Gedanken zur Freiheit der Kunst in anderen Medien - Gastkommentare von Prof. Dr. h.c. Bernd Weikl

  • Ziemlich sicher der Große Festmarsch zum 100. Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1876. Den finde ich so übel gar nicht. Wobei ich dabei immer an Loriot denken muss

    Danke für Info. Großen Festmarsch bisher mir nicht reingezogen.

  • Auch als "Centennial March" bekannt:



    Er genießt in den USA eine gewisse Popularität und wurde vor einigen Jahren vom Chicago Symphony Orchestra aufgeführt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Na das ist doch mal ein Prachtexemplar, wenn man nach einem Beispiel für "uninspirierte Musik" gefagt wird.


    Vielleicht machen wir ein eigenes Thema daraus. Meine Prachtexemplare sind Tschaikowskis "1812" und die "Akademische Festouvertüre" von Brahms.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • ey, komm, die (Brahms und Tschaikowskij) sind doch nicht vergleichbar mit diesem Marsch, der nur aus leeren Phrasen besteht. Aber gutes Thread-Thema allemal.

    Er hat Jehova gesagt!

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  • das würde mich auch etwas genauer interessieren (vielleicht Stellennachweise, wenns ginge?)

    Da ich mir heute Abend eine von Wagners "Mucken" reinziehe, wird das frühestens morgen was! :D


    Ich dachte aber, dass das inzwischen allgemein bekannt sei.



    Ich glaube nicht, daß man sich bei Michelangelo oder Mozart um dessen Überzeugung gekümmert hat -
    man hat etwas bestimmtes erwartet und bekam es - oder nicht.

    Gerade in Mozarts Hauptopern ist nachweislich so viel von seinem aufklärerischen Gedankengut und seinem Freimaurertum drin, dass das die These, dass Wagners Ideen in seinen Werken natürlich ihre Spuren hinterlassen haben, viel eher stützt als entkräftet. :thumbsup:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich dachte aber, dass das inzwischen allgemein bekannt sei.

    wohl nicht, Google weist "Juden-Duett" nur 2x auf Tamino vom user stimmenliebhaber nach, und 1x als Titel eines Liedes aus dem 19. Jh., bei dem es sich anscheinend um eine jüdische Selbstpersiflage handelt.

  • Zitat aus Beitrag 53:


    Wenn man etwas vom "Geist" der Romantik mitbekommen will, muss man letztlich bereit sein sich all dem auszusetzen und sich von daher auch ein bisschen anstrengen.


    Zitat Ende



    Lieber Holger,


    Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich Bücher von Feuerbach und Hegel lese, um ein bißchen Kaletha zu verstehen?


    Vermutlich kannst Du Deinen Punkt auch in verständlichem Deutsch darstellen, Du müßtest Dich nur ein bißchen anstrengen.


  • :jubel::hahahaha::jubel:

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Zitat von M-Müller: Ich bin formal nicht gänzlich ungebildet, habe drei Titel vor meinem Namen - und von der obigen Passage genau nichts verstanden.

    Lieber M-Müller,


    mir sind hier mehrere Mitglieder und auch in meinem Freundeskreis manche Leute bekannt, die - wie du - ein oder mehrere Titel vor ihrem Namen tragen, es aber - wie du - nicht nötig haben, diese Titel besonders zu betonen. Sie alle können - wie du - sich allgemein verständlich ausdrücken. Wer also seine Titel betont und dann alle anderen mit Ausdrücken aus seinem Fachbereich bombardiert (ob er auch die aus anderen Fachbereichen kennt, ist sehr fraglich) und als minderwertig abqualifiziert, der muss es aus irgend einem Grunde besonders nötig haben oder versteht nichts anderes als in den Scheuklappen dieses Bereichs zu denken und zu formulieren. Der Versuch, damit zu glänzen, geht aber bei mir und - wie ich weiß - bei vielen anderen hier völlig ins Leere. Glänzen kann man damit jedenfalls bei mir und auch vielen anderen nicht.
    Manche lassen sich ihre Titel sogar auf ihren Grabstein gravieren, wo sie dann genauso hinfaulen wie andere Verstorbene.
    Ich habe zwar keine Titel vor meinem Namen (außer dienstlichen Titeln, die noch zur Zeit meiner Ausbildung für Vorgesetzte gebraucht werden mussten) aber ganz ungebildet bin ich - glaube ich - auch nicht.
    Wie schon an anderer Stelle gesagt: Es ist natürlich schwerer und kostet ein wenig Mühe, so zu formulieren, dass es alle verstehen, als einfach wild im eigenen Fachjargon daher zu reden. Aber dazu sollte man vor allem dann fähig sein, wenn man in einem Lehrbereich tätig ist.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Zitat

    Es ist natürlich schwerer und kostet ein wenig Mühe, so zu formulieren, dass es alle verstehen, als einfach wild im eigenen Fachjargon daher zu reden. Aber dazu sollte man vor allem dann fähig sein, wenn man in einem Lehrbereich tätig ist.


    Oder man ist dazu nicht in der Lage! 8|

    W.S.

  • Da ich mir heute Abend eine von Wagners "Mucken" reinziehe, wird das frühestens morgen was! :D

    Aber Du warst jetzt nicht auch grad im hamburger Holländer (siehe hier)!?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wieder mal versammeln sich hier die Ressentiments. Ich habe nicht die geringste Lust, mich zu dem Thema irgendwie weiter zu äußern. Ich schreibe nun schon lange genug auch in Foren und ich bekomme regelmäßig das Dankeschön dazu als Feedback zugesendet, dass ich auch schwierige Dinge nicht nur anregend, sondern zugleich verständlich darstellen würde. Wer so große Schwierigkeiten mit Begriffen wie "Hypostasierung" oder "ästhetische Erfahrung" hat, der soll sich halt selber schlau machen.

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  • Wieder mal versammeln sich hier die Ressentiments. Ich habe nicht die geringste Lust, mich zu dem Thema irgendwie weiter zu äußern. Ich schreibe nun schon lange genug auch in Foren und ich bekomme regelmäßig das Dankeschön dazu als Feedback zugesendet, dass ich auch schwierige Dinge nicht nur anregend, sondern zugleich verständlich darstellen würde. Wer so große Schwierigkeiten mit Begriffen wie "Hypostasierung" oder "ästhetische Erfahrung" hat, der soll sich halt selber schlau machen.

    Lieber Holger,
    ich habe mich schlau gemacht. Mein Anspruch an Dich ist jedoch höher. Ich traue Dir zu, auf hohem fachlichem Niveau, dabei aber auch verständlich zu formulieren und zu schreiben. Beiträge von Dir sollen mich schon beim ersten Lesen, zum Nachdenken anregen und motivieren, mich intensiver mit Deinen Aussagen, Gedanken, Standpunkten vertraut zu machen. Deine Zielsetzung ist doch sicherlich zu überzeugen und andere Leser für Deine Ansichten zu gewinnen. Das wäre für mich und sicherlich andere leichter, wenn Du statt die distinguierte Hochsprache ständig zu verwenden auch in der weit lebendigeren, blutvolleren Umgangssprache formulieren würdest. Bitte verzeihe, es steht mir nicht zu, Dir Ratschläge zu erteilen. Ich möchte es nur mir und anderen leichter machen, Dich wirklich zu verstehen. - Selbstverständlich bin ich jemand, der es sich sogar erlaubt, auf dem Niveau der nachstehenden Verse hier in diesem hehren Forum zu schreiben, also so ziemlich das Gegenteil von Dir.
    "Der Tamino-Holzwurm wollte in der Oper brillieren.
    Zu diesem Zweck wollt' er Luisa Miller poussieren.
    Als er sah , wie ein Wurm sich in der Oper benahm,
    schlich er von der Bühne gebeugt von Zorn und Scham." :untertauch:
    Allerdings sollte ich dann auch erwähnen, dass ich bis heute ein gefragter Keynote Speaker bin und in grauer Vorzeit sogar mal einen Rednerpreis erhielt.
    Bitte lieber Holger, schreibe weiter in diesem und anderen Themenbereichen dieses Forums. Nur - ich wünsche mir Nähe zu Dir und keine durch Sprachbarrieren aufgebaute Distanz.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Mal sehen, ob dieses Mal eine zwar leidenschaftliche, aber wertschätzende Diskussion verwirklicht werden kann.


    Lieber Operus, wenn man sich diese 3. Seite anguckt, muss man das ganz klar verneinen. Und auf allen drei Seiten sehe ich viel Egoismus, aber wenig Diskusionswillen. Und tatsächlich wundere ich mich eh, dass Holger dazu immer wieder Lust hat.


    Aber was soll es... du wolltest das Thema haben....


    Ich bin da ganz raus. Ich höre schon seit langem keinen Wagner mehr, seit ich weiß, was der für antisemitische Sprüche rausgehauen hat und weil er mir menschlich höchst unsympatisch erscheint. Da mache ich auch keine Kompromisse. Und zum Glück muss ich das auch nicht. Aber es darf jeder halten wie er will. Der eine glaubt Werk und Autor trennen zu können, der andere glaubt das nicht. So ist das halt.


    Ich würde aber auch keinen Adorno mehr lesen oder zitieren, der hat sich für mich genauso disqualifiziert mit seinen Sprüchen über Mendelssohn. Pech.


    So, aber damit bin ich wieder raus aus diesem Thema. Wie heist es noch so schön, "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Darauf verzichte ich lieber. :D

  • Ich bin da ganz raus. Ich höre schon seit langem keinen Wagner mehr, seit ich weiß, was der für antisemitische Sprüche rausgehauen hat und weil er mir menschlich höchst unsympatisch erscheint. Da mache ich auch keine Kompromisse. Und zum Glück muss ich das auch nicht. Aber es darf jeder halten wie er will. Der eine glaubt Werk und Autor trennen zu können, der andere glaubt das nicht. So ist das halt.

    Lieber Friese,
    das ist eine konsequente Haltung. Sicherlich war Richard Wagner kein bequemer Mensch. Ist es aber nicht immer so, dass Genies polarisieren und man sich deshalb an ihnen und ihren Ansichten reibt?
    Über die immer wieder endlos wiederholten Vorwürfe und Argumente zu Wagners angeblichem Antisemitismus würde ich mich gerne persönlich mit Dir unterhalten. Wenn man einzelne Aussagen und Schriften von Richard Wagner isoliert betrachtet liegt dieser Schluss nahe. Bedeutende Historiker und die neuere Wagner-Forschung zeichen jedoch ein wesentlich gemildertes Wagnerbild. Er war ein harter Kritiker, ja Kämpfer und Revolutionär an den damals in Deutschland herrschenden Zuständen. Er verurteilte das gesamte System und da waren die Juden ein Teil davon. Er wollte die Nation radikal ändern. Tatsache ist, dass er viele jüdische Freunde hatte und ständig mit jüdischen Künstlern auch bei den Bayreuther Festspielen zusammen arbeitete. Erst lang nach seinem Tod beuteten ihn und sein Werk die Nationalsozialisten für ihre Zwecke schamlos aus. Leider sonnten sich dann fast die gesamten Wagnernachkommen in dieser Gunst, die ihnen durch die falschen Leute zuteil wurde. Bis heute lässt es sich kaum ein Regisseur entgehen, Wagners Antisemitismus mit allen widerlichen Nazisymbolen auf der Bühne immer wieder neu aufzuwärmen.
    Wenn Du zur Versachlichung der Kommunikation beitragen möchtest, dann solltest Du bitte nicht resignieren sondern durch sachliche, wertschätzende Beiträge mithelfen, dass zumindest mehrheitlich ein Kommunikationsstil praktiziert wird, wie wir ihn wollen und der dem Niveau eines Klassikforums gerecht wird. :hello:


    Herzlichst
    Operus



    Nationalsozialisten

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo, Friese,


    mit Deiner Aussage über Deine Abstinenz von Wagners Musik komme ich nicht klar. Was hat sein persönliches, teilweise unklares Gedankengut mit seiner Musik zu tun? Zumal Wagner bereits tot war, als Hitler geboren wurde?? Allerdings ist das Deine Entscheidung. Wenn Dir Wagner nicht fehlt und Du seine Musik nicht vermißt, dann hast nur Du ein Problem damit. Ich finde es aber kindisch. Wagner wurde in der NS-Zeit mißbraucht, und heute mißbrauchen manche Theaterleute ihn erneut. Ich kann auch manche jüdische Mitbürger ob ihrer Ablehnung von Wagners Musik nicht verstehen.


    Allerdings solltest du schleunigst alle Deine CD`s mit Richard Strauss vernichten (er war Präsident der Reichsmusikkammer), von Hans Pfitzner, Werner Egk, Carl Orff, von Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan .......


    Auch sie sympathisierten zeitweise mit dem NS-Regime, wurden nach dem Ende der Nazizeit wieder anders bewertet. Darüber wurden Bücher geschrieben, Zeitungen waren voll davon. Aber sie deswegen mißachten?? Da ginge mir viel verloren.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Bis heute lässt es sich kaum ein Regisseur entgehen, Wagners Antisemitismus mit allen widerlichen Nazisymbolen auf der Bühne immer wieder neu aufzuwärmen.

    Hierzu vielleicht mal die aktuellen Inszenierungen von Wagner-Opern an der Saatsoper Hamburg:

    • Parsifal, Insz. Achim Freyer, Premiere vor wenigen Monaten, keine Nazisymbole
    • Holländer, Insz. Marco Arturo Marelli, erst gestern wieder gesehen, keine Sympbole
    • Ring des Nibelungen, Insz. Claus Guth, keine Nazisymbole
    • Meistersinger & Lohengrin, Insz. Peter Konwitschny, keine Nazisymbole
    • Tannhäuser, Insz. Harry Kupfer, keine Nazisymbole
    • Tristan und Isolde, Insz. Ruth Berghaus, keine Nazisymbole

    Sollte ich hier allerdings etwas übersehen haben, kann Ralf Beck mich vielleicht korrigieren. Zusätzlich habe ich bereits einige (z.T. ganz ausgezeichnete) Wagner-Opern am Stadttheater Lübeck gesehen, sicher keine ganz so namenhaften Regisseure, wie an der Staatsoper, aber auch Lübeck bzgl. Nazisymbolen - Fehlanzeige :no:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Was hat sein persönliches, teilweise unklares Gedankengut mit seiner Musik zu tun?

    Genau das ist doch die Frage! Und aktuell (siehe Levine und Dutoit) geht es da nicht nur um "unklares Gedankengut", sondern auch um teilweise strafrechtlich relevantes Tun. - Wohlgemerkt: Ich bin auch nicht derjenige, der nun alle seine Levine-Einspielungen in den Müll schmeiß, und erst gestern habe ich mir wieder eine Wagner-Oper (Holländer an der Staatsoper Hamburg) angesehen. Trotzdem halte ich es für naiv zu behaupten, man könne den Menschen von seinem künstlerischen Wirken trennen. Diese Annahme ist in meinen Augen genauso weltfremd, wie die Behauptung, Kultur oder auch Sport hätten nichts mit Politik zu tun. Wie sich dann aber jeder Einzelnen zu diesen Zusammenhängen stellt, ist eine andere Sache.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hierzu vielleicht mal die aktuellen Inszenierungen von Wagner-Opern an der Saatsoper Hamburg:

    • Parsifal, Insz. Achim Freyer, Premiere vor wenigen Monaten, keine Nazisymbole
    • Holländer, Insz. Marco Arturo Marelli, erst gestern wieder gesehen, keine Sympbole
    • Ring des Nibelungen, Insz. Claus Guth, keine Nazisymbole
    • Meistersinger & Lohengrin, Insz. Peter Konwitschny, keine Nazisymbole
    • Tannhäuser, Insz. Harry Kupfer, keine Nazisymbole
    • Tristan und Isolde, Insz. Ruth Berghaus, keine Nazisymbole

    Sollte ich hier allerdings etwas übersehen haben, kann Ralf Beck mich vielleicht korrigieren. Zusätzlich habe ich bereits einige (z.T. ganz ausgezeichnete) Wagner-Opern am Stadttheater Lübeck gesehen, sicher keine ganz so namenhaften Regisseure, wie an der Staatsoper, aber auch Lübeck bzgl. Nazisymbolen - Fehlanzeige :no:


    Ich habe nun auch viele Wagner-Opern auf der Bühne gesehen und kenne noch mehr Inszenierungen durch DVDs und Blu-rays. Die Behauptung, kaum ein Regisseur lasse es sich entgehen, "Wagners Antisemitismus mit allen widerlichen Nazisymbolen auf der Bühne immer wieder neu aufzuwärmen", ist schlicht und einfach falsch. Es gibt immer mal wieder solche Inszenierungen, über deren Qualität man im Einzelfall streiten kann, aber als Trend sehe ich das nicht. Und dass man sich immer mal wieder mit Wagners Antisemitismus und der Wagner-Rezeption durch den Nationalsozialismus auf der Bühne auseinandersetzt, halte ich nicht nur für legitim, sondern auch für geboten. Gerade in Bayreuth. Im übrigen halte ich es für sehr schwierig, wenn nicht für unmöglich, Wagners Werk von seiner Rezeptionsgeschichte abzukoppeln und sozusagen wieder "in aller Unschuld" aufzuführen wie am ersten Tag (wenn es die jemals hatte).

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Genau das ist doch die Frage! Und aktuell (siehe Levine und Dutoit) geht es da nicht nur um "unklares Gedankengut", sondern auch um teilweise strafrechtlich relevantes Tun. [...] Trotzdem halte ich es für naiv zu behaupten, man könne den Menschen von seinem künstlerischen Wirken trennen.

    wenn man "den Menschen" nicht von seinem künstlerischen Wirken trennen könnte, dann sollte es doch sensible Gemüter gegeben haben, die schon vor Bekanntwerden des strafrechtlich relevanten Tuns irgendwie gemerkt haben, "daß da etwas nicht stimmt". Findet sich so etwas z.B. bei den o.g. Fällen?

  • ich habe mich schlau gemacht. Mein Anspruch an Dich ist jedoch höher. Ich traue Dir zu, auf hohem fachlichem Niveau, dabei aber auch verständlich zu formulieren und zu schreiben. Beiträge von Dir sollen mich schon beim ersten Lesen, zum Nachdenken anregen und motivieren, mich intensiver mit Deinen Aussagen, Gedanken, Standpunkten vertraut zu machen.

    Lieber Operus,


    jetzt bin ich aber ein bisschen ratlos. Was ist das denn anders als eine Anregung, wenn ich den Hinweis gebe, dass Wagners philosophische Thesen über Werk und Aufführungspraxis keineswegs "historisch", sondern sehr aktuell sind in Bezug auf moderne ästhetische Debatten:



    Ich bin nun der Letzte, der nicht bereit wäre, das näher zu erläutern, wenn Interesse besteht. Ein Forum ist doch eigentlich dazu da, die Recourcen der Foren-Teilnehmer zu nutzen. Ist das nicht eine Chance, wenn man hier von Profi- und Amateurmusikern, von Musikwissenschaftlern und ausübenden Künstlern und Regisseuren etc. etwas lernen und erfahren kann, was man sonst nicht erfährt? Philosophen gehören nun mal auch dazu. Das Ideal sollte ein Geben und Nehmen der verschiedensten Berufsgruppen sein, was ja historisch mal von Schleiermacher und den Salons des 18. und beginnenden 19. Jhd. praktiziert wurde. Wenn ausgerechnet ein gewisser Herr mir nun "Profilneurose" unterstellt, dann ist das schon sehr merkwürdig. Wenn jemand von Problemen einer Operninszenierung belegbar Null Komma Nichts versteht, aber studierten Theater- und Literaturwissenschaftlern, welche Regisseure nun mal zumeist sind, die in vielen Fällen auch noch Auszeichnungen und Ehrungen bekommen haben, ständig vorrechnen will, was sie alles falsch machen, und sie sogar als so etwas wie Verbrecher und "Verunstalter" hinstellt, ist das etwa nicht Profilneurose? Es sind immer die Belehrer, die selber nicht belehrt werden wollen und allergisch sind gegen wissenschaftliche Objektivität. Deswegen kommen dann "Theoretiker" auf die Ignorierliste. In Wahrheit ist das eine Komödie, die da gespielt wird, nur dass man nicht weiß, dass man eine solche aufführt: Jeder Werktheoretiker schüttelt hoch amüsiert den Kopf, wenn er solche Ergüsse über "Verunstaltungstheater" liest. Roman Ingarden, einer der bedeutendsten Werktheoretiker des 20. Jhd., spricht nämlich davon, dass "Deformation" und "Verunstaltung" (wörtlich!!!) eine absolute Normalität ist, die zu einer jeden Rezeption eines Werks, die eben ein sinnschöpferischer und kein bloßer Reproduktionsprozess ist, konstitutiv gehört. Wir alle, die wir ein Werk erleben und deutend interpretieren, sind "Verunstalter" desselben, ob wir das nun wissen und wahrhaben wollen oder nicht.


    Was die Werktheorie heute diskutiert ist eben das, was Wagner schon skizziert hat: dass es keine unveränderlichen und von der veränderlichen Lebens- und Aufführungspraxis abgelöste und unabhängige Werkidentität gibt. Wenn man sich dieser Diskussion endlich stellen würde und d.h. vom Mond der Ahnungslosigkeit in ästhetischen Fragen zurück auf die Erde begeben würde, könnte man auch endlich vernünftig mit dem Problem des Regietheaters umgehen.


    Also, wenn Klärungbedarf besteht: einfach nachfragen! :)

    Im übrigen halte ich es für sehr schwierig, wenn nicht für unmöglich, Wagners Werk von seiner Rezeptionsgeschichte abzukoppeln und sozusagen wieder "in aller Unschuld" aufzuführen wie am ersten Tag (wenn es die jemals hatte).

    Da hast Du völlig Recht, lieber Bertarido. Allerdings sollte man mit Augenmaß agieren und nicht in dieselbe Falle wie Wagner selbst tappen. Genauso wenig, wie es ein "Judentum in der Musik" gibt, gibt es nämlich einen "Antisemitismus in (Wagners) Musik". Zu behaupten, dass der Antisemitismus irgendeine Bedeutung hätte in Bezug auf die (philosophisch-ästhetische) Konzeption des "Rings", wäre schlicht absurd. Es gibt allerdings antisemitische Konnotationen in der Zeichnung bestimmter Figuren, was ja in der Literatur auch thematisiert wird und entsprechende Projektionen, welche sich daran heften. Das ist die Realität der Geschichte von Bayreuth. Schon Friedrich Nietzsche sind die zahlreichen Antisemiten, die sich in Bayreuth tummelten, einst übel aufgestoßen und natürlich Wagners Antisemitismus selbst.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wie sich dann aber jeder Einzelnen zu diesen Zusammenhängen stellt, ist eine andere Sache.

    Genau so sehe ich das auch. Wer mit Wagners Musik nichts anfangen kann, kann sich ja hinter dessen antisemitischen Äußerungen verstecken. Trotzdem hat er die Musikwelt revolutioniert.


    Ich möchte erwähnen, daß ich ihn als Menschen auch schwer verstehen kann. Da hat er eine sichere Position in Dresden und macht Revolution. Er wird verjagt. Später läßt er sich von der Gesellschaft unterstützen, die er in Dresden bekämpft hat.


    Da hat er eine "gute" Ehefrau, und einen Gönner in der Schweiz. Dann betrügt er seine Frau mit der Frau seines Gönners. Wieder Schuß in den Ofen. Gönnerschaft weg.


    Als nächstes lernt er Frau von Bülow kennen und spannt sie ihm aus. Ärger mit von Bülow und Franz Liszt und natürlich auch mit seiner Ehefrau.


    Dazu seine vielen, vielen Mätzchen und eben auch seine antijüdische Schrift. Die hat ihn aber nicht gehindert, Juden zu unterstützen.


    Also mit ihm als Menschen klar zu kommen war sicher nicht einfach. Ein Leben voller Widersprüche, ohne klare Linie im Privatleben. Aber ich mag ihn ja nicht deswegen. Ich weiß, daß er ein Idiot war, aber das ändert nichts an der Großartigkeit seiner Kunst.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Ich weiß, daß er ein Idiot war, aber das ändert nichts an der Großartigkeit seiner Kunst.

    Mein lieber Freund Ulli,


    die oben stehende Formulierung ist hart und in Bezug auf ein Genie wie Richard Wagner einfach unangemessen "starker Toback" :no:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • einfach unangemessen "starker Toback"


    Nicht so "starker Toback" wie das hier:


    Bedeutende Historiker und die neuere Wagner-Forschung zeichen jedoch ein wesentlich gemildertes Wagnerbild.

    :no:


    (Da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, es sei denn, man betrachtet Sängerveteranen wie Weikl und Kollo als "neuere Wagner-Forschung"...)



    Nach Jahrzehnten der Heiligenverehrung und der ikonografischen Verklärung von Komponistenviten sollten man heute einfach die Größe haben zu ertragen, dass die Schöpfer großartiger Musik menschlich fast immer weit deutlich weniger großartig waren. Eines ist aber auch klar: Wenn man heute nur noch die Musik von Komponisten aufführen würde, die so gelebt und gedacht haben, wie man das idealerweise gerne hätte, würde das Opern- und Konzertrepertoire erschreckend dünn werden...
    Das soll icht der Relativierung von Wagners Bedeutung (bzw. exponierter Position) im einen wie im anderen Bereich dienen, sondern auf das Grundproblem aufmerksam machen: Genau so , wie es falsch war und ist zu versuchen, den Schöpfer großer Musik auch menschlich groß erscheinen zu lassen und ihn von jedem Makel und jeder Kritik reinzuwaschen, ist es falsch, die Musik eines wenig vorbildlichen Menschen genau deshalb anzugreifen oder gar nach Aufführungsverboten zu schreien. Eine kritische Betrachtung ist hingegen auch da selbstverständlich erlaubt und willkommen, begleitend zu den Aufführungen. Beides hat seinen Platz und seine Berechtigung und sollte sich nach Möglichkeit ergänzen, anstatt den Blick auf das eine (Werk bzw. Künstlerpersönlichkeit) einfach unkritisch auf das andere 1:1 übertragen zu wollen.


    Insofern finde ich den von dir, lieber "Operus" zitierten Satz von "La Roche" bei aller Zuspitzung inhaltlich gar nicht so verkehrt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wer mit Wagners Musik nichts anfangen kann, kann sich ja hinter dessen antisemitischen Äußerungen verstecken. Trotzdem hat er die Musikwelt revolutioniert.


    Hallo, LaRoche,


    wie sagte der große Marcel Reich-Ranicki, Jude von Geburt und Ghetto-Überlebender, einst in seinem legendären "Literarischen Quartett" über Wagner:
    "Ja, er war ein Schwein, aber ...... er hat den TRISTAN geschrieben"!


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Nach Jahrzehnten der Heiligenverehrung und der ikonografischen Verklärung von Komponistenviten sollten man heute einfach die Größe haben zu ertragen, dass die Schöpfer großartiger Musik menschlich fast immer weit deutlich weniger großartig waren. Eines ist aber auch klar: Wenn man heute nur noch die Musik von Komponisten aufführen würde, die so gelebt und gedacht haben, wie man das idealerweise gerne hätte, würde das Opern- und Konzertrepertoire erschreckend dünn werden...
    Das soll icht der Relativierung von Wagners Bedeutung (bzw. exponierter Position) im einen wie im anderen Bereich dienen, sondern auf das Grundproblem aufmerksam machen: Genau so , wie es falsch war und ist zu versuchen, den Schöpfer großer Musik auch menschlich groß erscheinen zu lassen und ihn von jedem Makel und jeder Kritik reinzuwaschen, ist es falsch, die Musik eines wenig vorbildlichen Menschen genau deshalb anzugreifen oder gar nach Aufführungsverboten zu schreien.


    Lieber Stimmenliebhaber, selten genug, dass ich mit Dir mal so aufs Haar genau übereinstimme wie hier. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, dies auch kundzutun. :) Menschen, die brav am Herd sitzen, das Geld zusammenhalten und tun, was die Obrigkeit von ihnen erwartet, haben es künstlerisch nie zu etwas gebracht. Ich kenne auch keinen Komponisten, Dichter, Bildhauer oder Maler, der ein grundguter Mensch gewesen wäre.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent


  • Hallo, LaRoche,


    wie sagte der große Marcel Reich-Ranicki, Jude von Geburt und Ghetto-Überlebender, einst in seinem legendären "Literarischen Quartett" über Wagner:
    "Ja, er war ein Schwein, aber ...... er hat den TRISTAN geschrieben"!


    LG, Nemorino

    Genau so ist es! MRR hat es mal wieder auf den Punkt gebracht! :thumbsup:


    (Und "La Roche" hat in diesem Fall inhaltlich genau dasselbe geschrieben, nur mit anderen Worten.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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