Hallo zusammen,
am 8. Januar diesen Jahres wäre er 100 Jahre alt geworden - Grund genug, an einen der sicher merkwürdigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts zu erinnern.
Conte Giacinto Francesco Maria Scelsi d'Ayala Valva wurde am 8.1.1905 auf dem Familienschloß der Scelsis bei La Spezia in Italien geboren. Matriell, man ahnt es schon, brauchte er keine Sorgen zu haben. Man weiss wohl nur bruchstückhaftes über seinen Lebensweg, denn Scelsi war nicht daran gelegen, in der Öffentlichkeit groß aufzutreten. Er war in erster Linie Autodidakt, studierte aber kurzzeitig u.a. bei Giacinto Sallustio in Rom sowie bei dem Skriabinisten Egon Köhler in Genf. Seine Auseinandersetzung mit Schönbergs Zwölftontechnik, die ihm der Berg-Schüler Walter Klein näher brachte, machte ihn nach eigenen Aussagen "krank", und er konnte sich, so will es die Fama, nur durch das beharrliche Anschlagen eines einzelnen Tones auf dem Klavier davon wieder kurieren. Erst spät, etwa im Alter von 50 Jahren, und nach einigen persönlichen Krisen, findet er - auch beeinflusst von Eindrücken, die er auf Reisen u.a. nach Indien und Afrika gemacht hat, zu seinem persönlichen Stil, wovon seine Zeitgenossen allerdings wenig Kenntnis nahmen, denn der zurückgezogen lebende Scelsi erlebte nur wenige Aufführungen seiner eigenen Stücke. Erst kurz vor seinem Tod 1988 in Rom schenkte man seinen Kompositionen vermehrt Aufmerksamkeit und entdeckte ein für das 20. Jahrhundert durchaus zentrales Schaffen, das völlig abseits der Strömungen des Jahrhunderts stand.
Fotos von Scelsi sind rar, ich habe dennoch eines gefunden, aus jungen Jahren freilich, das ich nicht vorenthalten will:
Scelsis Musik erfordert viel Aufmerksamkeit und eine gewisse Freiheit von Gewohnheiten vom Hörer. Wie kein anderer mir bekannter Komponist arbeitet Scelsi ganz direkt an der einzelnen Note, fast bildhauerisch am einzelnen Klang. Nur dass die "Skulpturen", die er schafft, mit Zeitablauf verfliegen und nur durch erneutes Aufführen oder Anhören wiederholbar sind. Ich will hier zunächst sein vielleicht bekanntestes Orchesterwerk vorstellen, die Ende der 50er Jahre komponierten "Quattro pezzi per orchestra ciascuno su una nota". Für ein 26-köpfiges Kammerorchester schreibt Scelsi vier Stücke, von denen jedes im wesentlichen auf einer Note, einem Ton basiert, von dem ausgehend sich mikrointervallische und klangfarbliche Entwicklungen ergeben. Aus nur einem Ton wird so in jedem der relativ kurzen Stücke (Gesamtspieldauer etwa 16 minuten) ein eigener musikalischer Kosmos, und auch wenn es vielleicht in der Beschreibung anders klingt, so ist das erstaunlichste, das sich nie Monotonie breit macht. Ganz im Gegenteil ist es immer wieder ungemein spannend, wie Scelsi die Möglichkeiten auslotet, die in einem einzigen Ton stecken.
Als Aufnahme zum kennenlernen kann ich den bei cpo erschienenen Live-Mitschnitt des Rundfunksinfonieorchesters Saarbrücken unter Hans Zender nur empfehlen.
Weitere Informationen über Scelsi gibt das Internet in reichem Umfange her, genannt seien hier nur:
http://www.scelsi.de/scelsi.html
http://www.classical.net/music/comp.lst/acc/scelsi.html
Über weitere Wortmeldungen zu diesem bemerkenswerten Komponisten und seinem Werk würde ich mich selbstverständlich sehr freuen.
Beste Grüsse,
C.