Gedanken zur Freiheit der Kunst in anderen Medien - Gastkommentare von Prof. Dr. h.c. Bernd Weikl

  • Diese Begriffsverwirrung kommt in diesem Thread vor, aber auch (!) in dem Gastbeitrag von Herrn B. Weikl in „WORLD ECONOMY“, weshalb seine Aussagen z.T. unklar sind.

    Nach zumindest oberflächlicher Lektüre (mir fehlt etwas die Zeit) der beiden Weikl-Artikel glaube ich, dass dieser Punkt nicht ganz unwesentlich ist. Weikl versucht hier einen großen Bogen zu schalegn, dessen Ziel mir nicht wirklich klar ist und der einiges in einen Topf wirft, was nun mal kein Eintopf ist.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber M-Müller,


    danke. Im übrigen finde ich es auch lobenswert, dass du das umstrittene harmlose Gedicht von Gomringer in deine Signatur genommen hast, das auch, wie hier Einiges, in in eine Dimension verdreht wird, die es garnicht hat. Es ist dieselbe, völlig überdrehte "political correctness" wie der völlig verrückte Gedanke, den Namen traditioneller Gaststätten, die sich "Zum Mohren" (von Mauren) zu verbieten. Die Welt ist wirklich zum Irrenhaus geworden, und in Deutschland übertreibt man es darin ganz besonders.


    Liebe Grüße
    Gerhard


    Deutschland, England, Schweden: das scheinen gerade die aktuellen Irrenhäuser zu sein. Und ja - offenbar nicht mehr solch ein Irrenhaus: Felix Austria.



  • Wenn das nur der Kontext ist, den die Briefe darstellen, bin ich schon der Meinung, das sowohl richtig verstanden als auch interpretiert zu haben. Sollte es darüberhinaus einen größeren Kontext geben, bin ich gern bereit, ihn zur Kenntnis zu nehmen.

  • Na ja, es gibt eben ein paar selbsternannte "Versteher", die allein die seligmachende Gnade aus Eimern getrunken haben. Wehe, einer versteht etwas anders, dann schlagen sie drauf los. Aber mich juckt's nicht. Lass sie verstehen, was sie wollen. Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich es gefälligst zu verstehen habe.


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich machs nur ganz allgemein.
    Ubabhängig von diesem Brief ist von Verdi bekannt, daß er es hassste, wenn an seinen Opern herumgebastelt wurde - auch textlich- Die Zensur hat seine Opern gelegentlich zurechtgestutzt und Verdi hat darüber getobt und wollte zumindest in einem Fall die Oper zurückziehen. Mozart war auch nicht gerade tolerant in Sachen Text. Mit Schikaneder hat er manchen Strauß ausgefochten, denn Schikaneder wollte die Oper "volkstümlicher" machen, weil er sich davon mehr Einnahmen in senem "Schmierentheater" erwartete (was ja auch zutraf) Er kam eigentlich aus der Wanderschauspielerszene und schrieb Stücke wie "Der dumme Anton im Gebirge"
    Mozart war eher am "freimaurerischen" Aspekt der Zauberflöte interessiert, nicht weil er ein "edles Stück" vertonen wollte, sondern weil er auf eine Klientel der besseren Gesellschaft hoffte.
    Was Wagner schrieb hat nur teilweise Gültigkeit, und zwar deshalb, weil man ihm zugestehen muss, daß er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte was man eines Tages aus seinen Opern machen würde.
    Ich selbst hätte vor ca 45 Jahren, hätte man mir Prognosen über das heutige RT vorgelegt in etwa gesagt:


    "Das wird nie kommen - das können die doch nicht machen - sonst sperrt man sie lebenslang ins irrenhaus !!!"


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Verdi geht es aber überhaupt nicht um die Szene in diesem Brief an Ricordi. Es geht um Striche in der Partitur! Mithin um die musikalische Unversehrtheit des "Falstaff". Bei anderen Opern war er ja zu Strichen und Umstellungen bereit. Teilweise hat er sie selber vorgenommen. Im Falstaff aber besteht er darauf, dass das Werk so gespielt wird, wie er es sich vorstellt. An anderen Stellen hat er nicht nur Striche von Maurel beklagt sondern auch seine freien Umgang mit dem Notentext, dass also den Sängern und auch den Orchestermusikern (Flöte, Bassklarinette und so weiter) gegenüber nicht auf eine akkurate Aufführung der Noten gedrungen wurde!

    Wenn man nur genau lesen würde, was Caruso geschrieben hat!


    1. Es geht um Striche in der Partitur:


    Verdi-Brief vom 1. Juni 1894:


    "Ich erhalte einen Brief aus Paris, in dem man sich erlaubt, hier und da im Falstaff Striche zu machen. (...) Man fragt mich weiterhin, ob ich diese Striche autorisiert habe. O nein! (...)"


    2. Dass Striche gemacht wurden, war damals die gängige Aufführungspraxis, die auch Verdi akzeptiert hat, wie sein Verhalten bei anderen Opern belegt. Der Falstaff ist also nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Die Vorstellung, dass man im 19. Jhd. Opern als "Werke" "unverändert" aufgeführt hätte oder hätte aufführen wollen, wird schlicht und einfach durch die Aufführungspraxis widerlegt. Da macht auch Verdi keine Ausnahme.

    Was Wagner schrieb hat nur teilweise Gültigkeit, und zwar deshalb, weil man ihm zugestehen muss, daß er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte was man eines Tages aus seinen Opern machen würde.

    Wagners Ausführungen sind philosophische Aussagen - und da gibt es keine "teilweise Gültigkeit". Wagner destruiert dort das "idealistische" Verständnis vom Werk als etwas von den Wandlungen der Lebens- und Aufführungspraxis Abgeschiedenem und Unveränderlichem. Da ist er einfach radikal. Mit dieser Auffassung steht er auch nicht alleine. Auch Franz Liszt ging von der Vergänglichkeit von Werken aus und schließlich hat Ferruccio Busoni Wagners Auffassung im Kontext des modernen Futurismus sehr produktiv aufgenommen. Theoretisch ist dazu zu sagen, dass Wagner hier eine sehr moderne Entwicklung in der Ästhetik vorwegnimmt, nämlich die Ablösung einer reinen Werktheorie durch eine Theorie der ästhetischen Erfahrung. Die Theorie der ästhetischen Erfahrung richtet sich gegen die Hypostasierung des Werkbegriffs und betont die rezeptionsästhetische Vermittlung und damit gerade die Veränderlichkeit auch des Werks.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ach, wenn wir doch endlich Übereinstimmung finden würden. Die Aufführung einer Oper ohne Regie gibt es nicht. Das heißt, dass zumindest bei einer Neuinszenierung eine Auseinandersetzung des Regieteams mit dem Werk erfolgt und dieses dann entsprechend einer Regiekonzeption inszeniert wird. Es erfolgt also generell und in jedem Fall eine Neudeutung des Werks und ihres Inhalts. Diese Auslegung kann nun auf die verschiedenste Weise erfolgen. Die Frage ist, wo ist die Grenze, wo hört die künstlerische Freiheit auf? Wird das Werk fundamental, in Inhalt und Ideologie verändert, dann ist es streng genommen eine Neuschöpfung. Korrekter Weise müsste es dann heißen "Fidelio" in einer Neufassung von Herrn ... nach einer Vorlage von Ludwig van Beethoven. Dann könnte jeder Operninteressierte erkennen, da ist also ein vorhandener Stoff neu geschrieben worden von Herrn... Klingt doch alles logisch und verdammt einfach. Oder ist meine Betrachtung zu banal? Dieser Zweifel ist mir gekommen, als ich Holgers gelehrten Beitrag Nr. 36 las und dreimal das Wörterbuch wälzen musste, um die philosophischen Fachtermini zu verstehen. Ist mein Versuch, Verständnis zu schaffen und Brücken zu schlagen,zu einfach - sind Holgers weit tiefer schürfende Betrachtungen zu abgehoben und theoretisch?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ach, wenn wir doch endlich Übereinstimmung finden würden.

    Falls einige RT-Phobe ihre Ignorierfunktion konsequenter nutzen, dann dürfte das langfristig kein Problem mehr bilden.

    Es erfolgt also generell und in jedem Fall eine Neudeutung des Werks und ihres Inhalts. Diese Auslegung kann nun auf die verschiedenste Weise erfolgen.

    Sehe ich genauso.

    Die Frage ist, wo ist die Grenze, wo hört die künstlerische Freiheit auf? Wird das Werk fundamental, in Inhalt und Ideologie verändert, dann ist es streng genommen eine Neuschöpfung. Korrekter Weise müsste es dann heißen "Fidelio" in einer Neufassung von Herrn ... nach einer Vorlage von Ludwig van Beethoven. Dann könnte jeder Operninteressiserte erkennen, da ist also ein vorhandener Stoff neu geschrieben worden von Herrn...

    Hast du ja eben selbst eingeräumt, also um deinen Gedanken fortzusetzen: z.B. bereits durch veränderte Instrumente seit der Vollendung des Fidelios, durch veränderte Wahrnehmung der Hörer (z.B. durch die Erfahrung von Romantik und Moderne hindurch) .. und .. und .. und... bildet jeder Fidelio eine Neuschöpfung auf Basis der Vorlage.. .
    Und nicht bloß angesichts verschiedener Fassungen könnte gefragt werden, ob der "vollendete" Fidelio für Beethoven selbst bloß Abglanz seiner Intentionen bildet, also bei diesen Zweifeln daran, ob es dann strenggenommen überhaupt sowas wie abgeschlossenes, vollendetes Kunstwerk gibt..

    Dieser Zweifel ist mir gekommen, als ich Holgers gelehrten Beitrag Nr. 36 las und dreimal das Wörterbuch wälzen musste, um die philosophischen Fachstermini zu verstehen. Ist mein Versuch Verständis zu schaffen und Brücken zu schlagen zu einfach - sind Holgers weit tiefer schürfende Betrachtungen zu abgehoben und theoretisch?

    Bisher kommt keinesfalls der Eindruck rüber, dass Holgers Posting abgehoben ist.
    Außerdem schadet es keinen durch Nachschlagen sich schlauer zu machen z.B. in meinen Fall idion und koinon, weil in meinen Brägen kein Griechisch vorhanden.

  • Lieber Damiro,


    dann aber schnell und fleissig schreiben, denn wir brauchen jede und auch Deine Meinung, um die unendliche Geschichte zum Ende zu bringen.


    Herzlichst
    Operus :hello:



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  • Lieber Operus,


    wie bringt man eine Geschichte zu Ende, in der folgende Aussagen gemacht werden:


    Zitat Beitrag 36
    Wagners Ausführungen sind philosophische Aussagen - und da gibt es keine "teilweise Gültigkeit". Wagner destruiert dort das "idealistische" Verständnis vom Werk als etwas von den Wandlungen der Lebens- und Aufführungspraxis Abgeschiedenem und Unveränderlichem. Da ist er einfach radikal. Mit dieser Auffassung steht er auch nicht alleine. Auch Franz Liszt ging von der Vergänglichkeit von Werken aus und schließlich hat Ferruccio Busoni Wagners Auffassung im Kontext des modernen Futurismus sehr produktiv aufgenommen. Theoretisch ist dazu zu sagen, dass Wagner hier eine sehr moderne Entwicklung in der Ästhetik vorwegnimmt, nämlich die Ablösung einer reinen Werktheorie durch eine Theorie der ästhetischen Erfahrung. Die Theorie der ästhetischen Erfahrung richtet sich gegen die Hypostasierung des Werkbegriffs und betont die rezeptionsästhetische Vermittlung und damit gerade die Veränderlichkeit auch des Werks.
    Zitat Ende


    Ich bin formal nicht gänzlich ungebildet, habe drei Titel vor meinem Namen - und von der obigen Passage genau nichts verstanden. Wie soll man auf so etwas antworten???

  • Ich bin formal nicht gänzlich ungebildet, habe drei Titel vor meinem Namen - und von der obigen Passage genau nichts verstanden. Wie soll man auf so etwas antworten???

    Lieber m -müller,
    ich versuchte etwas ironisch, den Wink mit dem Zaunpfahl zu geben. Wobei ich das mit dem verständlichen Sprachniveau durchaus ernst meine.


    herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • War unter anderem gedacht als Antwort auf Amfortas, der das ja offensichtlich alles ganz verständlich findet. Lucky him.


    Was ich nicht machen werde, ist die "Destruktion" "philosophischer" Sätze anhand irgendwelcher Lexika, nur um den Gesamtzusammenhang (wenn denn vorhanden) dann doch wieder nicht verstanden zu haben.

  • "Die Bayreuther Festspiele zeigen seit Jahrzehnten Hakenkreuze auf der Bühne." (B.W.) echt jetzt?


    (p.s.: Herheim-Parsifal 2008, aber sonst?)


    Und toll, dass das jetzt geklärt wäre, dass Wagner nur ein ganz normaler Antisemit (und kein Superantisemit) war, der sich nicht zu stolz war, bei Mendelssohn zu klauen und durchaus gute von schlechten Juden unterscheiden konnte (die guten haben ihm geholfen und sich ausnutzen lassen, die anderen sind vermutlich die schlechten). Danke für diese Ehrenrettung. Jetzt müssen es ja nur noch die Juden auch einsehen. Vielleicht können die mal als Entschuldigung für ihr kulturbolschewistisches Verhalten in den letzten Jahrzehnten das Meistersingervorspiel in der Knesset spielen.

    Er hat Jehova gesagt!

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  • Hier beteilige ich mich erst, wenn ich 2000 Posts habe. :untertauch:



    Wenn du die erreicht hast, wirst du merken, dass du dich gar nicht zu beteiligen brauchst.
    @Michael, Beitrag 41: Ich hatte deinen Beitrag nur oberflächlich gelesen und gedacht "Auch du, mein Brutus"?
    Hat sich ja dann aufgeklärt. Mich erinnert diese Lektüre an die schwerste Lektüre meiner Studienzeit, Martin Luthers "Vom Abendmahle Christi" (1528), alles auf Latein.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Zitat

    Zitat von Dr.Pingel: Mich erinnert diese Lektüre an die schwerste Lektüre meiner Studienzeit, Martin Luthers "Vom Abendmahle Christi" (1528), alles auf Latein


    Lieber Dr.Pingel,

    dann hast du wohl noch nicht Caesars Einleitung zu "De bello gallico" gelesen.
    Aber jeder weiß, das es viel schwerer ist, einfach zu reden, damit einen jeder versteht, als im Fachjagon zu schwadronieren. Und es gibt bei so hochtönender Rede aber immer ein paar Bewunderer, die - auch wenn sie den Redner kaum verstehen - der Meinung sind: Was muss das für ein großer Gelehrter sein!
    Wer die Rede , die M-Müller zitiert hat, gehalten hat, weiß ich nicht, da einige Mitglieder bei mir ausgeschaltet sind. Bitte melden, wer sie ohne philosophisches Lexikon verstanden hat!
    Herrlich fand ich, wie Don Gaiferos diesen Jargon unter "Rheingold in Chemnitz" (Nr. 104) auf's Korn genommen hat.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Johannes Schlüter,


    hast du einmal René Kollos Buch "Richard Wagner ...den Vogel, der heut sang ..." gelesen? Er zeichnet ein ganz anderes Bild vom sogenannten Antisemitismus Wagners, als es von vielen hier immer wieder nachgebetet wird. Und dass diese Mann sich nicht auch intensiv mit Wagner beschäftigt hat, kann ja wohl niemand behaupten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • der* sich nicht zu stolz war, bei Mendelssohn zu klauen


    Und was, bitte, hat er bei Mendelssohn "geklaut"?


    * gemeint ist Richard Wagner (Verweis von mir)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Gerhard: Kollos Buch habe ich nicht gelesen. Aber Wagners Schrift über das Judentum in der Musik


    @Rüdiger: Weikl behauptet doch selbst (erster Link, lies ihn halt vielleicht mal), dass Wagner bei Mendelssohn geklaut hat, und dann kommt er noch mit dem Beispiel Reformationssinfonie um die Ecke, was kein idealer Beleg von Diebstahl ist.

    Er hat Jehova gesagt!

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  • @Rüdiger: Weikl behauptet doch selbst (erster Link, lies ihn halt vielleicht mal), dass Wagner bei Mendelssohn geklaut hat, und dann kommt er noch mit dem Beispiel Reformationssinfonie um die Ecke, was kein idealer Beleg von Diebstahl ist.


    Hallo Johannes, Bernd Weikl als Autor tue ich mir grundsätzlich nicht mehr an. Ich höre ihn lieber singen. Denn das konnte er - wie ich finde - wirklich gut. Ich war also beim flüchtigen Blick in diesen Thrtead nur daran hängen geblieben, dass Wagner von Mendelssohn geklaut haben soll. Soetwas interessiert mich, obwohl ich kein Kleptomane bin. ;) Bekanntlich bediente sich Mendelssolhn wie auch Wagner beim so genannten "Dresdner Amen", das bei Wikipedia gut und knapp erklärt ist. Sollte das Weikl nicht gewusst haben?



    https://www.youtube.com/watch?v=1I4LJ0ikm8w

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo Johannes, Bernd Weikl als Autor tue ich mir grundsätzlich nicht mehr an. Ich höre ihn lieber singen. Denn das konnte er - wie ich finde - wirklich gut. Ich war also beim flüchtigen Blick in diesen Thrtead nur daran hängen geblieben, dass Wagner von Mendelssohn geklaut haben soll. Soetwas interessiert mich, obwohl ich kein Kleptomane bin. ;) Bekanntlich bediente sich Mendelssolhn wie auch Wagner beim so genannten "Dresdner Amen", das bei Wikipedia gut und knapp erklärt ist. Sollte das Weikl nicht gewusst haben?



    https://www.youtube.com/watch?v=1I4LJ0ikm8w

    Naja, es gibt da noch das Motiv der Todverkündung in der "Walküre", bei dem ich lange dachte, dass Wagner das aus dem ihm wohlbekannten "Hans Heiling" von Heinrich August Marschner übernommen hat, wo die Königin der Erdgeister die betreffende Melodie auf den Text "Sonst bist du verfallen dem rächenden Grimme" zur armen verschüchterten Anna singt. Nun hat aber gerade dieses Thema Mendelssohn bereits vier Jahre früher, vier Jahre vor der Uraufführung des "Hans Heiling" 1833, also 1829, auf seiner Schottland-Reise notiert. Marschner kann das damals eigentlich noch nicht gekannt haben, weil die "Schottische" noch gar nicht fertiggestellt oder gar aufgeführt oder publiziert war. Also haben wohl Mendelssohn und Marschner das Thema unabhängig voneinander gefunden. Ob Wagner, der zum Zeitpunkt der Komposition der "Walküre" sowohl den "Hans Heiling" als auch Mendelssohns "Schottische" gekannt haben dürfte, sich bei Mendelssohn oder Marschner bedient hat oder dieses Thema als Dritter "selbst" erfunden hat (oder ob ihm das Unterbewusstsein hier doch einen Strich spielte), kann jeder für sich zu Ende spekulieren... ;)


    Aber noch an Gerhard Wischniewski zum Thema Wagner-Kenner Kollo: Wenn jemand viele Partien dieses Komponisten einstudiert und auf der Bühne singt, und das auch noch ziemlich gut, heißt das noch lange nicht, dass er sich ausreichend und seriös mit dem Schriftsteller Richard Wagner beschäftig hat. Jeder, der die widerliche Schrift "Das Judentum in der Musik" gelesen hat, wird den widerlichen Antisemitismus Wagners seriös kaum bestreiten können. Das ist nur eine Facette dieser schillernden und widersprüchlichen Künstlerpersönlicheit, die uns so großartige Musik geschenkt hat, aber es ist eben auch eine - und dies im Angesicht der vorliegenden eindeutigen Quellen zu leugnen, ist einfach nur unseriös!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Weikl versucht hier einen großen Bogen zu schalegn, dessen Ziel mir nicht wirklich klar ist und der einiges in einen Topf wirft, was nun mal kein Eintopf ist.

    Mir geht es ebenfalls so, lieber Michael. Der eine Problemkreis ist Wagner und Israel. Ich bin auch auf der Seite von Barenboim, dass Wagner heute in Israel gespielt werden sollte und das "Verbot" für Wagners Musik zum fragwürdigen Tabu geworden ist - denn die Generation, die Auschwitz erlebt hat und verständlicher Weise Wagner und seinen Mythos nicht ertragen kann, gibt es ja so gut wie gar nicht mehr. Das Problem muss aber die israelische Gesellschaft selbst mit sich ausmachen und lösen. Diese Dissertation scheint ein Teil des Versuchs der inner-israelischen Auseinandersetzung und Bewältigung des Wagner-Problems zu sein und ist wohl auch nur von daher verständlich. Weikl reißt das aber aus diesem Kontext - und ich bezweifle, ob er Wagners Schrift wirklich im Original gelesen hat. Diese Doktorarbeit geht offenbar den Weg einer Wagner-Apologie. Ob das der richtige Weg der innerjüdischen Bewältigung des Wagner-Problems ist, bezweifle ich allerdings stark. Denn so etwas wird nur die Gegenreaktion provozieren, dass man Wagner um so mehr ablehnt. Besser also, man räumt den gräuslichen Antisemitismus Wagners ohne Beschönigung ein, dann kann man auch kritisch dazu Distanz nehmen und das schätzen, was von Wagner wirklich zu schätzen ist: seine Musik. Denn Apologien haben das Missliche, dass sie eine Identifikation voraussetzen. Das beginnt schon damit, dass diese Diss. in ihrer These - natürlich ungewollt - die Prämisse des Antisemitismus mit übernimmt. Zu behaupten, Wagner sei es um eine Synthese von deutscher und jüdischer Kultur gegangen (was ich für völlig abwegig und am Text eindeutig widerlegbar halte), setzt die antisemitische Konstruktion schon voraus, dass das Judentum eine Kultur "neben" der deutschen gewesen sei. In Wahrheit war das Judentum immer schon integraler Teil der deutschen Kultur. Bei Wagner geht es ja letztlich nicht um die jüdische Volkskultur, sondern Kunstmusik wie Mendelssohn (!!!!). Da gibt es also schlicht nichts zu synthetisieren und zu integrieren. Das Integrationsproblem, was diese Arbeit meint mit Wagner aufzeigen zu können, ist also ein selbstgeschaffendes des Antisemitismus. Bezeichnend war die historische Resonanz eine ganz andere. Franz Liszt war über Wagners Schrift regelrecht entsetzt und schrieb seinem Freund Wagner einen bitterbösen Brief. Zu meinen, dass ausgerechnet Menschen mit jüdischem Glauben mehrheitlich bereit sind, sich mit Wagners Haltung in dieser Frage zu identifizieren, halte ich für weltfremd und auch für eine ziemliche Zumutung. Die These dieser Diss. ist doch einfach viel zu schräg. Wagner zum Mendelssohn-Adepten zu machen und so seine Musik selbst mit dem "Judentum in der Musik" gleichzusetzen, ist nun wirklich abenteuerlich, Apologetik auf die absurde Spitze getrieben. Auch wenn wohl nichts von dieser Arbeit sachlich haltbar ist, so ist es freilich mit dem wissenschaftlichen Geist unvereinbar, zu behaupten, eine solche Arbeit könne an keiner deutschen Universität angenommen werden. In der Wissenschaft geht es nicht um "Weltanschauungen", was zählt ist die wissenschaftliche Form der Arbeit und ob sich ein Doktorvater findet, der bereit ist, so ein Projekt zu unterstützen. ;) Also was bezweckt Weikl damit? Will er Wagner vom Antisemitismus reinwaschen oder geht es um einen Feldzug gegen political correctness als "Ouvertüre" Quasi für eine Polemik gegen RT? Soll der nun wirklich höchst achtenswerte und bemerkenswerte Versuch, diese Problematik in Bayreuth, dem einstigen Antisemitentempel, aufzugreifen um sich selbst den Spiegel vorzuhalten, als nicht nur antiwagnerisch sondern zugleich "antijüdisch" dargestellt und damit zugleich RT "endgültig" diskreditiert werden als politisch inkorrekt? "Vernichtet" Kosky also mit Weikl gesprochen nicht nur Wagner, sondern zugleich auch das Judentum in der Musik? Das alles ist einfach ziemlich undurchschaubar wirr genauso wie die Verbindung zu den Flüchtlingen, die Weikl herstellt, die gar nicht in die Oper gehen aus dem schlichten Grund, weil sie der Sprache nicht mächtig sind und also gar nichts von all dem verstehen und verstehen können. (In die Oper gehen nicht die Flüchtlinge, sondern die Lehrer der Flüchtlinge :D .)

    Die Frage ist, wo ist die Grenze, wo hört die künstlerische Freiheit auf?

    Ist diese Frage nicht einfach falsch gestellt, lieber operus, genauso wie diese: Wo ist die Grenze der Gewissensentscheidung? Wenn man da Grenzen setzt, dann hebt man die Unvertretbarkeit der Gewissensentscheidung auf, indem nämlich eine Instanz wie der Staat oder die Kirche für den einzelnen Menschen, der ein Gewissen hat, das Gewissen spielt. Auch ein irrendes Gewissen muss man vorbehaltlos akzeptieren, sagt schon der heilige Thomas. :)

    Wird das Werk fundamental, in Inhalt und Ideologie verändert, dann ist es streng genommen eine Neuschöpfung.

    Auch hier ist doch die Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, diese Frage zu stellen und beantworten zu wollen? Die Romantik z.B. hat bekanntlich ganz bewusst die Grenze von Interpretation und Neuschöpfung verwischt. Vielleicht ist ja Oper und Operninszenierung ein traditionelles Beispiel, dass es gar keinen Sinn macht, eine solche Grenze zu ziehen, so dass von daher alle Versuche, das im Sinne der "Werktreue"-Ideologie zu tun, ziemlich künstlich sind und bleiben?

    Dieser Zweifel ist mir gekommen, als ich Holgers gelehrten Beitrag Nr. 36 las und dreimal das Wörterbuch wälzen musste, um die philosophischen Fachtermini zu verstehen. Ist mein Versuch, Verständnis zu schaffen und Brücken zu schlagen,zu einfach - sind Holgers weit tiefer schürfende Betrachtungen zu abgehoben und theoretisch?

    Wagner war ein philosophisch hoch gebildeter Autor. Wenn man diese Wagner-Textpassage wirklich verstehen will, dann geht das nur, wenn man den Hintergrund mit einbezieht, nämlich Wagners Feuerbach-Lektüre. (In meinem hoffentlich dieses Jahr erscheinenden Buch gibt es darüber ein Kapitel zum Nachlesen. ;) ) Um wiederum Wagners Auseinandersetzung mit Feuerbach zu verstehen, muss man Feuerbachs Auseinandersetzung mit Hegel verstehen. Das gehört alles zur Romantik - die Durchdringung von Musik, Literatur und Philosophie. Wenn man etwas vom "Geist" der Romantik mitbekommen will, muss man letztlich bereit sein sich all dem auszusetzen und sich von daher auch ein bisschen anstrengen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Aber noch an Gerhard Wischniewski zum Thema Wagner-Kenner Kollo: Wenn jemand viele Partien dieses Komponisten einstudiert und auf der Bühne singt, und das auch noch ziemlich gut, heißt das noch lange nicht, dass er sich ausreichend und seriös mit dem Schriftsteller Richard Wagner beschäftig hat. Jeder, der die widerliche Schrift "Das Judentum in der Musik" gelesen hat, wird den widerlichen Antisemitismus Wagners seriös kaum bestreiten können. Das ist nur eine Facette dieser schillernden und widersprüchlichen Künstlerpersönlicheit, die uns so großartige Musik geschenkt hat, aber es ist eben auch eine - und dies im Angesicht der vorliegenden eindeutigen Quellen zu leugnen, ist einfach nur unseriös!


    Genauso sehe ich das auch. Und mit Leuten zu diskutieren, die ernsthaft bestreiten, dass Wagner ein Antisemit war, ist zwecklos, weil die so verrannt sind, dass sie sowieso keiner rationalen Argumentation zugänglich sind.


    Viel interessanter finde ich aber die Frage, ob und inwieweit Wagners Antisemitismus Eingang in seine Musikdramen gefunden hat. Zum Beispiel in den Figuren des Beckmesser oder der Kundry. Das ist eine Frage, die meines Wissens in der Musikwissenschaft bis heute umstritten ist. Aber ich bin hier keineswegs auf dem Stand der aktuellen Diskussion.


    Wenn man etwas vom "Geist" der Romantik mitbekommen will, muss man letztlich bereit sein sich all dem auszusetzen und sich von daher auch ein bisschen anstrengen.


    Das fällt manchen nur leider schwer. ^^

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Viel interessanter finde ich aber die Frage, ob und inwieweit Wagners Antisemitismus Eingang in seine Musikdramen gefunden hat. Zum Beispiel in den Figuren des Beckmesser oder der Kundry. Das ist eine Frage, die meines Wissens in der Musikwissenschaft bis heute umstritten ist. Aber ich bin hier keineswegs auf dem Stand der aktuellen Diskussion.

    Ich weiß gar nicht, wie das funktionieren soll, dass so ein nicht nur unbewusst gedachter, sondern auch bewusst formulierter Zweig der Gedankenwelt eines Künstlers nicht in sein "Gesamtkunstwerk", das er als Dichter und Komponist geformt hat, einfließen soll?


    Hinweise dafür finden sich auch in seinen Schriften oder seinen von Cosima getreulich aufgezeichneten Äußerungen, etwa der vom "Juden-Duett" (Alberich - Mime, 2. Akt), mannigfach.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Zitat von »Bertarido«
    Viel interessanter finde ich aber die Frage, ob und inwieweit Wagners Antisemitismus Eingang in seine Musikdramen gefunden hat. Zum Beispiel in den Figuren des Beckmesser oder der Kundry. Das ist eine Frage, die meines Wissens in der Musikwissenschaft bis heute umstritten ist. Aber ich bin hier keineswegs auf dem Stand der aktuellen Diskussion.
    Ich weiß gar nicht, wie das funktionieren soll, dass so ein nicht nur unbewusst gedachter, sondern auch bewusst formulierter Zweig der Gedankenwelt eines Künstlers nicht in sein "Gesamtkunstwerk", das er als Dichter und Komponist geformt hat, einfließen soll?


    Das denke ich auch, es wird aber auch immer wieder gerne bestritten.


    Hinweise dafür finden sich auch in seinen Schriften oder seinen von Cosima getreulich aufgezeichneten Äußerungen, etwa der vom "Juden-Duett" (Alberich - Mime, 2. Akt), mannigfach.


    Interessant, diese Äußerung kannte ich noch nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hinweise dafür finden sich auch in seinen Schriften oder seinen von Cosima getreulich aufgezeichneten Äußerungen, etwa der vom "Juden-Duett" (Alberich - Mime, 2. Akt), mannigfach.

    das würde mich auch etwas genauer interessieren (vielleicht Stellennachweise, wenns ginge?)

  • In Bezug auf "Sicht der Welt" und geschaffenen Kunstwerken


    Zitat

    Das denke ich auch, es wird aber auch immer wieder gerne bestritten.


    Ich würde das auch bestreiten, aber das ist eine weitere Sicht der Dinge.


    Ich - und damit stehe ich nicht alleine da -
    sehe ein Kunstwerk als überfeinertes Handwerk - auf der höchsten Stufe


    Der Künstler führt den Aftrag eines Auftraggebers aus und bringt ein Kunstwerk zusatande.


    Ich glaube nicht, daß man sich bei Michelangelo oder Mozart um dessen Überzeugung gekümmert hat -
    man hat etwas bestimmtes erwartet und bekam es - oder nicht.
    Rembrandt musste zahlreiche Bilder nachbessern , weil es den Auftag der Besteller mißachtet hatte und Eigenmächtigkeiten eingebaut hatte. Besonders heikel waren die damals so bleiebten Gruppenbilder, wo Rembrandt möglichst szenische Aufbereitig bemüht war, weg von aller statischen Darstellung, Das bedingte aber, daß einige der Gruppe von anderen teilweise verdeckt wurden, die natürlich protestierten.


    Der Künstler ist lediglich der Ausführende. Künstler die eigne Ideen realisieren wollten, hatten meist das Nachsehen.


    Erst im 20. Jahrhundert fanden sich Leute, die meinten ihre eigene Person in den Vordergrund stellen zu müssen
    Vorher hat sich niemand darum gekümmmert welche Weltanschauung der Betreffende hatte, man interessierte sich nicht dafür - und man wusste es auch nicht.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das wäre eine höchst sensationelle und überraschende Entdeckung, wenn die Opern Richard Wagners (ein nicht eben unbedeutender Komponist des 19. Jahrhunderts !) sich als Auftragswerke entpuppen würden.
    Zwar existieren kleinere Werke von Wagner, als Auftragskomposiionen. Eines davon beurteilte er selbst als dermaßen schrottig, dass er betonte, dass das Geld, was er dafür einheimste noch das Beste an dieser Chose gewesen sei. Leider nicht mehr auf Schirm, welches er damit meinte. .. vielleicht kann jemand da weiterhelfen..

  • Zwar existieren kleinere Werke von Wagner, als Auftragskomposiionen. Eines davon beurteilte er selbst als dermaßen schrottig, dass er betonte, dass das Geld, was er dafür einheimste noch das Beste an dieserr Chose gewesen sei. Leider nicht mehr auf Schirm, welches er damit meinte. .. vielleicht kann jemand da weeiterhelfen..


    Ziemlich sicher der Große Festmarsch zum 100. Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1876. Den finde ich so übel gar nicht. Wobei ich dabei immer an Loriot denken muss ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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