Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr 1 in C-dur op 15

  • Ich wusste doch, lieber Wolfgang,


    dass ich übner dieses Konzert in diesem Thread schon geschrieben hatte, und hier ist der Text (Beitrag Nr. 80, genau 5 Jahre und 1 Monat alt):



    Noch Fragen?


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Beethovens 1. und 2. Konzert sind m.E. die besten Konzertaufnahmen Goulds (o.k. die Bachkonzerte sind auch sehr gut). Das 3. und 4. sind auch ziemlich gut, vielleicht sogar die am wenigsten exzentrischen von den Beethovenaufnahmen.
    Bzgl. der Kadenzen verwies Gould wohl auf Reger und eine Rechtfertigung ist überdies, dass Beethoven selber für das 2. Konzert fast 20 Jahre später (1812? oder 14) eine Kadenz nachkomponiert hat, die stilistisch auch nicht so ganz passt. Schnabel hat meines Wissens eine zwölftönige Kadenz für das Mozart c-moll geschrieben und gespielt...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Nachdem hier Glenn Goulds Aufnahmen der Beethoven-Konzerte, insonderheit des Konzerts Nr. 1, von einigen Diskutanten fast enthusiastisch gelobt wurden, habe ich mir die Kassette, die beim Urwaldfluß günstig zu haben wir, gekauft, obwohl bereits mehr als ein Dutzend GA sowie zahlreiche Einzelausgaben meine Sammlung zieren.


    Nachdem ich nun das erste Konzert zweimal durchgehört habe, muß ich sagen, daß ich die Begeisterung nicht teilen kann. Das ist alles pianistisch großartig gemacht, aber zunächst einmal sind für mich die Tempi von Kopfsatz und Finale viel zu schnell, während das Largo in keiner Weise aus dem Rahmen des Üblichen fällt, und zweitens kann die Leistung des Orchesters mich nicht vom Hocker reißen, da sind aber die Berliner Philharmoniker (bei Eschenbach u. Weissenberg, beide Male mit Karajan) von einer ganz anderen Klasse!


    Am meisten irritiert haben mich, das gebe ich freimütig zu, Goulds eigene Kadenzen. Nichts spricht dagegen, statt der vom Komponisten sorgfältig eingepaßten Kadenzen "selbstgebaute" einzufügen, aber was Gould hier macht, kann mich ganz und gar nicht überzeugen. Obwohl er ja vor allem im 1. Satz auf Beethovens Themen zurückgreift, wirkt seine "Eigenkomposition" wie ein Fremdkörper, der so ganz und gar nicht zu diesem doch sehr freudigen, heiteren Konzert paßt. Das klingt alles düster, fast tragisch, wie aus einer anderen Zeit. Man hat vor Jahren Benjamin Brittens Kadenzen zu Mozarts C-Dur-Konzert KV 467, die von Svjatoslav Richter in seiner Aufnahme mit Muti (EMI) gespielt werden, schon mit Skepsis oder gar Ablehnung aufgenommen (von Gidon Kremers Experimenten im Violinkonzert ganz abgesehen), doch gegen Goulds Beiträge zu Beethoven wirken sie fast brav und harmlos. Man kann über Sinn oder Unsinn eigener Kadenzen trefflich streiten, zumal wenn der Komponist selber welche auskomponiert hat (im vorliegenden Fall gibt es von Beethoven selber nicht weniger als drei), aber so sehr aus dem Rahmen dürften sie nach meiner Ansicht nicht fallen.


    Es ist zweifelsohne eine hörens-, aber keine liebenswerte Version. Für mich kann sie die großartigen Aufnahmen von Gilels/Szell, Richter/Münch, Pollini/Jochum und Eschenbach/Karajan nicht ersetzen; selbst Barenboim, der ebenfalls eigene, aber m.E. passendere Kadenzen besteuert, mit Klemperer ziehe ich da vor. Goulds Beitrag kann ich nur als ein bemerkens- und beachtenswertes Kuriosum bezeichnen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich bin bei Kadenzen für unterschiedliche Optionen offen. Wenn es eine Kadenz des Komponisten gibt, man die abernicht verwendet, dann kann man m.E. auch etwas ganz anderes "experimentelles" machen und ich entscheide dann im Einzelfall, ob ich es interessant oder unpassend finde. Mir scheint in einem solchen Falle es jedenfalls sinnvoller, was originelles zu machen als eine Stilkopie (denn statt solch einer Kopie könnte man dann gleich besser eine Original- oder zeitgenöss. Kadenz spielen).
    Der erste, der das getan hat, war übrigens Beethoven, dessen Kadenzen für Mozarts d-moll nach Ansicht einiger viel zu "Beethovensch" und unpassend sind...


    Das Tempo in Finale bei Gould/Golschmann fand ich nie auffällig schnell. Das Tempo im Largo ist sogar eher auf der langsamen Seite. Das Tempo im Kopfsatz ist m.E. eine Offenbarung und zeigt, dass der Satz meistens deutlich zu langsam gespielt wird. Was ich mir wünschen würde, wäre eine Einspielung des 5. Konzerts mit einem ähnlich (nicht ganz so schnell, das wäre zu schnell) flotten Kopfsatz. Das Orchester ist weder gut aufgenommen noch kann es mit der Qualität eines Spitzenorchesters mithalten. Das ist nicht ideal, aber es unterstützt m.E. den "militärischen" Charakter des Satzes. Gepflegt philharmonischen Beethoven finde ich immer tendenziell problematisch, zumal bei Werken eines "jungen Feuergeists". Dann lieber etwas ungebügelt und rauh.
    In den Konzerten 3-5 ist der Klang aber deutlich besser und das Orchesterspiel auch; die Tempi sind fast alle auf der gemäßigten oder sogar langsamen Seite.

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  • Der erste, der das getan hat, war übrigens Beethoven, dessen Kadenzen für Mozarts d-moll nach Ansicht einiger viel zu "Beethovensch" und unpassend sind...


    Hallo, Johannes Roehl,


    ....... das ist völlig richtig, aber Mozart hat zu seinem d-moll-Konzert selber keine Kadenzen beigesteuert. Ich selber finde die Kadenzen von Beethoven großartig, aber das ist und bleibt eine Sache des persönlichen Geschmacks.


    Das Tempo in Finale bei Gould/Golschmann fand ich nie auffällig schnell. Das Tempo im Largo ist sogar eher auf der langsamen Seite.


    Auch das ist richtig. Das Largo und das Finale liegen im Mittelfeld, aber im Kopfsatz ist Gould mit Abstand der Schnellste.
    Anhand von Vergleichen habe ich festgestellt, daß Gould im Kopfsatz der Schnellste ist (wohlgemerkt bei den von mir angestellten Gegenüberstellungen). Hier ein paar Beispiele:
    Gould/Golschmann: 1. Satz: 12.50 / 2. 12.07 / 3. 9.04 Min.
    Richter/Münch: 1. Satz: 16.20 / 2. 11.41 / 3. 8.40 Min.
    Eschenbach/Karajan: 1.Satz: 18.39 / 2. 13.58 / 3. 9.31 Min.
    Serkin/Ormandy: 1. Satz: 16.57 / 2. 10.55 / 3. 9.17 Min.
    Brendel/Haitink: 1. Satz: 17.20 / 2. 12.30 / 3. 8.49 Min.
    Gilels/Szell: 1. Satz: 14.28 / 2. 12.29 / 3. 8.37 Min.
    Casadesus/v.Beinum 1. Satz 14.19 / 2. 8.40 / 3. 8.35 Min.


    wobei im 1. und 3. Satz natürlich zu berücksichtigen ist, welche Kadenzen zum Einsatz kamen. Casadesus macht hingegen aus dem Largo fast ein Allegro. Das kann mich ganz und gar nicht überzeugen, der Satz verliert damit an Aussagekraft und jede Feierlichkeit.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,


    ich liege seit Do letzte Woche mit Grippe und Fieber im Bett und sehe deinen Beitrag daher erst heute.


    Es liegt hier auch wieder sehr daran, von welchen Aufnahmen man zuerst geprägt wurde. Ich hatte die Gould-Aufnahmen nämlich bereits damals als LP-Cassette. Mir gefällt Golschmann orchestral ausgezeichnet und die Kadenzen finde ich auch nihct so unpassend, wie Du es schilderst - auch nicht als Fremdkörper.
    Hinzu kommt meine Affinität zu zügigeren Tempi, sodass mich dann solche langgezogenen Aufnahmen (betrifft ja hier auch nur den 1.Satz) wie Eschenbach warscheinlich gar nicht erreichen würden.


    :) Aber bei Gillels/Szell (EMI) liegen wir dann geschmacklich doch auf einer Linie.
    Die Brendel/Haitink-GA habe ich auch - aber die haben bei mir dann doch alle Gilels-Aufnahmen mit Szell (EMI) und Masur (Brillant) verdrängt ... nur die Chorfantasie op.80 ist hier aud meiner Sicht nur noch der wichtigste Inhalt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang




  • Es ist wieder einmal ein reines Vergnügen, Geza Anda zu hören, der hier die hervorragende Camarata Academica Salzburg vom Klavier aus leidet. Er hat jede Art von virtuoser Selbstdarstellung und Effekthascherei einfach nicht nötig. Er bespielt beeindruckend bescheiden, mit einer unaufdringlichen Frische und wunderbaren Natürlichkeit. Das ist Musikalität allererster Güte! Eine der wirklich schönsten Aufnahmen des Konzerts - in hervorragender (!) Mono-Qualität zudem!


    Schöne Grüße
    Holger

  • ich liege seit Do letzte Woche mit Grippe und Fieber im Bett und sehe deinen Beitrag daher erst heute.


    Lieber Wolfgang,


    ich konnte Deine Worte erst soeben lesen, nachdem ich zwei Tage wegen einer technischen Störung keinen Zugriff auf TAMINO hatte. Damit war ich wohl nicht allein, wie ich inzwischen erfahren habe.
    So kommen auch meine guten Wünsche etwas verspätet: Ich hoffe, daß Du mit hilfreichen Medikamenten versorgt warst und Du die Grippe in den Griff bekommen hast. Weiterhin alles Gute und vor allem baldige Genesung.


    Es liegt hier auch wieder sehr daran, von welchen Aufnahmen man zuerst geprägt wurde.


    Das ist natürlich richtig. Meine allererste Aufnahme von Beethovens KK Nr. 1 war die mit Andor Foldes und den Berliner Philharmonikern, unter Leitung von Ferdinand Leitner. Eine der ersten Stereoproduktionen der DGG, die es inzwischen sogar auf CD gibt. Nun war das zwar durchaus eine gute Version, aber so richtig mitreißend fand ich sie auf die Dauer nicht. Als zweite kam dann später die damals berühmte Aufnahme von Svjatoslav Richter mit Charles Münch und dem Boston Symphony Orchestra dazu. Die hat mich über Jahre geprägt, aber meine Sammlung wurde größer, so z.B. mit Rubinstein/Krips (RCA) und Arrau/Haitink (Philips).
    Inzwischen sind es insgesamt 20 verschiedene Aufnahmen geworden, aber seit ich Christoph Eschenbach mit Karajan besitze, landet diese Version fast immer im Player, wenn ich das Konzert hören möchte. Ich finde es sowohl klangtechnisch wie auch künstlerisch einfach hinreißend und bedauere bei jedem Hören, daß keine GA daraus geworden ist. Eschenbach hat zwar später noch Nr. 3 mit Henze und Nr. 5 mit Ozawa aufgenommen, aber nach meinem Empfinden fehlt hier das Besondere, das ich gar nicht richtig beschreiben kann. Es muß auch nicht unbedingt an Karajan liegen, vielleicht hatten die beiden im Dezember 1966 eine Sternstunde, und natürlich ist mein Urteil total subjektiv. Ich finde die getragenen Tempi keineswegs langatmig, sondern majestätisch und feierlich (vor allem das Largo), und trotzdem kommt der Humor des Stückes nicht zu kurz. Aber das ist alles letztlich Geschmacksache. Es ist wirklich jammerschade, daß Eschenbach seine Karriere als Pianist nicht lange verfolgt und sich aufs Dirigieren verlegt hat. An guten Dirigenten herrscht m.E. kein Mangel, aber Nachkriegs-Deutschland hat mit Nachwuchspianisten wenig Schlagzeilen gemacht.


    Goulds Aufnahme, um das noch einmal zu sagen, fällt schon aus dem Rahmen des Üblichen, und ich bin froh, sie nun zu besitzen, aber so richtig "warm werden" kann ich nicht mit ihr, obwohl ich sie inzwischen dreimal gehört habe.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Um es noch einmal zu wiederholen: Trotz Gilels, Gould, Arrau, Rubinstein, Pollini bleibt bei mir ABM die Referenz


    Lieber Holger,


    dieser Satz hat mich veranlaßt, mir die Aufnahme anzuschaffen, obwohl über 20 Versionen des Konzerts, das aber zu meinen absoluten Favoriten gehört, meine Sammlung schmücken.


    Heute war die CD im Briefkasten, und sogleich wurde sie in den Player verfrachtet. Mein erster Eindruck: Wunderbar! Eine ganz große Interpretation. Schon die erste Takte des Orchesters lassen aufhorchen. Giulini gibt ein moderates Tempo vor, und vor allem lässt er das Orchester warm und zurückhaltend spielen. Über das phänomenale Spiel von ABM gibt es kein Wort zu verlieren, es ist spannend und fesselnd bis zum letzten Ton. Die Kadenz im Kopfsatz ist ebenfalls großartig gespielt, laut Booklet spielt ABM die Originalkadenz des Komponisten, reichert sie aber wohl noch mit einigen "Zusätzen" an, die sich harmonisch einfügen und den Wert der Aufführung noch steigern.


    Zu meinen bisherigen Favoriten Richter/Münch (RCA) und Eschenbach/Karajan (DGG) gesellt sich ab sofort eine dritte: ABM/Giulini. Was nicht den Wert so großartiger Interpretationen wie Gilels/Szell (EMI), Rubinstein/Krips (RCA) oder Fleisher/Szell (CBS) schmälern soll. Doch ABMs Einspielung umgibt schon die Aura des Besonderen .....


    Danke für die Empfehlung!


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Zu meinen bisherigen Favoriten Richter/Münch (RCA) und Eschenbach/Karajan (DGG) gesellt sich ab sofort eine dritte: ABM/Giulini.

    Das freut mich sehr, lieber Nemorino!


    Mit traurigen (wegen des Anschlags) und schönen Grüßen aus Münster
    Holger

  • Mit traurigen (wegen des Anschlags) und schönen Grüßen aus Münster


    Lieber Holger,


    an anderer Stelle las ich, dass Du nicht weit vom Ort des Geschehens warst, als der Anschlag geschah. Zum Glück ist Dir nichts passiert! Aber wieder einmal eine sinnlose Tat, die Opfer gefordert und Angst und Trauer hervorgerufen hat.


    Ich wünsche Dir trotz allem einen schönen, ruhigen Abend
    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • ....aber seit ich Christoph Eschenbach mit Karajan besitze, landet diese Version fast immer im Player, wenn ich das Konzert hören möchte. Ich finde es sowohl klangtechnisch wie auch künstlerisch einfach hinreißend und bedauere bei jedem Hören, daß keine GA daraus geworden ist.


    Die habe ich mir nun in voller Länge angehört und kann Deine Begeisterung sehr gut nachvollziehen.
    Zur Klangtechnik: Weiträumig, transparent, vor allem auch mit räumlicher Tiefe, guter Ortungsschärfe und sehr natürlichen Klangfarben, auch beim Flügel. Dass die Aufnahme aus den 60er-Jahren stammen soll, hätte ich nie angenommen, wenn ich es nicht gelesen hätte.


    Zu Eschenbach: Habe selten eine Aufnahme dieses Konzerts gehört, wo jemand so "anständig" spielt, also ohne Effekthascherei oder Kraftmeierei, dafür aber enorm vokal gedacht, wirklich hochkultiviert, reif, langzeittauglich, mit niemals hässlichem Anschlag, dennoch transparent in den Stimmführungen und sinnvoll phrasierend.
    Der dritte Satz hat mich insgeheim immer wegen des einigermaßen banalen Motivs ein wenig genervt.
    Hier kommt er so kultiviert daher, dass es sich nicht nach bolleriger Ringelreihen-Begeisterung von außer Rand und Band geratenen Humanoiden anhört, die dem Stadium des Halbaffens gerade evolutionär entwachsen sind. Hier wird einem stattdessen klassisch-edle Kultur und Noblesse geboten. Ja, ich mag das, selbst wenn Beethoven es vielleicht anders gemeint haben sollte.
    Dass es ohnehin zu Beethovens Zeit so nicht geklungen hat - geschenkt, ich ziehe dieses Klangbild vor.


    Zu Karajan:
    Er begleitet ebenso hochkultiviert, liefert einen betörend warmen Schönklang in den Streichern, allerdings ohne das Beethovens Musiksprache in einem einzigen Karajan-Klangstrom unterzugehen droht. Die Gesamtinterpretation vermeidet jede Art von Übertreibung oder auch Schulmeisterei.
    Auch wird dem vokalen Aspekt gehuldigt. Das Tempo steht, und die Balance zwischen den Instrumenten ist perfekt.


    Insgesamt muss man hier von einem einheitlichen Konzept sprechen, nicht von zwei grundsätzlich divergierenden Auffassungen, die aufeinanderprallen, bei denen der Dirigient oder der Pianist jeweils "ihr Ding" durchzögen.
    Der Flügel hat naturgemäß eine wichtige Rolle, aber eher als Teil eines Ganzen und sich im Dialog mit dem Orchester befindend. Starallüren des Starpianisten oder dergleichen gibt es hier nicht, was auch für den Dirigenten gilt.
    Hier wird seriös und zeitlos wertig einfach wunderbare Musik gemacht.
    Zweifellos ist dies keine Aufnahme für Leute, die sich an billig-zackigen Effekten oder am Temporausch oberflächlich erregen wollen.
    Vielmehr handelt es sich um eine Einspielung für den gereiften Beethovenkenner, der diese CD, wenn er sie erst einmal kennt, immer wieder auflegen wird.


    Ich bin dankbar, dass ich durch Tamino überhaupt auf die Aufnahme aufmerksam gemacht wurde. Eigentlich dachte ich ja, dass ich die wirklich relevanten Spitzeneinspielungen so in etwa kenne. Als junger Mann mit zuviel Energie hätte ich vor einigen Jahrzehnten diese Interpretation schon nach wenigen Takten komplett abgelehnt. Jetzt höre ich viel mehr und genieße genau so etwas sehr.
    Für mich ist diese Einspielung ein einziger Glücksfall.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zu Eschenbach: Habe selten eine Aufnahme dieses Konzerts gehört, wo jemand so "anständig" spielt, also ohne Effekthascherei oder Kraftmeierei, dafür aber enorm vokal gedacht, wirklich hochkultiviert, reif, langzeittauglich, mit niemals hässlichem Anschlag, dennoch transparent in den Stimmführungen und sinnvoll phrasierend.

    Lieber Glockenton,


    Eschenbach/Karajan habe ich ausschnittsweise bei meinem Freund gehört - Eschenbach hat mir auch sehr gut gefallen. Und die Aufnahmetechnik ist wirklich hervorragend.

    Er begleitet ebenso hochkultiviert, liefert einen betörend warmen Schönklang in den Streichern, allerdings ohne das Beethovens Musiksprache in einem einzigen Karajan-Klangstrom unterzugehen droht.

    Karajan kenne ich beim 1. Beethoven-Konzert als Begleiter von Alexis Weissenberg - und da zeigt er die Karajan-typischen Schwächen, die Du ansprichst und er gefällt mir so gar nicht! :D Da finde ich Guilini erheblich besser! Aber Karajan hat bei verschiedenen Solisten durchaus unterschiedlich dirigiert, z.B. beim Tschaikowsky-Konzert hört man das deutlich.


    Die Aufnahme werde ich mir nun endlich besorgen... :hello:


    P.S.: Ich finde die Aufnahme nur als Vinyl, könnte mir deshalb jemand einen Tip geben, wie ich sie als CD bekommen kann (irgendeine Karajan-Edition o.ä.)?


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es gab sie mal auf CD, lange vergriffen


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    Ich finde monumentale Tempi und extreme pianistische Verfeinerung bei diesem Werk eher kontraproduktiv, aber jeder nach seinem Gusto.

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  • Die ist nicht zu finden....sehr schade !

    Hier ist sie auf CD:

    beim großen Urwaldfluss für € 20,99 + Versandgebühr.


    Inhalt: Beethoven: Klavierkonzert Nr. 1 (Berliner Philharmoniker/Karajan) / Mozart: Variationen C-Dur KV 265 "Ah, vous dirai-je, Maman", Sonate F-Dur, KV 332 / Schubert: Sonate A-dur, D. 959 / Schumann: Abegg-Variationen op. 1, 6 Intermezzi op. 4 / Haydn: Sonaten e-moll Hob. XVI:34 & D-Dur Hob. XVI:37 (Aufnahmen: DGG/Philips 1964-1974).

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Guten Abend, lieber Holger,


    Gratulation! Das war echt Gedankenübertragung, auf die Minute.
    Nun bin ich sehr gespannt auf Deine Höreindrücke.


    Es gibt auch noch die schöne Ausgabe, die Johannes Roehl abgebildet hat, allerdings für 72 €. Da könnten einem schon die Tränen kommen ....


    Gute Nacht und
    LG, :hello: Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Auch ich wäre an Deinen Höreindrücken interessiert, lieber Holger, und freue ich, dass Du sie bestellt hast :)
    Nun hoffe ich natürlich, dass Du nicht hinterher meinst, dass Dir der Glockenton mit seiner Schwärmerei einen Fehlkauf beschert hat...


    Da ich ja über meine Frau "Premium-Kunde" bei Spotify bin, kann ich die Aufnahme in zum Glück besserer Auflösung als mp3 hören. Meistens kann ich bei Umschaltvergleichen sogar keinen Unterschied mehr zu WAV feststellen, an manchen Tagen dann doch wieder so eine Ahnung, wenn ich in guter Form bin.
    Dennoch hätte auch ich gerne diese CD bestellt, allein schon wegen der Sicherheit, eine gute Aufnahme auch dann zu besitzen, wenn das Netz gerade einmal nicht funktioniert. Doch wegen der blöden Winter-Stromrechnung und der Tatsache, dass ich mich letzten Monat in London beim Herrenausstatter eben habe austatten lassen(....) kann ich leider im Moment bei diesem Preis nicht bestellen. Zudem muss ich wohl feststellen, dass ich mich zwischenzeitlich an solche Preise wie 2.30 pro CD gewöhnt zu haben scheine...
    Die Zeiten, in denen ich noch richtige Preise für CDs bezahlte, scheinen mir schon ewig lang her zu sein.


    Viel Freude mit der Aufnahme!
    Wer hinhören und Kultur genießen will, der kommt hier m.E. voll auf seine Kosten.
    Diejenigen, die lauter Knalleffekte, Akzente und Aufbrause-Effekte suchen, damit sie davon vom Stuhl fallen, sollten sich besser etwas anderes holen.


    Ich kenne da eine Aufnahme mit Argerich und Sinopoli. Er dirigiert eigentlich recht langweilig, aber sie brennt ein echtes Feuerwerk mit unzähligen Effekten ab. Aber auch an die gewöhnt man sich bald. Wenn man dann jemanden wie Eschenbach hört und die Argerich-Aufnahme kennt, dann fragt man sich sofort, ob es denn wirklich diese "huch" und "bow-eh"- Aufreger an jeder Ecke im Klavierpart geben muss. Meiner Erfahrung nach ist es sogar schwieriger, darauf zu verzichten und trotzdem nicht nichtssagend und ausdruckslos-langweilig zu klingen. Das erfordert eine enorm hohe seelische Disziplin, Konzentration und auch eine große körperlich-technische Beherrschung. Mit einem Ton, der unkontrolliert herausknallt, macht man alles kaputt.


    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich kenne da eine Aufnahme mit Argerich und Sinopoli. Er dirigiert eigentlich recht langweilig, aber sie brennt ein echtes Feuerwerk mit unzähligen Effekten ab. Aber auch an die gewöhnt man sich bald.

    Lieber Glockenton,


    die habe ich auch - und sie gefällt mir nicht. Sinopoli und Argerich passen schon vom Temperament her nicht zusammen: er der kühle Psychoanalytiker und sie mit ihrem intuitiven Temperament. In der Neuaufnahme mit Ozawa harmonieren beide sehr gut - aber da ist sie noch forscher im Tempo:



    Wenn man dann jemanden wie Eschenbach hört und die Argerich-Aufnahme kennt, dann fragt man sich sofort, ob es denn wirklich diese "huch" und "bow-eh"- Aufreger an jeder Ecke im Klavierpart geben muss. Meiner Erfahrung nach ist es sogar schwieriger, darauf zu verzichten und trotzdem nicht nichtssagend und ausdruckslos-langweilig zu klingen. Das erfordert eine enorm hohe seelische Disziplin, Konzentration und auch eine große körperlich-technische Beherrschung. Mit einem Ton, der unkontrolliert herausknallt, macht man alles kaputt.

    Finde ich auch. Deshalb mag ich z.B. die ungemein musikalischen Aufnahmen der Beethoven-Konzerte mit Wilhelm Kempff - ich habe zwei, in Mono und in Stereo. :) Speziell beim 1. Konzert ist das Interpretationsprobolem finde ich, dass es bei den meisten Interpreten wie ein verspäteter Mozart klingt. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Liebe Beethoven-Freunde,


    das 1. Klavierkonzert bedeutet für mich absoluter Beethoven mit für seine Zeit sehr impulsiv-frechen Einlagen und teilweise großem Duktus. Ich habe in den letzten 7 Tagen die mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen, teilweise mehrfach, durchgehört:


    Arturo Benedetti Michelangeli, p
    Carlo Maria Giulini, cond
    Wiener Symphoniker
    (DG, ADD, live, Wien, 1979)


    Bernd Glemser, p
    Bruno Weil, cond
    Duisburger Philharmoniker
    (MDG, DDD, live, Duisburg, 2003)


    Boris Berezovsky, p
    Thomas Dausgaard, cond
    Swedish Chamber Orchestra
    (Simax, DDD, 1999)


    Claudio Arrau, p
    Alceo Galliera, cond
    Philharmonia Orchestra
    (EMI, AAD, 1958)


    Gerhard Oppitz, p
    Marek Janowski, cond
    Gewandhausorchester Leipzig
    (RCA, DDD, 1995)


    Geza Anda, p/cond
    Kölner RSO
    (Audite, ADD, live, Köln, 1969)


    Krystian Zimerman, p/cond
    Wiener Philharmoniker
    (DG, DDD, 1992)


    Martha Argerich, p
    Guiseppe Sinopoli, cond
    Philharmonia Orchestra
    (DG, DDD, 1985)


    Martha Argerich, p
    Seiji Ozawa, cond
    Symphonieorchester des BR
    (BR Classics, DDD, live, München, 1983)


    Rudolf Buchbinder, p/cond
    Wiener Philharmoniker
    (Sony, DDD, live, Wien, 2013)


    Man könnte hier Untergruppen mit Gemeinsamkeiten bilden, z.B. alle live-Aufnahmen (Benedetti Michelangeli, Glemser, Anda, Argerich, Buchbinder) oder Personalunion von Pianist und Dirigent (Anda, Zimerman und Buchbinder).


    Etwas Besonderes stellt sicherlich die Aufnahme mit Berezovsky und dem Schwedischen Kammerorchester unter Dausgaard dar: Rasche, aber nicht übertriebene Tempi, Verschlankung, HIP-Komponenten.


    Von den Live-Aufnahmen finde ich Glemser und Buchbinder am aufregendsten. Während bei Glemser HIP-Komponenten und ein pianistisch differenziert-packender Zugriff faszinieren, glänzt Buchbinder mit kammermusikalischer Disposition.


    Außergewöhnlich finde ich auch die Mono-Aufnahme Arraus mit Galliera. Arrau spielt so transparent beidhändig und die Bläser gehen wunderbar in den Dialog mit ihm (insbesondere in dem grazil-pointiertm Rondo).


    Die Live-Aufnahme mit Benedetti Michelangeli/Giulini ist für mich der Klassiker, da ich mit dieser Aufnahme auf MC das Konzert kennenlernte !


    Die Anda-Aufnahme ist ebenfalls top, aber nicht spektakulär.


    LG Siamak

  • Die Anda-Aufnahme ist ebenfalls top, aber nicht spektakulär.

    Hallo, Siamak,


    ich weiß nicht, ob Du die Studio-Aufnahme mit Géza Anda kennst:

    die er mit dem berühmten "Begleiter" Alceo Galliera und dem Philharmonia Orchestra London gemacht hat (Aufnahme: Febr. 1955, London).
    Leider wurde sie noch in Mono produziert, aber musikalisch kann sie mit den besten bestehen. In einem alten Plattenführer von 1958 wird sie als einzige Empfehlung genannt. "Nr. 1 C-Dur op. 15 empfehle ich von Géza Anda; die Wiedergabe ist klar, kultiviert und witzig", heißt es da. Natürlich hat es seitdem unzählige Neueinspielungen gegeben, was dem künstlerischen Wert der alten Aufnahme keinen Abbruch tut.
    Außerdem ist sie sehr interessant gekoppelt mit den Doppelkonzerten von J.S. Bach (BWV 1061) und Mozart (KV 365), da spielt Anda zusammen mit der legendären Clara Haskil, gleichfalls von Galliera und dem Philharmonia begleitet. Diese Aufnahmen sind vom April 1956, bereits in Stereotechnik. In allen Fällen war Walter Legge der Produzent.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    leider kenne ich die EMI-Platte mit Anda/Haskil/Galliera nicht. Wenn das Philharmonia unter Galliera genauso wie mit Arrau aufspielt und Anda mindestens so aufgelegt ist wie in Köln, dann muss es überragend sein ! Danke für den Tip.


    LG Siamak

  • Danke für den Tip.


    Hallo, Siamak,


    gerne geschehen. Du wirst von der Aufnahme nicht enttäuscht sein, einzig der etwas kompakte Monoklang beeinträchtigt das Hörvergnügen. Aber immerhin ist es gutes Mono.


    Mir scheint übrigens, daß Anda ein besonderes Faible für Beethovens C-Dur-Konzert hatte; es gibt außer der Studioproduktion und dem von Dir genannten Mitschnitt aus Köln noch mindestens drei weitere Live-Aufnahmen auf CD: mit Maazel aus Salzburg, mit Keilberth aus Köln und mit Kubelik und dem Bayerischen RSO. Außerdem gibt es bei Hänssler noch einen Mitschnitt, in dem Anda ebenfalls als Solist und als Dirigent fungiert. Ich kenne die aber allesamt nicht.


    Schönen Abend,
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Außergewöhnlich finde ich auch die Mono-Aufnahme Arraus mit Galliera.


    Lieber Siamak,


    hier bin ich noch einmal, mit einer Frage. Ist die Aufnahme wirklich Mono? Die stammt m.W. aus der ersten Stereo-GA der Beethoven-Konzerte von 1958; mir selber liegen die Konzerte Nr. 2, 3 und 4 daraus in Stereo vor (die letztgenannten beiden auf CD). Der Dirigent aller fünf Konzerte war der bewährte Alceo Galliera.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    ich habe diese GA mit Arrau/Galliera innerhalb der Icon-Box von EMI. Die Angaben des Aufnahmedatums ist für die Konzerte Nr. 1-3 und 5 1958, für das 4. 1955. Ich bin mir beim Hören nicht so sicher, ob sie durchgehend in Stereo sind. Aber sie sind sehr transparent und wenn ich mit Kopfhörer höre, meine ich auch räumlich zu hören. Dann wirst Du Recht haben, dass die Aufnahmen aus 1958 in Stereo sind.


    LG, Siamak

  • ich habe diese GA mit Arrau/Galliera innerhalb der Icon-Box von EMI. Die Angaben des Aufnahmedatums ist für die Konzerte Nr. 1-3 und 5 1958, für das 4. 1955. Ich bin mir beim Hören nicht so sicher, ob sie durchgehend in Stereo sind. Aber sie sind sehr transparent und wenn ich mit Kopfhörer höre, meine ich auch räumlich zu hören. Dann wirst Du Recht haben, dass die Aufnahmen aus 1958 in Stereo sind.

    Lieber Acom, lieber Nemorino,


    ich besitze noch die von Nemorino abgebildete Einzel-CD! :) Es steht dort vermerkt "Mono & Stereo". Die Aufnahmen mit Bach und Mozart sind beide zur selben Zeit aufgenommen, im April 1956, der Beethoven dagegen ist vom Januar 1955. Also kann eigentlich nur der früher aufgenommene Beethoven die Mono-Aufnahme sein! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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