Die Aufnahme von Karl Richter spaltet die Klassikgemeinde nicht erst seit gestern. Dass sie in ihrer Zeit (1964) keineswegs zu den altmodischsten Interpretationen zählte, kann man nachhören, wenn man etwa mit Beecham oder Scherchen vergleicht (wie Fiesco bereits tat). Der eine auf fast unerträgliche Weise opernhaft und damit den Werkcharakter verfehlend (was natürlich auch an der Goossens-Bearbeitung liegt), der andere durch extremste Tempowechsel in eine andere Ära weisend. Mich wundert immer, wie altmodisch Scherchen im Barockbereich dirigierte (seine Brandenburgischen Konzerte lassen selbst Klemperer flott erscheinen), wo er sonst so modern und schlank musizieren ließ.
Nüchtern betrachtet, ist die Richter-Aufnahme schlichtweg die beste deutschsprachige Einspielung. Was wären auch die Alternativen? Daneben gibt es noch eine 1973 in der DDR entstandene unter Helmut Koch (mein erster "Messias" überhaupt), die mir auch noch ziemlich gefällt, die aber doch nicht ganz dieses Niveau erreicht. Dasselbe gilt für die Aufnahme unter Karl Forster, die eher durch die Sängerbesetzung heraussticht als durch das biedere Dirigat. Nimmt man die Mozart-Bearbeitungen hinzu, so finde ich da noch Mackerras am überzeugendsten. Rilling und Hermann Max konnten mich nicht begeistern.
Daneben kenne ich noch viele englischsprachige Aufnahmen, darunter die zweite von Mackerras, Davis, Klemperer, Bernstein, Willcocks, Hogwood, Pinnock, Harnoncourt, Christie, McCreesh. Ich will keine davon abwerten, aber den Richter übertreffen sie für mein Dafürhalten nicht.
Ich gäbe viel für eine Gesamtaufnahme von Willem Mengelberg:
Leider nahm er 1938 nur das Halleluja auf – ebenfalls auf Deutsch. Auch wenn es mehr nach Wagner klingt: finde ich großartig.