Das erinnert an eine Beobachtung, als einer kleinen Tochter aus einem Versebuch (Häschenschule) vorgelesen wurde. Als die Mutter wagte, dabei einige Verse und Reime zu verändern, schlug ihr das Kind – ob ihrer Änderungen, die der Kleinen als Verfälschungen rüberkam - wütend das Buch aus den Händen und bestand auf korrekte Rezitation.
Um das Beispiel mal abzuändern in Bezug auf Hilsdorfs Inszenierung von "Siegfried" in Düsseldorf, die ich gerade gesehen habe:
"Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter in die Rheinoper. Vorher hat ihr die Mutter erzählt, dass Siegfried den bösen Drachen erschlägt. Auf die Bühne kommt aber eine rostige, uralte Dampflokomotive. Da wird das kleine Kind wütend, haut die Mutter mit den Fäusten und schreit: "Du hast gesagt, ich bekomme einen Drachen zu sehen! Zeige mir, wo ist der Drachen?""
Auf diesem kindischen Niveau wird zumeist über RT diskutiert. Das finde ich allerdings völlig unergiebig. Meine Art der Fragestellung ist deshalb eine andere: Der Regisseur muss mir plausibel machen können durch seine Inszenierung, dass der Drache auch eine alte Dampflock sein kann. Diese Frage zu stellen, geht allerdings über ein schlichtes kindliches Gemüt hinaus, das letztlich nur A=A kennt und nicht A=B nehmen kann. Diese entscheidende Frage von Erwachsenem zu Erwachsenem (warum ist A=B?) kann mir der Regisseur nur leider nicht beantworten. Ich habe es auch nach einer Woche Nachdenken einfach nicht verstanden. Wollte er vielleicht die historische Dampflokomotive als Vorboten der Gesellschaft (einer Industriegesellschaft) zeigen, in der der Held als Naturbursche schließlich scheitert - der Wohnort des Drachens ist ja am Rande des Waldes, also auf der Schwelle zur Menschenwelt? Dazu hätte die Inszenierung allerdings den Gegensatz von Naturraum zu dem der menschlichen Gesellschaft herausarbeiten müssen, was sie aber nicht tut. Alles scheint mir dieses Regiekonzept nach wie vor nicht so richtig zuende durchdacht. Also rätsele ich weiter und suche nach einer Antwort, wozu mir weder das Libretto noch das, was mir der Regisseur gezeigt hat, hilfreich ist.
Schöne Grüße
Holger