sätzen in zartem moll gehalten. Luftig ist die die folgende G-Dur-Sonate op. 37 Nr. 2 mit dem Adagio. In the solemn style als Mittelsatz. Besonders angetan hat es mir die abschließende f-moll-Sonate op. 13 Nr. 6 - ein deftiges Werk, Allegro agitato zu Beginn, ein Presto zum Schluß und in der Mitte ein herzzerreißendes Largo e sostenuto.


    Empfehlung!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Mastroprimiano hat übrigens den 2. begehrenswerten Schinken auf den Markt geworfen [an meinem Geburtstag, versteht sich]



    Volume II


    Sonaten op. 1 Nr. 1-6; Sonate G-Dur WO 14; Sonate WoO 13;
    Sonaten op. 2 Nr. 2, 4, 6; The Black Joke with 21
    Variations WO 2; 5 Sonates op. 1.er (sic) dediees a Madame
    Duvivier (Ed. Bailleux, Paris)
    +Corelli: Gigues in F & h; Sarabanden in d & F; Allemande
    in d; Allegro in C


    Der "black joke" klingt verführerisch...


    Kennt jemand die 2. Box bereits?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die zweite Box läuft gerade bei mir: Ein zart und silbrig klingender Nachbau eines Silbermann-Fortpiano, im piano klingt er fast wie ein Tangentenflügel, in wenigen Stücken für meine Ohren nicht optimal gestimmt, aber von Mastroprimiano gut ausgewählt und eingesetzt.
    Diese frühesten Werke mag Mozart gemeint haben - nicht so substanzvoll wie die späteren Stücke auf der ersten Box, aber Wolferl wird sich da schon einiges abgehört haben - vielleicht war er nur neidisch - der Papa hatte diesen Charakterzug ja auch.


    Die Stücke der ersten Box finde ich z.T. richtig Klasse, z.B. kommen die im forte staccato zu spielenden Akkorde in der ersten Sonate auf dem fortepiano so schön knackig und klar, wie es auf einem modernen Flügel nicht möglich wäre.


    Apropos moderner Flügel:



    Für diese 3 CDs hat sich Stefan Irmer die Perlen aus Clementis Werk ausgesucht und sie auf dem wunderbaren 100 Jahre alten Steinway von MDG auf der Höhe seiner Interpretationskunst eingespielt - auf dem modernen Klavier für mich nicht zu toppen! Hat die hier noch jemand?

  • Heuer im Frühjahr hat Hyperion eine neue Serie von Clementi-Sonaten gestartet, von der ich vor einigen Tagen Folge 1 erworben habe.



    Desto öfter und länger ich die Sonaten Clementis höre, umso mehr bin ich von ihnen angetan. Eine gewisse Ähnlichkeit zu denen Mozarts lässt sich nicht abstreiten, wirken auch sie nunächst eher harmlos und beliebig, und geben den Blick auf "innere Werte" oft erst nach öfterem Hören frei - wobei "Tiefgang wahrscheinlich gar nicht erst angestrebt ist.


    Ganz sicher bin ich mir jedoch bei letzterer Aussage nicht, da Clementis Sonaten mir sehr verwandlungsfächig erscheinen. Je nach Interpretation und Instrument mausern sie sich von nichtssagenden zu gefälligen Stücken , bis hin zu Meisterwerken.


    Man höre nur die zeitweise etwas eckig daherkommenden Einspielungen im Vergleich mit jener von Scherbakov, die tendenziell an einigen Stellen beinahe Beethovennähe anklingen lässt......


    Einmal mehr möchte ich mich für Clementis Reputation einsetzten, die scheinbar bis heute unter Mozarts (vorsätzlichem ??) Fehlurteil zu leiden hat. Mozart war bekanntermaßen nicht zimperlich, wenn es galt Schlechtes über Konkurrenten zu sagen.....


    Wie schlägt sich nun die oben angeführte Neuaufnahme aus England ?


    Hervorragend - möchte ich sagen.


    So sehr ich Clementi auf historischen Instrumenten liebe, so sehr mag ich auch die Klangfarben, die moderne Flügel seinen Sonaten entlocken.
    Ebenso verkannt wie Clementi ist hierzulande Howard Shelley, der In seiner Heimat als Mozart- und Hummelspezialist brilliert - und zwar sowohl als Pianist, als auch als Dirigent.
    Er kostet die lyrischen Teile genüsslich aus, bringt die ensprechenden Stellen perlend zum Vortrag, und greift auch mal kräftiger zu, wenn es angebracht ist.


    Ich möchte allen jenen, die sich für Clementi interessieren einige sehr subjektive Eindrücke mitteilen, welche vielleicht aber vielen zuteil werden mögen.
    Als Clementi-Neuling mag es vielleicht sein, daß man seine Klaviersonaten als "nichtssagend" empfindet, gelegentlich leicht süsslich (wird vom Interpreten abhängen) Setzt man sich jedoch näher mit ihnen auseinander, dann beginnen sie von innenher zu leichten, sie bekommen "Charakter". Desungeachtet sind sie wie Chamäleons, die von verschiedenen Interpreten sehr unterschiedlich aufgefasst werden, sodass jedesmal ein völlig anderer Eindruck entstehen kann.


    Ein ergiebiges Feld für Freunde der Klaviermusik auf der Schwelle zwischen achtzehntem und neunzehntem Jahrhundert......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich hatte schon seit einiger Zeit die oben angeführte Immerseel-CD, da ist aber irgendwie nicht viel hängengeblieben. Später habe ich mir dann folgende CD (Demidenko/hyperion) gekauft, die ich auch vor wenigen Wochen erstmals richtig gehört habe. Ich war positiv überrascht. Die enthaltenen Sonaten sind größtenteils erst nach Mozarts Tod komponiert worden, teils deutlich nach 1800. Im Falle der Sonaten op.40 gibt es Berührpunkte mit kurz vorher oder gleichzeitig entstandenen Beethovensonaten (op.10,3 u. op.28 ) und entsprechend klingt das auch selten nach Mozart, sondern eher nach einer etwas eleganteren, leichteren Version des frühen Beethoven. Aber auch das trifft es natürlich nicht recht. Der Kommentator im Beiheft erwähnt im Zusammenhang mit der fis-moll-Sonate Scarlatti, was gar nicht so weit hergeholt ist. Pianistisch scheinen mir die Stücke (die natürlich eine Auswahl darstellen) interessanter als die meisten Mozart-Sonaten. Die Möglichkeiten der damals rapide "verbesserten" (jedenfalls den modernen ähnlicher werdenden) Instrumente werden ausgeschöpft, es ist viel eher virtuose Konzertmusik als die Hausmusik Haydns und Mozarts. Den Horowitz besorge ich mir bei Gelegenheit vielleicht auch noch mal.



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo!


    Einige Zeit schon besitze ich die von Ulli erwähnte Immerseel-CD, die mir sehr gut gefällt. Mit Clementi hatte ich so den, wie ich finde, neben Mozart und Haydn bedeutendsten Klavierkomponisten seiner Generation kennengelernt. Dieser Eindruck hat sich durch die Naxos-CD mit op. 40 (bei Zweitausendeins derzeit im Sonderangebot) gefestigt.
    Scheinbar lohnen sich für mich die meisten Clementi-Sonaten, also wird demnächst wohl eine Brilliant-Box fällig.
    Welche (Vol. 1 oder 2) ist von der Werkauswahl denn eher mit interessanten, besonderen Stücken besetzt?
    Hat jemand von Euch eine explizite Lieblingssonate von Clementi?


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Zitat

    Original von Pius
    Hat jemand von Euch eine explizite Lieblingssonate von Clementi?


    Von den mir bekannten:


    Zitat


    Besonders angetan hat es mir die abschließende f-moll-Sonate op. 13 Nr. 6 - ein deftiges Werk, Allegro agitato zu Beginn, ein Presto zum Schluß und in der Mitte ein herzzerreißendes Largo e sostenuto.


    :)


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Von den bisher erschienenen Brilliant Boxen (die seine Klaviermusik übrigens nicht chronologisch abarbeiten!) finde ich Vol. 2 fast schon entbehrlich - zu vieles mit unausgegorenem, skizzenhaftem Charakter. Vol. 1 enthält dagene gut geschriebene Sonaten, die Mastroprimiano auch erstklassig darbietet.


    Mein absoluter Favorit ist bisher die erste Sonate auf Stefan Irmers weiter oben genannter erster CD - 3 Sonaten op.40 - wer modernes Klavier will, ist da sehr gut aufgehoben - gefällt sogar mir :D - bin aber trotzdem gespannt, wie die dann bei Mastroprimiano klingt.

  • Clementi - Dieser Thread liegt nun seit 4 Jahren brach - höchste Zeit ihn wieder zu beleben.




    Die weiter oben im Thread angesprochene Serie (damals erst Vol.1 und Vol.2 aller Clementi Klaviersonaten (Brilliant Classics) mit Constantino Mastroprimiano an diversen historischen Instrumenten, bzw. deren Nachbauten ist inzwischen nicht nur erschienen - Folge 3 ist bei jpc schon gar nicht mehr gelistet. Es existieren dort noch die Folgen 1-2-4-5-6 oder aber für jene Interessenten die noch keine einzige Folge dieser Edition besitzen - seit 1. September 2012 die Gesamtausgabe in einer Bock mit 18 CDs zum Sonderpreis von knapp 40 Euro, was dem Einzelpreis einer CD von knapp 2.20 Euro entspricht. Hineinhören über die Tamino-Links ist möglich.



    Ich werde mich bemühen diesen Thread am Köcheln zu halten, weise zugleich auch auf weitere Threads zum Thema Clementi im Tamino Klassikforum hin.....



    Meine liebste Clementi Klaviersonate
    Muzio Clementi - Die Sinfonien
    Wird die Musik Muzio Clementis heutzutage nicht viel zu wenig gewürdigt bzw. gespielt?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich bin ein großer Fan von Clementi, schätze aber seine Symphonien fast noch mehr als seine Klaviersonaten. Für mich sind die 4 großen Symphonien (zwei weitere konnte Pietro Spada meines Wissens nicht vollständig rekonstruieren) eindeutig Meisterwerke auf dem Niveau Joseph Haydns. Dementsprechend finde ich es bedauerlich, dass gerade diese Werke noch nicht viel Aufmerksamkeit erfahren haben. Ich habe zwei Einspielungen (D'Avalos und Scimone), wobei ich die von D'Avalos der von Scimone klar vorziehe. Es ist allerdings ein Jammer, dass sich bisher weder Harnoncourt noch andere Dirigenten der Originalklangschiene für Clementi engagiert haben. Vielleicht darf man zumindest auf ein Einspielungsprojekt bei cpo hoffen - denn wer Spohr und Ries sagt, sollte auch Clementi sagen.


    Bei den Sonaten gibt es viele Diamanten zu entdecken, auch jenseits der halbwegs bekannten Schlachtrösser aus Opp. 13, 24, 25, 34, 40 und 50. Beispielsweise sind die Sonaten aus Op. 12 wunderbar und teilweise kann man daraus Beethoven schon mehr als erahnen. Sehr empfehlenswert sind auch die Sonatenopera 33 und 37. Ich habe zwei Gesamteinspielungen, nämlich von Pietro Spada und von Howard Shelley. Im allgemeinen ist Shelley sicher der bessere Pianist aber gerade die Op. 40 Sonaten - vielleicht die besten, oder zumindest mit die besten von Clementi - spielt Spada absolut hervorragend und mit dem Ernst, den diese Werke verdienen. Probleme habe ich immer noch mit den Klavierphantasien Clementis (z.B aus Op. 34 oder Op. 47), welche ich wenig "fantasievoll" finde. Das könnte natürlich auch an der Interpretation liegen.


    Generell ist Clementi ein hervorragender Techniker - seine Sonaten sind voller überraschender harmonischer und thematischer Wendungen - allerdings leidet er doch sehr an mangelnder melodischer Erfindungskraft. Deshalb wird ihm der Durchbruch an die Spitze wohl verwehrt bleiben.


  • Wanda Horowitz-Toscanini besuchte in ihrer Heimat Italien einen Musikladen und stieß dort auf Noten von Muzio Clementi. Sie kaufte die kompletten Klavierwerke und brachte sie ihrem Mann nach New-York mit. Horowitz war sehr begeistert von Clementi und machte die folgenden Aufnahmen, die man wirklich nur empfehlen kann:




    Auch Benedetti Michelangeli spielte Clementis Sonaten gerne. Joachim Kaiser berichtet von seinem schalkhaften Humor: Er ließ den Clementi auf im Konzertprogramm absichtlich mit der falschen Opuszahl ankündigen und freute sich: "Das wird doch keiner merken!" Zu haben ist der folgende Mitschnitt der BBC:



    Beste Grüße
    Holger

  • Horowitz war sehr begeistert von Clementi und machte die folgenden Aufnahmen, die man wirklich nur empfehlen kann:


    Diese Aufnahme kenne ich und besitze ich natürlich! Allerdings glaube ich, dass jener Benedetti Michelangelische Schalk auch Horowitz und der RCA im Nacken gesessen sein muss, denn von den Werkangaben auf der CD-Hülle stimmen beinahe gar keine: die f-moll Sonate Op. 13/6 wird als Op. 14/3 angegeben. Letzteres Werk gibt es, ist aber ein vollkommen unbedeutendes Klavierduett. Die Fis-Moll Sonate Op. 25/5 wird als Op. 26/2 angegeben (es gibt keine Sonate mit dieser Nummer), während das Schlusstück "Rondo" nicht aus Op. 47/2 (welches keine Sonate sondern ein Capriccio ist) stammt, sondern aus Op. 24/2, jener B-Dur Sonate, die Clementi vor Mozart und Kaiser Joseph II. zum Besten gegeben hat, und deren Inzipit Mozart für seine Zauberflötenouvertüre entlehnte.


    Bei letztgenanntem Stück sehe ich auch die Problematik in der Interpretation Horowitz': er spielt Clementi zu schnell. Natürlich richtet sich Horowitz nach den Tempoangaben, doch die sind bei Clementi recht seltsam - schon Mozart mockierte sich darüber. Bei vielen Sätzen steht z.B. "Presto" aber sie haben eindeutig "Allegretto"-Charakter. Generell fallen die Tempoangaben bei Clementi ein bis zwei Stufen zu hoch für den Charakter des Stücks aus. Pietro Spada, DER Fachmann für Clementi, weiß das und spielt Clementi deutlich langsamer. Ich halte das für wichtig, denn spielt man Clementi zu schnell, klingt er wie der "Klaviermechanicus", als der er so gerne verschrien wird.

  • Bisher weitgehend unerwähnt blieb Clementis Kammermusik, die aber sehr hörenswert ist:



    Ich kann dieses Set nur wärmstens empfehlen. Manche der Violinsonaten und Klaviertrios haben sehr hohes - vielleicht manchmal sogar höchstes - Niveau. Im allgemeinen gibt sich Clementi hier melodiöser und entspannter als in seiner Klaviermusik. Manches ist offensichtlich für den Unterricht und für Amateure gedacht, anderes hingegen wie die C-Dur Violinsonate Op. 30 ist ein ordentlicher Brocken. Ich werde diesen Thread als Anlass nehmen, mich wieder durch die Box durchzuhören und in der nächsten Zeit einen Kammermusikthread für Clementi zu erstellen.

  • Bei vielen Sätzen steht z.B. "Presto" aber sie haben eindeutig "Allegretto"-Charakter. Generell fallen die Tempoangaben bei Clementi ein bis zwei Stufen zu hoch für den Charakter des Stücks aus.

    Lieber Felix,


    wie erklärt die Musikwissenschaft denn diese Merkwürdigkeit? Stammen die Tempobezeichnungen von Clementi selbst? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Felix,


    wie erklärt die Musikwissenschaft denn diese Merkwürdigkeit? Stammen die Tempobezeichnungen von Clementi selbst? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

    Lieber Holger,


    da bin ich selbst ein wenig überfragt. Leider besitze ich außer den CD-Booklets keine Literatur über Clementi - er ist ja leider auch nicht gerade "Lieblingsforschungsobjekt" der musikwissenschaftlichen Zunft. Gerade gestern habe ich mir eine Violinsonate von Clementi (Op. 6/1) angehört, deren Mittelsatz die Tempoangabe "Presto" trägt - es handelt sich trotzdem um ein waschechtes Andante. Da dies so häufig vorkommt, gehe ich nicht davon aus, dass es sich um Druckfehler oder ähnliches handelt. Allerdings ist es sehr auffällig, dass diese "Verlangsamung" nur auf die Dur-Werke zuzutreffen scheint, während die Moll-Werke tatsächlich so erklingen, wie die Tempoangabe fordert. Es sind auch alle Moll-Werke von Clementi vom Gestus her drängend, während die Dur-Werke fast immer beschauliche, entspannte Themen haben (Clementi neigt zugegebenrmaßen ein wenig zum Schematismus). In diesem Sinne habe ich gestern auch Horowitz Unrecht getan, denn auf seiner Aufnahme sind fast nur Moll-Werke zu hören, deren gespieltes Tempo für meine Ohren im wesentlichen passt. Wahrscheinlich war ich wegen des verhuschten Rondos am Ende etwas "ungnädig". Bei der Gesamteinspielung von Howard Shelley ist dieses Übereilen leider allzu häufig, selbst wenn sich der Gestus des Stücks dagegen sträubt - z.B bei Themen mit Tanzbodenrhytmus.

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  • Lieber Holger!


    Auf Deine Empfehlung hin habe ich mir unlängst diese CD gekauft:


    Es ist wirklich beeindruckend, wie Michelangeli hier die Verwandtschaft von Beethoven und Schubert erklingen lässt! Der langsame Satz aus Beethovens Op. 7 klingt teilweise wie reiner Schubert. Der Grund aber, weshalb ich das hier schreibe, ist, dass ich auch sehr viel Clementi rausgehört habe, vornehmlich bei Beethoven aber überraschenderweise auch teilweise bei Schubert. Clementi hat Figurationen entwickelt, die recht charakteristisch sind.
    Dass Beethoven ein Clementiverehrer warm wusste ich, aber Anklänge an Clementi bei Schubert waren mir bisher unbekannt. Leider habe ich nicht die Noten und kann Dir keine Taktzahlen liefern...

  • Lieber Felix,


    spannend, was Du schreibst! Das sind wahrlich singuläre Aufnahmen von ABM - für mich das Maß aller Dinge. Mein verehrter Klavierlehrer und Freund, ein Konzertpianist, spielte Beethovens op. 7 in seinem Konzertexamen. Er hörte ABM mit dieser Sonate noch im Konzert. Er läßt nur ABMs Aufnahme gelten und erklärt mir das immer wieder gerne ausführlich im Detail. Michael Korstick schrieb, daß er durch ABMs Aufnahme diese Sonate überhaupt erst lieben gelernt habe. Die sei von einer schier unglaublichen Perfektion, hinter die kein Pinaist heute mehr zurückfallen dürfe. Mir geht es auch so wie Korstick: Ich liebe diese Sonate nicht zuletzt wegen ABM. Das ist einfach Klavierspiel von einem anderen Stern, das diesen frühen Beethoven wirklich "adelt" zu ganz großer Musik.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, das Muzio Clementi am 23. Januar 1752 in Rom geboren wurde.


    Wir begehen heute die 263. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und heute darf ich mit dieser CD:


    daran erinnern (es lohnt sich wirklich, reinzuhören), dass Muzio Clementi am 10. März 1832 starb. Er ist nach Ignaz Moscheles und Carl Reineke, der dritte Komponist, an dessen Todestag ich heute erinnere.


    Heute ist sein 183. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Clementi ist scheinbar ein schwieriger Fall: Einer der sicherlich begabtesten Komponisten der "Wiener Klassik" - und immer wieder steht er im Schatten der "Großen". Inwieweit Mozarts gehässisges und Ungerechtes Urteil über Clementi daran schuld ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Wahrscheinlich aber, daß er, ähnlich wie Czerny, Werke für den Schulgebrauch von Klavierschülern geschrieben hat. Vielleicht ist es aber die Leichtigkeit seiner Klavierwerke, deren Stil heute eventuell als ZU leicht und gefällig angesehn wird. Heutzutage ist es ja schon abwertend wenn etwas seiner klanglichen oder oiptischen Schönheit bestehen will - ohne tiefgründigen doppelten Boden. So werden ja auch Haydns Werke für Baryton als seichte Massenware abgetan, denn es handelt sich um Auftragswerke seines Dienstherrn - statt einer genialen Eingebung folgend. Auch die Klaviersonaten Haydns stehen bei seinem Schaffen weitgehend im Hintergrund (die späten Sonaten ausgenommen). Und bei Mozarts Klaviersonaten haben Interpreten und Kritiker des 20 Jahrhunderts zahlreiche Verrenkungen machen müssen, um die Genialität dieser oft recht einfach gestrickten Werke zu untermauern.
    Clemanti wurden solche Segnungen nicht zuteil. Seine Einschätzung ist recht unterschiedlich. Ich gehöre zu jenen, die ihn schätzen und gern mit den ersten Komponisten Seiner Generation auf Augenhöhe sehen.


    Im Rahmen dieses Artikels möchte ich einmal mehr auf die Gesamteinspielung seiner Werke für Klavier Solo durch Constantino Mastroprimiano hinweisen, welche derzeit zum Spottpreis für 29.99 Euro (für 18 CDs !!!) angeboten wird. (Ich besitze diese Aufnahme in ihrer alten Auflage in 6 Boxen a 3 Cds) Der besondere Reiz dieser Serie liegt darin, daß Mastroprimiano verschiedene historische Pianoforti , bzw deren Nachbauten einsetzt, und zwar auch solche, die weniger bekannt sein dürften. Teiweise fanden die Aufnahmen auch auf einem Original-Clementi-Fortepiano (Clementi war Pianist, Komponist, Musikverleger UND Klavierbauer) statt.


    Vorbehalte gegenüber diesen Aufnahmen - des günstigen Preises wegen - sind meiner Meinung nach völlig unangebracht.
    Im Gegensatz zu etlichen Empfehlungen der Vergangenheit in diesem Thread ist die Serie derzeit noch verfügbar. Über diverse Alternativen - auch auf modernem Flügel - demnächst in diesem Thread.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In Beiträgen 6 und 25 kamen die vier Sinfonien Musik Clementis in verschiedenen Aufnahmen bereits vor. Zumal diese erwähnten Aufnahme bei jpc nicht mehr erhältlich sind, schlage ich eine Einspielung des Mozarteum Orchester Salzburg aus dem Jahr 2015 vor. Sie bringt frischen Wind. Ivor Bolton sorgt dafür, dass keine Schlafmützen-Interpretation zu hören ist.



    Oliver Cave schafft es durch seine Auswahl von Klaviersonaten in Molltonarten den Hörer zu überzeugen, dass Clementi kein Langweiler in seinen Kompositionen war und Gefühl und Dramatik durchaus einzusetzen wusste.



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe Werke von Muzio Clementi erst durch die Aufnahmen von Vladimir Horowitz kennengelernt, und zwar von einer alten RCA-LP. Später habe ich mir dann diese CD, die Holger bereits lobend erwähnt hat, gekauft:



    Sie enthält im einzelnen folgende Werke: Sonate 14 f-moll, op. 14 Nr. 3, Sonate fis-Moll, op. 26, Nr. 2, Sonate g-moll, op. 34 Nr. 2 und Rondo aus Sonate op. 47 Nr. 2, alles Mono-Aufnahmen aus 1954 und 1950 (Rondo).
    Höhepunkt der CD scheint mir aber die Sonate quasi Concerto C-dur, op. 33 Nr. 3 zu sein. Die Aufnahme ist ein Live-Mitschnitt von 1979/80 und erklingt in ausgezeichnetem Stereo.


    Im Booklet von 1989 heißt es: "Horowitz ist heute der bedeutendste Spezialist für die Werke Clementis. Der große Pianist hat sich dieser vernachlässigten Sonaten angenommen und sie mit liebevollem Interesse intensiv studiert. Seine Aufführungen zeuge von einer absoluten Hingabe und großer Begeisterung an dieser Aufgabe. Seine Aufnahmen beweisen seine eigene, ausgesprochene Virtuosität und sollten dazu angetan sein, dem vernachlässigten, alten italo-englischen Meister neue Bewunderer zu gewinnen."


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das Rechtschreibprogramm korrigiert meine Beiträge oft nicht in meinem Sinne. Clementi scheint es in meinem Beitrag 56 nicht zu kennen und verschlimmbessert in Clementine. Da fällt mir die im weissen Overall gekleidete Waschmittel Frau der 70er Jahre des vergangenen Jahrtausends ein.


    Zurück zum Thread: Die Aufnahmen solcher Spitzenpianisten wie Horowitz und Berman belegen, dass in diesen Sonaten mehr Potential enthalten ist. Eine hörende Beschäftigung mit den Kompositionen Muzio Clementis lohnt sich.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Für diese 3 CDs hat sich Stefan Irmer die Perlen aus Clementis Werk ausgesucht und sie auf dem wunderbaren 100 Jahre alten Steinway von MDG auf der Höhe seiner Interpretationskunst eingespielt - auf dem modernen Klavier für mich nicht zu toppen! Hat die hier noch jemand?


    JA, die hat inzwischen noch jemand – zwar hineingehört; aber noch nicht komplett gehört … :pfeif:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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