Die Gebrüder Vranický

  • Die Vranickys waren eigentlich keine "Kleinmeister"
    Sie standen auf einer Stufe mit Mozart, Haydn und Beethoven - und pflegten mit denselben auch freundschaftlichen Verkehr. Da es üblich und durchaus verständlich ist Einleitungbeiträge - wenn der Thread einmal eine gewisse Länge hat, einfach zu negieren oder kurz zu überfliegen weise ich an dieser Stelle nochmal auf Ullis beispielhafte Threaderöffnung hin.


    Das Problem, welches sich mit den Werken beider Vranickys ergibt, ist lediglich, daß man heute Musik des 18. Jahrhunderts eigentlich nicht versteht und sie lediglich gelten lässt, wenn Haydn, Mozart oder Beethoven draufsteht..... und sogar das nur bedingt...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist bezeichnend, dass es hier seit 2009 keine Einträge mehr gibt. Das mag zum einen mit der taktisch nicht ganz klugen Koppelung der beiden Brüder Vranicky zu EINEM Thread (die sich aber natürlich auf Grund des geringen zur Verfügung stehenden Tonträgermaterials anbot) zum anderen an den doch sehr wenigen Aufnahmen. Seit dem letzten Beitrag hat Brilliant im Jahre 2012 eine weitere Ersteinspielung mit Kammermusik von Antonin Vranicky auf den Markt gebracht:
    Das Streichquintett op 8 Nr 3 und das Streichsextett in G-dur, interpretiert vom Ensemble CORDIA
    Es ist mein Vorsatz in den nächsten Jahren zwei separate Vranicky Threads zu starten und dann die einzelnen verfügbaren Werke genauer vorzustellen.....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Bereich der unbekannten klassischen Streichquartette geht es bei mir gerade Schlag auf Schlag. Das kommt davon, wenn man so ein Büchlein über vergessene Streichquartette liest.


    Hier also jetzt Pavel Vranicky (1756-1808) mit drei seiner op. 23 Quartette. Die wurden laut Gruhle's Streichquartett-Lexikon 1793/94 komponiert. Da war Mozart 2 Jahre tot und Haydn bei op. 71. Das erste Quartett auf meiner neuen CD ist die No. 5, vier Sätze: Allegro - poco adagio - Allegretto - Rondo. Knapp 28 min. Also das klassische Haydn Format. Und ich kann auch keine gravierenden Qualitätsunterschiede zu Haydn feststellen. Vranicky hat laut dem Lexikon insgesamt 57 Quartette komponiert, davon 18 noch nach den op. 23. Da gäbe es also durchaus noch einiges zu hören, wenn es denn mal jemand einspielen würde.

    Die vorliegende CD ist von 1998, ich habe sie aus England bestellt. Das Pro arte antiqua Quartett kommt aus Prag und spielt historisch informiert auf Instrumenten der Zeit (also um 1800 gebaut, bis auf das Cello, das wesentlich älter ist). Sie spielen nicht nur historisch informiert, sondern auch sehr schön. Der Klang der Instrumente gefällt mir ebenso. Mehr davon.

  • Gerade habe ich wieder die ersten beiden Quartette auf der oben abgebildeten CD gehört, op. 23.5 und op. 23.4. Absolut hinreissende Musik, originell, witzig und schwungvoll. Da für den Cello spielenden Preussen König Friedrich II geschrieben, gibt es zahlreiche Soloauftritte des "königlichen" Instruments. Wenn alle Quartette von Pavel Vranicky/Paul Wranitzky so gut sind (er hat ähnlich viele geschrieben wie Haydn), dann hätte ich gerne eine Gesamtaufnahme, am besten mit dem vorliegenden Quartett. :thumbup::thumbup::thumbup:

  • Zitat von Lutgra

    Ein Major Label steigt bei den Vranitzky Brüdern ein. Gut so.


    Schön finde ich vor allem, daß es nach meiner (mit heisser Nadel gestrickten !!) Recherche, keine Doubletten gibt, sondern daß wie hier bis dato ungehörte Werke als Erstaufnahmen (?) vorgesetzt bekommen. Ist schon in meiner Februarbestellung vorgemerkt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was ich weiter oben zu den Quartetten op. 23 geschrieben habe, gilt auch für 1790 veröffentlichten Quartette op. 16 1-3. "Die gehen rein wie Sahne". Wunderbar gelöste, originelle und melodiengesättigte Musik. :)
    Und dass die Stamitzer zur Elite ihres Faches gehört, weiss jeder, der die Box mit den tschechischen Quartetten oder die GA der Haba-Quartette kennt. Die CD mit op. 16 4-6 aus gleicher Quelle ist leider vergriffen. ;(

  • Pavel Vranicky gehört meiner Meinung nach zu den am meisten unterschätzen Komponisten seiner Epoche.


    Nachdem mich schon die Streichquartette op. 16 und 23 schwer begeistert haben, hat mich Pavel Vranickys letzte Symphonie D-dur op. 52 förmlich umgehauen. Das ist eine der schönsten klassischen Symphonien, die ich kenne. Vranicky starb 1808, wenn diese Symphonie im Todesjahr entstand, entstand sie zur gleichen Zeit wie Beethoven 5. und 6. Während der erste, dritte und vierte Satz an späte Werke von Mozart und Haydn gemahnen (m.E. auf Augenhöhe), ist der zweite 14-minütige Adagiosatz auf dem Niveau, was Beethoven zu der Zeit komponierte, ich höre sogar Vorechos auf das Adagio der 9., das bekanntermassen erst 16 Jahre später entstand. Mir völlig unverständlich, wieso dieses Werk vergessen wurde.
    Die Interpretation durch das Dvorak Chamber Orchester unter Bohumil Gregor lässt keinerlei Wünsche offen, alternative Interpretationen wären allerdings willkommen und sei es nur um dieses schöne Werk bekannter zu machen. Wer sich ein Bild machen will, kann dies für sehr wenig Geld tun.

  • Lieber Lutgra,


    besten Dank für die Unterstützung in Sachen Vranicky, welche mir Auftrieb gibt gelich ein paar Anmerkungen zu machen.
    Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß die von Dir gezeigte Edition der von Dir genannten Aufnahme nur mehr bei Amazon erhältlich ist. Wer - wie ich - lediglich ein Konto bei jpc hat, der kann auf die hier abgebildete Edition zurückgreifen, welche die gleichen Aufnahmen und eine weitere Sinfonie (ohne Opuszahl) beeinhaltet.


    Im übrigen hat der Ex-User "Ulli" schon 2006 (im Beitrag Nr 22) festgestellt:


    Zitat

    Ich habe die Doppel-CD eben teils nochmals gehört und mir fiel jedenfalls auf, dass ich kein spätes Mozartwerk und kein frühes Beethovenwerk kenne, das solch ungetrübte Lebensfreude äußert, wie diese vier Sinfonien.



    Zugleich erfülle ich hier mit magischer Hand den Wunsch nach einer Alternativeinspielung der Sinfonie op 52:
    Sie ist auf dier abgebildeten cpo Aufnahme enthalten, die Supraphon Aufnahme ist indes meiner Meinung nach besser.


    Zählt man bei der deutschen Wikipedia die angezeigten Sinfonien durch, dann kommt man auf 13 Stück.
    Wikipedia in englischer Sprache wirft die Sinfonien zwar nicht explizit nach Opuszahl aus,
    erwähnt indes 56 Sinfonien, davon wurden 29 veröffentlicht, 27 existieren als Manuskript.


    Das Euvre Pavel Vranickys ist mehr als umfassend - darüber zu einem späteren Zeitpunkt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Wer sich ein Bild machen will, kann dies für sehr wenig Geld tun.


    *grummel* soeben bestellt... :angel:


    Und storniert. Ich nehme vielleicht lieber bei der nächsten JPC-Bestellung die CPO-Aufnahme.


    Viele Grüße
    Frank

  • Ich nehme vielleicht lieber bei der nächsten JPC-Bestellung die CPO-Aufnahme.


    Vielleicht eher die Supraphon Doppel- CD? Alfons (natürlich Alfred s.u.) hält sie für die bessere. Ich habe zwar keinen Vergleich, aber bei mir blieben keine Wünsche offen, auch klanglich nicht.


  • Alfons? :D


    Die Supraphon-Doppel-CD auf liegt auf dem Amazon-Merkzettel. Angesichts des noch ungehörten Bestands ist sie mir derzeit noch zu teuer.


    Viele Grüße
    Frank

  • Hallo,


    Paul Wranitzky (1756-1808)
    Symphonien opp.31 & 52

    NDR Radiophilharmonie Hannover, Howard Griffiths
    SACD, stereo & multichannel (hybrid)
    CPO, DDD, 2004


    Soeben verklang diese CD, die mir uneingeschränktes Hörvergnügen beschert hat. Die beiden Sinfonien sind einfallsreich gestaltet und dürften allen Freunden der Musik Mozarts oder Haydns keine Schwierigkeiten bereiten. Spannend das programmatische Schema, welches op. 31 zugrunde liegt.
    Kritikpunkte der ansonsten tadellosen Produktion sind allenfalls die nur kurze Spieldauer (rd. 57 Minuten) sowie das für meinen Geschmack etwas entfernte Klangbild. Mehr Direktheit hätte hier vielleicht zu einem etwas anspringenderen Ergebnis geführt.
    Besprechung bei klassik.com.


    Viele Grüße
    Frank

  • Dass sich die Musik der Wranitzky Brüder auf einem Niveau bewegt, das dem von Haydn, Mozart und dem frühen Beethoven kaum nachsteht, hat sich langsam herumgesprochen und so hat jetzt auch ein Major Label "riskiert", eine CD mit drei Werken der Brüder herauszubringen, dafür sei Ihnen unser Beifall gezollt. Nicht nur haben sie drei bisher wohl nicht eingespielte Werke ans Tageslicht befördert, sondern auch noch zwei hochbegabten Musikerinnen, der erst zwanzig-jährigen Geigerin Veriko Tchumburidze (Schülerin von Ana Chumachenko) und der 24-jährigen Cellistin Chiara Enderle (Tochter zweier Carmina Streichquartettspieler) die Möglichkeit zum CD-Debut geboten. Die Orpheum-STiftung hat dies wohl möglich gemacht. Entstanden ist eine rundum erfreuliche CD, die in jede Sammlung gehört, die sich nicht nur aufs Allbekannte konzentrieren möchte. Tamino Garaguly hat die CD bereits nach Erscheinen ausgiebig gewürdigt, dem ist wenig hinzu zu fügen.



  • Wie unterschätzt beispielsweise PAVEL VRANICKY (PAUL WRANITZKY) heute noch immer ist, mag ein aus der englischen WIKIPEDIA kopiertes Werkverzeichnis zeigen, das vermutlich nicht mal komplett ist. Hier gibt es für "Entdeckerlabels" noch viel zu tun.....


    Operas


    Die gute Mutter (J.B. von Alxinger, Vienna, 1795)
    Das Maroccanische Reich oder Die unterirdischen Schätze (1795)
    Die Dienstpflicht (s.a.)


    Operetta


    Das Fest der Lazaronen (J. Perinet, Vienna, 1794)


    Singspiele


    Oberon, König der Elfen (libretto by F.S. Seyler, extensively revised by Karl Ludwig Giesecke. Vienna, 1789)
    Der dreifache Liebhaber (Vienna, 1791)
    Rudolph von Felseck (J. Korompay, Vienna, 1792)
    Merkur, der Heiratstifter, oder Der Geiz im Geldkasten (Vienna, 1793)
    Die Post-Station oder Die unerwartete Zusammenkunft (S.F. Künster, 1793)
    Der Schreiner (A. von Kotzebue, Vienna, 1799)
    Die drei Buckligen (Warsaw, 1808)


    Other types of opera works


    1 quadro musicale romantico:
    Johanna von Montfaucon (A. von Kotzebue, Vienna, 1799)
    1 Liedspiel:
    Das Mitgefühl (F. Treitschke, Vienna, 1804)
    2 divertissement:
    Das Picknick der Götter (Schönbrunn, 1804)
    Die Erkenntlichkeit (Vienna, 1804)
    2 travestimenti-melologhi:
    Medea
    Macbeth


    Ballets


    Die Weinlese (Vienna, 1794)
    Zephir und Flora (Vienna, 1795)
    Das Waldmädchen (Vienna, 1796)
    Die Luftfahrer (Vienna, 1797)
    Cyrus and Tomyris (1797)
    Die Waise der Berghöhle (Vienna, 1810)
    Walmir und Gertraud (ca. 1800)
    Das Urteil des Paris (Vienna, 1801)
    Der Raub der Sabinerinnen (Vienna, 1804)
    Zufriedenheit mehr als Reichtum (Vienna, 1805)
    Zelina und Gorano (Vienna, 1806)


    Theatre music


    Rollas Tod (A. von Kotzebue, Vienna, 1795)
    Achmet und Zenide (A.W. Iffland)
    Jolantha
    Die Rache
    Siri-Brahe


    Other works


    1 Cantata
    56 symphonies: 29 published symphonies, 27 symphonies in manuscripts.
    3 piano sonatas
    1 Missa


    Concertos


    For Piano,
    Violin Concerto in C
    Violin Concerto in D
    Violin Concerto in F
    Violin Concerto in G
    Cello Concerto in C, op 27
    Flute Concerto in D, op 24/op 1
    Oboe Concerto in G
    Concertante for Flute and Oboe in C, op 39
    Concertino for Oboe and Cello in D (lost)
    Concerto for two Flutes in G (lost)


    Other orchestra works


    Overture, Divertimenti, Tafelmusik, Dances
    Quartets, Quintets, etc.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Um die Einschätzung von PAVEL Vranicky um 1890 zu dokumentieren bringe ich hier einen Eintrag aus einem der bedeutendsten österreichischen Lexika mit dem Titel "Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich" Es befasst sich ausschließlich mit Personen, welche in Österreich lebten und eine gewisse Bedeutung erlangt hatten. Das Lexikon umfasst 60 Bände und ist somit etwa doppelt so umfangreich, wie die Letzte Ausgabe der "Brockhaus Enzyklopädie.Dazu kommt, daß Redaktionsschluss das Jahr 1890 war - damals umfasste Brockhaus lediglich 16 Bände und war teilweise schon bebildert. (was Platz für Texte wegnahm)
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    Wranitzky, Paul (Director des Wiener Hofopernorchesters und Compositeur, geb. zu Neureisch in Mähren 30. December 1756, gest. zu Wien am 26. September 1808).

    Der ältere Bruder [144] Antons [s. d. S. 141], nicht minder mit musicalischem Talente begabt, aber weit fruchtbarer und bekannter als dieser. Er besuchte gleich ihm die unteren Lateinschulen bei den Prämonstratenser-Chorherren seines Geburtsortes, bei denen er auch den ersten Unterricht in der Musik, und zwar in Gesang und Orgelspiel erhielt. Dann setzte er seine Studien in Iglau und Olmütz fort, an beiden Orten sich auch in der Musik weiter bildend, und besonders war es die Violine, auf die er sich mit großem Eifer verlegte. Als er 1776, damals 20 Jahre alt, nach Wien kam und im k. k. theologischen Seminar Theologie hörte, erweckten seine musicalischen Kenntnisse solche Aufmerksamkeit, daß man ihm die Stelle eines Musikdirectors im Seminar übertrug. In dieser Zeit trat er mit dem damals in Wien sich aufhaltenden schwedischen Capellmeister Kraus, dem nachmaligen Gatten seiner Nichte Anna, in näheren Verkehr und erhielt von ihm Unterricht in der Composition.


    Bei seinem ungewöhnlichen Compositionstalente fanden schon seine ersten nur in Handschrift bekannt gewordenen Tonstücke großen Beifall und machten seinen Namen als den eines geschickten Componisten bald in weiteren Kreisen bekannt. Dabei wurden seine Gewandtheit und Sicherheit in Leitung größerer Musikkörper bald Veranlassung, daß man ihm öfter die Direction von Orchestern überließ und ihn zu Akademien und Concerten heranzog, welche in den Familien des höheren Adels in Wien, wo eben die Musik in höchster Blüthe stand und selbst bei Hofe mit großer Vorliebe gepflegt wurde, damals nicht selten statthatten. Unter solchen sich immer günstiger gestaltenden äußeren Verhältnissen gab er bald das theologische Studium auf und nahm vorab eine Stelle in der damals berühmten Fürst Eszterházy’schen Capelle an, deren Seele eben Joseph Haydn war.


    Aber schon 1785 folgte er der Berufung zum Director des Orchesters an dem k. k. Hofoperntheater, in welcher Eigenschaft er bis an seinen Tod mit großem Ruhm wirkte.


    Die verschiedenen Angaben seines Todesdatums: 26. und 28. September und wieder October, sind nach den oben angeführten der „Wiener Zeitung“ vom 1. October 1808 entnommenen festgestellt.


    Paul Wranitzky war ein ungemein fruchtbarer, dabei ebenso vielseitiger als zuweilen glücklicher Componist. Er schrieb Opern, Ballete, musicalische Zwischenacte, Symphonien, Quintette, Quartette, Trios und andere Compositionen à la Camera von denen im Ganzen über ein halbes Hundert im Druck erschienen, eine nicht minder große Zahl aber in Handschrift geblieben ist. Ich habe mit Vergleichung der verschiedenen Quellen, namentlich Gerber und Dlabacz und dann mehrerer Musikkataloge, obige Zahl der gedruckten Compositionen herausgefunden, dabei aber die Entdeckung gemacht, daß deren nicht wenige eine und dieselbe Opuszahl tragen, so daß z. B. mit Opus 1 gleich vier, mit Opus Nr. 15, 16 und 17 je drei verschiedene Compositionen bezeichnet sind, u. s. w. Eine Feststellung dieser Angaben wäre nur in einem großen Musikarchive durchführbar, das aber meines Wissens nicht besteht.


    Wranitzky erfreute sich besonderer Huld der Kaiserin Maria Theresia (geb. 1772, gest. 1807), zweiten Gemalin des Kaisers Franz I., in deren Auftrage er verschiedene Compositionen zu ihrem eigenen Gebrauche, sowie zu Darstellungen bei Hofe vollendete. Noch sei bemerkt, daß er mehrere Jahre Secretär [145] der Societät zum Besten der Tonkünstlerwitwen gewesen und dieselbe sich unter seiner Mitwirkung, besonders durch seine gute Wahl der aufzuführenden großen Singstücke, offenbar gehoben hat. Seine Thätigkeit fällt in eine Zeit, in welcher die hellsten Sterne der Tonkunst an Oesterreichs musicalischem Himmel glänzten, Beethoven, Jos. Haydn, Mozart, und noch die Triumphe der Gluck’schen Periode nachklangen. Wenn man die Zeitschriften jener Tage durchblättert, so findet man, daß Wranitzky nicht minder gefeiert und in jenen Tagen von Alt und Jung gepriesen wurde.


    Aber mit seinem Tode war er bald verschollen, und heute kennt man außer seinem Namen, den ein Musikkundiger auch nur oberflächlich erwähnt, nicht eine Note mehr von seinen zahlreichen zu seiner Zeit auf allen Theatern, in allen Concerten und in den Musikcirkeln der hohen Wiener Gesellschaft mit Vorliebe vorgetragenen Werken. Für diese merkwürdige dem großen Haufen unverständliche Wandlung gibt der berühmte Culturhistoriker W. H. Riehl in seinen „Musicalischen Charakterköpfen“, in welchen er auch unseren Wranitzky vorführt, zutreffende und allgemein verständliche Aufschlüsse. Wir lassen nun hier in einer Uebersicht die Compositionen Wranitzky’s folgen, soweit es uns gelungen, dieselben aufzufinden.


    Paul Wranitzky’s Compositionen. a) Dramatische. Opern und Operetten: „Oberon. König der Elfen“. Operette für Wien 1784. Gestochen fürs Clavier, Mannheim bei Heckel, desgleichen zu Offenbach, dann auch als Harmonie für zwei Clarinetten, 2 Hörner, 2 Fagot; diese Oper wurde zu Frankfurt während der Kaiserkrönung innerhalb sechs Wochen 24mal mit stets gleichem und großem Beifall aufgeführt. – „Der dreifache Liebhaber“. Operette für Wien um 1791. – „Die Poststation“. Operette ebendaselbst um 1793. – „Merkur der Heiratsstifter“. Operette für das Marinelli’sche Theater zu Wien um 1793. – „Das marokkanische Reich“. Operette für Wien. – „Die gute Mutter“. Operette für Wien 1794. Die Tenorarie daraus: „Am frühesten Morgen“ u. s. w. wurde fürs Clavier gestochen (Wien 1794). – „Das Fest der Lazzaroni“. Oper für Wien 1795, gest. fürs Clavier in Offenbach bei André, dann auch zu Braunschweig. – „Der Schreiner“. Operette um 1799. Ballete: „Die Weinlese“. – „Zephyr und Flora“ Ballet für Wien, gestochen fürs Clavier bei Artaria in Wien 1796. – „Zemire und Azor“. – „Das Waldmädchen“. Musicalische Begleitungen zu nachfolgenden Schauspielen: „Johanna von Montfaucon“. – „Rudolf von Felseck oder la tempesta“. – „Siri-Brahe“ „Rolla’s Tod“ und die zweiactige Cantate „Die Fürstenfeier“, mit 7 Recitativen, 6 Arien, 1 Duett, 2 Quartetten und 10 Chören. Die auftretenden Personen sind: die Milde, die Gerechtigkeit, die Weisheit, die Tapferkeit und der Chor des Volkes. Diese Cantate wurde zuerst in Wien, aber 1798 auch in Eisleben aufgeführt b) Kammermusik, Concerte, Sextette, Quintette, Quartette, Trios, Duos und Soli: „3 sonates pour le clavecin avec violon et violoncelle“ Op. 1“; unter dieser Opuszahl erscheinen auch: „3 quartetti p. flauto, viola, alto e basso“ (Wien 1794), dann „Sestetti e quintetti“ (Offenbach 1790) und „Concerto“ (Berlin bei Hummel 1799). – „Symphonie à l’occasion du couronnement du roi d’Hongrie“ Op. 2 (Offenbach 1796), mit der nämlichen Opuszahl findet sich auch eine „Sonate p. clavi., v. et b.“ (Wien bei Artaria 1796) und „6 Duos à 2 fl.“ (Berlin 1798). – „VI Quat. à fl., v., a. et b.“ Op. 5 (Wien 1792). – „VI Quat. p. viol.“ Op. 9 (Speier 1792); dabei befindet sich das einzige bekannte Bildniß Wranitzky’s. – „VI Quat. o. viol.“ Op. 10, Livr. 1 et 2 (Offenbach 1790). – „3 gr. Symphonies“ Op. 11, Livr. 1, 2, 3 (Leipzig 1791), unter dieser Opuszahl auch ein „Concert p. violon“ (Offenbach 1811). – „VI Duos à 2 fl.“ Op. 13 (Paris 1798). – „6 Quatuors“ Op. 15, Livr. 1 et 2 (Offenbach und Wien 1791). – „3 gr. Symphon.“ Op. 16, Livr. 1, 2, 3 (Leipzig 1791); unter dieser Opuszahl erscheinen [146] „6 Quatuors“ Op. 15, Livr. 1 et 2 (Paris). – „Symphonie“ Op. 17 (Speier 1791) unter dieser Opuszahl auch: „VI Trios à fl., a. et b.“ (Wien, Artaria). – „Symphonie“ Op. 18 (Speier 1791). – „Symphonie à l’occasion du couronnement de l’Empereur“ Op. 19 (Offenbach 1792) – „6 Trios p. clav., v. et b.“ Op. 20 (ebd. 1792). – „3 Trios p. clav., v. et b.“ Op. 21 (ebd. 1793). – „3 Clavier-Solos“ Op. 22 (Offenbach 1793). – „6 Quatuors p. v.“ Op. 23, Livr. 1 et 2 (ebd. 1793). – „1 Concerto a. fl. princ.“ Op. 24 (ebd. 1793). – „Symphonie. La chasse“ Op. 25 (ebd. 1793, auch Paris; und für Clavier, Violine und Baß arrangirt); unter dieser Opuszahl auch „3 Duos conc. p. 2 fl. terminés par des variations“ (Paris 1798). – „3 Quatuors“ Op. 26. – „Concerto p. vcllo“ Op. 27 (Offenbach 1793). – „3 Quatuors p. fl., v., a. et b.“ Op. 28 (ebd. 1794). – „3 Quintuors p. 2 v., 2 a. et vcllo“ Op. 29 (Wien 1793). – „6 Quintuors p. viol.“ Op. 30, Livr. 1 et 2 (Paris). – „Grande Symphonie caractéristique pour la paix avec la République française“ Op. 31, pour 21 Instr. (Augsburg 1797), auch „arrangée p. le clav. avec. v. et vclle“ (ebd.), wieder pour 2 v., a., vclle (ebd.), nebst einer ausführlichen gedruckten Beschreibung der darin gemalten Gegenstände. – „6 Quatuors“ Op. 32, Livr. 1 et 2 (Augsburg). – „6 Duos à 2 fl.“ Op. 33, Livr. 1 et 2 (ebd. 1798); unter dieser Opuszahl auch: „3 gr. Symphonies“ Livr. 1, 2 et 3 (Offenbach 1798) und „Concert p. deux flûtes“. – „3 Quatuors p. clav., 2 v. et vclle“ Op. 34 (ebd. 1799). – „3 gr. Symphonies“ Op. 35, Livr. 1, 2 et 3 (ebd. 1799). – „Grande Symphonie zur Feier der Vermälung des Erzherzogs Palatin“ Op. 36 (ebd. 1799). – „Symphonie zur Feier der Vermälung des Grafen Eszterházy“ Op. 37 (ebd. 1799). – „3 Quatuors à 2 v., 2 a. et b.“ Op. 38 (ebd. 1799). – „I Concertante pour fl. et hautb. avec orch.“ Op. 39 (ebd. 1799); unter derselben Opuszahl auch: Quatuor pour flûte, violon, 2 altos et vlclle“. – „Grand quatuor pour 2 violon, 2 altos et violoncelle“ Op. 45 in Es. – „Quatuor“ Op. 49, in F. – „I Concertante pour fl. et hautb. av. orch.“ Op. 50 (Offenbach 1804). – „I Concertante p. fl. et hautb. av. orch.“ Op. 52 (ebd. 1804). – „3 Trios p. 2 fl. et vclle“ Op. 53. Das ist mir gelungen von den mit Opuszahl bezeichneten Compositionen Wranitzky’s in den verschiedenen Katalogen aufzufinden. Außerdem fand ich noch ohne Angabe der Opuszahl: „Felice chi vi mira. Rondo“. – „Journal für Quartettenliebhaber auf zwei Violinen, Alt und Baß“, 13 und wohl noch mehr Hefte. – „12 Marches“. Uebrigens herrscht in Aufzählung seiner Compositionen bei Dlabacz, Gerber und Anderen eine so große Verwirrung, daß, man sich nicht leicht auskennt. Eine große Menge ist ungedruckt, und mögen sich einzelne seiner Arbeiten in Musikarchiven und in Händen von Liebhabern oder Sammlern, wie Thalberg, Mosel, Kiesewetter befunden haben oder noch befinden. So besaß die berühmte Ricordi’sche Musicalienhandlung in Mailand von Wranitzky das Manuscript einer Symphonie in La maggiore[WS 1] für ganzes Orchester. Riemann gibt summarisch 100 Compositionen – außer den Opern, Balleten und Zwischenactmusiken – an, und zwar: 27 Symphonien, 12 Streichquintette, 45 Streichquartette, 9 Streichtrios für Violine, Bratsche und Cello, 1 Celloconcert, 1 Flötenconcert. 3 Trios für 2 Flöten und Cello, 1 Divertissement für Clavier und Streichtrio und gegen 50 ungedruckte Werke.


    Riehl über Paul Wranitzky. Wir haben oben in der Lebensskizze angedeutet, wie Wranitzky’s Name, der seinerzeit so viel genannt und gepriesen worden, nahezu verschollen ist. Wir führen zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung die Ansicht eines Musikkenners an, der in dergleichen Dingen competent ist, nämlich Riehl’s und schließen daran als curiosen Gegensatz das Urtheil eines anderen Musikgelehrten, das fünfzig Jahre früher geschrieben wurde. Riehl schreibt: „Als eine andere Originalfigur erscheint in unserer Gruppe Paul Wranitzky“ (in dieser Gruppe faßt Riehl „die göttlichen Philister“: Gyrowetz, Rosetti, Pleyel, Wranitzky, Hoffmeister, Neubauer zusammen). Wranitzky nimmt als Instrumentalcomponist ungefähr dieselbe Stelle ein, welche Wenzel Müller unter den dramatischen Tonsetzern behauptet. Den Ton der Wiener Localposse hat er mit großer Gewandtheit nicht bloß auf die niederen Gattungen des Instrumentalsatzes, sondern selbst [147] auf Symphonien und Quartette übertragen! Unser Zeitalter, welches die Symphonie fast nur im Geiste Beethoven’scher und Mendelssohn’scher Idealität zu fassen gewohnt ist, mag schwer begreifen, wie man auch den leibhaftigen Hanswurst in die Symphonie bringen könne. Und doch hat dies Wranitzky gethan. Dieser Mißbrauch, den er mit Lust am Volksgesang getrieben, zeigt uns aber wieder, wie tief die ganze Mozart-Haydn’sche Schule ihre Wurzeln in der volksthümlichen Sangesweise getrieben hatte. Wranitzky merkte es gar nicht, welch schneidender Widerspruch darin lag, jene natürliche Einfalt und grobe Komik des niedersten Volkstones, die eigentliche Bänkelsängerei zur durchgehenden Grundstimmung einer Symphonie zu machen! Etwas ganz Anderes ist es, diesen Ton in solchen Werken gelegentlich einmal leise anklingen zu lassen; das hat nicht nur Haydn, das hat selbst Beethoven im übersprudelnden Humor manchmal gethan, Wranitzky dagegen bietet in den Tondichtungen höheren Styls durchwegs Pumpernikel. Als historisch denkwürdig ist aber diese Thatsache zu betonen, daß hier das volksthümliche Element bis zu solcher Ungebühr in den Instrumentalsatz eingedrungen ist. Ein Quartett, eine Symphonie kann nicht wohl bloßes Localstück sein;


    Wranitzky aber hat immer bloß als echter Oesterreicher für Oesterreicher geschrieben. Nicht bloß die zartere volksthümliche Gemüthlichkeit, sondern auch den plumpen Kasperlhumor, die breite, weiche, mit sich selbst tändelnde Gutherzigkeit seiner Landsleute strebt er in den Instrumentalwerken wie in seinen Opern als stete Grundfärbung festzuhalten. Dadurch hat er so glänzendes, aber auch so schnell verhalltes Lob geerntet, namentlich in Oesterreich.


    Von der sinnigen Zartheit, mit welcher Haydn in Rondos und Menuets ähnliche local volksthümliche Elemente zu verklären weiß, findet sich bei Wranitzky keine Spur; er ist derber Naturalist und führt stets einen breiten Pinsel, der dann bei seiner erstaunlich großen und, wie es scheint, sehr flüchtigen Productivität, weit seltener den frischen markigen Ton eines echten Kunstwerkes fürs Volk treffen mag, als er zu platter Darstellung der Alltäglichkeit herabsinkt, wie denn der Meister auch nicht selten eine ganz ernsthaft musicalische Periode so recht in toller Wienerischer Lustigkeit durch die wunderbarste Gassenhauermelodie unterbrechen läßt.


    Wranitzky hat nebenbei eine ziemlich große Zahl Opern componirt und zu unserer Großvaterzeit paradirte sein „Oberon“ auf allen deutschen Bühnen. Wenn wir diesen „Oberon“ vergleichen mit dem Weber’schen, der ihn rasch in die Vergessenheit gestoßen hat, dann geht uns erst recht ein Licht auf, wie wenig diese breite, behagliche und spaßhafte Wiener Musik zu der Romantik der Oper paßte. Ja, die Wranitzky’schen Opern wollen uns überhaupt heutzutage so wenig mehr anmuthen, daß wir selbst dann, wenn wir uns mit größter Selbstentäußerung auf den historischen Standpunkt jener Tage zurückversetzen, kaum begreifen, wie dieselben ein Publicum zu entzücken vermochten, das bereits an Gluck, Mozart und den großen Italienern sich erbaut und durch ihre hohen Ideale zur ästhetischen Mündigkeit erhoben hatte. So allgewaltig wirkte eben doch der Zauber des damals neu gewonnenen volksthümlichen Elementes, daß man ihm selbst da nicht widerstehen konnte, wo ein wirklicher Mißbrauch damit getrieben war.


    0Darin aber liegt der große Unterschied zwischen Wenzel Müller’s und Wranitzky’s dramatischen Werken, daß Müller’s Possen nichts weiter prätendiren als ergötzliche Bänkelsängerei, während Wranitzky’s Bühnenarbeiten zum Theil sich anlassen, als wollten sie große wohl gar romantische Opern sein, da sie doch in der That nichts weiter sind, als bloße Bänkelsängereien. Darum hören wir heute Wenzel Müller’s Possen immer noch mit Vergnügen, während uns Wranitzky’s Opern ganz ungenießbar geworden sind. Durch Wranitzky’s wie durch Haydn’s dramatische Leistungen wird es uns erst recht klar, daß dieser große Meister sammt seinen Schülern zum Operngenre eigentlich nicht berufen gewesen.

    Gar wohl gelang es ihnen, Subjectivität in der reichen Sangesfülle zarter und tiefer Lyrik auszuströmen, gar wohl dieselbe in dem breiten klaren Strome classischer, Epik objectiv zu spiegeln, doch nimmer vermochten oder achteten sie die höhere, auch das Individuellste durchdringende Objectivität des echt dramatischen Styles zu erreichen.“ So Riehl, wie gediegen, tief in den Geist eindringend!


    Während der altväterische, behäbige Gerber, nachdem er geklagt, daß ihn Wranitzky noch immer auf Nachrichten über sein Leben warten lasse, fortfährt: „Indessen, wenn wirken leben [148] heißt, so kann folgendes mühevoll von mir gesammelte Verzeichniß seiner Werke, die Früchte von nur 16 Jahren, statt einer umständlichen Lebensbeschreibung dienen. Welch eine Thätigkeit und welch einen bewunderungswürdigen Fleiß setzt dies bei einem Manne nicht voraus dessen Vormittage zu den Opernproben, sowie die Nachmittage zu den Aufführungen selbst verwandt werden müssen, dessen Nächte also allein zu der zum Componiren nöthigen Zeit übrig bleiben! Noch mehr müssen seine Geschäfte in den Augen desjenigen wachsen, welcher mit den Werken des Herrn Wranitzky näher bekannt ist, wo der Augenschein lehrt, daß er zu einem einzigen seiner Quartette so viele und nicht weniger Noten schreiben muß, als vor dreißig Jahren kaum sechs Quartette enthielten, wie man sich aus den damals beliebten Wanhal’schen und Leop. Hoffmann’schen Quartetten selbst leicht überzeugen kann. Auf eine andere für diesen Künstler noch ehrenvollere Betrachtung muß uns auch noch die Menge seiner gestochenen Werke führen, indem man sie gewiß nicht zehn Jahre hindurch in ganz Europa gestochen und gekauft haben würde, wenn sie, besonders die Instrumentalstücke, nicht von Werth gewesen wären.“ Dann zählt Gerber Wranitzky’s Werke auf, sie abtheilend in I. fürs Theater, II. für die Kammer: a) Sinfonien, b) Concerti, c) Sextetti und Quintetti, d) Quartetti, e) Trios, f) Duos und Solos.


    Quellen. Dlabacz (Gottfr. J.). Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theile auch für Mähren und Schlesien (Prag 1815, Gottl. Haase, 4°.) Band III, Sp. 414–418. – Gerber (Ernst Ludwig). Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler u. s. w. (Leipzig 1792, Breitkopf, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 830. – Derselbe. Neues historisch-biographisches Lexikon u. s. w. (Leipzig 1814, gr. 8°.) Bd. IV, S. 612 bis 615. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832, 8°.) Bd. VI, S. 190. – Gaßner (F. S. Dr.). Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, schm. 4°.) S. 905. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Für Künstler, Kunstfreunde und alle Gebildeten. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Offenbach 1861, Joh. André, 8°.) Bd. III, S. 891. – Riemann (Hugo Dr.). Musik-Lexikon. Theorie und Geschichte der Musik, die Tonkünstler alter und neuer Zeit u. s. w. (Leipzig 1882, Bibliographisches Institut, br. 12°.) S. 1021. – Bremer (Friedrich). Handlexikon der Musik. Eine Encyklopädie der ganzen Tonkunst (Leipzig [1882], Reclam jun., 12°.) S. 784 [nach diesem wäre Paul Wranitzky der Vater der beiden Sängerinen Kraus und Seidler. Dies ist unrichtig, diese waren nur seine Nichten und die Töchter seines Bruders, des Fürst Lobkowitz’schen Capellmeisters Anton Wranitzky].


    Ich hoffe, daß dieser historische Artikel wenigestens einige von Euch interessiert hat und verbleibe
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die hier gezeigt CD, weiter oben bereits von anderen Mitglieder mehrfach erwähnt und gelobt, befindet sich seit einigen Monaten in meinem Besitz. Bewusst gehört habe ich sie erst in den letzten Tagen - und zwar mehrmals (mit großem Vergnügen). Ich bin an sich kein Freund davon, wenn mehrere Komponisten auf einer CD vereinigt werden, schon gar nicht dann wenn sie aus einer Familie stammen, weil das die Unterschiede verwässert, aber da das bei Vranitzkys, Bendas, Grauns etc üblich ist, werde ich das wohl akzeptieren müssen. Auffallend ist die ähnliche Tonsprache der beiden Halbbrüder, die sie schwer unterscheidbar macht. Besonders angetan hat es mir das Violinkonzert von Antonin Vranitzky, welches IMO auf absoluter Höhe mit jenen von Mozart ist. Es wird gern behauptet, man höre hier Albrechtsberger, Haydn und Mozart durch - ich höre - wenn überhaupt - am ehesten Mozart durch, der indes weniger auftrumpfende Stellen schrieb (sein Klavierkonzert Nr 26 "Krönungskonzert" vielleicht ausgenommen). Diese leicht zum Bombast neigende, strahlend selbstbewusste Einleitung zum Violinkonzert op 11 findet man - dort allerdings weit ausgeprägter - bei Niccolo Paganini, hier ist sie nur in geschmackvoller Dosierung vorhanden. Das gesamte Konzert indes macht Appetit auf mehr Violinkonzerte dieses Komponisten. Anton Vranitzky schrieb 15 davon, jedoch op 11 war das einzige, welches je in Druck erschien, die anderen sind lediglich handschriftlich erhalten. Über die beiden anderen Werke werde bei Gelegenheit ich oder ein anderer Tamino ein paar Worte schreiben, vielleicht noch abschließend eine Bemerkung: Dass die Interpretin des Cellokonzertes op 17 von Pavel Vranicky im Booklet vermerkt, daß sie vor Abwicklung dieses Aufnahmeprojekts, den Namen Vranicky noch nie gehört habe, und ihn für einen zeitgenössischen Komponisten gehalten hat lässt IMO tief blicken. Daß sie mit diesem Hintergrundwissen (oder Nichtwissen) das Werk dann so makellos darbot, grenzt meiner Meinung nach an ein Wunder....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Heute habe ich die Originalverpackung von dieser CD entfernt, habe sie in den Player gelegt, angehört und dann eine Bewertung scheiben. Letzteres hat sich aber erübrigt, die 2010 erschienene Aufnahme mit 3 Streichtrios (op.1 Nr. 1 und 3, sowie op.17 Nr. 1) ist längst gestrichen. Da wurde die Aufnahme vom 2-4. September 2010 vom italienischen Enesemble Cordia im Beethovensaal des Palais Lobkowitz eingespielt (dort befindet sich das österreichische Theatermuseum. eine Dependance des Kunsthistorischen Museums Wien, das bis vor zweieindhalb Jahren mein Arbeitsplatz war) von der Provinz BOZEN gesponsert. Die Baroness Mariuccia Zerilli-Marimò hat eigens das Cello, ein Instrument von Nicola Gagliano " Ex Oblach" (Napoli 1737) zur Verfügung gestellt - und jetzt ist die Aufnahme bereit wieder dem Vergessen anheim gegeben.... traurig - denn die Musik ist hörenswert.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier noch ein Nachtrag , bzw eine Ergänzung zu meinem Beitrag Nr 55 von heute 0.55:
    Der Klang bezieht ein wenigi die Raumakustik des Beethoven Saales ein, ist also ein wenig hallig, ohne allerdings die Durchhörbarkeit wesentlich zu stören. Ich hatte gestern schon eine diesbezögliche Bemerkung geschrieben, war mir aber nicht sicher, da ich über einen mit ungewohnten KH vio Computer abhörte. Ein heutiges wiederholtes Hören auf einer meiner beiden Anlagen via Lautprecher bestätigte indes diesen Eindruck. Die nur am Rande.
    Haptsächlich möchte ich aber etwas zum allgemeinen musikalischen Eindruck schreiben, den Vranickys Streichtrios bei mir hinterlassen haben. Sie scheinen mir von Haydns und Mozarts streichquartetten kaum beeinflusst zu sein, eher erinnern sich mich in ihrer tänzerischen Tendenz an Mozarts "Tänze und Märsche", wie sie in den siebziger Jahren bei DECCA (unter Willy Boskovsky) erschienen. Die langsamen Sätze sind IMO nicht melancholisch sondern eher "höfisch elegant" über allem schwebt indessen ein "wienerischer " Hauch, der beispielsweise bei Mozart und Haydn nicht zu finden ist. Mit beiden war er übrigens persönlich befreundet.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Antonin Vranicky (1761-1820) war der jüngere Bruder von Pavel. Er hatte illustre Kompositionslehrer (Mozart, Haydn, Albrechtsberger) und illustre Schüler als Violinist (Schuppanzigh, Mayseder). Den Großteil seines Lebens verbrachte er am Hofe des Fürsten Lobkowitz, mit dem ihn wohl eine über die normalen "Dienstverhältnisse" hinaus reichende Freundschaft verband. Nach seiner Pensionierung lebte er bis zum Tode im Hause des Fürsten. Laut dem Gruhle schrieb Anton mindestens 24 Streichquartette von denen 3 auf dieser CD zu finden sind, laut Gruhle müsste es sich um die op. 4, 1-3 komponiert um 1800 handeln.
    Und schon das Hören des ersten Quartetts macht ein weiteres Mal klar, wie verengt doch unser Blick auf diese Epoche ist. Anton V. bevorzugt eine dreisätzige Form (Allegro-Adagio-Rondo) und das Concertante bezieht sich nicht nur auf die erste Geige sondern auf alle Instrumente. Und auch wenn man natürlich sofort hört, das dieses Stück zur klassischen Epoche gehört, hört man hier Dinge (vor allem im langsamen Satz), die man bei keinem der drei Klassiker so hört und die in die Romantik vorausweisen. Das ist Kammermusik vom Feinsten, würdig gespielt vom Martinu Quartett. Die zweite CD mit den Werken 4-6 habe ich umgehend geordert.


  • Wranitzky: Orchesterwerke Vol. 1 (Naxos)



    Morgen bringt das umtriebige Label Naxos diese Neuerscheinung heraus, offenbar der erste Teil einer größer angelegten Reihe mit Orchesterwerken des Komponisten Paul Wranitzky, der im Wien der 2. Hälfte der 1790er Jahre als bedeutendster Symphoniker galt (Mozart war bereits tot, Haydn komponierte keine Symphonien mehr und Beethoven noch nicht).

    Enthalten sind folgende Werke:


    - "Die Poststation" - Ouvertüre (1794)

    - "Grosse Sinfonie bei Gelegenheit der Erhebung Franzens zum Deutschen Kaiser" (1792)*

    - Sinfonie B-Dur op. 33 Nr. 1 (veröffentlicht 1798)

    - "Das Fest der Lazzaroni" - Ouvertüre (1794)

    - "Das Fest der Lazzaroni" - Serenate (1794)


    Es handelt sich sämtlich um Weltersteinspielungen.


    Es spielt das bereits bewährte Tschechische Philharmonische Kammerorchester Pardubice unter Marek Štilec.


    * gemeint ist die Wahl von Franz II. zum letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1792

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões