Wolfgang Amadeus Mozart: Le Nozze di Figaro

  • Hi


    Du hast immerhin die wahrscheinlichste Variante nicht angeführt: die Arie hatte auf der Platte keinen Platz mehr und wurde daher in der ursprünglichen Aufnahmesitzung weggelassen. Ich habe keine Erinnerung mehr an die Einteilung auf den LPs, aber es dürfte so gewesen sein, dass der 4. Akt vollständig auf der 6. Seite war. Auf der CD hat der 4. Akt gute 40 Minuten Laufzeit, das geht aber auf keine Plattenseite. Ohne die Marzelline-Arie bleiben 35 Minuten, auch noch viel, aber es geht mit Abstrichen noch auf eine Plattenseite. Der Figaro ist für drei LPs ohne technische Einschränkungen oder unschöne Schnitte fast unmöglich vollständig einzuspielen, man muss Kürzungen vornehmen. Auf der CD hat man diese Beschränkung nicht, das geht locker auf drei CDs.


    Aber es kann auch ganz einfach so gewesen sein, dass man die Arie aus Gewohnheit weggelassen hat. Das Bemühen um vollständige Einspielungen bei Opern kam erst viel später so richtig zum Tragen. In den 50ern hat man zumeist die gängigen Bühnenversionen in die Rille gebannt.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • @ Theophilus:


    In der Tat: an diese Variante habe ich wirklich nicht gedacht. Dabei ist der „Platzmangel“ wohl der wahrscheinlichste Grund für die Streichung der Marzelline-Arie. Mir hätte der Gedanke auch schon deshalb kommen können, weil auf dem gleichzeitig mit dem „Kleiber-Figaro“ gekauften „Suitner-Figaro“ Marzellines und Don Basilios Arien ebenfalls fehlen. Und auch diese deutschsprachige Version ist ja zunächst auf Platten erschienen. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde im Beiheft der LP-Ausgabe sogar auf die Streichung hingewiesen - mit den zusätzlichen Argumenten, daß beide Arien keine Spitzenleistungen Mozarts darstellen und außerdem die „klassische Symmetrie“ des vierten Aktes mit beiden Arien nicht gewahrt sei.


    Es bleibt jedoch ein auffälliger Zwiespalt: auf das Marzelline-Rezitativ des Mezzos von Hilde Rössel-Majdan folgt die Sopran-Arie von Hilde Güden - irgendwie stört mich das. Aber man kann den Track ja überspringen...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Nun, ganz so unergiebig, wie Du es erscheinen lässt, ist dieser Thread dann doch nicht. So habe ich bereits weiter oben meiner Vorliebe für die Aufnahme unter Gardiner (zumal in der DVD-Fassung) Ausdruck gegeben und auch lobende Worte für die Aufnahmen unter Marriner und, nicht zu vergessen, Erich Kleiber gefunden.


    Denen habe ich auch ein paar Monate später nichts hinzu zu fügen. Wäre ch gezwungen mir nur eine einzige Aufnahme zu kaufen, würde ich nach wie vor zwischen diesen schwanken und mich wohl für Gardiner entscheiden,.............


    :hello: Rideamus

    lieber rideamus,


    ich möchte dir nur danken , obwohl ich 2009 den almaviva gespielt hatte (in der theaterfassung) , hatte ich zur musik keinen rechten zugang gefunden - auf cd hat mich das nicht gepackt - aber heute ( gestern bestellt!) ist die dvd eingetroffen - und diese wunderbare spritzige inszenierung hat mich voll erwischt - mit den bildern kann ich wirklich eintauchen - wunderbar!


    gruss aus bruchsal


    kalli

  • Liebe Figaro-Fans,


    wie ist das eigentlich genau mit der "Falle", die Figaro, Susanna und die Gräfin dem Grafen stellen wollen?


    Im 2. Akt stellt Figaro seiner Susanna und der Gräfin ja den Plan vor, wie man den Graf ablenken und somit Zeit gewinnen könnte: zum einen schickt er ihm anonyme Briefe, in welchen von Liebhabern der Gräfin die Rede ist (um ihn eifersüchtig zu machen und somit wieder seine Gedanken in Richtung Gräfin zu lenken), zum anderen möchte er, dass Cherubino, als Susanna verkleidet, den Grafen am Abend im Garten trifft (um ihn dann als Ehebrecher bloßzustellen?). Die beiden Damen willigen in den Plan ein und beginnen damit, Cherubino zu verkleiden (Voi che sapete).


    Im 4. Akt, wo wir die Ausführung des Plans sehen, kommt dann aber alles ganz anders: Susanna und die Gräfin haben (ohne Wissen von Figaro) beschlossen, die Kleider zu tauschen, so dass also die von Figaro ursprünglich für Cherubino vergesehene Rolle der verkleideten Susanna nun der Gräfin selbst zufällt.


    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans? Wieso ist Figaro nicht mehr eingeweiht? Und was ist Susannas Motivation, als verkleidete Gräfin aufzutreten -- etwa nur, um die Treue Figaros zu ihr selbst auf die Probe zu stellen? (Figaro erkennt die als Gräfin verkleidete Susanna ja sofort, spielt das Spielchen aber eine Weile mit). Der Graf wird am Ende ja nochmals eifersüchtiger, als er meint, seine Frau zusammen mit Figaro ertappt zu haben - aber das war wohl nicht Teil des Plans, dass er Figaro und die als seine Frau verkleidete Susanna "ertappen" sollte?


    Ganz schön verwickelt, das alles...wie seht Ihr das? Und hat jemand gelesen, wie das bei Beaumarchais geschildert ist?


    Herzliche Grüße,
    pianovirus

  • Es ist bei dem Handlungsgewirr nicht ganz einfach die Übersicht zu behalten, notabene, da es ja keine "endgültige" Fassung gibt, denn es gibt einige Alternativarien, die man austauschen kann. Ansonst bietet der Tamino Opernführer eine der ausführlichsten Inhaltsangaben der Oper die ich kenne.


    MOZART, Wolfgang Amadeus: LE NOZZE DI FIGARO


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • ...zum anderen möchte er, dass Cherubino, als Susanna verkleidet, den Grafen am Abend im Garten trifft (um ihn dann als Ehebrecher bloßzustellen?).Susanna und die Gräfin haben (ohne Wissen von Figaro) beschlossen, die Kleider zu tauschen, so dass also die von Figaro ursprünglich für Cherubino vergesehene Rolle der verkleideten Susanna nun der Gräfin selbst zufällt.
    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans?


    Cherobino fällt als verkleidete Susanna aus, weil der Graf ihn an die Kriegsfront abkommandiert hat.

    mfG
    Michael

  • Es ist bei dem Handlungsgewirr nicht ganz einfach die Übersicht zu behalten, notabene, da es ja keine "endgültige" Fassung gibt, denn es gibt einige Alternativarien, die man austauschen kann. Ansonst bietet der Tamino Opernführer eine der ausführlichsten Inhaltsangaben der Oper die ich kenne.


    MOZART, Wolfgang Amadeus: LE NOZZE DI FIGARO


    Danke für den Link, Alfred!


    Cherobino fällt als verkleidete Susanna aus,weil der Graf ihn an die Kriegsfront abkommandiert hat.


    Hallo Schneewittchen :)


    naja, aber der Beschluss zum Abkommandieren ist ja schon am Ende des ersten Aktes gefällt (Figaro macht sich über ihn ja in Non piu andrai lustig...) und der Plan mit dem verkleideten Cherubino als verkleideter Susanna wird ja erst danach, im zweiten Akt geschmiedet. Also eigentlich passiert zwischen dem Schmieden des Figaro-Plans und dem neuen Plan der Damen nichts, wodurch Cherubino ausfällt. Und am Ende des dritten Aktes wird Cherubino dann ja auch noch "begnadigt", dank Barbarinas Erinnerung an des Grafen Versprechen.


    Ich dachte, vielleicht ist das in der Vorlage von Beaumarchais noch etwas mehr ausgeführt (?).


    Aber vielleicht sollte man den neuen Plan einfach als spontanen Entschluss der beiden Damen sehen, von dem eben Figaro nichts erfährt, weil er nicht dabei ist....


    Viele Grüße,
    pianovirus

  • Gestern habe ich noch angeschafft:



    Die De Luxe Edition incl. gesamtem Tonmaterial auf einer Blu-ray läßt klanglich keine Wünsche offen. Nach einmaligem Anhören von Akt 1 und 2 bestätigt sich der beim Reinhören bei Dussmann gewonnene Eindruck: Die Tempi erinnern an Karajan 1951, versöhnt mit HIP. Ungeheuer lebendige Seccos, ein phantasievoller Fortepianist und überall vokale Auszierungen.


    Was Löbl/Werba zum Suitner-Figaro schrieben (Die Gräfin könnte ebensogut Susanna singen, Güden und Rothenberger) gilt auch hier. Insgesamt überwiegen die leichten Stimmen; auch Graf und Figaro ähneln einander im (hellen) Timbre. Karajan hatte London vs. Kunz, also einen Wotan contra einen Spielbariton, die denkbar weiteste Kontrastierung und eine Konkurrenz mehr im Stimmfach als in der Erotik (was doch auch wichtig wäre). Poell und Siepi bei Kleiber waren da fast unschlagbar.


    Der Held dieser russischen Neuaufnahme unter einem genialen griechischen Maestro sind Dirigat und Orchester. Es herrscht eine perfekte, beinah unerbittliche Durchartikulation aller rhythmischen Details, Gegenstimmen werden à rebours hervorgehoben, die Tempi sind oft irrwitzig.


    Die Sänger haben damit bisweilen ihre Mühe, weniger gesangstechnisch als darstellerisch (z.B. non più andrai, wenn man Siepi im Ohr hat. Oder Murray Dickie bei der Stelle "Ah, Cherubino - Cherubino d´amore ..." mit dieser unübertrefflichen Süffisanz.)


    Das Finale zum 2. Akt schnurrt ähnlich lückenlos herunter wie einst bei Karajan oder Fricsay, alles aus einem Guß (nur beim letzten, feuerwerkartigen Ensemble geht dem ganzen etwas die Puste aus).


    Ich habe bei Dussmann auch in die jüngst erschienene Così hineingehört. Mein Eindruck: alles Giocose sehr witzig und auf Tempo gedrillt; aber die lyrischen Höhepunkte, da hapert´s, soave sia il vento, giusto ciel, da sehnt man sich trotz allem nach Böhm zurück. Wobei ich gerne zugebe, daß ich da etwas altmodisch bin, zumal im Vergleich mit einem solchen Feuerschädel wie Currentzis.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!


  • Ein "Figaro" von 1954 aus London ist jetzt bei ICA Classics erschienen. Es handelt sich um einen Mitschnitt der BBC vom Gastspiel der Wiener Staatsoper. Es dürfte eine Ausgrabung sein, denn in den mir zur Verfügung stehende Dokumentationen habe ich keinen Nachweis auf eine vorangegangene Veröffentlichung gefunden. Für die Zeit ist der Klang sehr gut. Böhm entfesselt ein rasantes Tempo - für mich etwas zu dramatisch für diese Oper. Zumal aus heutiger Sicht. Dennoch, ein packendes Dokument. Die Besetzung der wichtigsten Rollen ist aus dem Cover ersichtlich.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Erstaunlich, dass Fricsay in diesem Zusammenhang noch keine Erwähnung fand! Immerhin hat er uns zwei Beiträge hinterlassen, einmal diese Studioaufnahme:

    Dietrich Fischer-Dieskau (Almaviva), Maria Stader (Gräfin), Irmgard Seefried (Susanna), Hertha Töpper (Cherubino), Renato Capecchi (Figaro), Ivan Sardi (Bartolo) u.a.
    RIAS-Kammerchor & Radio-Symphonie-Orchester Berlin, Dirigent: Ferenc Fricsay (Aufnahme: Berlin, Jesus-Christus-Kirche, 9/1960).
    Friedrich Herzfeld bezeichnet sie in seinem Opernführer als "ein Juwel unter den Gesamtaufnahmen".


    Es gibt dann noch eine Rundfunkproduktion in deutscher Sprache:

    Paul Schöffler (Almaviva), Elisabeth Grümmer (Gräfin), Hilde Gueden (Susanna), Anny Schlemm (Cherubino), Erich Kunz (Figaro), Wilhelm Schirp (Bartolo) u.a.
    Chor und Sinfonie-Orchester des WDR Köln, Dirigent: Ferenc Fricsay (Aufnahme: Köln, 5/1951).
    Auch diese Aufnahme ist sehr lebendig, glänzend gesungen (Grümmer als Gräfin!) und technisch gut gelungen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Im 2. Akt stellt Figaro seiner Susanna und der Gräfin ja den Plan vor, wie man den Graf ablenken und somit Zeit gewinnen könnte


    Nein, er wird definitiv und nachweisbar nicht verkleidet, schon gar nicht während seiner Arie Voi che sapete. Zwar wird die Arie Venite inginocchiatevi tatsächlich sehr häufig auf diversen Opernbühnen als „Verkleidungsarie“ inszeniert, bei der Analyse und Beurteilung des Werkes sollte man jedoch lieber das Libretto und/oder die Partitur als Grundlage nehmen.
    Mich wundert, dass diese (natürlich nicht böse gemeinte, aber dennoch falsche) Aussage hier 5 Jahre lang unwidersprochen stehen geblieben ist, zumal in einem "Le Nozze di Figaro"-Thread. Auch die in Beitrag 65 verlinkte Inhaltsangabe ist diesbezüglich falsch und irreführend, dennoch wurde das trotz meines Einwandes bis heute nicht korrigiert!




    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans?


    In der besagten Arie Venite inginocchiatevi nimmt Susanna Cherubino den Mantel ab, kämmt ihm die Haare und setzt ihm ein Häubchen auf. Nach der Arie weist die Gräfin Susanna an, ihr Kleid zu holen („Un altro nastro prendi insiem col mio vestito.“), um den Pagen zu verkleiden – doch während Susanna gerade weg ist, klopft schon der Graf an die Tür. Die Gräfin, vom aufgebrachten Grafen bedrängt, meint dann, dass sich in dem versperrten Kabinett Cherubino befindet, der zum Scherz von den beiden Frauen als Frau verkleidet werden sollte.
    Dadurch funktioniert Figaros Plan nicht mehr wirklich, denn es wäre nicht besonders klug, Cherubino trotzdem verkleidet in den Garten zu setzen, wenn die Gräfin ihm vorher schon gesagt hat, dass man Cherubino verkleiden wollte; es wäre zu befürchten, dass der Graf sich denkt „Ah, das ist vielleicht ein verkleideter Cherubino, die Gräfin hat ja was davon gesagt“.
    Hätte die Gräfin nicht gesagt, dass sich der Page in dem Kabinett befindet und man ihm Frauenkleider anziehen wollte, hätte der Plan sicher noch funktioniert.




    Gruß
    Hosenrolle1

  • Schönen guten Morgen!
    Kleine Anmerkung: Es findet sich tatsächlich ein Hinweis darauf, dass der Graf nach der fehlgeschlagenen Verkleidungsaktion zumindest mehr oder weniger über das Vorhaben informiert wurde und Plan A somit obsolet ist.
    Im 3. Akt, nachdem Cherubino seinen Auftritt zwischen den Blumenmädchen hatte und entlarvt wurde, sagt die Gräfin nämlich zum Grafen ( der offenbar hofft, die Gattin doch noch bei etwas Unredlichem zu erwischen ), sie sei "ebenso betroffen" wie er und auf die Aktion morgens angesprochen erwidert sie, dass Cherubino zur Hochzeit "ebenso verkleidet werden sollte, wie es hier nun geschehen ist".
    Nachdem nun also zumindest der halbe Plan verraten ist, wäre es wirklich ziemlich gewagt, daran noch festzuhalten.
    Warum aber weder der Graf misstrauisch wird, als Susanna ihm auf einmal so bereitwillig ein Date im Garten verspricht, noch Cherubino sich über das merkwürdige Benehmen der vermeintlichen Susanna später im Garten wundert, ist vermutlich der "Komödie" geschuldet ( oder dem Testosteronkoller...).


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Aber vielleicht sollte man den neuen Plan einfach als spontanen Entschluss der beiden Damen sehen, von dem eben Figaro nichts erfährt, weil er nicht dabei ist....

    Nein, Figaro wird ganz bewusst nicht eingeweiht! Die Gräfin gibt Susanna- als sie Plan B besprechen- die eindeutige Anweisung, sie solle Figaro nichts sagen...
    Und Cherubino wird nicht eingeweiht, weil seine Rolle in diesem Plan ja "umbesetzt" wurde, er somit daraus entlassen ist und man davon ausgeht, dass er nun endlich auf dem Wege zum Regiment ist...


    Übrigens sehe ich von einer "Begnadigung" Cherubinos am Ende des dritten Aktes nichts! Barbarina bringt zwar den Grafen aus dem Tritt indem sie brühwarm von seinen Besuchen bei erzählt, aber der Graf sagt nichts davon, dass Cherubino nun bleiben darf.
    Außerdem bleibt es ja nach wie vor offiziell eine "Ehre", dass der arme Cherubino vom Fleck weg zum Offizier befördert wurde. Damit hat der Graf ihm ja quasi die Möglichkeit genommen, um Gnade zu bitten...


    Nochmals liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Mein Beitrag weiter oben enthält ein unvollständiges Zitat, so dass sich meine Antwort darauf auf etwas bezieht, was gar nicht zitiert wurde. Aus Versehen habe ich einen Teil davon gelöscht. Deswegen hier ergänzend meine obige Antwort nocheinmal, diesmal mit korrektem Zitat!
    _________
    _________


    Im 2. Akt stellt Figaro seiner Susanna und der Gräfin ja den Plan vor, wie man den Graf ablenken und somit Zeit gewinnen könnte. (...) Die beiden Damen willigen in den Plan ein und beginnen damit, Cherubino zu verkleiden (Voi che sapete).


    Nein, er wird definitiv und nachweisbar nicht verkleidet, schon gar nicht während seiner Arie Voi che sapete. Zwar wird die Arie Venite inginocchiatevi tatsächlich sehr häufig auf diversen Opernbühnen als „Verkleidungsarie“ inszeniert, bei der Analyse und Beurteilung des Werkes sollte man jedoch lieber das Libretto und/oder die Partitur als Grundlage nehmen.
    Mich wundert, dass diese (natürlich nicht böse gemeinte, aber dennoch falsche) Aussage hier 5 Jahre lang unwidersprochen stehen geblieben ist, zumal in einem "Le Nozze di Figaro"-Thread. Auch die in Beitrag 65 verlinkte Inhaltsangabe ist diesbezüglich falsch und irreführend, dennoch wurde das trotz meines Einwandes bis heute nicht korrigiert!





    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans?


    In der besagten Arie Venite inginocchiatevi nimmt Susanna Cherubino den Mantel ab, kämmt ihm die Haare und setzt ihm ein Häubchen auf. Nach der Arie weist die Gräfin Susanna an, ihr Kleid zu holen („Un altro nastro prendi insiem col mio vestito.“), um den Pagen zu verkleiden – doch während Susanna gerade weg ist, klopft schon der Graf an die Tür. Die Gräfin, vom aufgebrachten Grafen bedrängt, meint dann, dass sich in dem versperrten Kabinett Cherubino befindet, der zum Scherz von den beiden Frauen als Frau verkleidet werden sollte.
    Dadurch funktioniert Figaros Plan nicht mehr wirklich, denn es wäre nicht besonders klug, Cherubino trotzdem verkleidet in den Garten zu setzen, wenn die Gräfin ihm vorher schon gesagt hat, dass man Cherubino verkleiden wollte; es wäre zu befürchten, dass der Graf sich denkt „Ah, das ist vielleicht ein verkleideter Cherubino, die Gräfin hat ja was davon gesagt“.
    Hätte die Gräfin nicht gesagt, dass sich der Page in dem Kabinett befindet und man ihm Frauenkleider anziehen wollte, hätte der Plan sicher noch funktioniert.


  • Nachdem ich diesen "Figaro" bereits weiter oben kurz vorgestellt hatte, möchte ich jetzt darauf zurückkommen. Walter Berry als Gärtner? Das muss lange her sein. Ist es auch. 1954 gastierte die Wiener Staatsoper in der Londoner Royal Festival Hall, die erst drei Jahre zuvor eröffnet worden war. Es war der 13. September, und es sollte noch mehr als ein Jahr vergehen, bis die Gäste aus Österreich in ihr wieder aufgebautes Stammhaus am Ring zurückkehren konnten. Gastspiele förderten den internationalen Ruf als Mozartensembles. Ica Classics hat den Mitschnitt ausgegraben. Der Klang ist superb. Über ein ganz leichtes, den historischen Umständen des Mitschnitts der BBC geschuldetes Grundrauschen der Bänder erhebt sich ein durch und durch prachtvoller Sound. Karl Böhm, der die Aufführung in italienischer Sprache leitete und die Rezitative vom Klavier begleiten ließ, hatte gerade seine zweite Amtszeit als Direktor der Wiener Staatsoper angetreten. Seinen Elan übertrug er auch in die Aufführung. Er wählte einen zügigen und zupackenden Vortragsstil, der über weite Strecken aus dem Figaro – auf Kosten von Sinnlichkeit – eine betont dramatische Oper machte. Schon die Ouvertüre setzt mit einer unverhofften Wucht ein, die eher an "Don Giovanni" denken lässt denn an den Figaro. Indem Böhm dieses Konzept bis zum Schluss konsequent durchhielt, erscheint es noch heute als eine höchst ambitionierte Möglichkeit der Interpretation von Mozarts Oper. Die Solisten hatten damit nicht das geringste Problem. Sie folgten ihrem strengen Chef am Pult nahezu sklavisch und ließen sich auf diesen "tollen Tag" mit Lust, Hingabe und Disziplin ein. Es wackelte nichts. Weil die Sänger so sicher vorbereitet waren, konnten sie alle Energie in die Gestaltung und Interpretation werfen. Bis in die kleinen Rollen war die Besetzung prominent, ja erlesen. Erich Kunz sang den Figaro, Paul Schöffler den Conte Almaviva, der nach heutigen Vorstellungen deutlich zu alt wirkte. Irmgard Seefried ließ als tüchtige Susanna im Vergleich mit der etwas spröden und reservierten Lisa Della Casa als Contessa nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie die treibende Kraft des Geschehens ist. Als liebestoller Page Cherubino schien Sena Jurinac aus allen erotischen Nähten zu platzen. Rosette Anday, die in Wien selbst als Cherubino begonnen hatte, war inzwischen bei der Marcellina angelangt, die sie – um ihre Arie von der Ziege und dem Ziegenbock beraubt -, mit einem Schuss Wagnerscher Fricka versah. Hingegen behielt Anny Felbermeyer als Barbarina ihre kleine Kavatine von der verlorenen Nadel, während dem Basilio von Murray Dickie die ausführlichen Erinnerungen an seine Jugend gegen das Ende der Oper ebenfalls gestrichen wurden. Und Berry, der am Beginn seiner erfolgreichen internationale Karriere stand und in den folgenden Aufführungen bei dem Gastspiel selbst die Titelpartie sang, war als Gärtner, der in das rasante Finale des zweiten Aktes mit der Meldung hineinplatz, das man eben einen Menschen aus dem Fernster geworfen habe, purer Luxus. Ein gewolltes szenisches Durcheinander muss es auch auf dem Podium gegeben haben, denn das Publikum geriet selbst voller Begeisterung aus dem Häuschen. Der Bartolo war Oskar Czerwenka und der Don Curzio William Wernigh. Böhm wäre aufgeschmissen gewesen ohne diese Solisten, die in dem von ihm entfesselten musikalischen Tumult die Nerven behielten und auf Linie blieben.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Lieber Rüdiger.


    am 25. 8. 2019 habe ich diese Aufnahme im Thread zu Lisa Della Casa genannt und folgendes dazu geschrieben:



    "Le nozze di Figaro" (Mozart): Lisa Della Casa (Contessa) mit Irmgard Seefried (Susanna), Sena Jurinac (Cherubino), Rosette Anday (Marcellina), Anny Felbermayer (Barbarina), Erich Kunz (Figaro), Paul Schöffler (Conte), Murray Dickie (Basilio), Oskar Czerwenka (Bartolo), Walter Berry* (Antonio) und William Wernigk (Curzio) / Due ragazze: Alberta Kolm und Gerda Happ / Der Chor der Wiener Staatsoper / Chorltg.: Richard Rossmayer / Die Wiener Philharmoniker / Dirigent: Karl Böhm (London, Royal Festival Hall, 13. 9. 1954). 2018 veröffentlichte 'ICA Classics' diesen Rundfunk-Mitschnitt aus der legendären 'Richard Itter Collection'. („Le nozze di Figaro“ wurde beim Londoner Gastspiel der Wiener Staatsoper – in einer semi-konzertanten Version – dreimal aufgeführt: am 13., 20. und 24. 9. 1954.) *ICA gibt Walter Berry als Antonio an; lt. der Dokumentation „Karl Böhm an der Wiener Staatsoper“ sang an diesem Abend aber Harald Pröglhöf. Hat einer der 'Taminos' diese CDs und kann das bestätigen? Berrys Stimme ist ja leicht identifizierbar.



    Die oben genannten Daten beziehen sich auf das Dirigat von Karl Böhm; drei weitere Vorstellungen leitete Heinrich Hollreiser. Harald Pröglhöf sang lt. der oben genannten Dokumentation von Harald Hoyer (Österreichischer Bundestheaterverband, Wien 1981) den 'Antonio' am 13. (Datum der Rundfunkübertragung), 20. und 24. 9. 1954 in London, während Walter Berry lt. diesem Buch am 24. 9. den 'Figaro' unter Böhm sang (am 13. und 20. 9. war Erich Kunz der 'Figaro').


    Noch konfuser wird die Angelegenheit, wenn man im Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper nachschaut: dort ist nur der 13. 9. 1954 als Londoner Gastspiel ausgewiesen (in deutscher Sprache!) mit Harald Pröglhöf als 'Antonio', während die Aufführungen vom 16. 9. (Hollreiser / Figaro: Berry), 18. 9. (Hollreiser / Figaro: Berry), 20. 9. (Böhm / Figaro: Kunz), 22. 9. (Hollreiser / Figaro: Berry) und 24. 9. (Böhm / Figaro: Berry) angeblich alle in deutscher Sprache im Theater an der Wien statt fanden! (In allen diesen Vorstellungen sangen Harald Pröglhöf den 'Antonio' und Lisa Della Casa die 'Gräfin'.) Die Daten 13. 9., 16. 9., 20. 9., 22. 9. und 24. 9 werden auch von Hubert Hackenberg und Walter Herrmann in ihrem Buch "Die Wiener Staatsoper im Exil 1945 - 1955" genannt - aber für das Londoner Gastspiel (5 x "Hochzeit des Figaro", 4 x "Don Giovanni"* und 3 x "Cosi fan tutte")! (Leider habe ich keine Ausgabe des "Opera"-Magazins aus dieser Zeit, um diese verwirrenden Angaben zu überprüfen.) * Den "Don Giovanni" mit London, Kunz, Weber, Grümmer, Simoneau, Jurinac, Pröglhöf und Loose unter Böhm habe ich auf CD von 'Archipel' - und da wird ein falsches Datum (15. 9. 1954) und ein falscher Aufführungsort (Royal Opera House, Covent Garden) genannt, richtig sind der 14. 9. 1954 und die Royal Festival Hall.


    Wie dem auch sei, es ist also zweifelhaft, ob Walter Berry in der 'ICA Classics'-Aufnahme tatsächlich der 'Antonio' ist. (Seinen letzten 'Antonio' sang er angeblich am 21. 6. 1954 unter Rudolf Moralt in einer Freilichtaufführung vor dem Schloss Schönbrunn.) Da ich die Londoner Aufnahme nur ausschnittweise von einer ORF-Sendung her kenne, verlasse ich mich auf Dein Urteil. (Ist denn die originale BBC-Ansage auf der CD enthalten?)


    Wie ich dem "Raffael"-Thread entnehme, warst Du ja noch vor ein paar Wochen in Florenz. Also, bleib gesund!


    Carlo

  • Lieber Carlo, interessant, was Du da mitzuteilen hast. Danke! Mir war Dein Beitrag, den Du zu Recht nochmals zitierst, entgangen. Obwohl ich die bei mir auch physisch vorhandene Aufnahme erst dieser Tage erneut von Spotify anhörte, finde ich das Album jetzt nicht, um nachzusehen, ob im Booklet noch Erhellendes steht. Ein Ansage gibt es nicht. Ich melde mich wieder, wenn das Album zum Vorschein kommt.


    Wie ich dem "Raffael"-Thread entnehme, warst Du ja noch vor ein paar Wochen in Florenz. Also, bleib gesund!


    Carlo

    Es ist zum Glück etwas länger her, dass ich in Florenz gewesen bin.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent