Beethoven: 3. Sinfonie "Eroica"

  • Ich habe Scherchen inzwischen downgeloaded (puh, welch en Wort!) und schon mal probeweise den Kopfsatz gehört- ich bin total begeistert, und wenn das wirklich, wie ein Rezensent bei Amazon ausgeführt hat, alles junge Kollegen vom Wiener Volksopernorchester waren- Respekt!
    Ich werden heute die Eroica noch zur Gänze hören und dann darüber berichten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-dur op. 55 "Eroica"
    Orchester der Wiener Staatsoper
    Dirigent: Hermann Scherchen
    AD: 1958
    Spielzeiten: 14:41-13:25-5:25-10:21 -- 43:52 min.;


    Diese Aufnahme ist atemberaubend vom ersten bis zum letzten Ton. Es heißt, Hermann Scherchen sei einer der ersten gewesen, die Beethovens Metronomangaben ernst genommen haben. Hier kann man es hören. Ich kann mich gut erinnern, dass als Reaktion meines ersten Berichts über Järvis Interpretation aus der Bonner Beethovenhalle 2010 unser Tamino Liebestraum das Foto eines französischen TGV veröffentlichte. Nun, für diese Einspielung wäre ein Foto eines TGV der neuesten Genration fällig.
    Wenn man mal die Gesamtzeit außer Acht lässt, merkt man, dass das temporale Binnenverhältnis der einzelnen Sätze untereinander unbedingt stimmt. Ich will es mir jetzt sparen, prozentuale Vergleiche anzustellen. Wenn man sich lange genug damit beschäftigt hat, sieht man auch so, ob die Sache stimmig ist. Und vor allem, man hört es.
    Bewundern muss man zu allererst das Orchester, das dem Maestro auf die abenteuerliche "Beethoven-Original-Reise" folgt, was einem verwegenen Ritt auf der Rasierklinge gleicht. Aus dem Orchester ragen heraus die Blechbläser, die ein gutes Stück zur nicht enden wollenden Dramatik beitragen und der phänomenale Paukist. Hier schließt sich der Kreis zum gut 50 Jahre später aufgenommenen Bonner Konzert unter Järvi. Auch da ist der Paukist (Stefan Rapp) herausragend.
    Die Marcia funebre ist sogar im Tempo etwas moderater gegenüber meinen weiter oben angegebenen Beispielen (Järvi, Norrington, Gardiner, Chailly), und der Satz würde vielleicht sogar Liebestraum gefallen. Auch das Scherzo ist durchaus im Tempo mit anderen Einspielungen vergleichbar. Hier scheint das Originaltempo noch am ehesten beherrschbar. Hier sind die Hörner eine wahre Wonne.
    Im Finale geht dann wieder die Post ab, obwohl er hier noch nicht ganz das Tempo von Norrington und Chailly erreicht.
    Diese Einspielung reißt den Hörer nicht fort, sie reißt ihn mit. Sie zeigt, wie revolutionär die Eroica ist, welche Dramatik und Explosivität in ihr steckt. Da ist diesem Orchester unter diesem Dirigenten eine große Tat gelungen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Symphonie Nr. 3 Es- dur op. 55 „Eroica“
    Berliner Philhamoniker
    Dirigent: Claudio Abbado
    AD Februar 2001
    Spielzeiten: 17:04-15:04-5:49-12:21 – 50:18 min.;


    Claudio Abbado spielt den Kopfsatz in durchschnittlichem Tempo. Er bewegt sich auch im dynamischen Bereich im Durchschnitt, und selbst die Besetzung (mit nur 4 Kontrabässen) ist höchst durchschnittlich. Aber das Ergebnis, zumindest im Kopfsatz, ist eine extreme Durchhörbarkeit. Sicherlich reißt das nicht jeden vom Hocker, es ist halt eine andere Herangehensweise, aber auch diese Art der Deutung ist akzeptabel, vor allem für diejenigen, die mehr über den Aufbau des Satzes erfahren wollen. Hier kann man viele Einzelheiten der Struktur erfahren.


    Auch die Marcia dirigiert Abbado im durchschnittlichen Tempo, aber es ist beileibe kein durchschnittliches Dirigat. Er nimmt diesen Satz mit viel Emotion, die sich aber nicht hauptsächlich in dynamischem Furor äußert. Natürlich beachtet er die großen dynamischen Steigerungen, aber er behält auch immer die emotionale Kontrolle. Das ist auch eine Art, sich diesem hochkomplizierten Satz zu nähern- Trauer ja, aber Extase- nein! Und strukturell lässt er seine Zuhörer auch nicht im Regen stehen, sondern in dieser Lesart ist die Struktur offensichtlich.


    Das Scherzo bedeutet noch einmal eine dynamische Steigerung im bisherigen Verlauf der Symphonie. Temporal weiterhin im Maß, steigert sich der dynamische Pegel, und auch der Paukist nimmt nun die kleinkopfigeren aber weitaus dynamischeren Paukenschlägel. Abbados Konzept läuft, wie ich meine, auf eine Steigerung zum Finale hin hinaus.


    Das Finale selbst verläuft völlig unspektakulär, vor allem für diejenigen, die sich nun einen rauschaften Abschluss versprechen. Claudio Abbado behält sein emotional kontrolliertes Konzept bei und setzt weiterhin auf Offenlegung der Struktur. Selbst die magyarische Variation, die einen rhythmischen Spitzenwert erreicht, gerät nicht außer Kontrolle. Auch von der letzteren Steigerung, der Blechbläser-Variation im Adagio, hätte ich mehr Verve erwartet. Alles in allem ist für mich die Erwartung an die Schlusssteigerung so nicht erfüllt worden.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Deinen letzten Beitrag fand ich besonders interssant, weil Du hier auch die kritischen Punkte klar zum Ausdruck gebracht und deutlich gemacht hast.
    Ja, nach den letzten beiden von Dir bestrachteten Eroica-Aufnahmen, incl. Scherchen am Samstag, musste die etwas nüchterne Abbado-Sicht auch als wirklich grosser Kontrast erscheinen.


    :hello: Freue mich auf weitere Deiner Rezensionen !
    8o Wann ist der Brahms endlich dran ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Für Willis Verhältnisse scheint mir der letzte Hörbericht gefährlich nahe in die Nähe eines Verrisses zu geraten - erstaunlich ;-)


    Ich kann mich an eine TV-Übertragung der 3. mit Abbado erinnern, die mich, der ich Karajans Fassung im Ohr hatte, ebenfalls etwas enttäuscht hinterliess. Zwar kenne ich die Symphonie sehr gut, doch in diesem Fall fast nur als Hörer, ohne Partitur. Sollte ich jemals in die Verlegenheit geraten und diese Musik selbst gestalten dürfen, dann weiss ich nicht, ob ich aus der Sicht des sich in die Musik hineingrabenden Interpreten meine jetzigen Meinungen in Gänze aufrechterhalten könnte. Vielleicht würde ich ja dann Abbados Sicht in Teilen mehr nachvollziehen können, als es mir jetzt möglich ist.


    Zum Thema Brahmssymphonien hat sich Willi durchaus schon sehr lesenswert in den Threads geäussert. Ich erinnere mich an einen Beitrag, der mich auf die Interpretationen Böhms neugierig machte...
    Aber natürlich sollte er deswegen nicht aufhören, hierzu etwas zu veröffentlichen :-)


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)


  • Beethoven: 3. Symphonie Es-dur op. 55 „Eroica“
    Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks
    Dirigent: Mariss Jansons
    AD: 2012 Tokyo, Suntory Hall


    Spielzeiten: 17:06-12:40-5:47-11:15 -- 46:48 min.;


    Mariss Jansons nimmt den Kopfsatz in normalem Tempo, und seine über 17 Minuten Dauer resultieren einfach daraus, dass er die Exposition von ca. 3 Minuten Dauer wiederholt, was manche andere nicht tun. Trotz der naturgemäß vergrößerten Besetzung bleibt die Transparenz des Vortrags ausgezeichnet, und Jansons schöpft auch in dieser Aufnahme die dynamische Spannweite aus.
    In der Eroica sitzt nun erstmals der Chefpaukist des Orchesters, Stefan Reuter, an den Pauken. Auch er macht seine Sache vorzüglich und krönt die großen Steigerungen mit besonderem Einsatz.
    Jansons gestaltet auch die große dissonanten Steigerung in der Mitte des Satzes sehr intensiv, allerdings nicht ganz so bis zum Anschlag, wie Günter Wand dies tat.


    Mariss Jansons dirigiert für meinen Geschmack die Marcia funebre zu schnell. Adagio assai steht da „genügend langsam“, aber für meinen Geschmack ist das höchstens ein Andante maestoso.
    Die großen Steigerungen in Dur in den Blechbläsern, besonders die zweite, sind wunderbar herausgearbeitet, auch die apokalyptische in der zweiten Hälfte des Satzes, und das hätte ein wahrhaft großer Satz werden können, wenn er nur nicht so schnell vorbei gewesen wäre. Jansons ist nun der erste Dirigent in meiner Sammlung, dessen Kopfsatz 4 ½ Minuten länger ist als die Marcia funebre, und ich habe z. B. Karajan viermal in meiner Sammlung, und in seiner DVD-Aufnahme von 1971 z. B. ist die Marcia drei Minuten langsamer als die Jansons‘ bei etwa gleich langem Kopfsatz.


    Das Scherzo gefällt mir wieder ausnehmend, da ist temporal alles im Lot, dynamisch sowieso, und auch Stefan Reuter, der Solopaukist, der seine eigenen Pauken dabei hat, legt sich wieder mächtig ins Zeug.


    Das Finale ist ebenfalls ein Pluspunkt, sicherlich mit dem Kopfsatz der größte. Hier sind alle Variationen sorgfältig ausgearbeitet, die „Variation hongroise“ z. B. ganz vorzüglich mit typisch magyarischem Schwung, die Oboen-Variation des, das muss auch einmal gesagt werden, großartigen jungen Solooboisten Ramon Ortega Quero, von ätherischer Schönheit und die große majestätische Blechbläservariation kurz vor der Coda gemahnte gar an die unvergleichliche selbige Karajans.


    Im ganzen eine dynamisch, wie ich finde, ganz vorzügliche Interpretation mit einem großartigen Orchester und ausgezeichneten Instrumentalsolisten und einem ansonsten sehr inspirierten Dirigenten, der mich aber mit einer Irritation gesegnet hat.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()

  • Beethoven: Symphonie Nr. 3 "Eroica"
    Bremer Philharmonisches Staatsorchester
    Hans Knappertsbusch
    Aufnahme: Großer Glockensaal, Bremen, 9. Mai 1951

    16:44 - 17:28 - 7:05 - 14:03



    Die vielleicht packendste Aufnahme der "Eroica" von Hans Knappertsbusch (neben Berlin 1943 Studio, München 1953 live, Wien 1962 live). Interessanterweise die tontechnisch am natürlichen klingendste.


    Die Wucht und das Pathos, welches der Dirigent insbesondere im Marcia funebre entfacht, suchen ihresgleichen. Man merkt natürlich, dass hier ein Wagnerianer auf dem Pult steht. Da schwingt ein Hauch spätes 19. Jahrhundert vom ersten bis zum letzten Takt mit. Knappertsbusch fasst den Beethoven'schen Trauermarsch gleichsam als Vorgänger von Siegfrieds Trauermarsch auf.


    Das Bremer Philharmonische Staatsorchester (die heutigen Bremer Philharmoniker) spielt engagiert und zutiefst bewegend; ein paar wenige kleine Unsauberkeiten sind vernachlässigbar und dem Live-Moment geschuldet. Das ist Musik, die ihm Augenblick entsteht, kein gekünsteltes Studiokunstprodukt.


    Unter den ganz großen Aufnahmen der "Eroica" muss auch diese genannt werden.


    Zwei Amazon-Rezensenten brachten es gut auf den Punkt (übersetzt):


    Zitat

    Das Bremer Philharmonische Staatsorchester hatte einen wahrlich denkwürdigen Tag. Eine 'Eroica', gespielt in der großen alten Tradition: große Bögen, große Gesten und große Emotionen. Es ist eine anschauliche Erinnerung daran, wieso diese Symphonie der Menschheit soviel bedeutet. Eines der Attribute eines großen Dirigenten ist die Fähigkeit, die Spannung bei den langsamsten Tempi aufrechtzuerhalten. Kna hat es im Blut. Knappertsbusch at his best. Er ist Furtwängler, Karajan und Klemperer mehr als ebenbürtig. In vielen Fällen verweist er sie auf die Ränge. Eine 'Eroica' für die Ewigkeit.


    Zitat

    Das Bremer Orchester geht bis an seine Grenzen und erlaubt sich nicht mehr marginale Fehler als viele als hochklassiger eingeschätzte Orchester in derart überragenden und impulsiven Live-Aufführungen. Besonders die Hörner und Pauken sind exzellent; sie klingen absolut engagiert. Der Monoklang ist sehr klar. Tahras Remastering darf als gelungen gelten.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,


    ich wusste noch gar nicht, dass die Bremer damals schon so ein fabelhaftes Orchester hatten. Das hat mir sehr gut gefallen, wass ich da gehört habe, aber ohne Not schaffe ich mir keine neue Monoaufnahme an, sondern ergötze mich lieber an dem phänomenalen Orchester, das es heute in Bremen gibt nebst dem eben so großartigen Dirigenten, auch wenn manche Taminos der Meinung sind, dass dem nicht so wäre.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Schon seit Tagen höre ich immer wieder diese eine Aufnahme der Eroica mit den Berliner Philharmonikern und Karl Böhm,



    und zwar mit wachsender Begeisterung.


    Ich habe mir eigentlich vorgenommen, die Merkmale dieser Aufnahme wirklich fachgerecht mit konkreten Beispielen (Taktzahlen der Partitur usw. ) herauszustellen, weil ich finde, dass diese herausragende Tondokument es wirklich verdient hat.
    Leider ist es so, dass ich am Dienstag etwas sehr Wichtiges zu Spielen habe und deshalb ständig zum Üben wegfahren muss. Momentan schaffe ich das also nicht.
    Dennoch will ich versuchen, einige allgemeine Aussagen zu der Aufnahme zu machen.


    Orchestrales Klangbild


    Das Orchester klingt mir bereits nach den ersten Akkordschlägen eindeutig nach Böhm. Ich werde stark an den Klang der Böhm/DG-Aufnahmen der späten Mozart-Symphonien erinnert. Aber wie kann man das besser beschreiben?
    Der traditionell dunkle Klang dieses Orchesters erscheint etwas aufgehellt, klarer und transparenter zu sein, jedoch ohne seine Klangschönheit und Wärme zu verlieren. Das, was eigentlich nicht oder nur sehr schwer geht, ist hier realisiert worden.
    Die Trompeten sind absolut exakt mit der Pauke zusammen, so als wenn diese Gruppe ein Instrument wäre. Die Pauke selbst klingt mir irgendwie auch anders, als sie sonst bei den Berlinern aus dieser Zeit klang. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ist sie höher gestimmt? Das wohl kaum. Vielleicht wollte Böhm bestimmte Schlägel, bzw. er bevorzugte eine bestimmte Region des schwingenden Fells, die der Pauker ansprechen sollte.
    Es ist lange her, und ich kann hier nur spekulieren. Aber es würde mich wundern, wenn Böhm hier nicht mit dem Pauker seine klanglichen Vorstellungen geprobt hat. Jedenfalls klingt sie trockener, klarer als man es oft sonst hört, was dazu führt, dass man auch die kurzen Notenwerte besser nachvollziehen kann.


    Die Klangbalance der einzelnen Orchestergruppen kann man als ideal bezeichnen. Nichts geht unter, nichts übertönt. Hier ist Klarheit und Transparenz angesagt. Diese geht soweit, dass für mein Dafürhalten eine HIP-Aufnahme mit alten Instrumenten (etwa Hogwood oder dergl.) in dieser Beziehung schon vorweggenommen wurde. Man muss sich einmal klarmachen, dass die Aufnahme 1961 herauskam. Die HIP stand noch in den Startlöchern und war in erster Linie ein Thema für die Barockmusik.
    Allerdings klingt es bei Böhm dennoch nicht schneidend dünn oder kalt, wie es bei darmbesaiteten Kammerorchestern in den Streichern durchaus - je nach Spielweise- vorkommen kann. Der Klang ist auch nicht wirklich mit dem Klang des COE oder der Bremer Kammerphilharmonie vergleichbar, die auf ihren neuen Instrumenten dennoch sehr von den Erfahrungen mit den Originalinstrumenten-Orchestern beeinflusst sind und etwas ähnlich anmuten.
    Ebensowenig klingt es nach dem typisch romantischen Klang, den die Berliner für Wagner, Brahms oder Bruckner so gut beherrschen.
    Dieser kommt ja immer wieder auf dieser von mir ebenfalls heiss geliebten Karajan-Aufnahme immer wieder durch, vor allem im Blech, aber nicht nur:




    Da gibt es so einige Stellen aus dem Trauermarsch (im Verlaufe der Fuge), bei dem das Horn schon sehr an den Sound vom Tannhäuser erinnert ( dann auch in Karajans DG-BPO-Version). Ich empfand und empfinde das immer noch als legitim, weil ich in Beethoven viele Elemente sehe, die auf Wagner hinweisen, bzw. Wagner griff so manches auf, was er von Beethovens Stil kannte.
    Ob Karajan an der Stelle eigentlich Verdoppelungen bei den Hörnern anordnete, weiß ich nicht. Jedenfalls klingt es enorm "gerichtlich" und durchschneidet Mark und Bein.


    Böhm machte solche Dinge nicht. Ich vermisste anfangs diese karajanesken Wirkungen, aber erkannte auch, dass es auch ohne diese sehr gut geht.
    Hier kommt die Partitur wohl eher zu ihrem Recht.


    Obwohl man sicher sein kann, dass eine Eroica-Aufführung in Beethovens Zeit nicht so geklungen hat wie bei Böhm, kann man dennoch sagen, dass er mit seinen Klangvorstellungen etwas schuf, was man in der Tat als klassisch bezeichnen kann.
    Es ist eine eigene Klangwelt, die man in letzter Konsequenz selbst hören muss. Klangbilder zu beschreiben, ist nicht so leicht.


    Die Interpretation


    Böhms Tempi sind nicht zu langsam und nicht zu schnell. Eigentlich ist man beim Hören sehr schnell überzeugt, dass es so und nicht anders genau richtig ist. Die einzelnen Phrasen brauchen ein gewisses Tempo, um sozusagen ins Gleiten zu kommen (ich benutze nun eine Analogie aus der Welt des Surfens/Wellenreitens), bzw. um sich aus einer am Boden klebenden Behäbigkeit zu befreien.
    Gleichzeitig benötigen sie Luft (=Zeit) um klar ausgesprochen und verstanden zu werden. Auch von den größeren Strukteren her gibt es da tempomechanische Abhängigkeiten und Wechselwirkungen.
    Hier wirkt alles auf mich von der Statik her ideal ausbalanciert, "im Lot".....stimmig eben. Man sollte statt von "Statik" vielleicht eher von ausbalancierten kinetischen Kräften, oder auch von "Fahrdynamik" sprechen. Dieses beziehe ich vor allem auf Figuren der gestischen Klangrede, die eine eigene Bewegungsmechanik haben, wie bei einem Körper oder einer Maschine, die bei einer idealen Drehzahl besonders rund läuft.
    Sehr interessant und auf mich sofort überzeugend wirkte auf mich, dass er das von den Hörnern dominierte Trio des Scherzo etwas langsamer nimmt. Wenn dann die tiefen Streicher das erste Scherzo-Tempo nach dem Trio wiederaufnehmen, wirkt das erstaunlich.....fast bedrohlich.


    Die Dynamik ist überaus fein ausgearbeitet. Wenn es schmettern soll, dann kommt es auch so. Das Schöne ist dabei, dass es klanglich immer im Bereich des Angenehmen bleibt. Viel interessanter finde ich jedoch die feinen Details, etwa bei den Streichern. Hier folgen die kleinen Spannungen und Entspannungen der harmonischen funktionalen Bedeutung von Dissonanz und Konsonanz, ebenso der Richtung von Phrasen.
    Ich habe immer wieder gerade bei den Streichern Dinge gehört, bei denen ich spontan sagte: "Mann, das ist ideal".
    Hier werden nämlich die Lautstärkeverhältnisse, etwa zwischen Violine I, II und Viola sehr genau austariert, während dieses feine Folgen auf die harmonischen Erfordernisse umgesetzt wird. Das hat mich beeindruckt.
    Gerne würde ich hierzu Taktangaben etc. machen, aber es fehlt mir, wie gesagt, die Zeit.


    Die Artikulation ist sowohl deutlich als auch natürlich. Es hängt mit den Tempi und der Dynamik natürlich eng zusammen.
    Der Mangel der Erkenntnisse aus der historischen Aufführungspraxis fällt - bis auch eine Stelle - erstaunlicherweise nicht ins Gewicht. Die eine Stelle ist in der Durchführung des erstes Satzes, nach den schneidend- dissonanten Bläsereinwürfen und vor dem Moll-Gegenthema.
    Hier müsste eigentlich ein Bogenvibrato-Decrescondo in den Streichern kommen, aber man hört stattdessen ein Staccato-Decrescendo.
    Allerdings macht diese Stelle meines Wissens nur Harnoncourt "richtig". Die Staccato-Version hat jedoch dramatisch gesehen auch eine Menge für sich, d.h. ich kann gut damit leben, vor allem auch, weil ich ja durch Karajan unter anderem auch bei dieser Stelle so geprägt wurde.
    Die wichtigste Folge der Böhmschen Artikulation ist jedoch Klarheit und Verständlichkeit, und das in einem Maße, welches auch heute sehr selten anzutreffen ist.
    Manche dramatischen Akzente wirken konkreter und wütender als bei Karajan, dafür nicht so sehr mit wagnerischer Wucht.


    Welches sind nun meine Lieblingsaufnahmen der Eroica?


    Ganz klar diese Böhm-Einspielung, Karajans digitale Einspielung (s. o.) und die sehr wuchtige und gleichzeitig unglaublich detailliert ausgearbeitete Thielemann-Aufführung aus Wien. Böhm und Karajan bevorzuge ich vielleicht 5 bis 10 % mehr als die neue Einspielungs Thielemanns. Dessen Scherzo ist ja rasend schnell, und es überzeugt auch sehr , wenn man es hört.
    Allerdings vermisse ich dieses sehr schnelle Tempo nicht, wenn ich nur ein paar Takte Böhm höre.
    Hier hat man einfach jenes Gefühl, das einen an die legendären TV-Spots aus "der siebte Sinn" erinnert. Da hieß es immer: "So ist es richtig".
    Für Thielemann spricht aus meiner Sicht auch der ausdrucksstarke, individuelle Anfang des zweiten Satzes. Hier ist ein Dirigent, der etwas zu sagen hat.
    Man kann es so machen, und er musste es natürlich auch so machen. Allerdings kann man es auch anders machen. Bei Karajan verwischen die ersten Noten etwas im Legatostrom, während bei Böhm einem wieder nichts anderes übrigbleibt, als zu sagen: "So passt das".



    Technische Tonqualität


    Klangtechnisch ist sie natürlich nicht ganz auf dem heutigen Stand, den man etwa mit den Thielemann-Aufnahmen genießen kann.
    Dennoch ist sie wirklich nicht schlecht. Über meine immerhin als Extra-bestellte JBL-Anlage im Auto vermisst man nichts. Zu Hause jedoch, über den AKG K812 oder den Sennheiser HD800 merkt man dann schon etwas das Alter. Heutige Aufnahmen klingen noch etwas breitbandiger und entspannter, aber das ist gar nicht so viel, wie man glaubt.
    Man hört deutlich die Multimikrofonie, d.h. mir ist gerade über den AKG aufgefallen, dass z.B die Holzbläser in der Mitte eigene Spuren bekamen und gestützt wurden. Ich habe allerdings die Tiefenstaffelung nicht beurteilen können, weil ich das gestern zu später Stunde nicht mehr über Lautsprecher checken konnte ( eine ästhetische Beurteilung von Tonaufnahmen über Kopfhörer funktioniert ja bekanntlich nicht....;-) weshalb ich hoffe, dass das hier nicht jeder ließt)
    Sie haben bei dieser Aufnahme aus den 60er-Jahren nicht so sehr die Höhen der Streicher angehoben, wie es bei späteren Aufnahmen aus den 70ern ab und zu eher unangenehm bemerkbar ist.
    An einer Stelle ist mir über Kopfhörer aufgefallen, dass die Streicher plötzlich und kurz aus der Mono-Mitte kamen, dann ein paar Töne später wieder korrekt von links ertönten.
    Ich weiß nicht, was da beim Remastering gemacht wurde, jedoch sollte so etwas nicht sein.


    Meiner Begeisterung für die Aufnahme tut das jedoch keinen Abbruch.
    Ich höre sie übrigens lieber mit dem HD800 als mit dem AKG, der vielleicht zu deutlich einem mitteilt, dass die Aufnahme nicht aus dem Jahre 2015 stammt.
    Sie ist aber - um Missverständnisse nicht entstehen zu lassen- für die Meisten sicherlich gut aus technischer Sicht anhörbar.
    Vielleicht steht sie sogar etwas über den bekannten Gesamtaufnahmen der Schubert-Symphonien mit Böhm, um nur einen Anhaltspunkt zu geben.
    Das Bandrauschen ist zwar auch hier vernehmbar, für mich aber weniger auffällig als bei den Schubert-Einspielungen.


    Da der Preis dieser CD ja auch gut zu bewältigen ist, möchte ich Eroica-Fans und echten Liebhabern der klassischen Klassik dieses Böhm-Aufnahme wärmstens ans Herz legen, aber auch die anderen der Herren Karajan und Thielemann.


    Böhm gibt sich hier als Präzisionsfanatiker, als Perfektionist zu erkennen, bei dem jedoch Leidenschaft und Ausdruck nicht zu kurz kommen.
    Mir ist völlig klar, dass auch ein Orchester wie das BPO nicht einfach so auf diesem Niveau spielen kann. Von daher frage ich mich, wieviele Proben er brauchte, bis er dieses Ergebnis erreichen konnte. Man hört gut, dass hier intensiv und effektiv geprobt wurde. Von diesen Proben hätte ich unglaublich gerne Komplettmitschnitte gesehen und gehört. Schade, aber das wird es wohl nicht geben.


    Aus Zeitgründen muss ich den Bericht jetzt beenden.
    Wenn man eine Eroica sucht, die einfach "richtig" klingt, die man auch mit HIP-geschulten Ohren gut hören kann (ist etwa bei Guilinis Version dann schon ziemlich schwer) bei der die Partitur zu ihrem Recht kommt und die dennoch engagiert und lebendig (nicht im Entferntesten langweilig/bieder !) klingt, dann kommt man um diese Böhm-Aufnahme kaum herum. Ich habe kurz bevor ich diesen Beitrag schrieb noch einige andere Aufnahmen kurz angespielt, auch im Netz. Dabei ist mir jedenfalls nichts aufgefallen, was meine hohe Einstufung dieser Aufnahme(n) gefährden könnte.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    schade, daß Du nicht genügend Zeit hattest, Deine Sichtweise ausführlich darzulegen... ;)


    Im Ernst: Danke für die sehr ausführliche und schlüssige Vorstellung der beiden Aufnahmen.


    Ich schätze ebenfalls sehr Karl Böhms Interpretationen der "Eroica", weil er nicht nur "Strenge walten lässt", sondern auch exemplarisch und natürlich Wärme und Größe vermittelt und ohne "große Mätzchen" aufzeigt, welches Meisterwerk Beethoven komponiert hat.


    Durch Deinen eindrucksvollen Bericht habe ich große Lust bekommen, mir Böhms Aufnahme wieder zu Gemüte zu führen...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich kenne diese Aufnahme nicht, aber Giulini/LA ist die mit Abstand langsamste und "gewichtigste" Eroica, die ich kenne. Verglichen mit der ist praktisch jede andere "schlank und zügig"...


    Was mir nicht so recht klar war, ist, dass anscheinend die DG um 1960 drei? (außerdem noch 5 und 7? eine davon ist, glaube ich, noch mono) Beethovensinfonien mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen hat, da die "bekannten" Beethovenaufnahmen Böhms mit den Wienern zum Beethovenjahr 1970 gewesen sind. (Ebenso gibt es ja eine Platte mit Schubert 5/8 mit den Wienern etliche Jahre NACH der Berliner GA und auch die letzten 4 oder 6 Mozartsinfonien noch einmal mit den Wienern Mitte/Ende der 1970er.)


    Ich kenne die digitale Karajan-CD nicht (und Thielemann fand ich auf youtube (keine Ahnung, ob identisch/ähnlich mit der kommerziellen Aufnahmen) so grausig, dass ich nach dem ersten Satz nicht weiter gehört habe), insofern bringen mir Glockentons Vergleichspunkte auch nicht so viel. Harnoncourts Aufnahme habe ich lange nicht gehört, fand sie aber eine der besten seines Zyklus, besonders die "sprechenden" Holzbläser in den ersten beiden Sätzen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • [...] Thielemann fand ich auf youtube (keine Ahnung, ob identisch/ähnlich mit der kommerziellen Aufnahmen) so grausig, dass ich nach dem ersten Satz nicht weiter gehört habe [...]


    Kann ich nachvollziehen. Erst die Tage bekam er mal wieder eine Chance. Gleich welches Orchester er auch dirigiert (mittlerweile gibt es einen Rundfunkmitschnitt mit den Berliner Philharmonikern), das ist nur bemüht und nicht überzeugend. Hier wird wohl Langsamkeit mit Langweiligkeit verwechselt.


    Giulini mit dem Scala-Orchester ist sogar noch langsamer als die Los-Angeles-Aufnahme (und m. E. noch besser). Beide trennt Welten von Thielemanns Ergüssen.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Giulini mit dem Scala-Orchester ist sogar noch langsamer als die Los-Angeles-Aufnahme (und m. E. noch besser).


    Spielt er im ersten Satz Wiederholungen, die andere nicht spielen, oder wie kommt er auf 21:07, wo andere 14-15 min brauchen. Selbst Celi braucht nur 16:30.

  • 1. Satz schnell mit Wiederholung dauert ca. 15-16 min. entspricht einem langsamen Tempo ohne Wdh. Langsam MIT Wdh. kommt man dann auf gut 20 min. Mittleres Tempo sind ca. 14 min ohne und 17-18 mit Wdh. (Wdh. dauert ca. 3 min, wieder natürlich je nach tempo). Meine schnellste ist Scherchen/Westminster Stereo 14:40 mit Wdh, die langsamste Giulini/LA (DG) mit 20:30 mit Wdh.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Giulini spielt im Kopfsatz alle Wiederholungen, lieber lutgra. Klemperer tut dies in seiner letzten Aufnahme von 1970 nicht und kommt übrigens auf 18:48. Celibidache dürfte die Wiederholung wohl auch weglassen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In der Mono-Aufnahme Mitte der 1950er ist Klemperer allerdings noch fast am langsameren Ende von "normal" mit ca. 15:40. Celis 16:30 dürften etwa Giulinis 20-21 min vom tempo entsprechen; ich habe aber nicht gestoppt, wie lange die Expo bei diesem breiten Tempo dauert. Für Beethovens Metronomangabe (entspricht etwa Scherchen, Leibowitz, Gielen, Norrington) sind es gut 2:30, bei dem üblicheren etwas breiteren Tempo ~3 min. Es gibt sicher auch Interpretationen, die stark im Tempo schwanken (zB Thielemann; meiner Erinnerung nach sind Klemperer oder Giulini aber eher "gleichmäßig langsam").

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Kann ich nachvollziehen. Erst die Tage bekam er mal wieder eine Chance. Gleich welches Orchester er auch dirigiert (mittlerweile gibt es einen Rundfunkmitschnitt mit den Berliner Philharmonikern), das ist nur bemüht und nicht überzeugend. Hier wird wohl Langsamkeit mit Langweiligkeit verwechselt.
    B0000262D2;lo[/am]


    Das ist doch ein Klischee. Er hat seine Chance bei den Berliner Philharmonikern voll genutzt. Wenn ich die Rezension richtig verstehe, kam keine Langeweile auf.
    http://www.tagesspiegel.de/kul…-der-teufel/11244044.html
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Ich habe mir die Aufnahme doch angehört. Die war wirklich nicht besonders. Sogar diverse kleinere Ungenauigkeiten im Orchester waren zu hören. Genauso nichtssagend ist für mich der Wiener Zyklus, was ich auch schon mehrfach an anderer Stelle im Detail ausgeführt habe, u. a. in einem aufwendigen Vergleichshören zahlreicher Aufnahmen der 5. Symphonie von den Wiener Philharmonikern unter verschiedenen Dirigenten.


    Der affirmative Ton der Rezensentin des "Tagesspiegel" bleibt im Oberflächlichen stecken. Ich empfehle ihr das Abhören der Aufnahmen von Wilhelm Furtwängler, Hans Knappertsbusch, Otto Klemperer, Sir John Barbirolli, Leopold Stokowski, Sergiu Celibidache und Carlo Maria Giulini. Dort wird sie das finden, was sie bei Thielemann wähnt.


    Aber vielleicht ist man live durch die pure Präsenz des "Größten Kapellmeisters aller Zeiten" so gebannt, dass man zu solchen Urteilen kommt. Auf der reinen Tonkonserve relativiert sich vieles. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gerade gehört: Fritz Busch' Aufnahme der Eroica von 1950 in Wien mit dem Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester. Nicht von der gezeigten Remington, sondern einer dubiosen Zweitverwertungsausgabe. Trotz der Monoaufnahme incl. diverser Tonhöhenschankungen (die möglicherweise bei CD-Ausgaben korrigiert wurden) kann man doch die Bedeutung dieses Dirigenten an dieser Aufnahme gut erkennen, es klingt einfach "richtig".


  • Beethoven: Symphonie Nr. 3 "Eroica"
    Wiener Philharmoniker
    Hans Knappertsbusch
    Aufnahme: Musikverein, Wien, 17. Februar 1962


    Spielzeiten: 17:32 - 17:18 - 6:57 - 14:20


    Mächtig und gewaltig beginnt der Kopfsatz nach den berühmten zwei einleitenden Schlägen. Bereits nach wenigen Augenblicken wird man gewahr, dass Knappertsbusch es mit der Tempobezeichnung Allegro con brio nicht allzu ernst nimmt. Es ist eher ein majestätisches Dahinschreiten ohne jeden Anflug von Eile. Die Wiederholung wird ausgelassen. Die Wiener Philharmoniker können sich problemlos auf den getragenen Stil einstellen. Tänzerisch ist hier zwar eher nichts, doch kann man gut nachempfinden, was an dieser Symphonie heroisch angelegt ist. Im Verlaufe des Satzes stellt man immer deutlicher fest, dass das langsame Grundtempo dem Werk keinesfalls zum Nachteil gereicht, wenngleich ein gänzlich anderes Klangerlebnis erzielt wird, als dies bei modernen Interpretationen auf historischem Instrumentarium der Fall ist. Die Spannung steigt spürbar bei der Überleitung zur Coda. Die Streicher, Holz- und Blechbläser der Wiener Philharmoniker präsentieren sich von ihrer besten Seite. Der Gestus am Gipfelpunkt des längsten Kopfsatzes Beethoven'scher Symphonik gerät naturgemäß triumphal. Im sich anschließenden Trauermarsch, der mit Adagio assai überschrieben ist, hält sich der Dirigent freilich enger an die Vorgaben des Komponisten. Es wechseln sich tieftraurige und trostvolle Stellen ab. Beides klingt gleichermaßen groß(artig). Der dramatische Höhepunkt dieses Marcia funebre hat bereits Wagner'sche Dimensionen und erinnert — noch deutlich mehr als der langsame Satz in der 7. Symphonie — an den Trauermarsch in der "Götterdämmerung". Deutlich gelöster ist die Stimmung im sich anschließenden feurigen Scherzo, das mit Allegro vivace bezeichnet ist und auch unter Knappertsbuschs Stabführung einen deutlichen Kontrast zum Trauermarsch darstellt. Geheimnisvoll die Streichereinleitung, schließlich abgelöst durch ein formidabel dargebotenes Trio der Hörner. Das Hauptmotiv im Fortissimo stellt das Highlight dar. Mit einem Allegro molto setzt der Finalsatz ein, wobei sich Knappertsbusch auch hier nicht zum Sklaven des Metronoms machen lässt. Nun klingt wieder das Heldenhafte des Kopfsatzes an. Gemessen setzen die Blechbläser und die Pauken ein und verleihen dem Satz etwas wahrlich Staatstragendes. Ganz allmählich und geradezu zelebriert baut sich der große Zenit der gesamten Symphonie auf. Das strahlende Wiener Blech trägt dazu einen maßgeblichen Teil bei. Die mit Presto bezeichnete Coda offenbart noch ein letztes Mal die hohe Spielkultur der Wiener Philharmoniker. Mit Pauken und Fanfaren wird das Werk beschlossen. Zurecht Beifall und Jubel im Auditorium. Obwohl diese "Eroica" knapp 56 Minuten dauert und damit zu den langsamsten Aufnahmen zu rechnen ist, kommt aufgrund der Intensität der Darbietung kein Augenblick Langeweile auf. Wieder zeigt sich hieran die Überlegenheit der auf Jahrzehnte langer gemeinsamer Zusammenarbeit beruhenden Verbindung zwischen Hans Knappertsbusch und den Wiener Philharmonikern.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich habe eben nochmal den Kopfsatz von Giulinis Aufnahme aus Los Angeles gehört, nachdem ich vorher die drei Jahre zurück liegenden Tempodiskussionen gelesen hatte:



    Damals wie heute finde ich die Wucht und die Majestät dieses Satzes unvergleichlich, weil Giulini es eben verstand, in diesem Tempo den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Ich frage mich nur auch noch einmal, wieso bestimmte halbwegs als verbindlich erklärte Satzzeiten (ich meine, von Johannes), hier auftauchen konnten, da zur Zeit der Komposition das Metronom noch gar nicht erfunden war.
    Nur von den Satzbezeichnungen auszugehen, lässt in der Tat einen großen Spielraum offen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Das Metronom war noch nicht erfunden, aber Beethoven hat ja die Sinfonien 1-6 nachträglich mit Angaben versehen. Abgesehen davon ist Giulini beim besten Willen kein "Allegro con brio", auch unabhängig von der Ziffer. Sein extrem breites Tempo (von pathologischen Fällen wie dem greisen Klemperer abgesehen, vermutlich eines der langsamsten überhaupt) wäre vielleicht ein "Allegro maestoso", aber selbst das wäre bei Beethoven vermutlich zügiger.
    Ich habe nicht nachgemessen, aber ich glaube kaum jemand würde einen ähnlichen Mozart-Satz (Kopfsatz der Sinf. 39 - Allegro, mutmaßlich das "tempo ordinario" für solch einen Satz Ende des 18. Jhds. (Bekanntlich hat Beethoven Tempozusätze verwendet und das Metronom begrüßt, weil er differenziertere Angaben wünschte) so langsam nehmen wie Giulini die Eroica. Und monumentaler Beethoven hin oder her, es heißt nun mal "con brio", d.h. eine Beschleunigung ggü. bloßem "Allegro" und fast alle Themen gehen in Halben und Vierteln bzw. werden in ganzen Takten "gefühlt", d.h. das gefühlte Tempo ist gar nicht so extrem schnell (vgl. mit, sagen wir, den Finali der 2. oder 4. Sinfonie mit Themen in "kleinen Noten"), selbst wenn man den Satz in Beethovens Tempo nimmt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Damals wie heute finde ich die Wucht und die Majestät dieses Satzes unvergleichlich, weil Giulini es eben verstand, in diesem Tempo den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten.


    Hallo Willi,


    ich habe es mir eben auf spotify angehört und muss sagen: Ja, ich mag das durchaus auch und teile Deine Meinung hinsichtlich Wucht, Majestät und Spannung!
    Der Anfang von Satz 4 (und nicht nur der) ist sehr maskulin, klar, wuchtig, unsentimental-geradeaus und deutsch, wie es Celi in einer Probe sagen würde, obwohl der Dirigent ein Italiener und das Orchester ein amerikanisches ist.
    Diese Aspekte mögen heutzutage nicht mehr in Mode sein ( Thielemann, den ich bei Beethoven vielleicht am liebsten höre, ist da eine Ausnahme), aber das kommt irgendwann wieder.


    Mir gefällt auch das angenehme Klangbild des Orchesters. Eine Lücke in meiner CD-Sammlung, die ich schließen sollte... ;)



    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)


  • Aufnahmen der "Eroica" mit Spielzeiten von etwa einer Stunde sind, wie dieser Thread beweist, gar nicht so selten. Ob Giulini, Celibidache oder Klemperer (1970). Die Ergebnisse sprechen dann durchaus dafür, dass ein solcher Zugang zu Beethovens Dritter funktionieren kann. Vor einigen Tagen hörte ich nun eine weitere Interpretation, die sich in diesen erlauchten Kreis einreihen darf.


    Takashi Asahina, der Furtwängler-Bekannte und in Japan mit legendärem Status behaftet, gastierte anlässlich der 39. Berliner Festwochen 1989 am 24. September des Jahres beim damaligen Radio-Symphonie-Orchester Berlin, das 1993 in Deutsches Symphonie-Orchester Berlin umbenannt wurde und auf dem Cover (eigentlich anachronistisch) auch so aufgeführt wird. Es war nicht Asahinas erster Auftritt in Deutschland. Bereits 1956 leitete er die Berliner Philharmoniker und spielte mit dem Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks Anfang der 60er Jahre auch einige Platten ein. Auf dem Programm in der Berliner Philharmonie stand eben Opus 55 von Beethoven.


    Die Spielzeiten verweisen bereits darauf, wes Geistes Kind sein Beethoven ist: 20:22 - 18:27 - 6:52 - 13:10. Es handelt sich keinesfalls um einen Ausreißer des seinerzeit bereits 81-Jährigen, da auch Asahinas zahlreiche andere Aufnahmen des Werkes (zumeist mit seinem Osaka Philharmonic Orchestra) ähnliche Zeitmaße aufweisen. Kurz und gut: Die Aufnahme ist für mein Dafürhalten ganz großartig gelungen. Sollte man Asahinas Beethoven charakterisieren, so kämen mir am ehesten Furtwängler und Klemperer in den Sinn. Von ersterem hat er den dramatischen Zugriff mit sehr geschickter Agogik, von letzterem die titanenhafte Monumentalität. Aber es ist eben auch und zuallererst Asahina, der seine ganz eigene Handschrift besitzt und zurecht gerade als Beethoven-Dirigent Berühmtheit erlangte. Das Orchester spielt an diesem Abend hervorragend und ist in der Lage, den nicht eben alltäglichen Vorstellungen des fernöstlichen Maestros zu folgen.


    Anders als leider die meisten seiner Aufnahmen ist diese, bei Weitblick erschienene, via Amazon und JPC problemlos erhältlich. Die Klangqualität ist sehr gut, Publikumsgeräusche gibt es fast keine.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe meine letzte Neuerwerbung in Sache Beethoven-Symphonien gehört und bin diesmal mit der Eroica angefangen:


    Beethoven. Symphonie Nr. 3 Es-dur op. 55 "Eroica"
    Minnesota Orchestra, Osmo Vänskä
    AD: Juni 2005
    Spielzeiten: 17:00-15:08-5:56-11:36 --- 49:40 mi.;


    Osmo Vänskä nimmt das Tempo von allen Aufnahmen, die ich aus diesem Jahrtausend habe, und das sind immerhin ca. ein Dutzend (Gesamtaufnahmen), plus eine aus einer nicht fertiggestellten GA, als einer der Wenigen im Kopfsatz zügig und im Adagios assai Gottseidank genügen langsam. Im Scherzo und im Finale gehört er auch zu den Langsameren. Das Orchester aus Minneapolis (dem Durchschnittseuropäer vielleicht eher durch die Autorennen der NASCAR-Serie bekannt) hat eine über 100jährige Tradition und hatte vor Osmo Vänskä immerhin so prominente Chefdirigenten wie Eiji Oue, Edo de Waart, Sir Neville Marriner, Stanislaw Scrowaczewski, Antal Dorati, Dimitri Mitropoulos und Eugene Ormandy. Am längsten stand Scrowaczewski mit 20 Jahren dem Orchester vor, gefolgt von dem Gründer des Orchesters, dem deutschstämmigen Emil Oberhoffer (19 Jahre) und Osmo Vänskä, der das Orchester nun im 18. Jahr führt.
    Zum Zeitpunkt d er Aufnahme war Vänskä schon 5 Jahre am Ruder, und ich finde, die Kontinuität, die erreicht wurde hört man heraus.
    Obwohl es, wie in Amerika üblich, sicherlich auch bei dieser Aufnahme eher üppig besetzt war, ist der Klang sehr transparent, was allerdings auch zum Teil an der hervorragenden Aufnahmequalität (SACD) liegen mag. Obwohl ich keine Partitur habe, hört sich alles dynamisch gesehen sehr richtig an, und der Dreierrhythmus im Kopfsatz ist bestrickend.
    Vänskä wiederholt die Exposition, ansonsten hätte die Spielzeit des Kopfsatzes bei 14 Minuten gelegen.
    Für unsere Paukenfreunde sei gesagt, dass der Solopaukist viel Freude bereitet. Das dynamische Spektrum beginnt insgesamt sehr tief im Pianissimo und endet hoch im Fortissimo.
    In der Durchführung führt Vänskä es zu einer kolossalen Steigerung mit einer furchterregenden Dissonanzenspitze, die an den großartigen Günter Wand gemahnt. Immer wieder fallen nach den großen Steigerungen die pp-Stellen auf mit ihrer fabelhaften Durchhörbarkeit. Es wäre müßig, eine Instrumentengruppe hervorzuheben, aber die Hörner sind schon fabelhaft, und die Holzbläser spielen auch in den Pianissimi noch sehr durchhörbar und mit viel Körper. Auch die warmen Streicher sind in den tiefendynamischen Regionen sehr gut zu vernehmen, namentlich in den Celli und Kontrabässen.
    Das Schöne an der Wiederholung der Exposition ist auch, dass sie dazu führt, dass man die sechs berühmte Tuttischläge dreimal hört.
    Der Kopfsatz schließt mit einer wahrhaft heroischen Coda. Der Dirigent bildet mit seinem Orchester jederzeit die Größe dieser Musik eindrucksvoll ab. Der Kopfsatz ist erfüllt vom Brio, artet aber nicht in ein prestoähnliches Gebilde aus.


    Auch das Adagio beginnt dynamisch äußerst tief, und der Solooboist, der schon im berühmten Seitenthema des Kopfsatzes (e-moll) sein großes Können unter Beweist stellte, setzt dies in der Marcia funebre in der Wiederholung des Themas fort. Sehr wohltuend und damit garantierend, dass dieser Satz seinen wahren Charakter erhält, ist das genügend langsame Tempo, das Vänskä vorgibt. Geschwindmärsche, wie ich sie in einigen Besprechungen weiter oben angeführt habe, sind ja auch hier wahrlich fehl am Platze.
    Die große Trauer, die aus dieser Musik spricht, aber gleichfalls auch das beseligende Leuchten, das in den Moll-Dur-Wechseln entsteht, kommt hier voll zum Tragen, und dazu gehört, ich wiederhole mich gerne, auch das richtige Tempo.
    Wunderbar wird auch hier das lyrische Seitenthema in Dur vorgetragen, von der Querflöte begonnen, von dem Fagott übernommen und langsam crescendierend zu einer großartigen Tuttisteigerung, auf deren Kulminationspunkt es dann wieder zusammenfällt und die Geigen die Melodie zunächst fortspinnen, bevor ein neuern Anlauf genommen wird, der, wie sollte es bei Beethoven anders s ein, noch größer, noch feierlich, noch heroischer wird, wieder zusammenfällt und erneut das Hauptthema gebiert, das nun einen unbeirrt fortschreitenden dramatisch traurigen Fugato-Marsch verwandelt ist, sich weiter steigert und von der Pauke den Takt geschlagen bekommt. Dieses durchführungsartige Gebilde gehört m. E. mit zu den größten musikalischen Eingebungen Beethovens, die einen schaudern machen, aber auch berühren, wenn sie so mitreißend vorgetragen werden wie hier.
    Nach dem neuerlichen Zusammenfallen kündigt sich schon die nächste Steigerung an, aus einem pp-Strich der Geigen in die subito-Forte-Bewegung der Celli wechselnd, die zusammen mit den Kontrabässen doch nur die Schicksalsschrecken, hier dargestellt durch die kernigen fanfarenartigen Blechbläser, einläuten, auf deren Höhepunkt das Gebilde erneut zusammenfällt und zum reprisenförmigen Thema zurückführt, in dem auch kurz wieder das trostreiche Seitenthema auftaucht. Doch natürlich überwiegt das Dunkle, wenn auch gegen Ende wieder das weiterentwickelte Seitenthema auftaucht und dann kunstvoll über den Tonartwechsel wieder ins Moll zurückgeführt zur trostlosen , in sich versinkenden Coda.
    In dieser Interpretation der Marcia finde ich nichts, was ich nicht als richtig und überzeugend empfände.


    Auch im Scherzo begeistert mich das Minnesota Orchestra mit einer grandiosen aus dem tiefen Pianissimo kommenden Staccatoeinleitung, die natürlich einen Riesenkontrast zum voraufgegangenen schwermütig-schweren Adagio aufbaut und so leicht und federnd daherkommt, bevor es vom ff-Tutti übernommen wird und nach Kurzem im Pianissimo im Stile einer Expositionswiederholung erneut vorgetragen wird und erneut zum Forte-Tutti führt und dann subito: dieses unvergleichliche Hörnertrio, das schon Generationen von Beethoven-Liebhabern begeistert hat.
    Auch die Hornisten aus Minneapolis begeistern, zumindest mich. Und das Schöne an diesem Trio ist, dass die Hörner dreimal erscheinen, immer wieder kurz vom p-Staccato der Streicher verbunden und dann, nach dem dritten Erscheinen, typisch Beethovensch, "vor der Zeit" endend. Dann erscheint erneut das Thema im pp-Staccato und dann im Fortissimo, und immer wieder dazwischen- die fabelhaft gespielten Pauken, die auch den Schlusspunkt setzen.


    Dann das unvergleichliche Variationenfinale, das ja wohl aus den schon früher unter der Opus-Nr. 35, den "Eroica-Variationen", erwachsen ist.
    Auch hier beginnt es nach der Einleitung, fast schon wie eine Fortsetzung des Scherzos, mit einer Variation im pp-staccato, dem subito ein Forte folgt, der dann eine Variation nach der anderen folgt, quer durch die Orchestergruppen, Dynamiken, Rhythmen, homophone und polyphone Formen, Tongeschlechter und Stile- welch ein kunstvolles Konglomerat, das u. a. Beethoven einmal mehr als den Meister der Variationen ausgewiesen hat, lange, bevor er in seiner letzten Sonate oder in seinem letzten großen Klavierwerk überhaupt, den Diabelli-Variationen op. 120 diese musikalische Form zu ihrem ultimativen Höhepunkt führte. Als Beispiel kann ich anführen das herrliche Fugato vor der "ungarischen" Variation, dann diese selbst, dann nach ein Tuttihöhepunkt in der Satzmitte, die direkt anschließend (mich) ungeheuer berührende "Oboenvariation", von mir so genannt, weil das Thema hier auf unvergleichliche Weise von dem grandiosen Solooboisten vorgetragen wird- schon im Kopfsatz hatte er Großes gelistet. Und die Oboenvariation berührt mich auch deshalb so ungeheuerlich, weil sie so zielsicher und unbedingt zu meiner persönlichen Lieblingsvariation hinführt, jener Variation, die seit 55 Jahren "meine" ist, seit ich sie das erstem Mal von Herbert von Karajan gehört habe, dem, das kommt noch für mich überzeugend hinzu, von der Kritik vorgeworfen wurde, er habe diese Variation viel zu langsam gespielt. Das finde ich nicht. Für mich hat er sie lediglich unerreicht gespielt. Wenn ich nur daran denke oder hier darüber schreibe, läuft mir schon wieder ein Schauer über den Rücken. Diese unglaublich, kulminierende Blechbläservariation, bringt mich auch durch Vänskä zum Erschaudern, das ist für mich die DNA der Eroica- absolut grandios!!
    Dann nach neuerlichem Zusammensinken eine letzte dramatische Steigerung in der letzen Variation, die zu einer der glanzvollsten Codas der Musikgeschichte führt, jener Prestocoda, die wir hier hören und in der sich auch der fabelhafte Solopaukist noch einmal austoben darf.
    Eine grandiose Interpretation, zu der ich dann doch wesentlich mehr geschrieben habe, als ich eigentlich wollte!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke,


    Diese GA habe ich auch und schätze sie sehr hoch ein - nur fehlt mir dein Sachverstand - ich werde mir dieser Tage die Eroica anhören.


    Schönen Abend noch !


    Kalli

  • Dafür nicht, lieber Kalli. Die Finnen haben es offenbar faustdick hinter den Ohren, nicht nur in der Formel I, sondern auch in der Musik. Vor vielen Jahren habe ich Olli Mustonen live kennengelernt, ein Jahr mit der ellenlangen Kombi Bach und Schostakowitsch, die damals für Furore sorgte, und in einem anderen Jahr mit Beethovens Diabelli-Variationen, und in den letzten Jahren, habe ich in Köln immer wieder Konzerte mit Jukka Pekka Saraste besucht, zuletzt die neun Sinfonien von Beethoven, und jetzt ist also Vänskä an der Reihe.


    Auch dir einen schönen Restabend


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Höre gerade die hier ja auch viel besprochene Böhm-Aufnahme mit den Wienern von 1972 und kann die positiven Beurteilungen gut nachvollziehen. Bisher war diese Sinfonie nicht so sehr meine und ich kann mich nicht erinnern, sie schonmal mit größerem Vergnügen gehört zu haben. Für mich die richtige Mischung aus Wucht, Feuer, Eleganz und Esprit - toll! Ab jetzt meine Lieblingsaufnahme, ich kenne allerdings nicht allzu viele.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Lieber Uranus,


    ich bin absolut sicher, dass Du das Werk noch nicht richtig verinnerlicht hattest und das es nicht an der Böhm-Aufnahme alleine liegen kann, dass bei Dir plötzlich eine Begeisterung für die EROICA ausbricht.


    Es gibt massig viele TOP-Aufnahmen. Mein Anfang war damals Klemperer (EMI), die bis heute eine der Favoritenaufnahmen geblieben ist.


    Aber wenn ich Dir eine weitere empfehlen würde, die Dich mindestens oder noch mehr als Böhm vom Hocker haut, dann wäre das diese mit Bernstein / New Yorker PH:



    SONY, 1966/68, ADD


    Ich habe diese Aufnahme selber in dieser Royal Edition, aber auch in den entsprechenden GA in sogar zwei verschiedenen SONY-Ausgaben mit 20Bit-Remastering und die aktuellere mit 24Bit-Remastering ... :angel: so viel sind mir diese Bernstein-Aufnahmen wert.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Für mich ist OTTO KLEMPERER's Aufnahme von 1961 mit dem PHILHARMONIA ORCHESTRA LONDON unter all den zahlreichen z. T. gewiß hochinteressanten Aufnahmen von BEETHOVEN's 3. Sinfonie mit seiner dem Werk so angemessenen unerbittlichen Strenge, seiner Wucht und seiner Heroik, bar jeder Romantizismen, dazu seiner Klarheit, ja Kompromißlosigkeiet, nach wie vor die beeindruckendste Einspielung dieses Werkes.


    /www.youtube.com/watch?v=P2_4NsjOlzg


    Gruß

    wok

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