Der Musiker Ehrenplätze


  • Heute ist der 7. Oktober - am 7. Oktober 1899 wurde dieses Denkmal feierlich enthüllt.




    Meiningen ist eine Kreisstadt im fränkisch geprägten Süden Thüringens und hatte zu Lebzeiten Brahms etwa 15.000 Einwohner; die kulturelle Tradition der Stadt ist bedeutend.


    Johannes Brahms weilte in seinen letzten sechzehn Lebensjahren 14 Mal zu längeren Aufenthalten in Meiningen. Nachdem Brahms Ende 1881 auf Einladung Hans von Bülows erstmals in das Herzogtum gekommen war und Herzog Georg II. und dessen Gemahlin, die Freifrau Helene von Heldburg kennen gelernt hatte, führte ihn bis Ende 1895 sein Weg regelmäßig nach Meiningen, wo er mit der Herzoglichen Hofkapelle seine sinfonischen Werke ungestört proben und aufführen konnte. Mit dem Herzogspaar verbanden ihn sehr persönliche Beziehungen, er wurde in ihr privates Leben mit einbezogen und war Gast in ihren Sommerresidenzen in der Villa Carlotta am Comer See und auf Schloss Altenstein bei Bad Liebenstein. Nicht zuletzt erhielt er durch den Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld die Anregung zu seinen Klarinettenwerken, die Brahms mit Mühlfeld den herzoglichen Herrschaften privat vorspielte.


    Johannes Brahms ließ am 25. Oktober 1885 in Meiningen seine 4. Sinfonie uraufführen und arbeitete eng mit der Hofkapelle unter der Leitung von Fritz Steinbach zusammen, der 1886 die Nachfolge von Hans Bülow als Dirigent des Meininger Orchesters angetreten hatte. Bülow war es gelungen aus dem thüringischen Residenzorchester ein international beachtetes Eliteorchester zu machen, und Steinbach konnte diese Arbeit nahtlos fortsetzen und unternahm ausgedehnte Konzertreisen in die Schweiz, nach Holland, Dänemark und England. Die Meininger Hofkapelle war das erste Orchester des Kontinents, das in London gastierte. Dabei standen bei fünf Konzerten im November 1902 ausschließlich Werke von Johannes Brahms auf dem Programm, unter anderem alle Symphonien. In der Kritik schrieb The Daily News:
    »Der Wert der Aufführungen besteht darin, dass sie uns einen neuen, und ich denke den wahren Brahms offenbart haben.«


    Nikisch meinte einmal im Gespräch mit Steinbach, dass »man von den Meiningern immer noch etwas lernen kann.« und auch der nicht unkritische Arturo Toscanini war von Steinbach-Aufführungen beeindruckt. Steinbach war der Spiritus rector der Landesmusikfeste der Jahre1895 und 1899 und machte Meiningen zu einem Zentrum der Brahms-Liebhaber. Beim 1. Meininger Landesmusikfest war Brahms noch anwesend.
    Der zum Generalmusikdirektor ernannte Steinbach plante ganz groß und wollte ein Pendant zu Bayreuth schaffen, Meiningen zur Brahms-Festspielstatt machen, eine Konzerthalle bauen und ein Konservatorium gründen ...


    Wie man heute sieht, ist aus all diesen Plänen nichts geworden; 1903 folgte Fritz Steinbach einem Ruf nach Köln an die Spitze des Gürzenich-Orchesters und der Leitung des Kölner Konservatoriums, Fritz Busch war einer seiner Schüler und auf dessen Grabstein stehen schlichte Brahms-Noten ...


    Das Meininger Brahms-Denkmal wurde auf Initiative des Hofkapellmeisters Fritz Steinbach von Meininger Musikfreunden gestiftet. Das 1898/99 geschaffene Denkmal ist ein Werk des Bildhauers Adolf von Hildebrand (1847–1921) aus München und steht im Englischen Garten, einem Landschaftspark von etwa 12 Hektar zwischen Bahnhof und Theater der schon seit 1782 besteht.


    Zu den Einweihungsfeierlichkeiten war die Musikavantgarde wie zum Beispiel der Komponist Eugen d´ Albert und der Geigenvirtuose Joseph Joachim angereist.


    Die Brahms-Denkmalanlage ist innerhalb des Parkgeländes gut zu finden, wenn man sich am höheren Bauwerk der im neugotischen Stil erbauten Herzoglichen Gruftkapelle orientiert.


    Der nachstehend eingefügte Text vermittelt einen Blick auf die Einweihungsfeierlichkeiten:


    »Seit dem 7. Oktober 1899 haben die beiden Meininger Dichtermonumente in einem Brahms-Denkmal das dritte im Bunde erhalten. Über einem Brunnen lebendigen Wassers thront in der grünen Halle des Parkes die von Adolf Hildebrand modellierte eherne Büste des Tondichters. Ein großes Musikfest unter Fritz Steinbach bildete mit "Requiem" und "Triumphlied" den bedeutungsvollen Rahmen zu der großartigen Enthüllungs- und Gedächtnisfeier. Hofschauspieler Neubaur sprach den von Widmann gedichteten Prolog, Joachim hielt die Gedenkrede, Herzog Georg legte entblößten Hauptes den ersten Lorbeer zu Füßen des Unsterblichen nieder.«


    Von einem Brunnen lebendigen Wassers konnte schon lange nicht mehr gesprochen werden; die gesamte Anlage wurde erst in jüngster Zeit restauriert. Die bereits versiegten Laufbrunnen mussten aufgearbeitet und wieder zum Laufen gebracht werden und das Mosaikpflaster und die Treppe wurden hergerichtet. Seit Oktober 2015 läuft nun wieder das Wasser.

  • Franz Liszt ist am 22. Oktober 1811 geboren und hat heute Geburtstag





    Schillingsfürst liegt an der Romantischen Straße zwischen Ansbach und Rothenburg und unweit der Bundesautobahn 7; der Ort hat knapp dreitausend Einwohner.


    Das Schloss Schillingsfürst ist Sitz des Hauses Hohenlohe-Schillingsfürst. In Schillingsfürst gibt es einen Kardinalsgarten; wer hier gärtnerischen Prunk erwartet wird enttäuscht sein, es gibt lediglich Gras, Sträucher und Bäume zu sehen. Umso mehr fällt auf, dass hier ein Denkmal in der Landschaft steht, der Musikfreund erkennt Franz Liszt, wer des Lesens kundig ist, wird durch die eingemeißelte Schrift informiert. Aber nicht jeder, der die Ungarische Rhapsodie kennt, weiß wie Franz Liszt an diesen Ort gekommen ist - ob nur als Denkmal oder in Person ...


    Franz Liszt war mit dem Kardinal von Hohenlohe-Schillingsfürst befreundet und kam schon mal in Schillingsfürst zu Besuch, aber man traf sich auch in Rom, wohin sich Liszt 1861 begeben hatte. Nach zwölf Jahren löste Liszt seinen Haushalt in Weimar auf, fuhr zunächst zu den Bülows nach Berlin und tauchte dann nach langer Zeit wieder in den Pariser Salons auf. Dort erreichte ihn die Nachricht seiner langjährigen Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein, die ihn dringend bat nach Rom zu kommen; sie hatte heimlich die Hochzeit mit Liszt vorbereitet, die zum 50. Geburtstag des Meisters stattfinden sollte.


    Die Fürstin Sayn-Wittgenstein war schon im Mai 1860 nach Rom gefahren, um dort die Möglichkeiten für eine erneute Heirat zu schaffen, denn die Heirat mit Liszt konnte nicht stattfinden, bevor der Vatikan die auf dem Papier noch bestehende Ehe der Fürstin annulliert hatte. Alles schien dort gut zu laufen, am 22. Oktober 1861 sollte endlich geheiratet werden. Am 20. Oktober 1861 trifft Franz Liszt in Rom ein. Am späten Abend des 21. Oktober kommt ein Bote des Papstes und überbringt die Nachricht, dass alle russischen Prozessakten nochmals geprüft werden müssten - die Fürstin ist mit ihren Nerven am Ende und gibt auf. Es gilt heute als ziemlich sicher, dass Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst die Eheschließung nach Kräften hintertrieb.


    Franz Liszt bleibt in Rom und wendet sich der Kirchenmusik zu. Für zwei Jahre lebt er dann in einem Kloster, auch im Vatikan hatte er einige Monate bei theologischen Studien verbracht; ab 1865 erscheint Liszt in der Soutane, er hat die niederen Weihen erhalten und ist nun Abbé Liszt. Akribische Beobachter bemerkten, dass die Tonsur, die ihm der Bischof zu Hohenlohe (Kardinal wurde er später) ins Haar schnitt nur einen Durchmesser von höchstens 30 Millimeter hatte und sich problemlos überkämmen ließ. Mit den niederen Weihen war auch kein besonderer Staat zu machen; er durfte lediglich dem Priester am Altar assistieren; Messen lesen oder Beichten abnehmen war ihm in diesem Status nicht gestattet. Die Sache war jedenfalls Gesprächsthema in Rom und es gab nicht wenige, die das alles für eine Selbstinszenierung hielten.


    Zwischen Liszt und Gustav Adolf von Hohenlohe-Schillingsfürst entwickelte sich eine enge Freundschaft, die auch dazu führt, dass ihm der spätere Kardinal in der Villa d’Este in Tivoli eine dauernde Wohnung gewährt; Gustav Adolf von Schillingsfürst hatte diese ziemlich vergammelte Immobilie mit einigem Aufwand wieder bewohnbar hergerichtet. Liszt komponierte hier »Giochi d'acqua a Villa d'Este« und gab dort 1879 eines seiner letzten Konzerte.


    Eine weitere Beziehung zwischen Liszt und dem Hause Hohenlohe entsteht durch die Heirat zwischen Fürst Constantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1859) und Marie zu Sayn-Wittgenstein, der Tochter von Liszts langjähriger Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein.


    Der Kardinal beauftragte den damals sehr bekannten amerikanischen Bildhauer Moses Jacob Ezekiel. Dieser hatte unter anderem auch an der Berliner Königlichen Akademie studiert, und tat das so erfolgreich, dass er einen Preis gewann, der es ihm erlaubte, in Rom zu studieren, wo er dauerhaft lebte und ein Atelier in den Diokletianbädern unterhielt.
    Der Kardinal besaß eine Ausführung der Büste in Marmor, die Bronzebüste war für die Ehrensäule in Schillingsfürst bestimmt und wurde hier - und das ist das Herausragende - noch zu Lebzeiten von Franz Liszt am 10. Juli 1884 feierlich enthüllt.


    Die Zeitung »Fränkischer Anzeiger« berichtete:


    »Schillingsfürst, 11. Juli. Gestern Mittag fand hier die Einweihung des von Sr. Eminenz, dem Kardinal von Hohenlohe-Schillingsfürst, dem Tonkünstler „Franz von Liszt“ gesetzte Denkmal statt. Der Gesangverein hatte den musikalischen Teil übernommen und zog die Fahne unter den Klängen eines Marsches zum Denkmal, welches mit lebenden Zierpflanzen festlich dekoriert war. Der Verein trug hier mit Instrumentalbegleitung (Musikkorps des II. Ulanenregiments) den schönen Chor „Des Sängers Gebet“ von Kösporer vor, nach dessen Beendigung Herr Direktor Förtsch als Vertreter des Herrn Kardinals von Hohenlohe folgende Ansprache hielt:«


    »Verehrte Anwesende! Der Mann, vor dessen Büste wir uns hier versammelt haben, steht Sr. Durchlaucht, Herrn Kardinal von Hohenlohe nahe als Freund und Künstler. Deshalb ließ Sr. Eminenz dieses Denkmal errichten. Wenn Sie sich nun hier versammeln, um dem Freunde des Herrn Kardinals, dem berühmten Tonkünstler Franz von Liszt eine Ovation darzubringen, so ehren Sie sich nicht nur selbst, sondern bekunden, dass Sie Sinn für die Intentionen haben, derentwegen dieses Denkmal gesetzt wurde. Ich, als Vertreter Sr. Eminenz sage Ihnen dafür meinen besten Dank und empfehle das Denkmal Franz von Liszts Ihrem Schutze und Wohlwollen.«



    Nur vom Parkplatz die Straße überqueren, dann ist man im Kardinalsgarten


  • Direkt an das alte Bachhaus angrenzend entstand ein Neubau


    Früher prangte hier ein Schild, das kundtat, dass in diesem Hause Johann Sebastian Bach geboren wurde. 1868 brachte der Eisenacher Musikverein eine entsprechende Gedenktafel an.
    Man hatte sich damals auf zweifelhafte Überlieferungen verlassen - Mitglieder der weit verzweigten Bach-Familie hatten schon in diesem Haus gewohnt, aber ein wissenschaftlich gesichertes Geburtshaus von Johann Sebastian Bach gibt es nicht.


    Unbestritten ist dagegen, dass Bach 1685 in Eisenach geboren und zwei Tage später in der Georgenkirche getauft wurde. Er war das achte Kind seiner Eltern, und dies waren: die Mutter Elisabeth und der Vater Ambrosius Bach, Stadtmusikus oder auch Stadtpfeifer genannt. Er musizierte mit Geige und Bratsche im Rathaus, in der Kirche und im herzoglichen Schloss. In seinem Haus lebten neben der Familie Bach noch drei Musikergesellen und drei Lehrlinge.
    Die Mutter von Johann Sebastian Bach starb am 3. Mai 1694 und bereits am 27. November des gleichen Jahres heiratete der Vater eine verwitwete Frau; Johann Sebastian hatte nun eine Stiefmutter. Aber diese Ehe währte nicht lange; am 20. Februar 1695 starb Ambrosius Bach und der neunjährige Junge war Vollwaise.
    Ambrosius Bachs Witwe versuchte zwar mit Hilfe der Stadtpfeifergesellen und -Lehrlingen das Amt ihres verstorbenen Mannes weiterzuführen, aber Eisenachs Stadtobere erteilten hierzu keine Genehmigung. Die nun zum zweiten Mal Witwe gewordene Frau sah keine Möglichkeit die Kinderschar zu ernähren, deshalb wurden sie bei Verwandten untergebracht. Johann Sebastian musste Eisenach verlassen und zog mit seinem Bruder Johann Jacob zu seinem älteren Bruder Johann Christoph, der im etwa vierzig Kilometer von Eisenach entfernten Ohrdruf seit 1690 Organist an der Ohrdrufer Hauptkirche St. Michaelis war, und sich dort als Musiker bereits ein gewisses Ansehen erworben hatte.


    Das Bachhaus Eisenach - am Frauenplan 21




    Hier wird eine Fülle von Informationsmöglichkeiten geboten


    1907 eröffnete die Neue Bachgesellschaft das Bachhaus in Eisenach als erstes Bach-Museum; man war damals der festen Überzeugung, dass es sich bei diesem Gebäude um das Geburtshaus des großen Sohnes der Stadt handelt.
    Durch Kriegseinwirkungen Ende 1944 und April 1945 wurde das Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen, vor allem war der Dachstuhl beträchtlich zerstört. Nach den Kampfhandlungen erfolgte der Wiederaufbau und 1973 kam es dann zu einer umfangreichen Erweiterung.
    In den Jahren 2005 bis 2007 entstand - direkt an das alte Bachhaus angrenzend - ein Neubau. Die Restaurierung sämtlicher alten Bauteile und die vollständige Erneuerung der ständigen Ausstellung brachten das Ganze auf einen zeitgemäßen Stand. Die Ausstellung zeigt auf 600 Quadratmetern mehr als 250 Originalexponate. Hier kann man es Johann Sebastian Bach gleichtun und durch die originale Eingangstür, die einmal zu Bachs Wohnung in der Leipziger Thomasschule führte, schreiten.
    Im Erweiterungsbau verbinden sich erlebnisreich Exponate, Multimedia-Kunst und individuelles Hören: In schwebenden »Bubble-Chairs« kann man sich ganz in Bachs Musik versenken, und an einem »Mischpult« berühmte Aufnahmen der gleichen Kantate vergleichen. Der Bereich »Bach-Ikonographie« folgt der Entwicklung des Bach-Bildes von Originalgemälden über Kupferstiche bis hin zu Künstlern wie Emil Orlik und Johannes Heisig und zur gerichtsmedizinischen Rekonstruktion von 2008.


    Eisenach besitzt gleich zwei Bach-Statuen




    Dieses Denkmal gestaltete Adolf von Donndorf, es steht etwas seitlich vor dem Museum und entspricht nicht mehr ganz seiner ursprünglichen Form


    Mitte des 19. Jahrhunderts befand man sich in einer Bach-Renaissance; Zelter, Fasch und Mendelssohn waren die treibenden Kräfte. Unter diesem Hintergrund entwickelte ein Denkmalkomitee schon 1864 den Plan dem bedeutendsten Sohn der Stadt ein Denkmal zu errichten, aber von der Idee bis zur Fertigstellung vergingen immerhin zwanzig Jahre.
    Joseph Joachim, Clara Schumann, Johannes Brahms, Hans von Bülow und Franz Liszt hatten sich für dieses Denkmal stark engagiert, sogar die englische Queen Victoria war unter den Spendern.


    Die von dem Stuttgarter Bildhauer Adolf von Donndorf gestaltete Bach-Figur steht heute seitlich vor dem Museum und wurde am 28. September 1884 feierlich enthüllt, allerdings an einem anderen Standort, auch Bach musste als Denkmal wandern, wie seine Kollegen Gluck in München und Marschner in Hannover ...
    Am Tag der Einweihung, als die h-Moll-Messe erklang, stand Bach noch vor der Georgenkirche auf dem Martplatz; 54 Jahre stand er da, dann waren politische und militärische Aufmärsche in Mode gekommen und denen stand Bach im Wege. So wie wir das Denkmal heute am Museum sehen, hat es nicht mehr die ursprüngliche Gestalt.
    Das einst einen integralen Bestandteil bildende Bronzerelief mit Bachs Lebensmotto »Soli Deo Gloria« (Allein Gott die Ehre) wurde anlässlich des Denkmal-Umzuges in die rückwärtige Stützmauer eingebaut und steht nun relativ beziehungslos zum Denkmal, Donndorf, der Ehrenbürger von Eisenach ist, wäre damit bestimmt nicht einverstanden gewesen.


    Die damals tätigen politischen Kräfte ließen jedoch eine zweite Bach-Statue anfertigen, eine tragende Rolle spielte dabei der Landesbischof und stramme Nationalsozialist Martin Sasse. Man beauftragte den Architekten und Bildhauer Paul Birr.
    So steht nun ein fast bedrohlich düster wirkender Johann Sebastian Bach im Vorraum seiner Taufkirche - als »höchster Verkörperung nordischer Tonkunst« - wie es bei der Einweihung 1938 zum Ausdruck gebracht wurde.



    Diese Bach-Statue von Paul Birr steht im Vorraum der Georgenkirche


  • Hier lernte J. S. Bach das Orgelspielen



    An der Nahtstelle zwischen Orgelpfeifen und Turm sprießt der Stammbaum der Ohrdrufer Bachfamilie.




    Die Bachs in Ohrdruf
    Der Ort Ohrdruf kann darauf verweisen, dass der weltberühmte Tonkünstler Johann Sebastian Bach fünf Jahre in den Mauern der Gemeinde weilte; aber hier wirkte eine so große Anzahl von Bach-Musikern dieser weit verzweigten Musikerfamilie, dass man leicht den Überblick verlieren kann.
    Die »Urmutter« der großen Bachfamilie, Margarete Bach, aus dem etwa zwölf Kilometer entfernten Wechmar, heiratete 1564 in der hiesigen St. Michaelskirche, wie in Kirchenbüchern vermerkt ist.
    Johann Sebastian war bei seinem älteren Bruder Johann Christoph (*1671) mit nicht unerheblichen musikalischen Vorkenntnissen, die er im Eisenacher Elternhaus erworben hatte, angekommen, das erlernen des Geigenspiels war für die Bachsöhne im Elternhaus obligatorisch, danach kamen dann die Tasteninstrumente. Zudem sang Johann Sebastian im Straßen-, Schul- und Kirchenchor seiner Heimatstadt und schaute seinem Onkel, der die Kirchenorgel spielte und den Kirchenchor leitete, so manches ab.


    Mit diesem Vorwissen traf das Waisenkind in Ohrdruf ein. Sein vierundzwanzigjähriger Bruder hatte gerade eine Ratsherrentochter geheiratet und das frischgebackene Ehepaar nahm den Jungen in seine Obhut. Der Knabe ersang auch in Ohrdruf einiges Geld, das der brüderlichen Haushaltskasse zugeführt wurde. In Ohrdruf gab es ein Lyzeum, dessen Lehrplan als modern galt, aber man staunt heute über damalige Klassenstärken von bis zu achtzig Schülern. Den meisten Mitschülern war Bach weit voraus, was aus den damals üblichen Ranglisten hervorgeht; er stand an der Klassenspitze. Johann Sebastian entwickelte einen unwahrscheinlichen Fleiß, der mit Neugier verbunden war. Der Junge drängte und fragte und wollte alles was mit Musik zu tun hatte ganz genau wissen. Aber der ältere Bruder und Ersatzvater mochte dieses außergewöhnliche Talent nicht fördern, sondern bremste wo er nur konnte. Weil Johann Sebastian das Material nicht reichte, welches ihm sein Bruder vorlegte, schrieb er nachts geheim schwierige Noten von Frohberger, Böhm, Fischer, Pachelbel und Buxtehude ab. War der Junge dann alleine zuhause, konnte er diese Meisterstücke üben. Als ihn sein großer Bruder einmal dabei überraschte, nahm er ihm die Noten ab und schloss sie weg. Schließlich musste sich der ältere Bruder endlich bequemte dem jüngeren Orgelunterricht zu erteilen, denn der Zwölfjährige beherrschte das Cembalo schon besser als der große Bruder.
    Als Johann Sebastian fünf Jahre in Ohrdruf gewohnt hatte, war die Situation so, dass der ältere Bruder in der Zwischenzeit für vier eigene Kinder zu sorgen hatte und ein fünftes unterwegs war. In Sachen Musik war für Sebastian hier nichts wesentlich Neues zu lernen und niemand konnte ihn finanziell unterstützen; er musste das Lyzeum verlassen. In dieser Situation gelang es dem Kantor, den hochbegabten aber mittellosen Schüler an die berühmte Schule in Lüneburg zu vermitteln, die den nun 15-Jährigen gegen Kost und Logie in der Musik und im Chor einsetzte. Johann Sebastian Bach verließ Ohrdruf und machte sich zusammen mit einem um drei Jahre älteren Mitschüler im Frühling 1700 auf den Weg ins weit entfernte norddeutsche Lüneburg.





    An diesem Ort gibt es gleich zwei Stellen, die auf die Wirkung der Familie Bach hinweisen. Da ist der alles überragende Turm der St. Michaeliskirche, also der Kirche, in der Johann Sebastian Bach das Orgelspiel von seinem älteren Bruder lernte. Diese Kirche wurde jedoch durch einen Brand zerstört, wieder hergerichtet und dann - im Februar 1945 - durch einen Fliegerangriff so zerstört, dass das Kirchenschiff abgetragen wurde und nur der Turm stehen blieb, den man 1999 wieder in eine ansehnliche Form brachte. Dies nahmen die Schüler der Ohrdrufer Regelschule zum Anlass, da auch der 250. Todestag des Komponisten anstand, an diesem historischen Ort auf das frühe Wirken von J. S. Bach hinzuweisen. Die Stadt hat eine traditionelle Beziehung zur Metallverarbeitung, hier findet einmal im Jahr ein Schmiedesymposium der Jugend statt.
    Als Blickfang für das schmiedeeiserne Bachgedenken wählte man den Ausspruch Beethovens: »Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen.«. An der Nahtstelle zwischen Orgelpfeifen und Turm sprießt der Stammbaum der Ohrdrufer Bachfamilie.


    Ein zweites Bachdenkmal findet man auf dem Gelände eines ehemaligen Friedhofs, der inzwischen zu einem kleinen Stadtpark umgewidmet wurde. Es ist ein recht junges Denkmal, das erst im März 2013 errichtet wurde und der vielen Bachs gedenkt, die hier in vielfältiger Art gewirkt haben. Das Denkmal ist vom Sockel bis zur Spitze etwa vier Meter hoch. In den Sandstein sind Profile des letzten Bach-Kantors in Ohrdruf Ernst Carl Gottfried Bach (1738-1801), und des letzten Ohrdrufer Organisten der Familie Johann Christoph Georg Bach (1747-1814) eingearbeitet. Zur Einweihung am 23. März waren auch Nachkommen der Ohrdrufer Bach-Linie eingeladen.


    Der Ohrdrufer Zweig der Bach-Familie hat von 1690-1864 in Ohrdruf gelebt und gearbeitet. Die Mitglieder der Familie Bach hatten über fast 125 Jahre die Stelle der Organisten an der St. Michaeliskirche inne gehabt.




  • In den Beiträgen Nr. 54 und 58 sieht man zwar in wunderschöner Darstellung den jungen Johann Sebastian Bach, aber ein paar Sätze zu dieser Plastik und Bachs Wirken hier am Ort, sind bestimmt nicht unangebracht ...


    Nach einem kurzen Intermezzo als Lakai und Mitglied der Hofkapelle in Weimar, fand Johann Sebastian Bach im Jahr 1703 seine erste Anstellung als Organist in Arnstadt. Schon allein der Name Bach scheint so eine Art Gütesiegel in der Gegend gewesen zu sein, denn viele Familienmitglieder hatten seit 1613 in Arnstadt gelebt und als Musikanten gearbeitet. Auch J. S. Bachs Vater Ambrosius war als junger Mann hier Stadtpfeifer gewesen und Ambrosius´ Zwillingsbruder Christoph lebte zeitlebens als Hof- und Ratsmusiker in Arnstadt. So war Johann Sebastian auch davon unterrichtet, dass in Arnstadt eine neue Kirche errichtet und diese auch eine neue Orgel erhalten würde. Im Sommer 1703 nimmt der noch sehr junge J. S. Bach hier die Orgelinspektion vor und beeindruckt die maßgeblichen Herren durch die Virtuosität seines Spiels dermaßen, dass diese gar nicht mehr daran denken diese Stelle auch anderen Organisten anzubieten, sondern den hochbegabten jungen Mann zu außergewöhnlich guten Konditionen anstellen.
    Bach hätte es sich nun hier einfach gutgehen lassen können, aber sein Bildungshunger und seine Neugier (die ihn auch schon als Knabe an den Notenschrank seines Bruders in Ohrdruf trieb) ließ ihn nach dem Norden schielen, wo in Lübeck Dietrich Buxtehude, der berühmteste Vertreter der Norddeutschen Orgelschule, nun schon seit 44 Jahren an der Orgel der Marienkirche saß. Artig hatte Bach bei seinen Oberen um einen Bildungsurlaub in Lübeck gebeten, die diesen auch gewährten. Aber wenn man bedenkt, dass Bach den Weg nach Lübeck zu Fuß zurücklegen musste (das Navigationsgerät zeigt 540 Straßenkilometer an), Hans Franck schreibt in seiner Novelle »Johann Sebastian Bachs Pilgerfahrt nach Lübeck« von einer »zwölftägigen Fußwanderung«, blieb - auch wenn man da mal vielleicht über eine Wiese abkürzen konnte - nicht viel Zeit zum Orgelstudium, in nur vier Wochen war das nicht zu bewältigen.




    In der Marienkirche zu Lübeck findet man diese Plastik, die auf den Besuch Bachs an diesem Ort hinweist - »UM DER BERÜHMTEN DIETRICH BUXTEHUDE ZU BEHORCHEN« heißt es auf der Tafel.


    Es kam wie es kommen musste, Bach überzog die Vakanz gewaltig und kehrte erst vier Monaten später nach Arnstadt zurück, wo man ihm dann ganz gehörig die Leviten las, es hatte sich einiges an Kritik angestaut, das betraf also nicht nur das Fernbleiben vom Orgelamt.
    Auf die Frage wo er so lange gewesen sei, vermerkt das Protokoll:
    »Er sey zu Lübeck geweßen umb daselbst ein und anderes in seiner Kunst zu begreifen, habe aber zuvor von dem Herrn Superintend verlaubnüß gebethen«. Die Kirchenmusik vor Ort konnte offensichtlich während seiner Abwesenheit aufrechterhalten werden, aber es lagen da auch noch andere schwerwiegende Klagen gegen ihn vor.


    Man machte Bach zum Vorwurf zu oft die Tonart zu wechseln, dissonante Begleitakkorde zu spielen und mit ungewöhnlichen Tönen die Gemeinde zu verwirren. Hinzu kommen weitere Anschuldigungen: er habe eine »frembde Jungfer« auf die Empore geführt und er soll auch während der Predigt in der Weinschänke gesehen worden sein. Außerdem ist die Gemeinde mit der Dauer seines Orgelspiels nicht einverstanden. Nachdem er wegen zu langer musikalischer Untermalung gerügt wird, verfällt er trotzig ins andere Extrem und spielt demonstrativ nur noch ganz kurz. Die Herren in Arnstadt hatten es eben mit einem Genie zu tun ...



    Das Bachdenkmal auf dem Markt in Arnstadt wurde von Prof. Bernd Göbel (Halle/Saale) geschaffen. Das Abbild zeigt den Jungen Bach in eher flegelhafter Pose, wenn man das mit den Bach-Figuren in Eisenach oder Leipzig vergleicht. Die Einweihung erfolgte am 21. März 1985, anlässlich des 300. Geburtstages von Johann Sebastian Bach.


    In dieser Situation ergab es sich, dass in der etwa 70 Kilometer von Arnstadt entfernten Freien Reichsstadt Mühlhausen Ende des Jahres 1706 der dort tätige Organist starb. Die Cousine von Johann Sebastian, Maria Barbara, ist mit einem Mühlhausner Ratsherren verwandt ... so ergab es sich, dass zum Sommer 1706 ein Cousin von J. S. Bach die Organistenstelle in Arnsbach übernahm und Johann Sebastian mit einem Pferdefuhrwerk, das ihm die neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellten, gegen Mühlhausen zog.

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  • Die Blasiuskirche in Mühlhausen


    Das lässt sich für Bach in Mühlhausen gut an, die Entlohnung ist hier noch besser als vordem, aber dafür hat Bach auch eine gehörige Gegenleistung zu erbringen: Er ist für die Kirchenmusik an sechs Kirchen zuständig und schreibt hier auch die Kantate BWV 71 »Gott ist mein König«; der Rat ist von der Aufführung so begeistert, dass er das Werk in Kupfer stechen lässt. Auch die Renovierung der Orgel in St. Blasii wird vom Rat einstimmig genehmigt. Aber in Mühlhausen geriet Bach in die prekäre Situation, dass sich vor Ort zwei unterschiedliche Meinungen in Sachen Kirchenmusik herausbildeten. So musste Bach an der Kirche des Pietisten Frohne spielen, der aus religiösen Gründen kein Freund von Musik in der Kirche war und meinte das sei überflüssig, weil es die Andacht der Gläubigen verhindere. So forderte Superintendent Frohne Bach stets zur Mäßigung seiner musikalischen Aktivitäten auf, was natürlich einem Vollblutmusiker niemals gefallen kann.
    Im Frühsommer 1708 soll Bach in Weimar eine Orgel abnehmen und kommt dort in Kontakt mit Herzog Wilhelm Ernst, der als Musikfreund bereits von der Mühlhausener Ratswechselkantate (BWV 71) gehört hatte. Der Herzog bietet einfach eine Verdoppelung von Bachs Gehalt, wer könnte da widerstehen?



    So scheidet Bach in aller Freundschaft aus Mühlhausen, noch heute ist an der Kirchenfassade eine in Stein gehauene Schrift zu sehen, die auf das kurze Gastspiel von Johann Sebastian Bach hinweist.



    Der 22-jährige Bach als aufstrebender Musiker
    Seit dem 9. August 2009 steht im Schatten der Blasiuskirche am Untermarkt zu Mühlhausen ein Bach-Denkmal der besonderen Art. Während üblicherweise nach altem Brauch der Geehrte in erhöhter Position vom Sockel herunter schaut, stellt der Bildhauer hier dar, dass der junge Musiker in seiner Mühlhauser Zeit erst im Begriff war Denkmalswürde zu erreichen. Es hat den Anschein, dass man sich von der lässigen Bach-Darstellung in Arnstadt etwas inspirieren ließ.
    Die Bronzeplastik des Hallenser Künstlers Klaus Friedrich Messerschmidt zeigt den 22-jährigen Johann Sebastian Bach vor der Nordwestseite der Blasiuskirche. Ein schlanker, junger J.S. Bach setzt seinen Fuß auf die erste Stufe, womit der Beginn seiner Meisterschaft symbolisiert wird. Und das nicht, wie bei Denkmälern sonst üblich, auf, sondern vor dem Sockel. Damit will der Künstler: Messerschmidt (aus Halle an der Saale) den »Gedanken der Überhöhung einer Person entgegenwirken.«



    Der selbstbewusste junge Bach


  • Dornheim ist ein kleiner Ort am Fuß des Thüringer Waldes mit knapp 600 Einwohnern; das Gemeindewappen weist eindeutig darauf hin, dass der Musikfreund hier nicht ohne Halt durchfahren sollte. Seit dem Jahre 2002 verfügt man hier über ein kleines von Professor Goebel geschaffenes Bach-Denkmal, das auf ein besonderes Ereignis an diesem Ort Bezug nimmt.





    Die Geschichte dieser Kirche geht zwar bis auf das 12. Jahrhundert zurück, aber das Bauwerk war in einen so desolaten Zustand geraten, dass die Kirche 1987 baupolizeilich gesperrt werden musste und sogar der Abriss in Erwägung gezogen wurde. Durch den neugebildeten Freundeskreis wurde mit Unterstützung des Thüringer Amtes für Denkmalpflege, des Fördervereines für Denkmalpflege und der Thüringer Landeskirche in den Jahren 1996 bis 1999 eine umfangreiche Sanierung durchgeführt. Heute bietet sich dem Besucher, der durch den Torbogen kommt ein prächtiges und idyllisches Bild.




    Beide Brautleute waren Vollwaisen und bei ihrer Hochzeit 22 Jahre alt, die Braut Maria Barbara ein paar Monate älter als der Bräutigam. Maria Barbara war die Nichte des Bürgermeisters; in Arnstadt hatte man sich kennen gelernt, inzwischen war Bach in besser dotierter Position Organist an der Blasiuskirche zu Mühlhausen. In Arnstadt hatte es ja zuvor Trouble gegeben, bei einer Anhörung warf man dem jungen Mann vor er habe »ohnlängsten die fremde Jungfer auf das Chor biethen und musiciren laßen.«. Da muss Bach wohl mit einer anderen Meid geschäkert haben, denn die Heiratswilligen waren sich so fremd nicht, er heiratete seine geliebte Cousine zweiten Grades.
    Die Trauungszeremonie fand am 17. Oktober 1707 in der Dornheimer Bartholomäuskirche statt.
    Aus der Ehe mit Maria Barbara, die nur 36 Jahre alt werden durfte, entstammen sieben Kinder, darunter die bekanntesten Bachsöhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel.


    Maria Barbara Bach starb überraschend, während ihr Mann sich im Gefolge seines Dienstherrn, des Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, in Karlsbad aufhielt. Ihr genaues Todesdatum und die Todesursache sind nicht überliefert; sie war bereits vor der Heimkehr ihres Gatten am 7. Juli 1720 auf dem Köthener Alten Friedhof bestattet worden. Auch Johann Sebastian Bach war zeitlebens immer wieder von nahen Todeserlebnissen begleitet, in seiner ersten Ehe starben ihm drei Kinder im frühen Kindesalter.

  • Dieses Thema ist ein Ruhmesblatt des Forums, und ich sehe regelmäßig hinein. Beitragen kann ich nichts, denn es gehört zu den Themen, bei denen man den Autor ruhig seine Bahnen ziehen lässt und ab und zu kundtut, dass es einem gefällt: danke, lieber hart. Auch die Bilder passen gut; ich bin jetzt dazu übergegangen, sie in meine Bilddatei unter dem Stichwort "Komponisten" zu speichern. Dann erscheinen sie regelmäßig geschlossen als screen-saver.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Bach hatte sich ja, damals aus der Lüneburger Schule kommend, in Weimar als Lakai und Mitglied der Hofkapelle etwas Geld verdient. Sein damaliger Dienstherr war der Bruder von Herzog Wilhelm Ernst.
    Diesmal kam er von Mühlhausen her und hatte bereits die Erfahrung zweier Organistenstellen im Gepäck. Er reiste an, um hier eine Orgel abzunehmen. Nun kommt er mit Herzog Wilhelm Ernst in Kontakt, der ein Musikenthusiast ist und ihm unverzüglich anbietet das Gehalt Bachs zu verdoppeln, wenn dieser nach Weimar käme. Natürlich geht er nach Weimar, lässt aber zeitlebens den Kontakt nach Mühlhausen nie ganz abreißen, der dortige Pastor wird auch Pate von Bachs erstem Kind.
    Das Arbeitsklima am Weimarer Hof ist gewöhnungsbedürftig, denn die »Dienstleister«, also auch Bach, haben zwei Herren unterschiedlicher Art zu dienen. Als Folge des 30-jährigen Krieges residieren hier zwei Herrscher in unmittelbarer Nachbarschaft. Herzog Wilhelm Ernst residiert in der Wilhelmsburg und ist eher Theologe, ein frommer Mensch, der wenig von weltlichen Lustbarkeiten hält. Er teilt sich die Regentschaft mit seinem jüngeren Bruder Johann Ernst III., der seinen Sitz auf dem Roten Schloss hat und ein Freund der schönen Künste ist. Die beiden Herrscher liegen ständig darüber im Streit, wo die dienstbaren Geister gerade zur Verfügung zu stehen haben. Was dieser Herzog Wilhelm Ernst auch anfasste, es hatte in aller Regel etwas mit Frömmelei, Freudlosigkeit, Kontrolle und Unterdrückung zu tun. Dieser gestrenge Herzog wandte sich in seiner Vereinsamung der Musik zu, hatte allerdings für weltliche Musik nicht viel übrig.


    Bach machte als Hoforganist Musica sacra und am Roten Schloss Musica viva. In Weimar waren seine musikalischen Tätigkeiten vielseitig, von weltlicher und kirchlicher bis zur Salonmusik spielte er in Weimar alles. Der dröge Herzog sah es nicht gerne, wenn Bach, der ja noch ein junger Mann war, seine Schritte zum Roten Schloss lenkte, schätzte jedoch auch das profunde Können des jungen Mannes bei der musikalischen Gottesdienstgestaltung.


    Neben all dem Musizieren wuchs die Bach-Familie; 1708 kam Tochter Catherina Dorothea zur Welt, 1710 Wilhelm Friedemann, 1713 Zwillinge, die bald nach der Taufe starben, 1714 Carl Philipp Emanuel und 1715 Johann Gottfried Bernhard.


    Auch in pädagogischer Mission war Bach in Weimar voll ausgelastet, sein erster Schüler, Johann Martin Schubart, war mit ihm nach Weimar gezogen, aber der war schon so weit fortgeschritten, dass er seinen Meister bei Abwesenheit an der Orgel vertreten konnte. Bach soll zu seiner Weimarer Zeit etwa zehn Schüler gehabt haben; in seinem gesamten Musikerleben sollen es an die achtzig gewesen sein; eine beachtenswerte pädagogische Leistung. Da entstanden auch Übungswerke für seine Ehefrauen, und das waren Arbeiten die eher nebenbei produziert wurden, aber heute der Weltliteratur der Musik zuzurechnen sind.


    Dann war Bach in seiner neun Jahre währenden Weimarer Zeit von hier aus auch oft als Orgelprüfer unterwegs; nicht nur im nahen Taubach oder in Mühlhausen, sondern auch in Kassel, Erfurt, Halle, Dresden ... - wo auch einmal ein Wettspiel mit dem französischen Klavier- und Orgelspieler Marchand angesetzt war, das dann aber nicht zustande kam.
    Bach begutachtete jeweils das neu erstellte Instrument und schloss seine Prüfung mit einem Konzert ab, danach fasste er seine Begutachtung in schriftlicher Form zusammen und übergab dem Rat oder dem Konsistorium seinen detaillierten Bericht; das klingt so als sei das eine Art »Orgel-TÜV« gewesen ...


    Wie bereits schon früher, gab es auch in seiner Weimarer Zeit immer wieder Diskussionen, weil kirchliche Kreise sich vehement gegen die Verweltlichung kirchlicher Musik wandten. Bach war in Sachen Musik zwar die unumstrittene Nummer eins, weil er sehr oft auch die Aufgaben des kränkelnden Kapellmeisters Drese übernahm, dessen Sohn auch nicht viel zu Wege brachte. Als der alte Drese 1716 starb, war es in Weimar scheinbar allgemein klar, dass Bach dessen Position übernehmen würde. Bachs Enttäuschung war dann groß, als der Herzog den wenig fähigen Drese-Sohn als Kapellmeister vorzog. Das war eine herzogliche Entscheidung, die eindeutig gegen Bach ging. Damit war Weimar für Bach »gestorben«.


    Meister Bach hatte inzwischen in Weißenfels den jungen Fürst Leopold von Anhalt-Köthen kennengelernt, der ihn im August 1717 als Kapellmeister nach Köthen verpflichtete.
    Aber das war mit Herzog Wilhelm Ernst nicht zu machen, er stellte sich quer und gab seinem Musikus nicht frei; auch diplomatische Bemühungen der Köthener konnten in dieser Sache nichts bewirken, der Weimarer Herzog blieb hart. Er blieb nicht nur in dieser Angelegenheit hart, sondern demütigte und missachtete Johann Sebastian Bach in vielfältiger Weise. Bach versuchte alles Mögliche von Weimar loszukommen, aber alle Anstrengungen waren vergeblich.


    Schließlich war der Gipfel dieser Auseinandersetzung erreicht - Bach wurde verhaftet. Der Hofsekretär hielt die Daten fest:


    »6. November ist der bisherige Konzertmeister und Organist Bach wegen seiner halsstarrigen Bezeugung von zu erzwingender Dimission auf der Landrichterstube arretiert und endlich den 2. Dezember darauf mit angezeigter ungnädiger Dimission des Arrestes befreiet worden.«


    Bach hatte es mit seiner Familie eilig hier wegzukommen; am 2. Dezember 1717 wurde er aus dem Weimarer Arrest entlassen, am 10. Dezember sollte Fürst Leopolds Geburtstagsfest stattfinden, er erwartete vom neuen Kapellmeister eine Glückwunschkantate. In acht Tagen hatte Bach mit seiner Familie in zwei vollbeladenen Wagen die Distanz von Weimar bis nach Köthen zurückzulegen, wo sich ihm ein neues Betätigungsfeld bot.


    Welche Spuren Bachs gibt es heute noch in Weimar?


    Die Situation im Herbst 2016 ist so, dass eine bescheidene Bach-Büste vis-á-vis der Hochschule für Musik Franz Liszt steht; zur besseren optischen Orientierung kann das weit größere Reiterstandbild von Carl August auf dem Platz der Demokratie dienen.
    An der Denkmal-Stele von Bach fehlen einige Buchstaben ... besser wäre es gewesen nach alter Handwerkskunst die Buchstaben in den Stein zu hauen ...





    Besser wäre es gewesen, nach alter Handwerkskunst die Buchstaben in den Stein zu hauen ...


    Aber wie man hört, sind hier große Dinge geplant, es sind Bestrebungen im Gange das ehemalige Bach-Haus, wo J. S. Bach von 1708 bis 1717 wohnte, auf den noch vorhandenen Grundmauern wieder zu errichten, denn man ist der Ansicht, dass sämtliche Wohnorte Bachs entweder unbekannt oder nur noch zu vermuten oder nicht mehr existent sind und einzig in Weimar noch originale Bausubstanz erhalten ist.
    Ein Teil des ehemaligen Hotels »Erbprinzen« - also das ehemalige Bachhaus - wurde noch am 9. Februar 1945 von einer Bombe getroffen und bis auf die Grundmauern zerstört. Was noch vorhanden war, wurde 1988/89 abgerissen. Heute ist dort ein Parkplatz. Eine Bürgerinitiative will auf den noch erhaltenen originalen Kellern das Bach-Haus wieder auferstehen lassen.




  • Eine Stadt, in dessen Ortsnamen die zweite Silbe BACH lautet, braucht wohl ein Bach-Denkmal, aber es wurde relativ spät errichtet, erst seit 2003 steht es dort auf dem Martin-Luther-Platz, zwischen den Kirchen St. Johannis und St. Gumbertus. Bedingt durch die relativ späte Entstehung ist das Denkmal modern, beziehungsweise zeitgemäß gestaltet. Der badische Künstler Jürgen Goertz hat diese Säule, die wie ein Kerzenleuchter auf dem Platz steht, aus Aluminium gefertigt. Das etwa fünf Meter hohe Kunstwerk hat 60.000 Euro gekostet, die ausschließlich aus Spendengeldern zusammen kamen.
    Auf dem überdimensionalen Säulenkapitell sind neben einem Halbrelief von Bach, ein Notenschlüssel mit der Unterschrift »Musikalisches Opfer« sowie die Notenzeile B-A-C-H zu sehen. Auf der Seite, die der Johannis-Kirche zugewandt ist, sieht man ein in vier Teile aufgelöstes Bach-Porträt. Aufmerksame Konzertbesucher hatten den Säulenkünstler kritisiert, weil sie nur HACH anstelle BACH zu lesen vermochten.




    Wie kam Bach nach Ansbach?
    Der Barockmeister selbst war vermutlich nie hier gewesen. Der Musiker und Antiquitätenhändler Dr. Carl Weymar kam in der Nachkriegszeit von Leipzig nach München. Dort lernte er den Cellisten Ludwig Hoelscher und den Dirigenten Ferdinand Leitner kennen. Es bildete sich ein Kreis Musikinteressierter und einer dieser Musikfreunde war stolzer Besitzer eines Schlosses. Man traf sich in Schloss Weißenstein wo man in der Nachkriegszeit in barockem Ambiente Bachs Musik aufführen konnte. Die Konzerte fanden rund um Johann Sebastian Bachs Todestag statt, man traf sich im Jahr 1947 vom 27. Juli bis 3. August und spielte Bach, Bach und nochmals Bach ... Musiker und Zuhörer waren von diesen Konzerten so begeistert, dass man ein da capo für das nächste Jahr ins Auge fasste. Die Infrastruktur um Pommersfelden war natürlich alles andere als ideal. Die Residenzstadt Ansbach war nur 70 Kilometer von Pommersfelden entfernt und bot den anreisenden Musikern und Gästen ganz andere Möglichkeiten. Die Stadt war weitgehend unzerstört geblieben, so dass neben einem repräsentativen Festsaal auch zwei große Kirchen zur Verfügung standen. Ab 1948 fanden die Bachwochen dann in Ansbach statt und machten sich recht schnell einen Namen.
    Die politischen Verhältnisse entwickelten sich dann so, dass der Zugang zu den originalen Stätten Bachschen Wirkens in der Regel nicht mehr möglich war. Mit der Zeit war nun Ansbach für viele prominente Interpreten zu einer ersten Adresse geworden.



    Ab 1955 prägte der Cembalist, Organist und Dirigent Karl Richter im Wesentlichen das Programm der Bachwoche Ansbach für fast zehn Jahre; er verband seinen Münchener Bachchor mit herausragenden Solisten wie zum Beispiel die Instrumentalisten Henryk Szeryng, Andres Segovia, Ralph Kirkpatrick und namhaften Sängern wie Peter Pears, Fritz Wunderlich, Dietrich Fischer-Dieskau ...


    1966 erfolgte eine Art Neuanfang indem die Stadt Ansbach die Trägerschaft der Bachwoche übernahm und Rudolf Hetzer, langjähriges Mitglied im »Verein der Freunde der Bachwoche«, die künstlerische Leitung übernahm. Seither arbeitet man im Zweijahres-Turnus. In dieser Zeit traten dann Instrumental-Künstler wie Nathan Milstein, Mstislaw Rostropowitsch, Maurice André, Thomas Zehetmair ... in Ansbach in Erscheinung, aber auch Dirigenten wie Sir Neville Marriner und Helmuth Rilling. Ganz behutsam nahm man dann auch mal Werke anderer Komponisten ins Programm.


    Als in den 1980er Jahren der Pianist und Kapellmeister Hans-Georg Schäfer für die Festwoche verantwortlich war, bezog dieser die Söhne Johann Sebastian Bachs in die Programmgestaltung ein und man ging noch einen Schritt weiter und in Ansbach erschienen nun auch Claudio Monteverdi, Henry Purcell und Heinrich Schütz und sogar Komponisten des 20. Jahrhunderts.


    Danach wurde es noch bunter, natürlich setzte man allesmögliche in Bezug zu Bach, wie zum Beispiel »Bach und Strawinsky«. Die Bachwochen der letzten Jahre zeigen ein anderes Gesicht als die »astreinen» Bach-Veranstaltungen der ersten Jahre. Auch am Bach-Denkmal selbst, das optisch in zwei historische Kirchenbauten eingebettet ist, zeigt sich, dass die Zeit nicht stehengeblieben ist.

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  • Eine späte Ehrung für Hermann Levi in Karlsruhe




    Als 1927 im Karlsruher Musikerviertel die Straßen nach Opern, Opernfiguren und Musikern benannt wurden, hatte man Hermann Levi vergessen, wogegen es eine Felix-Mottl-Straße gibt, das war ein Dirigent, der nach Levi mehr als zwei Jahrzehnte lang die musikalische Kultur der Stadt prägte und viele Jahre in Bayreuth tätig war.
    Seit heute, 1. Februar 2017, gedenkt man hier, am Platz vor dem Badischen Staatstheater, öffentlich des großen Dirigenten Hermann Levi, der einst als gefeierter Hofkapellmeister am Badischen Hoftheater von 1864 bis 1872 wirkte. Die Idee zu dieser Ehrung wurde bereits vor 25 Jahren entwickelt, konnte aber erst jetzt in die Tat umgesetzt werden. Am Samstagabend, 28. Januar 2017, wurde im Rahmen einer kleinen Feier das neue Schild enthüllt, wobei die Blechbläser der Badischen Staatskapelle ein Fanfarenstück aus »Parsifal« spielten.


    Eine kleine Informationsausstellung im oberen Foyer des Badischen Staatstheaters





    Dort hat man auf insgesamt sechs weißen Fahnen Informationen zum Leben und Wirken des Dirigenten Hermann Levi aufgehängt. Zusätzlich ist noch ein Film von Angelika Weber mit dem Titel »Ein Solitär namens Hermann Levi« zu sehen, der weitere Einblicke ermöglicht.


    Der Sohn eines liberalen Rabbiners galt als musikalisches Wunderkind. Er studierte von 1855 bis 1858 am Leipziger Konservatorium und kam dann über die Kapellmeister-Stationen Saarbrücken, Mannheim und Rotterdam auf Empfehlung seines Kompositionslehrers Vinzenz Lachner 1864 an das Karlsruher Hoftheater. In den Folgejahren wurde dort auf hohem künstlerischem Niveau musiziert und unter anderem »Ein deutsches Requiem« von Johannes Brahms und die damals noch sehr jungen »Meistersinger von Nürnberg« aufgeführt. München bot dann aber mehr Möglichkeiten, vor allem ein größeres Orchester. So nahm Levi mit einem feierlichen Konzert im Juni 1872 seinen Abschied aus Karlsruhe; die Presse berichtete damals von »Blumenregen und endlosen Akklamationen«


    In München beschäftigte sich Levi mit weiteren Werken Richard Wagners, woraus sich eine Freundschaft zwischen dem Komponisten und Dirigenten entwickelte. Im Sommer1875 fuhr Levi nach Bayreuth und war bei den Proben von »Siegfried« und »Die Götterdämmerung« dabei. Er war dort als Korrepetitor tätig und organisierte auch 1877 in München ein Benefizkonzert, um Wagners klamme Kasse etwas aufzufüllen, denn die Festspiele mussten eine Pause einlegen.
    Als es in Bayreuth wieder weitergehen konnte, plante Wagner die Aufführung seines neuen Werkes, das er Bühnenweihfestspiel nannte - »Parsifal« war entstanden, ein besonderes Stück, das nur in Bayreuth und nirgendwo sonst, aufgeführt werden sollte. Levi war zwar über jeden künstlerischen Zweifel erhaben, aber dann tauchten Probleme religiöser Art auf; Meister Wagner hatte ein Problem damit, dass ein Jude dieses christliche Werk dirigieren sollte und war der Meinung, dass es einem unchristlichen Dirigenten nicht möglich sei die Tiefe dieses Bühnenweihfestspiels zu erfassen - Richard Wagner forderte Levi auf sich Taufen zu lassen, aber bei aller musikalischen Hingabe, hatte dieser auch seinen Stolz und lehnte dieses Ansinnen ab. Wagner hatte Levi im Sommer 1881, als Levi in der Villa Wahnfried zu Gast war, einen anonymen Brief gezeigt, der die Forderung enthielt, dass Wagner sein Werk »rein« halten solle. Daraufhin ging Levi aus Bayreuth weg und bat Wagner ihn aus der Uraufführung des Werks zu entlassen. Nun sah Wagner die Aufführung seines neuen Werks ernstlich gefährdet und ruderte zurück und es gelang ihm mit vielen schönen Worten Hermann Levi zurückzugewinnen. Levi dirigierte »Parsifal« dann nicht nur bei der Uraufführung, sondern öfter auch noch einige Jahre nach Wagners Tod.


    Die neue Oper »Wahnfried« - Uraufführung in Karlsruhe


    Die Einweihung der neuen Platzbezeichnung fand quasi als Vorspiel zur Uraufführung der Oper »Wahnfried« statt.
    Spritzige Musik und spielfreudiges Ensemble: »Wahnfried« von Avner Dorman in Karlsruhe umjubelt - so wird das Ereignis auf der Kulturseite der BNN in der Unterzeile der Headline beschrieben. »Wahnfried« ist eine Oper, die vom Badischen Staatstheater in Auftrag gegeben wurde. Die Musik komponierte der junge, in Tel Aviv geborene und in den USA lebende Avner Dorman. In dieser Oper hat auch Hermann Levi einen recht sympathischen Auftritt. Die Oper kann als Satire um die Nachfahren Richards gelten, die sich schon seit fast ewigen Zeiten darum streiten, was als Erbe des Meisters zu gelten hat.



    Spenden für das Grab von Hermann Levi in Garmisch-Partenkirchen


    Der Richard-Wagner-Verband hat in der kleinen Ausstellung im Foyer auch eine Spendenbox installiert. Das Staatstheater unterstützt den Richard-Wagner-Verband Karlsruhe e. V. bei der Wiedererrichtung von Levis Mausoleum in Garmisch-Partenkirchen, das von den Nationalsozialisten zerstört wurde.
    Als Hermann Levi im 55. Lebensjahr die Witwe Mary Fiedler heiratete, hatte er den Wunsch sich in Partenkirchen niederzulassen, erwarb ein Grundstück und ließ sich hoch über Partenkirchen eine schlossähnliche Villa mit Zwiebeltürmchen errichten. Um das Gebäude herum entstand eine Parkanlage mit hohen Bäumen.
    Levi unterstützte seine Wohngemeinde so großzügig, dass man ihm am 12. Juli 1898 das Ehrenbürgerrecht verlieh. Seit 1925 gab es dann auch einen Hermann-Levi-Weg in der Gemeinde. Mitte der 1930er Jahre erfolgte eine Umbenennung des Weges, seit 1945 ist das die Karwendelstraße. Nachdem Hermann Levi am 13. Mai 1900 in München gestorben war, hatte die Witwe den Wunsch für ihn ein Mausoleum errichten zulassen, damit man den Sarg Levis aus der Münchner Gruft der Familie Fiedler nach Partenkirchen überführen konnte. Sie beauftragte den Architekten Adolf von Hildebrand, der schon das Wohnhaus entworfen hatte, mit dem Bau der Grabstätte im Park. An der Stirnseite der Grabhalle war ein Bildnis Levis angebracht und ein Engel wachte über den Eingang zur Halle. Als die Nazi-Vandalen das Grabmal zerstörten und dem Erdboden gleich machten, war auch der Engel überfordert. Jahrzehnte lang war aber auch unsere moderne Gesellschaft überfordert - es ist möglich, sich die schlimmen Bilder auf einigen Internetseiten anzusehen, ich möchte sie hier nicht einstellen ...



    Dieses Porträt von Hermann Levi ist an der Außenfassade in der Nähe des Eingangs angebracht


    Die Ausstellung ist in der Regel nur eine Stunde vor Beginn einer Vorstellung zugänglich.

  • Der Gedenkstein am Meininger Theater - das weltweit einzige Bülow-Denkmal




    Wer am Meininger Theater vorbeigeht, kann den zu Ehren Bülows gesetzten Gedenkstein durchaus übersehen; und wenn man ihn sieht, muss man das ovale Bronze-Medaillon schon etwas genauer in Augenschein nehmen, um einen halben Klampfenkorpus, ein paar Orgelpfeifen und einige Ventile zu erkennen.


    Wenn man das als Vorderseite betrachtet, ist festzustellen, dass sich der in den Stein gemeißelte Name HANS VON BÜLOW auf der Rückseite befindet. Der Entwurf des Bildhauers Werner Stötzer wurde von einer Jury aus zehn Einreichungen ausgewählt.
    Der Anlass zur Aufstellung dieses Denkmals war der 100. Todestag Hans von Bülows, wobei man das nicht auf den Tag genau nahm, sondern für die Einweihungsfeierlichkeiten den 1. Mai 1994 wählte, der normalerweise meteorologisch bessere Bedingungen bietet als ein 12. Februar. In Meiningen fanden 1994 vom 22. April bis zum 15. Mai die »Landesmusiktage Hans von Bülow« unter Beteiligung hochkarätiger musikalischer Prominenz statt.
    Aus Meiningen wurde das vierte Europakonzert der Berliner Philharmoniker in 23 Länder übertragen: Am Abend gab es Beethovens Klavierconcerto Nr. 5 in Es-Dur, ein virtuoser Auftritt von Claudio Abbado und Daniel Barenboim, gefolgt von Brahms Sinfonie Nr. 2 in D-Dur op.73.
    August Everding, der Intendant der Bayrischen Staatstheater, inszenierte im Rahmen dieser Festivitäten Wagners »Meistersinger«, die Hans von Bülow 1868 in München uraufgeführt hatte; und man präsentierte eine »Martha«-Inszenierung Victor von Bülows alias Loriot, einem unmittelbaren Nachfahren Hans von Bülows.


    Hans von Bülows Jahre in Meiningen
    Im relativ kleinen Herzogtum Sachsen-Meiningen nahm die Kultur schon lange einen besonderen Platz ein. Das Meininger Theater hatte über viele Jahre einen glänzenden Ruf und galt in vielen Belangen als vorbildlich. Georg II. war ein künstlerisch gebildeter Potentat, der 1873 die Schauspielerin Ellen Franz als Freifrau von Heldenburg heiratete. Diese neue Meininger Herzogin war in Berlin vordem eine von Bülows Klavierschülerinnen gewesen und versuchte nun nach Kräften ihren einstigen Klavierlehrer für das Meininger Orchester zu gewinnen. Im Herbst 1873 war Bülow im Rahmen einer kleinen Konzertreise erstmals nach Meiningen gekommen, wo er im Schloss Sonaten von Beethoven spielte. Das provinzielle Umfeld dort stand natürlich im krassen Gegensatz zu dem, was Bülow in den großen Metropolen gewöhnt war. Aber das Herzogpaar sicherte ihm viele künstlerische Freiheiten zu und auch seine auswärtigen Verpflichtungen sollte Bülow bedienen können. Die nicht gar so üppige Jahresgage von 5.000 Mark war wohl nicht das Entscheidende für Bülow - er war eher daran interessiert sich einen Traum von erstklassiger Orchesterarbeit zu erfüllen.
    Bülows Intendanten-Vertrag ist zum 1. März 1880 datiert; der Anspruch des Dirigenten ist hoch, es ist die Rede sowohl von der Erziehung der Orchestermusiker als auch des Publikums; die Programmgestaltung war entsprechend; zunächst konzentrierte man sich auf die Werke Beethovens. Die Probezeiten mit dem Orchester waren außerordentlich lang, aber danach wurden dem Publikum dann auch reife und ausgefeilte Musteraufführungen geboten.
    Schließlich tauchte noch Johannes Brahms höchstselbst in Meiningen mit den Noten seines neuen zweiten Klavierkonzertes auf, um in dieser Abgeschiedenheit sein Werk einzustudieren, bevor er es der großen Welt präsentierte. In Meiningen schloss Hans von Bülow 1882 auch eine zweite Ehe mit der Schauspielerin Marie Schanzer.


    Wie bereits erwähnt, entstammte die Herzogin ursprünglich auch dem Schauspielberuf, bald war das Verhältnis der beiden Damen getrübt; eine Nichtigkeit gab den offiziellen Anlass, dass die Bülows ihre Tätigkeit zum 1. April 1885 in Meiningen beendeten; aber Bülow dirigierte die bereits geplanten Konzerte noch über diesen Termin hinaus. Auf Bülows Vorschlag erschien nun der 21-jährige Richard Strauss als Bülows Nachfolger in Meiningen.



    Mit einer Freiluft-Serenade der vereinigten Bläserkapelle des Meininger und des Berliner Orchesters wurde das Bülow-Denkmal eingeweiht, es war ein Musikstück von Richard Strauss.

  • Über Hermann Levi gibt es eine (m.E. die einzige!) Biographie:
    "Frithjof Haas: Zwischen Brahms und Wagner, der Dirigent Hermann Levi, Atlantis Musikbuchverlag, ISBN3-254-00194-X


    Das Buch dürfte leider nur noch antiquarisch zu erhalten sein.

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Lieber Joachim,
    da habe ich eine frohe Botschaft; das von Dir angesprochene Buch ist bei Amazon gegenwärtig für 15,84 Euro zu haben - gebraucht sogar schon für 3,38 Euro ...



    Hermann Levi war ein Dirigent, der sich mit uneingeschränkter Hingabe für die Werke der beiden Antipoden der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte: Johannes Brahms und, nach dem Zerwürfnis mit ihm, Richard Wagner. Wenig bekannt ist, dass Levi Talent zum Komponieren besaß und sich als Übersetzer von Libretti beispielsweise einiger Opern Mozarts auszeichnete. Stand er als schöpferischer Künstler im Spannungsfeld um Brahms und Wagner, so litt er als Jude unter dem seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmenden Druck der Gesellschaft. Dennoch gab er diesem Druck nicht nach und trat nicht wie viele Persönlichkeiten vor ihm zum Christentum über, auch nicht nach der Heirat mit einer Christin. Er litt unendlich unter seinem Judentum und kam erst zur Ruhe, als er nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit Trost in den Schriften Goethes und Schopenhauers fand.Ein Buch, das nicht nur die Künstlerpersönlichkeit Levi aufzeigt, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen gesellschaftlicher Zusammenhänge wirft - eine anschauliche Darstellung. -- Von Gießen nach Mannheim - Studien in Leipzig und Paris - Kapellmeisterlehrjahre in Saarbrücken, Mannheim und Rotterdam - Intermezzo I: Der Komponist Hermann Levi - Am Karlsruher Hoftheater - Anfang mit Johannes Brahms - Vom Deutschen Requiem zu den Meistersingern - Karlsruher Abschied mit Triumphlied - Intermezzo II: Der Dirigent Hermann Levi - Der königlich bayerische Hofkapellmeister - Die Freundschaft mit Brahms zerbricht - Die Künstlerkreise um Paul Heyse und Franz von Lenbach - Im Banne des Grals - Intermezzo III: Der Bearbeiter und Literat Levi - Im Streit um das Bayreuther Erbe - Von Perfall zu Possart - Anton Bruckner erscheint - Die Meisterin und ihr Major - Das Ende mit Mozart und Goethe - Nachwort: Hermann Levi - Jude oder Christ? - Anhang - Abkürzungen - Quellen - Texte der Brief-Faksimiles - Register - Abbildungsnachweis

  • Lieber Hart,


    vielen Dank für den Hinweis.
    Ich habe das Buch vor ca. 14 Jahren gekauft und hätte nicht für möglich gehalten, daß es noch erhältlich ist.
    Die Weigerung Levis, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und sich taufen zu lassen, beruht vielleicht auch auf der Tatsache, daß er einer langen Dynastie hoch angesehener Rabbiner entstammt, deren Gründer angeblich sogar Schüler des Hohen Rabbi Löw in Prag gewesen sein soll!
    Wie sehr er unter den Zurücksetzungen litt, die er von gewissen Kreisen erfahren musste, zeigt die folgende Anekdote:
    in einem Festspielsommer ging er mit seinem Fraund und Schüler Felix Mottl nach den Proben aus dem Festspielhaus in Bayreuth zurück ins Hotel.
    Levi fragte ihn, warum er diese ganzen Demütigungen in Bayreuth ertragen würde, er habe derlei doch überhaupt nicht nötig.
    Darauf lachte Levi bitter auf und rief: "Sie heben gut reden, Sie...Christ!"


    Viele Grüße


    Joachim

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

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  • Ein neues Buch macht Lust auf einen Besuch in Bayreuth. Jetzt herrscht dort nämlich genau die Stille der Einkehr, um sich das Werk Richard Wagners, des einst berühmtesten Bewohners der Stadt, zu vergegenwärtigen. Das geht auch ohne stundenlange Opernvorstellung. Ist das Festspielhaus droben auf dem Grünen Hügel erst einmal winterfest gemacht wie eine Sommerfrische, gibt sich Bayreuth auf eine sympathische Weise verschnarcht. Eine gemütliche Bleibe findet sich, der Schweinsbraten, dem selbst mancher Vegetarier nicht widerstehen kann, schmeckt im Winter ohnehin besser als im Sommer. Dazu ein frisch gezapftes Maisel’s vom Fass. Was will man mehr.


    Schnurstracks führt der Weg in die Richard-Wagner-Straße 48. Wahnfried – Das Haus von Richard Wagner. So auch der Titel des Buches von Markus Kiesel und Joachim Mildner, das in der Verlagsgesellschaft ConBrio erschienen ist. Kiesel, Musikwissenschaftler und Kulturmanager, hat über Siegfried Wagner promoviert. Mildner studierte Graphic Design, Kunstgeschichte und Architektur und arbeitete als Regieassistent am Opernhaus in Kassel. Ihr üppig ausgestatteter Band gleicht selbst einer Theaterinszenierung, die rechts neben die deutschen Textspalten gestellte englische Übersetzung der Übertitelung im Opernhaus. Es wird mit allen graphischen Raffinessen gespielt. Farbe trifft auf Schwarzweiß, ein Stich ist rot umrandet, auf den Fotos, die den Erweiterungsbau in magisches Licht tauchen, fällt nicht eine Linie, mal verdichtet sich eine Ansicht wie gestochen zur Miniatur, dann wieder wird ausladend geklotzt. Was die Herausgeber zu bieten haben, will mehr sein als ein Führer durch die Gedenkstätte nach dem Umbau. Und das ist es auch.


    Auf 175 großformatigen Seiten findet sich die wechselvolle Geschichte des Anwesens dargestellt von den ersten Ideen und Plänen bis in die unmittelbare Gegenwart. Fotos eröffnen einen Einblick in die vollgestopften offiziellen Räume, wie sie Wagner selbst noch bewohnt hatte. Schlafgemächer und Hinterzimmer bleiben ausgespart. Auch die Küche im Souterrain, von der es einen Speisenaufzug nach oben gab, ist offenbar nie abgelichtet worden. Ebenso die Badezimmer und Toiletten. Das schickte sich nicht. Fauteuils, Teppiche, Wandspiegel, Paravents, Vorhänge, Büsten und Palmenständer türmten sich. Eine Orgie des schlechten Geschmacks der Gründerzeit. Nach dem Tod des Hausherrn 1883 wurde der Zustand konserviert. Kein Federhalter durfte berührt, kein Stuhl verrückt werden. Barett und Hausmantel des Meisters verschwanden unter einer Glocke Mottenpulver. Umso heftiger war die verheerende Wirkung der Sprengbombe, die den zum Garten gelegenen Teil der Villa kurz vor Kriegende am 5. April 1945 traf. Vom Saal, in dem Wagner gern seine Getreuen versammelt hatte, auf Gemälden, Stichen und Ansichtskarten oft gezeigt, blieb nichts übrig. Bekanntlich war dort auch die Bibliothek untergebracht, die allerdings vor der Zerstörung gemeinsam mit wichtigen Archivalien in Sicherheit gebracht werden konnte. Der Eindruck, den Fotos vermitteln, ist verheerend. Ein passendes Zitat haben die Autoren im zweiten Aufzug des Lohengrin aus dem Munde des Grafen Telramund gefunden: „So zieht das Unheil in dies Haus!“ Wenn es sich denn nicht schon lange vorher in Gestalt Adolf Hitlers und seines Gefolges darin festgesetzt hätte. Der Diktator ging in Wahnfried ein und aus.


    Nach der Lektüre habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass sich diese Neugestaltung, die auch dezente Eingriffe in die historische Substanz erforderlich machte, die einzige Möglichkeit ist, diesen Ort zukunftsfähig zu machen. In wieweit die Virtualität des Buches dem direkten Vergleich mit der Wirklichkeit standhält, wird sich bei der persönlichen Inaugenscheinnahme herausstellen. Geöffnet ist das Museum Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr. Im Juli und August täglich. Fast reflexartig möchte man gleich ins Auto steigen oder eine Fahrkarte für die Bahn buchen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt. Die Gefahr, in eine Touristenfalle zu tappen, ist ausgeschlossen. Ein „besonderer Dank“ an die Stadt Bayreuth und seine Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, der noch vor dem Inhaltsverzeichnis schriftlich abgestattet wird, sollte keinen Argwohn wecken. Schließlich hat Bayreuth neben Wagner, Schweinsbraten und Weißbier auch noch andere schöne Dinge zu bieten – Museen, Galerien und das einzigartige Markgräfliche Opernhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert, welches in den Rang eines Unesco-Welterbes erhoben wurde.


    An meinen ersten Besuch in Wahnfried Anfang der neunziger Jahre erinnere ich mich noch sehr genau. Damals bin ich ehrfürchtig angereist und enttäuscht von dannen gezogen. Zwar hatte das Gebäude nach seinen schweren Bombenschäden im Krieg seine ursprüngliche Gestalt zurückerhalten. Saal und Halle wirkten aber abweisend und kühl, die oberen Etagen verströmten den biederen Charme eines Heimatmuseums. Nichts war mehr echt, nichts inspirierend. Devotionalien, die der Krieg übriggelassen hatte, wären so auch auf einem guten Flohmarkt zu finden gewesen. Es eröffnete sich keine rechte Distanz für den Betrachter. Stattdessen wurde ihm die Illusion vermittelt, im Haus Richard Wagner zu sein – wo sein "Wähnen Frieden fand". Glaubt man den Fotos und den Berichten, soll das nun anders sein. Im Buch wird der Architekt der Generalsanierung und des Erweiterungsbaus, Volker Staab, interviewt. Auch wenn er zu „Wagner nie eine innige Beziehung hatte“, bringe er großen Respekt vor dem historischen Erbe mit, das er in Bayreuth vorgefunden hatte. Mit seiner Rekonstruktion habe er versucht, sich mit dem Inhalt und dem Ort authentisch auseinanderzusetzen.


    Einbezogen in die neue Gestaltung ist auch der Anbau von Wahnfried, das so genannte Siegfried-Wagner-Haus mit seinem Pavillon, wo dessen 1980 verstorbene Witwe Winifred wie ein leibhaftiges Menetekel residierte. Wie es dort in ihren letzten Jahren ausgesehen hat, davon konnten sich die Zuschauer eines Filminterviews überzeugen, das sie 1975 dem Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg gegeben hat. Es ist im Fernsehen gezeigt worden und liegt auch als DVD vor. Während des Gesprächs bekannte sie sich ungebrochen zu ihren Freundschaft mit Hitler. Wenn der "hier zum Beispiel zur Tür hereinkäme", sie wäre genau so fröhlich und glücklich, ihn zu "sehen und zu haben, als wie immer". Als ich nach Wahnfried kam, hatte ich diese ungeheuerliche Bemerkung, die seinerzeit als handfester Skandal durch die Medien ging, und in der DDR gegen die Bundesrepublik ausgeschlachtet wurde, als geistiges Gepäck bei mir. So etwas vergisst sich nicht. Und das ist auch gut so. Wer den Ort aufsucht, muss darauf gefasst sein, auf dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte zu stoßen.


    Ein bisschen Familientherapie betreibt – wie nicht anders zu erwarten – Nike Wagner in ihrem sprachlich funkelnden Vorwort, das ich sehr gern gelesen habe. Als Tochter des Wagner-Enkels Wieland hatte sie ihre Kindheit in Wahnfried verbracht. Ihr Vater hatte den ausgebombten Bereich radikal ergänzen lassen. Das Gebäude wurde nach hinten ein „typischer Neubaus der Adenauerzeit“, wie es im Buch heißt. Fotos belegen das. Für viele Nachgeborene „mag es unvorstellbar sein, dass dieses von der Musikgeschichte geadelte und von der Baugeschichte geschundene Haus einmal eine Villa Kunterbunt“ gewesen sei. Eine Familienvilla "mit aller nur denkbaren Lebendigkeit und Turbulenz, voller kurioser, liebenswerter und schwer verträglicher Figuren, immer bewegt und durchtränkt von dem Anspruch, das Erbe halten und mehren zu wollen". In einem Museum hätte er nicht leben wollen, zitiert Nike Wagner ihren Vater, der damit "dem neuen Leben aus den Ruinen" seine Reverenz erwiesen habe.


    Weil ich keine eigenen Fotos zur Verfügung haben, verzichte ich darauf, welche aus dem Netz einzustellen. Sie dürften nämlich nicht rechtsfrei sein.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent



  • Wenn man vor so einer Gedenktafel steht, sieht man nur die wichtigsten nüchternen Daten und hat von den Ereignissen in dieser Zeitspanne normalerweise keine Ahnung.


    Kurz vor den Osterfeiertagen, am Gründonnerstag 1891, kam Gustav Mahler, von Budapest anreisend, wo er von 1888 bis1891 Direktor der Königlich Ungarischen Oper in Budapest war, erstmals in die Hansestadt. Von Bernhard Pollini, dem Theaterdirektor des Hamburger Stadt-Theaters, war Mahler als eine Art Wundermann avisiert worden. Und sie hatten ja in Hamburg schon einen solchen, nämlich Hans von Bülow, der nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland als musikalische Autorität galt.
    Dieser Herr von Bülow hofierte den Neuankömmling sogar coram publico, so dass dies Mahler mitunter als peinlich empfand. Dennoch war das Verhältnis der beiden Männer nicht freundschaftlich; da war Rivalität und gegenseitige Bewunderung.
    Bülows Bewunderung galt dem Dirigenten Mahler, aber Mahlers Kompositionen konnten bei Bülow keine Anerkennung finden, weil er Wagnerische Maßstäbe ansetzte.


    Mahlers Hamburger Debüt war eine umjubelte »Tannhäuser«- Aufführung am Ostersonntag, es war der 29. März 1891. Man bereitete Mahler Ovationen und die Begeisterung von Direktor Pollini ging sogar so weit, dass er seinem neuen Kapellmeister im Angesicht des allgemeinen Jubels aus freien Stücken 2000 Mark Jahresgehalt mehr anbot, als vertragsmäßig vereinbart war. Somit bekam Mahler für eine neunmonatige Saison 14. 000 Mark, das war damals in Deutschland ein absolutes Spitzengehalt für einen Dirigenten, aber wie man im Folgenden sieht, musste dieses Geld hart erarbeitet werden.


    Bernhard Pollini, Mahlers Theaterdirektor, wird als kluger, gebildeter, selbstbewusster, cleverer und auch etwas eitler Mann beschrieben; er konnte sogar eine kleine Theaterlaufbahn als Sänger vorweisen. Als Chef einer italienischen Operntruppe hatte er halb Europa bereist und wurde schließlich 1874 Pächter des heruntergewirtschafteten Hamburger Theaters.
    Sowohl der künstlerische als auch wirtschaftliche Erfolg Pollinis war nach seiner Übernahme so groß, dass der Pachtvertrag mehrmals verlängert wurde; zwei Jahre später übernahm er auch noch das Theater in Altona.
    Obwohl Mahler als »schwierig« bekannt war, holte der mit einem sicheren Instinkt ausgestattete Pollini den Dirigenten-Komponisten nach Hamburg.
    Während Mahler in seiner Budapester Position auch administrativ gefordert war, hatte er in Pollini einen Chef, der diesen Part mit Bravour spielte. Aber das Schlechte an der Sache war, dass auch die Programmgestaltung ausschließlich von Pollini festgelegt wurde und der Herr Kapellmeister außen vor blieb; so hatte Mahler zum Beispiel während der Theaterferien keinerlei Ahnung, was in der neuen Spielzeit auf ihn zukommt.
    Das Antrittsjahr war noch nicht vollendet, da lag Mahler schon mit Pollini über Kreuz. Dies lässt sich aus einem Brief herauslesen, den Mahler an seine Schwester Justine im Frühjahr 1892 schrieb; darin heißt es:


    »Der Kerl ärgert mich so, dass ich nicht dafür stehen kann, dass ich ihm über kurz oder lang einen in der Nähe befindlichen Gegenstand von Holz oder Pappe an den Schädel schmeiße.«


    Aber es passierte viel Schlimmeres - zu Beginn der Spielzeit 1892/93 hatte Hamburg mit der Cholera zu kämpfen, die binnen weniger Wochen achttausend Menschen hinwegraffte. Unter diesen Umständen kehrten die Ensemblemitglieder nur zögernd und verspätet aus den Theaterferien zurück. Pollini griff hart durch, entließ einige fristlos und brummte seinem Ersten Kapellmeister Mahler eine Konventionalstrafe von 12.000 Mark auf, was fast der gesamten Jahresgage entsprach. Erst als der Theaterarzt intervenierte, konnte die Sache beigelegt werden


    Als nun Mahlers Vertragsverlängerung anstand, hatte der wendige Pollini auch ein Auge auf Richard Strauss geworfen. Aber es kam dann doch zu einem Vertragsabschluss, der Mahler bis zum Ablauf der Spielzeit 1898/99 an Hamburg binden sollte. Im Folgenden gab Pollini den Ausbeuter: Man sah Mahler in der Spielzeit 1894/95 an 123 Abenden im Stadt-Theater und 23 Mal in Altona, dazu übernahm Mahler noch acht der Abonnementkonzerte.
    Man muss Pollini zugutehalten, dass er relativ viele Novitäten ins Programm nahm. Diese Außenseiter des Repertoires vertraute er gerne Mahler an, weil er annahm, dass beim Publikum zumindest der Name Gustav Mahler eine gewisse Zugkraft ausübte. Mit insgesamt 240 Aufführungen solcher Art, übertreffen diese sogar noch Mahlers Wagner-Dirigate.
    Mahler musste hier alles Mögliche dirigieren, vom ungeliebten »Bajazzo« bis zum innig geliebten »Freischütz« und dazu jede Menge Wagner, von diesem Komponisten leitete er in seiner Hamburger Zeit 232 Aufführungen. Die »notleidenden« Komponisten waren damals in Hamburg Beethoven und Mozart; standen Opern dieser Komponisten auf dem Programm, war das Haus oft nur spärlich besetzt.
    Da in Pollinis Welt das Orchester keinen hohen Stellenwert hatte, konnte Mahler hier nicht gerade mit Spitzenkräften arbeiten und hatte mit seinem Perfektionseifer einige Mühe. Mit der sozialen Stellung der Orchestermusiker stand es nicht zum Besten, man begann in diesen Jahren gerade damit über Zuschüsse der öffentlichen Hand an das Theater nachzudenken.
    Mahlers Solistenensemble umfasste 11 Sängerinnen und 15 Sänger, der Chor zählte 60 Mitglieder, das Orchester war mit rund 80 Leuten besetzt, darunter 40 Streicher.
    Das Gespann Pollini-Mahler lebte in Dauerfehde, wie ein Auszug aus einem Brief Mahlers belegt:


    »Mit Pollini stehe ich bereits auf dem Punkt, der irgendwo nach der Ophthalmologie sich zwischen den beiden Augen befinden soll - nämlich die Stelle, wo der Mensch vor lauter Sehen nichts sieht. - Wir sehen uns einfach nicht mehr. Ich spiele nun ein Balancirspiel - da ich nun mal "bei ihm" engagirt bin. Ich muss die Bestie fest in´s Auge fassen - bei dem ersten unbewachten Moment springt sie mir in den Nacken. Auf die Dauer hat das freilich keinen Bestand«.


    Aufgrund dieser Sachlage hatte Mahler seine Fühler in alle möglichen Richtungen ausgestreckt, die am weitesten entfernte Stadt war Boston, die nächstgelegenen Bremen und Schwerin. Im Mai 1895 kündigte er seinen Vertrag, was jedoch Pollini nicht beeindruckte, er reagierte nicht.


    Aber Mahler reagierte, als 1895 die blutjunge Anfängerin Anna von Mildenburg ans Hamburger Theater gekommen war. Die Dame entwickelte sich unter der sachkundigen Anweisung des Dirigenten rasch zum Star, und bald wussten die Auguren, dass es nicht nur musikalische Interessen waren, die beide verbanden. Rein beruflicher Natur waren dagegen Mahlers Querelen mit dem »Ober-Regisseur« des Hauses.


    Aber es entwickelte sich am Hamburger Haus auch eine echte Männerfreundschaft. In der Spielzeit 1894/95 hatte Pollini einen mal grade 18-Jährigen Korrepetitor engagiert, der in gleicher Funktion vom Kölner Opernhaus kam. Mahler fand Gefallen an dem jungen Mann, dessen Wirken für ihn eine wesentliche Erleichterung bedeutete, weil er immer mehr Aufgaben übernahm. Bald war er zum Chordirektor aufgestiegen - es war der Anfänger Bruno Walter, der dann in seinem letzten Hamburger Vertragsjahr sogar noch Kapellmeister wurde.


    Man darf sich Mahler nicht aus heutiger Sicht vorstellen, wo er wohl überall eine Stelle bekäme ... Damals schrieb er an Anna von Mildenburg:


    »Ob es Pollini gelingen wird, mich hinaus zu graulen? Was ich dann thäte wüßte ich vorderhand wirklich nicht, da nirgends eine Stellung frei ist, die ich annehmen könnte.«


    Pollini holte nun Konkurrenz ins Haus, Mahlers Studienfreund Krzyzanowski als Kapellmeister und dessen Ehefrau, die dramatische Sängerin Ida Doxat. Damit konnte Pollini dem Gespann Mahler / Mildenburg ihre Lieblingsstücke wegnehmen und diese den Neuankömmlingen zuschanzen. Diesem Ränkespiel sah Mahler nicht tatenlos zu, sondern sondierte ob nicht doch ein Wechsel an die Wiener Hofpoper möglich ist, weil er von einem kranken und amtsmüden Direktor in Wien Kenntnis hatte. Obwohl die Sache nicht in trockenen Tüchern war, kündigte er seinen Vertrag mit Pollini vorzeitig zum Ende der laufenden Spielzeit 1896/97. Als er dann zumindest die Kapellmeisterposition an der Wiener Hofoper sicher hatte, ging er in Hamburg noch früher weg als vereinbart.


    Mahlers einstige Wirkungsstätte fiel 1943 einem Bombenangriff zum Opfer, der Zuschauerraum war vollkommen zerstört, wobei das Bühnenhaus verschont blieb. Das neue Haus wurde am 15. Oktober 1955 mit einer »Zauberflöte«-Aufführung wieder eröffnet.
    Die 1988 gegründete Gustav Mahler Vereinigung stiftete die Gedenktafel, die an der Stirnseite der Hamburgischen Staatsoper angebracht ist.
    Hinter der Staatsoper gibt es noch einen Gustav-Mahler-Platz und am Dammtor noch einen Gustav-Mahler-Park; in naher Zukunft dann auch noch ein Museum in dem Mahler gewürdigt wird.


    Die Gedenktafel fertigte der aus Prag stammende Bildhauer Milan Knobloch.




  • Das Brahms-Denkmal im Schlosspark Detmold


    Johannes Brahms war vor 160 Jahren, das war zu Pfingsten 1857, in der kleinen Residenz Detmold, wo es ihm so gut gefiel, dass er für den Herbst einen längeren Aufenthalt vereinbarte. Auch dieses kleine Fürstentum hatte seine kunstfördernde Bedeutung noch ein bisschen über die Zeit gerettet. Vor Brahms hatte schon Albert Lortzing für sieben Jahre in Detmold gelebt. In neuerer Zeit war der Komponist Giselher Klebe mehrere Jahrzehnte mit dieser Stadt verbunden.


    Als Brahms nach Detmold kam, war er noch kein bedeutender Komponist, hatte aber einen guten Ruf als ausgezeichneter Pianist, und dieser Fähigkeit wegen wurde er an den fürstlichen Hof eingeladen.


    Eine Schwester des regierenden Fürsten, Prinzessin Friederike, hatte Brahms bereits 1855 bei Clara Schumann kennengelernt; Brahms gab ihr und den Damen bei Hofe Klavierstunden und leitete den »Kleinen Gesangverein« im Schloss, wobei zu bemerken ist, dass im Chor sowohl der regierende Fürst als auch seine drei Schwestern mitsangen. Bei dieser Tätigkeit gelangte Brahms zu für ihn wichtigen Erkenntnissen, die er so beschreibt:


    »So freue ich mich denn, wenn sie mich recht in Anspruch nehmen wo ich so von manchem Vorteil ziehe, das ich bisher entbehrt. Wie wenig praktische Kenntnisse habe ich! Die Chorübungen zeigen mir große Blößen, sie werden mir nicht unnütz sein. Meine Sachen sind ja übermäßig unpraktisch geschrieben!«


    In den Detmolder Wintern 1857 / 58 / 59 arbeitet er neben den Orchesterserenaden auch an Liedern, die er gerne zu einem Bukett bindet, wie das bei den fünf Liedern des Opus 19 geschehen ist. Darin enthalten auch Höltys Ode »Der Kuss«, dessen Text: »Unter Blüten des Mais spiel ich mit ihrer Hand« für Brahms einen realen Hintergrund hat, denn diese Hand gehört zu einer hübschen Dame, die über eine gute Singstimme verfügt; es handelt sich um die Göttinger Arzttochter Agathe von Siebold.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte der nun 25-jährige Brahms einsehen müssen, dass eine Verbindung mit Clara Schumann fürderhin nur noch auf musikalisch-freundschaftlicher Basis möglich sein wird. Der mit Brahms befreundete Julius Otto Grimm und dessen Frau taten einiges, damit sich Agathe und Brahms näher kamen. Brahms trug seine Verliebtheit so offen zur Schau, dass Clara Schumann, die in Göttingen weilte, gekränkt abreiste, weil Johannes allzu rasch eine »Ersatzfrau« gefunden hatte. Aber Johannes Brahms erkannte bereits kurz nach dem Erwerb der Verlobungsringe, dass er zum Ehemann nicht geschaffen ist, weil er mit der Musik verheiratet war und das so zum Ausdruck bringt:


    »Ich bin verliebt in die Musik, ich liebe die Musik, ich denke nichts als sie und nur an anderes, wenn es die Musik mir schöner macht. Passen Sie auf, ich schreibe wieder Liebeslieder und nicht an A-Z, sondern an die Musik.«


    Brahms-Kenner haben herausgefunden, dass Brahms seiner ehemals großen Liebe einige Jahre später an zwei Stellen seiner Werke ein kleines musikalisches Denkmal gesetzt hat.


    Zu einer vierten Auflage der Arbeits-Besuche kam es am Schloss nicht, denn Brahms hatte die Forderung erhoben, dass er auch das Orchester selbständig verantwortlich leiten wollte, aber darauf mochte der Hof nicht eingehen.

  • Wenn man schon mal in Detmold ist, sollte man auch den roten Findling, der am Eingang zum Schlosspark gegenüber dem Landestheater steht, nicht übersehen. Aber das Theater auf der anderen Straßenseite ist nicht mehr das Hoftheater, in dem Albert Lortzing von 1826 bis 1833 wirkte, das Detmolder Hoftheater fiel 1912 einem verheerenden Brand zum Opfer und wurde 1919 neu erbaut.





    Als das Denkmal 1904 eingeweiht wurde, stand der Komponist noch in hohem Ansehen und war auf den Spielplänen der Opernhäuser sehr häufig zu finden. So recht zu verstehen ist schließlich nicht, warum der aktuelle Opernbetrieb die deutsche Spieloper seit vielen Jahren so vernachlässigt, es ist wohl der Zeitgeist, die Globalisierung - ein Komponist, der Generationen von Opernbesuchern einst im deutschsprachigen Raum erfreute, ist nicht mehr en vogue ...


    Der Bildhauer Rudolf Hölbe aus dem nahen Lemgo, der in den Jahren vorher in Detmold schon ein Kriegerdenkmal und den über einen langen Zeitraum umstrittenen Donopbrunnen gestaltet hatte, fertigte das 32 Kilogramm schwere Bronzerelief an.
    Weil die kriegsführenden Machthaber dringenden Materialbedarf hatten, wurde das Metall an beiden Hölbe-Werken1943 abmontiert und zum Einschmelzen weggeschafft.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Stadt Detmold Anfang 1949 einen Hinweis, dass man die wesentlichen Teile des Brunnens auf einem »Glockenfriedhof« in Hamburg gefunden hat. Eine Abordnung der Stadt prüfte den Fund auf dem Gelände der Norddeutschen Affinerie und sorgte für die Rückführung der Teile nach Detmold. Mehr beiläufig fand man dann bei dieser Brunnenaktion auch Lortzings Konterfei.


    Die jungen Lortzings kamen aus einem Kölner Engagement, die dortigen Theaterverhältnisse hatten sich zunehmend unfreundlich gestaltet, die Eltern blieben in Köln zurück. Die Reise mit ihren Kindern dauerte bei stürmischem Wetter - es war Anfang November 1826 - vier Tage.
    Nach Anfangsquerelen bei der Wohnungssuche fühlte sich die junge Familie in Detmold recht wohl. Das Theater war erst im November 1825 eröffnet worden, also erst ein Jahr alt. Albert Lortzing schrieb seinen Eltern, die ja auch vom Fach waren:


    »Das Theater ist sehr niedlich, ungleich höher als das Kölner, hat eine Menge Versenkungen, überhaupt viel Maschinerie.«


    Die von den Darstellern zu erbringenden Leistungen waren damals sehr vielfältig; Lortzing trat beispielsweise in Sprechrollen verschiedener Shakespeare-Stücke auf, war aber auch in Mozarts »Entführung aus dem Serail« als Pedrillo zu hören, aber auch zur Stelle, wenn gerade ein Bariton gebraucht wurde.


    Wie schon zuvor in Aachen und Köln, gewann das Ehepaar Lortzing auch in Detmold rasch die Sympathie des Publikums, wobei sich die Extempores Lortzings großer Beliebtheit erfreuten, aber mitunter auch von den Theatervorständen kritisch beobachtet wurden.
    Trotz vieler Einsätze am Detmolder Theater fand Lortzing von hier aus noch die Möglichkeit zu Gastspielen an seiner alten Wirkungsstätte in Köln oder auch in Münster, Osnabrück, Bad Pyrmont und sogar im etwas weiter entfernten Mannheim.


    Als Albert Lortzing am Hoftheater engagiert war, galt er als junger, universell einsetzbarer Bühnenkünstler. Zwar nahm das kompositorische Schaffen in Lortzings Detmolder Zeit zu. Er komponierte das Oratorium »Die Himmelfahrt Jesu Christi« und schrieb Bühnenmusiken, aber einen Namen als Komponist hatte der damals Siebenundzwanzigjährige noch nicht; erst 1837 wurde die Oper »Zar und Zimmermann« uraufgeführt.
    Ein Höhepunkt seiner Detmolder Jahre war sicherlich Lortzings Zusammenarbeit mit dem etwas unkonventionellen Christian Dietrich Grabbe, der ihn vordem noch in Form einer Theaterkritik gehörig öffentlich beschimpft hatte; der Alkohol dürfte eine gewisse Rolle gespielt haben, als sich die beiden Herren näher kamen, wobei eine geistige Verwandtschaft erkennbar wurde. Grabbes Stück »Don Juan und Faust« ging tatsächlich am 29. März 1829 in Detmold mit der Bühnenmusik von Albert Lortzing über die Bühne; mit Lortzing in der Rolle des Don Juan und seiner Frau als Donna Anna. Ein Aufführungsverbot durch die Zensurbehörde folgte auf dem Fuße.


    Wie viele andere Musiker auch, blieb Lortzing nicht von politischen Ereignissen verschont; sein Fürst stellte 1831eine Truppe von 800 Soldaten zusammen, die revolutionären Umtrieben in Luxemburg Einhalt gebieten sollten, was eine Menge Geld verschlang und zur Folge hatte, dass diese Gelder dann dem Theater nicht zur Verfügung standen. Im Theater gab es nur noch Halbjahresverträge.


    Neben seinem Theaterengagement komponierte Lortzing zwar schon einige Stücke wie Bühnenmusiken, Lieder und Singspiele, die den polnischen Freiheitskampf musikalisch unterstützten. Lortzings Liederspiel »Der Pole und sein Kind« fand seine erste Aufführung 1832 im knapp hundert Kilometer entfernten Osnabrück, wobei der Komponist selbst den polnischen Freiheitskämpfer Janicky spielte, und dessen Kind Franzischeck von Lortzings Töchterchen Bertha dargestellt wurde. Für Lortzing war es zwar ein gewisser Erfolg, dass sein Stück auch bald in Leipzig und Bremen nachgespielt wurde, aber als das Stück auch in Münster und Berlin über die Bühne gehen sollte, mäkelten die Zensurbehörden daran herum und machten gewisse Auflagen, der Obrigkeit war alles was nach Freiheit roch suspekt. So verschwand dieses Werk dann auch recht bald aus den Augen der Öffentlichkeit.
    Auch Lortzings »Andreas Hofer«, den er in seiner Detmolder Zeit ausarbeitete, kam erst fünfzig Jahre später in einer Bearbeitung des Komponisten Nicolaus von Reznicek zur Aufführung.


    Das Hofmarschallamt hatte Lortzing nur noch mit halbjährlichen Kontrakten abgespeist, was wirtschaftliche Unsicherheit bedeutete, ständig bemühte sich der Familienvater einer mehrköpfigen Familie - das Paar hatte elf Kinder, von denen nur sechs das Erwachsenenalter erreichten - um zusätzliche Einnahmen.1833 begrub Lortzing sein viertes Kind, für ihn war das eine menschliche Tragödie, die er in seinem Leben erdulden musste - kein Bühnenspiel.


    Albert Lortzings Eltern hatten ein Engagement in Leipzig gefunden und die jungen Lortzings in Detmold trugen sich mit Abwanderungsplänen. Als das Engagement der Jungen für Leipzig endlich in trockenen Tüchern war, freute sich der nun 32-jährige Lortzing diebisch, dass er den laufenden Kurzkontrakt für einen schnellen Abgang in Detmold nutzen konnte.
    Offensichtlich bedauerte das Publikum Lortzings Weggang, denn mit einem gewissen Stolz berichtet er seinen Eltern in Leipzig:


    »Mein Abgang ist durch meine bereits geschehene Kündigung bereits wie ein Lauffeuer hier herum und macht große Sensation.«


    Sein nun folgender, mehr als ein Jahrzehnt währender Aufenthalt in Leipzig wird die künstlerisch wertvollste Schaffensperiode des Komponisten Albert Lortzing.



    In der Nähe des Denkmals erinnert auch dieses Schild an Lortzings Anwesenheit in der Stadt Detmold.


  • Wenn man etwas aufmerksam in der Hansestadt unterwegs ist, entdeckt man diese Gedenktafel an der Fassade eines unauffälligen Wohnhauses. Als Ligeti an die Hamburger Musikhochschule kam hatte er eigentlich zwei Bedingungen gestellt, die zu seiner Zeit nicht erfüllt wurden:
    Die Musikhochschule sollte ein Computermusikzentrum aufbauen und ein Ensemble gründen, aber beides scheiterte an den nicht zur Verfügung stehenden Finanzen. Einer seiner Schüler, Manfred Stahnke, berichtete, dass Ligeti deswegen bitterböse gewesen sei und sich von der Hochschule zurückzog, um bei sich zuhause privat zu unterrichten; nur Vorlesungen hielt er weiterhin an der Uni. Er gab auch Konzerte. Das Verhältnis zur Hochschule blieb aber gespannt. Das Computermusikzentrum ist erst nach seiner Emeritierung aufgebaut worden, zuletzt mit Stiftungsgeldern auch das Ensemble.



    Text der Gedenktafel:


    In diesem Haus lebte und arbeitete / György Ligeti / von 1973 bis 2002 // György Ligeti, der am 28. Mai 1923 in Siebenbürgen geboren wurde, erhielt 1973 einen Ruf an die Hamburger Musikhochschule als Professor für Komposition. Für nahezu 30 Jahre wurde Hamburg zu seiner Wahlheimatstadt und zu einem Schwerpunkt in seinem privaten und beruflichen Leben. Wien, das er nach Überstehen des Nazi-Terrors und nach seiner Flucht aus Ungarn 1956 erreicht hatte, blieb indessen sein wichtigstes Lebenszentrum. In seiner Hamburger Wohnung Mövenstraße 3 nahe der Außenalster schrieb Ligeti mehrere seiner Hauptwerke, darunter die Oper »Le Grand Macabre«, je ein Instrumentalkonzert für Klavier, Violine und Horn sowie 18 »Études pour piano«. Geehrt mit den höchsten Auszeichnungen, die im Kulturbereich weltweit zu vergeben sind, freute sich Ligeti besonders auch über die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg, die ihm 1988 verliehen wurde. Ligeti starb am 12. Juni 2006 in Wien.


    Den Text der Tafel hat Prof. Dr. Peter Petersen vom Institut für Historische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg entworfen und mit Ligetis Witwe Dr. Vera Ligeti sowie mehreren Freunden, Mitarbeitern und ehemaligen Schülern des Komponisten abgesprochen.


    Das Hamburger Abendblatt berichtete von dem Akt der Gedenktafel-Enthüllung:


    »Gestern Vormittag kam eine unerwartet große Menschentraube auf dem Bürgersteig vor dem Haus Mövenstraße 3 zusammen, um bei der Enthüllung einer schlichten Gedenktafel für den Komponisten György Ligeti dabei zu sein. Die Plakette wurde an der Fassade des nüchternen, zur Straße hin weiß verputzten 60er-Jahre-Baus in der ruhigen Villenstraße abseits des Leinpfads an der Außenalster angebracht, dem Haus, in dem Ligeti nahezu 30 Jahre lang eine Wohnung unterhielt, von 1973 bis 2002.


    Die Zeremonie der Enthüllung ging so ungeheuer schnell, wie manche Notenwerte in Ligetis Kompositionen vorüberhuschen. Eben noch hing da ein schwarzes Tuch über der Tafel, doch ehe man sich's versah, hatte Vera Ligeti, die Witwe des Komponisten, den Stoff schon weggezogen. Sie war für diese Aktion aus Wien angereist und sagte in ihrem herzerfrischenden Dankeswort: "Wenn der Juri jetzt da wäre, würde er sagen: Zwick mich! Das war immer ein Zeichen für uns, um zu wissen, ob etwas ein Tagtraum ist oder Wirklichkeit." Schon früh hätten sie herumgeblödelt, wie das wohl wäre, wenn eines fernen Tages eine Gedenktafel für ihn enthüllt würde oder gleich der Nobelpreis käme. Nur eines hätten sie in ihren Reverien nicht bedacht: "Eine Gedenktafel, die einen verewigt, enthüllen und zugleich dabei sein – dass schließt sich leider absolut aus."


    Doch dafür waren zu Ehren des vor neun Jahren in Wien verstorbenen Komponisten, der von 1973 bis 1989 an der Hochschule für Musik und Theater Komposition lehrte und auch nach seiner Emeritierung nicht von Hamburg lassen mochte, viele Weggefährten und ehemalige Schüler zu dem kleinen Festakt gekommen. Manfred Stahnke begrüßte einige Ligeti-Mitschüler in der Gruppe, darunter Wolfgang-An-dreas Schultz, Georg Hajdu und Xiaojong Shen, und berichtete, dass Ligeti niemals Einzelunterricht in der Hochschule abgehalten habe, sondern stets hier in der Mövenstraße 3, bei sich zu Hause. Die emeritierten Musikwissenschaftler Peter Petersen und Constantin Floros erinnerten an die singuläre Bedeutung Ligetis, an seine Universalität, den hohen Anspruch, den er an alles richtete, und an seine Freundlichkeit. "Die Würde des Menschen war für ihn unantastbar", sagte Floros, der Ligeti den "vielleicht bedeutendsten Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" nannte.


    Die Geschichtsprofessorin Barbara Vogel überbrachte gar Grüße aus Paris vom Ehepaar Denis Evèsque und Agnes Huber-Evèsque, zwei Pianisten. Der Mann leitete von 1990 bis 1996 das Institut Français de Hambourg und ist Widmungsträger einiger Klavierstücke von Ligeti. Des Windes und der vorüberrumpelnden Müllabfuhr nicht achtend, trug die Bratschistin und Hochschulprofessorin Anna Kreetta Gribajcevic zwei wunderschön schräge Sätze aus Ligetis hier entstandener Solosonate für Viola vor.«

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  • Verehrung mit Verspätung




    Die Gedenktafel am Andreasbrunnen 5, in Hamburg-Eppendorf (ein nordwestlich der Außenalster gelegener Stadtteil).


    Engels, der Geburtsort Schnittkes, war in der Zeit von 1924 bis 1941die Hauptstadt der Wolgadeutschen Republik und wurde nach dem Friedrich Engels benannt, der zusammen mit Karl Marx einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen konnte.


    Alfred Schnittkes Vater war der Journalist und Übersetzer Harry Schnittke, ein in Frankfurt am Main geborener Jude lettischer Herkunft. Seine Mutter Maria war eine wolgadeutsche Katholikin. Von 1946 bis 1948 lebte die Familie in Wien, da der Vater für eine Zeitung dorthin versetzt wurde. Schnittke schrieb über diese Zeit später:
    »Nun komme ich nach Wien - und da darf ich deutsch sein.« Man nannte ihn einen musikalischen Grenzgänger, als einen Gratwanderer zwischen Ost und West.


    Seine ersten musikalischen Gehversuche machte er bereits als 12-Jähriger in Wien, aber sein eigentliches musikalisches Schaffen ging von Russland aus; in Moskau besuchte er fünf Jahre lang eine Musikfachschule und ließ sich zum Chorleiter ausbilden. Zusätzlich nahm er Privatunterricht in Harmonielehre und Analyse. Dann begann er 1953 am Moskauer Konservatorium sein Studium der Komposition und Kontrapunktik. Ab 1962 lehrte er dort selbst, wobei er auch gleichzeitig als freischaffender Komponist arbeitete. Durch die Komposition von Filmmusik wurde er populär.


    Er gilt auch als Begründer der »Polystilistik«, einem Begriff, hinter dem sich eine Mischung recht unterschiedlicher Musikstile verbirgt. Das konnte ein buntes Ineinander von Klassischem und Barockem, Atonalem, Tango und Walzer sein; gerne hat er auch einmal einige seiner berühmten Kollegen zitiert.
    Als Mensch fühlte er sich nirgendwo so richtig zugehörig, er sprach das etwas eigenartige Deutsch der Wolgadeutschen und er sagte, dass er kein Russe sei, auch wenn er Russisch spreche. Schon möglich, dass dieses Hin- und Hergerissene auch seine Musik beeinflusste.


    In der westlichen Welt fand er einige Beachtung, indem seine Kompositionen schon mal auf bedeutenden Festivals dargeboten wurden. die Kulturpolitik der UdSSR sah das allerdings etwas enger und dadurch sah sich Schnittke wiederum eingeengt.
    Was lag näher, als sich auch wieder persönlich gegen Westen zu wenden? - er zog mit seiner Familie 1990 nach Hamburg und nahm eine Professur für Komposition an der Musikhochschule an. Er kam ja nicht eben mal zufällig nach Hamburg, da bestanden schon einige Jahre vorher Kontakte zur Hamburger Musikwelt. Aber Schnittke kam als kranker Mann, er war bereits gesundheitlich angeschlagen, denn schon 1985 hatte er mehrere Schlaganfälle erlitten. Erst in der Spätzeit seines Lebens setzte sich Schnittke mit dem Genre Oper auseinander, drei Jahre vor seinem Tod vollendete er die Oper »Historia von D. Johann Fausten«, nicht Goethes Stück liefert hier die Grundlage, sondern das Faust-Volksbuch aus dem 16. Jahrhundert. Natürlich kommt auch hier seine »Polystilistik« mit Anklängen an Bach, Wagner, Mahler und Schostakowitsch neben rockigem Sound zum Tragen.
    Schon 1992 hatte Schnittkes Oper »Leben mit einem Idioten« in Amsterdam seine Uraufführung erlebt. In diesem Stück zitiert der Komponist aus dem Eingangschor von Bachs »Matthäuspassion«.
    Am 3. August 1998 starb Schnittke in der Universitätsklinik Eppendorf im Alter von 63 Jahren. Mit einem Staatsakt wurde er dann auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof beigesetzt.


    Nach Schnittkes Tod war nun die Hansestadt am Zug, schließlich wurde der Künstler in Russland mit einem Staatsakt geehrt, war er den Hamburgern auch einer Ehrung wert?


    Das »Hamburger Abendblatt« berichtete über die hier gezeigte Gedenktafel unter der Headline »Verehrung mit Verspätung« im November 2007.


    Das Blatt schildert, dass diese Gedenktafel - privat finanziert - schon längere Zeit am Wohnhaus Andreasbrunnen 5 montiert war, als ein Senatsdirektor der Kulturbehörde endlich anreiste, um die Tafel offiziell zu enthüllen.


    Es war eine Ehrung, die erst durch eine deutsch-russische Initiative möglich wurde, wobei sich die Kulturbehörde der Stadt nicht in der Lage sah, sich an dieser Gedenktafel finanziell zu beteiligen.


  • Heute hat der Sänger Geburtstag


    33 Jahre lang war Leo Slezak Mitglied der Wiener Oper. Am 17. April 1934 sang er dort einen mächtig umjubelten »Othello« und beschloss spontan, dass das sein letzter Bühnenauftritt gewesen sein soll. Clemens Krauss, der damalige Direktor, war von Slezaks plötzlichem Entschluss überrascht worden, musste aber akzeptieren, dass der Startenor des Hauses nach einem fulminanten Schlusspunkt das Ende seiner Sängerkarriere beschloss.
    So stellt es Slezak selbst dar, in einigen Publikationen ist zu lesen, dass Slezaks letzter Opernauftritt als Canio im Bajazzo gewesen sein soll.
    Das große Sängerlexikon erwähnt: »den Othello von Verdi, hat er erstmals 1909 an der Wiener Volksoper gesungen«. Unbestritten ist, dass der von ihm dargestellte Othello von besonderer Qualität war.


    Geburtstag hatte Leo Slezak mit Kaiser Franz Joseph, der Jahre vor ihm in Schloss Schönbrunn zur Welt kam; Leo wurde in einer Getreidemühle geboren, aber immerhin soll seine Hebamme eine Frau König gewesen sein ... man muss das vorsichtig formulieren, denn Dichtung und Wahrheit lagen bei Slezak mitunter eng beieinander. Auch zu der berühmt gewordenen Slezak-Anekdote »Wann geht, bitte, der nächste Schwan«, wird zum Teil die Meinung vertreten, dass die Urautorenschaft dem berühmten Wagnertenor Joseph Tichatschek gebührt und Slezak das lediglich adaptiert hat.


    Als der kleine Leo drei Jahre alt war, schlittert die Mühle in die Pleite und die Slezaks übersiedeln nach Brünn, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Leo Slezak drückt es in seinen Memoiren so aus: »Mutter Sorge stand an meiner Wiege«
    Vater Slezak war als Lohnarbeiter in einer Tuchmanufaktur tätig, die Mutter stockte das Familienbudget mit Heimarbeit als Näherin und Strickerin auf.


    Leo Slezak wächst zwar deutschsprachig auf, ist aber gleichermaßen mit dem Tschechischen vertraut; später wird darüber diskutiert ob sein Name nicht Slezák geschrieben werden müsse, auf den ersten Plakaten war der Akzent verschwunden, der nur noch im Geburtsregister steht. Die Eltern bringen ihn in der Realschule unter und haben für ihren Sohn eine Offiziers- oder Beamtenlaufbahn im Auge. Allerdings sind seine Lausbubenstreiche so ausgeprägt, dass ihn die Schule vorzeitig verabschiedet.
    Diese Lausbubereien konnte Slezak auch als gestandener Sänger nicht ganz ablegen, Slezaks dauernde Albereien brachten Kirsten Flagstad bei einer Probe zu »Othello« einmal so in Rage, dass sie wütend die Bühne verließ und - wie Astrid Varnay als Zeugin berichtet - erst mit einer Schachtel Pralinen und dem guten Zureden von Frau Slezak zur Rückkehr bewegt werden konnte. Kesting überschreibt seine Betrachtungen zu Leo Slezak mit: »Virtuose und Clown«.


    Nach seinem unrühmlichen Schulabgang, findet sich der junge Leo unversehens als Gärtnerlehrling auf einem Adelsbesitz in Gmunden am Traunsee. Unverschuldet endet dieser Ausbildungsansatz, weil im herrschaftlichen Anwesen im Salzkammergut plötzlich ein Besitzwechsel stattfindet; der Vater holt den Halbwüchsigen wieder heim nach Brünn. Dort beginnt er eine Lehre als Maschinenschlosser, die er erfolgreich zu Ende bringt.


    Durch die Bekanntschaft mit einem Choristen der Brünner Oper erschließt sich ihm zunächst eine Karriere vom Statisten zum Aushilfschoristen. Als der bekannte Bariton Adolf Robinson in Brünn gastierte, fiel ihm ein Chorsänger - sowohl der Statur als auch der Stimme wegen - auf.
    Nach einem Vorsingen erkannte der erfahrene Robinson das stimmliche Potenzial des Chorsängers und bildete ihn aus, Frau Leonore Robinson - ebenfalls eine erfahrene Sängerin - assistierte, in dem sie dem jungen Mann die musikalischen Grundbegriffe beibrachte.


    1896 debütierte Leo Slezak in Brünn als Lohengrin und schon zwei Jahre später wurde er an die Berliner Hofoper engagiert, wo er zunächst nicht reüssieren konnte. Bei dem Breslauer Theaterdirektor Theodor Loewe rechnete sich Slezak weit bessere Chancen aus; es gelang ihm, sich für zwei Jahre beurlauben zu lassen. In Breslau konnte er sich dann ein umfangreiches Repertoire erschließen und entwickelte sich zu einem Publikumsliebling.
    Slezaks Liebling war die am Breslauer Theater tätige Schauspielerin Else Wertheim, im Februar 1900 wurde geheiratet, 1901kam Tochter Margarete zur Welt, die später hinter dem Rücken der Eltern eine Karriere als Sängerin startete, was im Elternhaus für Verstimmung sorgte.


    Mit Loewe, der ein Gastspiel mit dem Opernhaus Covent Garden abgeschlossen hatte, sammelte Slezak erste internationale Erfahrungen. In England war er für Aufführungen der Opern »Lohengrin« und »Tannhäuser« vorgesehen, sollte aber auch den von ihm zeitlebens ungeliebten »Siegfried« singen. Obwohl er im Schmiedemilieu reiche Erfahrung einbringen konnte, war diese Rolle für ihn ungeeignet und er mied sie in Zukunft.
    Der hundertprozentige Felix Mottl hatte in London den Ehrgeiz, den Engländern den richtigen Wagner vorzuführen; Slezaks Bitte um Striche beschied Mottl abschlägig, was der Tenor als »Tierquälerei« bezeichnete.
    Größeren Erfolg hatte Slezak in einer Privatvorstellung bei Königin Viktoria, wo er in deutscher Sprache die Arie »Gegrüßt sei mit du heil´ge Stätte« sang, seine Partnerin war die berühmte Nelli Melba.


    Nach diesem insgesamt erfolgreichen Londoner Gastspiel bahnte sich für Slezak ein Wechsel nach Wien an; die Wiener Hofoper galt in jener Zeit als das führende Opernhaus, das über einige prachtvolle Stimmen im Tenorfach verfügte; da hatte bis 1898 Ernest van Dyck Maßstäbe gesetzt, der jedoch mit Gustav Mahler nicht zurechtkam; die anderen Tenöre waren Hermann Winkelmann und der lyrische Fritz Schrödter, so wie auch Erik Schmedes.


    So erschien nun Slezak in Wien. Selbstbewusst wählte er als Antrittsrolle den Arnold in »Wilhelm Tell« von Rossini, danach sang er den Radames in »Aida« und Walter Stolzing in den »Meistersingern«; es war ein Gastspiel auf Anstellung. Nach Slezaks eigener Darstellung war das Theater an seinem ersten Abend halb leer, ein Herr Slezak aus Breslau, also der deutschen Provinz, war kein Publikumsmagnet. Als Slezak aber »O Mathilde, du Engel meiner Liebe« gesungen hatte, ging ein Jubelsturm durchs Theater und Hofopernkapellmeister Schalk legte seinen Taktstock zur Seite, bis sich der Beifallsorkan gelegt hatte. Schon nach dem ersten Akt kam Direktor Mahler in Slezaks Garderobe und tat kund, dass der Anstellung nichts mehr im Wege steht.


    So einfach lagen die Dinge nun aber auch wieder nicht, denn Slezak sollte nach seiner Rückkehr aus Breslau eigentlich an der Berliner Hofoper singen, als Vertragsbrüchiger bekam man erhebliche Schwierigkeiten. Die Sache konnte aber auf diplomatischem Wege gelöst werden und so sang Leo Slezak mehr als drei Jahrzehnte in Wien.


    Natürlich gab er auch Gastspiele in München, Berlin, Frankfurt ... - eine vollständige Liste wäre sehr lang - an der Grand Opéra Paris und der Mailänder Scala. Nur in Bayreuth sang der berühmte Wagner-Sänger nicht, zumindest nicht offiziell bei den Festspielen - man erzählt, dass er der gestrengen Frau Cosima eine Arie aus »Bajazzo« als Kostprobe seines Könnens vorgesungen haben soll, was dann an diesem weihevollen Ort nicht besonders gut ankam.


    Während Slezak schon eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, studierte er nochmal 1907 bei der Sänger-Legende Jean de Reszke in Paris. Im Sommer 1909 sang er mit dem Ensemble der New Yorker Metropolitan Oper bei deren Gastspiel in Paris. Hernach folgte ein fester Vertrag mit der »Met«, wo er vor allem als Tannhäuser, Othello und Radames besonders große Erfolge hatte, aber in Amerika sang er auch Tamino, Faust, Alessandro ... All das nicht nur in New York, sondern auch bei den üblichen USA-Tourneen des Ensembles.


    Er widmete sich aber auch dem Liedgesang, und das nicht nur mal so nebenbei, es sind eine Menge Konzertprogramme erhalten, die zeigen, dass Slezak auch häufig im Konzertsaal auftrat, wo damals üblicherweise neben Liedern von Beethoven, Schubert, Loewe, Schumann, Wolf und Strauss auch jeweils Opernarien auf dem Programm standen.


    Betrachtet man die Menge von Slezaks Auftritten, ist es nicht verwunderlich, dass die stimmliche Qualität nicht über Jahrzehnte erhalten werden konnte. So wandte sich Leo Slezak mit zunehmendem Alter den leichteren Sachen zu, sang viel Operette und startete Anfang der 1930er Jahre eine zweite erfolgreiche Karriere als Filmschauspieler. Auch als Schriftsteller war er durchaus erfolgreich, wobei er die lockere humoristische Erzählweise bevorzugte. Obwohl er ursprünglich nur eben so mal ein Buch schreiben wollte, wurden dann mehrere draus.


    Kenner, wie zum Beispiel Jens Malte Fischer, sind der Meinung, dass Slezaks Aufnahmen, die zwischen 1905 bis 1912 entstanden sind, Slezaks stimmlichen Höhepunkt zu Gehör bringen.


    Seit 1910 kam Familie Slezak zum Urlaub nach Rottach-Egern an den Tegernsee. Der Sänger kaufte dort ein zweihundert Jahre altes Bauernhaus, das er sein »Blumenhäusl« nannte, später wohnte die Familie ganz am Ort.
    1944 starb Leo Slezaks Frau, zwei Jahre danach auch er; seine Tochter gab nach seinem Tod Slezaks viertes und letztes Buch heraus - es ist ein kleines Büchlein mit 206 Seiten - an dem er bis drei Wochen vor seinem Tod geschrieben hatte.



    Seit 1996 steht nun Leo Slezak im Kreis der Künstlerkollegen Ludwig Thoma und Ludwig Ganghofer im Kurpark von Rottach-Egern, anlässlich seines 50. Todestags schuf der Bildhauer Quirin Roth diese lebensgroße Figur des Sängers.




  • Zum heutigen Geburtstag


    In Brunnen, wo Othmar Schoeck am 1. September 1886 geboren wurde, steht direkt am Urnersee, einem Teil des Vierwaldstättersees, wo die Muota mündet, - am Bristenquai - eine Skulptur, in deren Sockel der Name Othmar Schoeck eingemeißelt ist.
    Wenn man Schoecks Lieder kennt, assoziiert man die Figur zunächst mit dem kleinen Liedchen »Das Fräulein am Meere«, das der Komponist 1905 nach einem Text von Heine vertont hat, aber dieser Gedanke erweist sich recht bald als falsch, wenn man sich damit etwas näher befasst.


    Das Werk des Bildhauers Josef Bisa, der ein persönlicher Freund der Familie Schoeck war, hat mit diesem Heine-Lied nichts zu tun, sondern ist nach einem Motiv aus Schoecks Oper »Venus«, die in den Jahren 1919-21 entstand, entwickelt worden.
    Die treibende Kraft zur Entstehung des Denkmals, war der Jurist und Publizist Hermann Stieger aus Brunnen. Seit 1959 steht das Denkmal an dieser Stelle, Othmar Schoeck starb am 8. März 1957 in Zürich.


    Der kleine Othmar durfte hier am See mit seinen drei Brüdern, von denen er der jüngste war, eine ideale Kindheit erleben; das Elternhaus lag oberhalb von Brunnen an einem bewaldeten Berghang. Hier entstand um 1900 herum Schoecks erste Oper »Der Silbersee«, selbstbewusst gaben die Jungautoren dem Werk den Untertitel »Grose Oper«. Ein frühes Jugendwerk, das aus der allgemeinen Karl May-Begeisterung der Jungs resultierte; Grundlage dieser Erstlingsoper war »Der Schatz im Silbersee« von Karl May. Walter, der um ein Jahr ältere Bruder, verfasste ein Libretto, Othmar komponierte dazu die Musik und Bruder Ralph war für Bühnenbild und Technik zuständig; das Werk wurde 1901 im familiären Kreis aufgeführt und von der Großmutter mit 20 Franken honoriert.
    Einige Jahre später vertonte Othmar Schoeck dann Gedichte von Lenau, Eichendorff, Mörike ... und natürlich von Hermann Hesse, mit dem er in der Bergwelt seiner Heimat wanderte und mit dem er zeitlebens befreundet war.


    Das oben beschriebene kindliche Paradies endet, als der Junge in die Kantonsschule wechseln musste, in die Abteilung Industrieschule; das war so eine Art Vorschule für Techniker, Mathematiker, Physiker, Chemiker und Architekten. Vor allem das Fach Mathematik war Othmars Sache nicht; Professor und Schüler hatten keine Freude aneinander, letztendlich musste Schoeck wegen mangelnder Leistungen die Schule verlassen.


    Aber man sollte dieses schulische Zwischenspiel in der Nachschau nicht so negativ sehen, denn an dieser Schule war auch noch ein Professor Bodmer, der Deutschunterricht erteilte; da wurden Gedichte von Lenau, Uhland und Eichendorff besprochen und man weiß heute, dass viele der Schoeck-Vertonungen aus dem Lesebuch dieser Schule stammen. Neben diesem positiven Aspekt ist zu bemerken, dass Schoeck an diesem Lernort auch erstmals Armin Rüeger begegnete, der für Schoecks Opernschaffen eine große Bedeutung erlangen sollte.


    Der Vater hatte längst die Doppelbegabung seines Sohnes Othmar erkannt, und diese lagen eben bei Musik und Malerei - alle Schoeck-Kinder hatten eine zeichnerische Begabung, schließlich war der Vater ein ausgezeichneter Maler, und, was das Musikalische betrifft, auch ein ganz passabler Sänger.
    Vater Schoeck organisierte nun für den Filius privaten Unterricht in diesen beiden Disziplinen, die Othmars Talenten entsprachen.
    1904 war die Sache entschieden; Othmar Schoeck studierte bis 1907 am Konservatorium Zürich. Auf Einladung von Max Reger besuchte Schoeck vom Frühjahr 1907 bis zum Frühling 1908 Regers Kompositionsunterricht am Konservatorium in Leipzig, der auch Klavierunterricht bei Robert Teichmüller einschloss.
    Reger hatte an Schoeck geschrieben: »Ich will was ganz Gehöriges aus Ihnen machen; deshalb müssen Sie einfach am 8. April in die Klasse in Leipzig eintreten!«


    Ganz grob dargestellt, war das die berufliche Entwicklung des Musikers Othmar Schoeck. Seine Oper »Venus«, die mit diesem Gedenkstein in Bezug steht, wurde mit außergewöhnlich großem Erfolg im Mai 1922, anlässlich der »Internationalen Festspiele Zürich«, uraufgeführt; der damals berühmte Heldentenor der Dresdner Staatsoper, Curt Taucher, sang die Rolle des Horace, das Publikum war ebenso hochkarätig.


    Es war ein seltsames Gespann, der Bischofzeller Apotheker Armin Rüeger und Othmar Schoeck. Rüeger rang sich oft in den Nachtstunden den Text zu Schoecks Opern ab, und Schoeck setzte mitunter die nachgelieferten Texte unter die Musik, weil er diese in seiner Ungeduld vorauskomponiert hatte. »Die einz´ge Tugend ist Ergriffen sein«, das sind die Worte, welche Rüeger in der Oper »Venus« dem Horace in den Mund legt und die sich, nur mit Mühe lesbar, eher schemenhaft, am seitlichen Sockel der Figur befinden.
    Eine CD dieser Oper ist auch in unseren Tagen noch aktuell, und man kann dieses »Die einz´ge Tugend ist Ergriffen sein«, sogar probehören.




    Der Gedenkstein vom See her gesehen


  • Wie bei Othmar Schoeck - um an den vorigen Beitrag anzuknüpfen - war auch bei Mendelsohn-Bartholdy eine Doppelbegabung vorhanden. Sein Schwager, der Kunstmaler Wilhelm Hensel, sagte einmal über die Aquarelle von Felix: »Kein Künstler hätte sich ihrer zu schämen brauchen.«
    Dass das Thema der Zeichen- und Malkünste von Felix Mendelssohn Bartholdy hier angeschnitten wird, hat mit einem Denkmal zu tun, das über dem 1274 Meter hoch gelegenen Schweizer Ort Wengen, am Fuße der Berge Eiger, Mönch und Jungfrau, 400 Meter über dem Lauterbrunnental, im Wald steht.






    Felix Mendelssohn Bartholdy hatte in seinem relativ kurzen Leben viermal die Schweiz bereist. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde die Schweiz touristisch wieder interessant. So zog es auch das Berliner Ehepaar Abraham und Lea Mendelssohn mit ihren Kindern Fanny (16), Felix (13), Rebecka (11) und Paul (9), im Sommer 1822 dorthin. Es war eine Familienreise mit Kutsche, besser gesagt, mit mehreren Kutschen, denn auf Dienstboten, Kindermädchen und den Hauslehrer mochte man nicht verzichten. Felix fertigte schon auf seiner ersten Reise in die Schweiz zahlreiche Zeichnungen an.


    Neun Jahre später bereiste der nun 21-jährige Felix zum zweiten Mal die Schweiz, diesmal von Italien kommend, und zu Fuß über Vevey, Grindelwald, Luzern nach St. Gallen.
    Felix hatte zwar keine großen bergsteigerischen Schwierigkeiten zu meistern, aber auf seinen diversen Wanderungen überquerte er immerhin den 2314 Meter hohen Gemmipass und die Rigi mit ihren fast 1800 Metern bereitete ihm auch keine nennenswerten Schwierigkeiten, was für eine gute Kondition spricht.
    Seine dritte Schweiz-Reise folgte 1842, damals hätte er mit etwas Glück vielleicht sogar dem malenden William Turner begegnen können, der 1842 auf seiner vierten Schweiz-Reise unterwegs war.
    In Mendelssohns musikalischem Werk gibt es zwar mehr Verbindungen zu Schottland und Italien, aber ein bisschen Schweizerisches ist auch hängen geblieben:
    Im Trio des Scherzos seiner 9. Streichersinfonie, die er mit »La Suisse« überschrieb, zitierte Mendelssohn ein Jodellied. Und in der Streichersinfonie Nr. 11 verarbeitete er den Emmentaler Hochzeitstanz »Bin alben e wärti Tächter gsi«



    Mitte Juli 1842 war Felix Mendelssohn Bartholdy von England aus nach Frankfurt ins Haus seiner Schwiegereltern gekommen. Er hatte die Absicht, in diesem Sommer seiner Frau Cécilie, der das Schweizer Land noch unbekannt war, die Landschaften zu zeigen, die ihn bei seinen zwei vorigen Reisen so überwältigt hatten.
    Es traf sich gut, dass eine Einladung der Schweizerischen Musikgesellschaft vorlag, die zum Inhalt hatte, dass man seinen »Lobgesang« op. 52, anlässlich des Musikfestes in Lausanne, in seiner Gegenwart aufführen wollte.
    Bruder Paul mit seiner Frau sollte mitkommen, die kleinen Kinder blieben in der Obhut von Verwandten zurück. Über Basel, Delémont und Biel erreichte man den Genfer See. Nach Beendigung der Festlichkeiten in Lausanne, gestaltete sich die Rückreise recht abwechslungsreich; schließlich erreichte man Interlaken, wo man sein Lieblingshotel hatte. Von diesem Standort aus planten die Mendelssohns dann ihre Tagestouren; so auch am 21. August 1842. Felix kam übers Lauterbrunnertal, auch damals schon konnte man, wie auch heute noch, in Lauterbrunnen den grandiosen Staubbachfall bewundern. Er kam über Wengen herauf und ging zur Wengernalp weiter. Kurz oberhalb von Wengen faszinierte ihn der Blick auf die über 4000 Meter hohe Jungfrau so sehr, dass er eine Rast einlegte und seine Zeichenutensilien auspackte.



    Wenn man dem Denkmal den Rücken zukehrt, bietet sich dieses Landschaftsbild, vermutlich waren die Berge damals weniger von Wolken umhüllt ...


    Viele, viele Jahre später, 1998, ist der sprachgewaltige Publizist und Weltenbummler Bernd Juds in der Staatsbibliothek Berlin auf eine Zeichnung Mendelssohns gestoßen, auf der Lauterbrunnen mit der Jungfrau zu sehen war. Das veranlasste ihn, nach dem Standort der Entstehung zu suchen. Man rekonstruierte von welchem Punkt aus diese Zeichnung entstanden sein muss und beschloss hier eine Gedenkstätte einzurichten.
    Seit 2004 steht nun das Mendelssohn-Denkmal im Wald oberhalb von Wengen, einige Hinweisschilder weisen den Weg, der am Beausite Park Hotel, einem markanten Punkt, vorbeiführt; ab dort geht man einen etwas steileren Bergpfad, der im Winter nicht begehbar ist, in circa 10 Minuten zum Denkmalsplatz, der eine Ausdehnung von etwa 70 Quadratmetern hat. Die Bildhauerin Gabi Stähli hat die Gedenkstätte nach einem Entwurf des Interlakner Kunstmalers Werner Fehlmann aus Grimselgranit gefertigt. Auch ein Silhouettenporträt, eine Hinweistafel und eine Kopie der Mendelssohn-Zeichnung sind Bestandteile des Denkmals.
    Die Gedenkstätte wurde von einem Initiativkomitee unter der Leitung von Architekt Walter Gross aus Wengen errichtet, die Kosten beliefen sich auf etwa 60.000 CHF.
    Der Spiritus Rektor des Ganzen, Bernd Juds, erlebte die Einweihung am 14. August 2004 nicht mehr, er war im April des Einweihungsjahres gestorben.


    Felix Mendelssohn Bartholdy kam dann nochmals in die Schweiz, nach Interlaken, das war im Sommer 1847. Er unternahm diese Reise mit einigen Familienmitgliedern, man suchte etwas Entspannung von dem traurigen Ereignis. Als Mendelssohn im Mai des Jahres von einer Englandreise nach Leipzig zurückkehrte, erfuhr er vom unerwarteten Tod seiner Schwester und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Fanny, mit der er außergewöhnlich innig verbunden war - auch musikalisches Schaffen verband die beiden Geschwister - war am 14. Mai im Alter von nur 41 Jahren gestorben.
    Zunächst glaubte er nicht mehr komponieren zu können, aber in der von ihm so geliebten Landschaft begann er doch wieder zu arbeiten, es entstand das Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80, das er dann im September des Jahres in Leipzig zu Ende brachte. Es war sein letztes vollendetes Werk, das sowohl im Œuvre Mendelssohns als auch in der Gattungsgeschichte des Streichquartetts eine Sonderstellung einnimmt. Im Laufe der Zeit bekam das Stück auch den Beinamen »Requiem für Fanny« - Es war auch sein eigenes Requiem; Felix Mendelssohn Bartholdy starb am 4. November 1847.


    Anmerkung: Der Ort Wengen ist mit dem Auto nicht erreichbar. Man geht entweder - wie Mendelssohn - zu Fuß oder benutzt die Bahn.



  • Das Hummel-Denkmal befindet sich hinter dem Weimarer Nationaltheater. Die auf einer Steinsäule stehende bronzene Büste wurde 1895 aufgestellt. Der bekannte Wiener Bildhauer und Medailleur Franz Xaver Pönninger hat sie geschaffen.


    Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) gilt als der bedeutendste Pianist seiner Zeit. Als er im Februar 1819 von Stuttgart nach Weimar kam, hatte er sich bereits ein sehr großes Renommee erworben; er war Mozart-Schüler, galt als Wunderkind und hatte schon im Kindesalter zusammen mit seinem Vater, der Geiger und Kapellmeister war, ausgedehnte Konzerttourneen absolviert.


    Schon in jungen Jahren hatte er am Esterházyschen Hof den in die Jahre gekommenen Joseph Haydn vertreten und hat dort auch beachtliche kirchenmusikalische Werke komponiert. Musikgeschichtlich bildet er eine Brücke zwischen Mozart und Chopin. In der Geschichte des Klavierspiels nimmt Hummel einen zentralen Platz ein.
    Bemerkenswert ist auch seine pädagogische Leistung, die, 1828 geschaffen, in einer dreibändigen Klavierschule dokumentiert ist und mit 2.200 Notenbeispielen aufwartet.


    Robert Schumann schrieb einmal an seine Mutter:
    »Ich gehe nach Weimar zu Hummel, um des pfiffigen Grundes wegen, nur ein Schüler von ihm zu heißen«.
    Aber ganz so einfach war es nicht, Hummel-Schüler zu werden, Franz Liszt ist so ein Beispiel - der kam nicht über die Hürde der Hummelschen Honorarforderung, hat es dann aber auch ohne Hummel geschafft ...


    Hummel hatte praktisch auch Kontakt zu allen großen Musikern seiner Zeit, natürlich auch zu Beethoven, wobei auch recht private Konstellationen eine Rolle spielten, wie ein Beispiel zeigt: 1813 heiratet Hummel die Opernsängerin Elisabeth Röckel; diese war die Schwester des Tenors Joseph August Röckel, der bei der Aufführung der zweiten Fassung von Beethovens »Fidelio« im Theater an der Wien die Rolle des Florestan verkörperte und sich zum Freundeskreis Beethovens zählen durfte.


    1817 legte Goethe nach 26 Jahren die Leitung des Hoftheaters in Weimar nieder und es gelang Maria Pawlowna, der Gemahlin von Großherzog Carl Friedrich, dem Sohn und Nachfolger von Carl August, einen ähnlich Berühmten, diesmal auf musikalischem Gebiet, nach Weimar zu locken. Vergütung und Arbeitsbedingungen waren für Johann Nepomuk Hummel hier äußerst attraktiv. Hummel war ein gut betuchter Musiker, der aber nicht nur an sich dachte, sondern auch die sozialen Notstände des Theaterpersonals sah. Ebenso war es ihm ein Dorn im Auge, dass die Urheber künstlerischer Werke sehr oft keine adäquate Vergütung für ihre Arbeit erhalten konnten. Hummel gilt als der Vater des Urheberrechts. Mit Beethovens Zustimmung arbeitete er ein Reglement gegen den Nachstich von Musikalien aus und übergab es 1827 der Frankfurter Bundesversammlung.
    Für die Angehörigen der Weimarer Hofkapelle stiftete Hummel 1830 einen Pensionsfonds, der aus jährlich stattfindenden Benefizkonzerten gespeist wurde.


    Hummels Büste hinterm Theater ist kein spektakuläres Denkmal, aber in jüngster Zeit hat man ihm ein Denkmal ganz anderer Art gesetzt, die Musikschule Weimar schmückt sich seit 2016 mit dem Namen »Musikschule Johann Nepomuk Hummel».
    Seit vielen Jahren steht an der Fassade in plastischen Versalien MUSIKSCHULE OTTMAR GERSTER, nun hat man den weit berühmteren und politisch völlig unbelasteten Johann Nepomuk Hummel zum Namenspatron gewählt, sicher würde er sich darüber freuen, dass man 180 Jahre nach seinem Tod in Weimar noch seiner gedenkt.

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  • Auf der rechten Rheinseite, südlich von Bonn und wenige Kilometer von Neuwied entfernt, liegt der Weinort Leutesdorf, gegenüber von Andernach. Im Sterbejahr Bungerts hatte die Gemeinde gerade mal 1.200 Einwohner.
    Die am Rheinufer verlaufende, mit Platanen gesäumte Straße heißt heute August-Bungert-Allee. Sie trägt den Namen nicht, weil der Komponist da geboren ist; seine Wiege stand in Mühlheim an der Ruhr, aber auf seine alten Tage wohnte er hier, direkt am Rhein. Sein Haus, das durch die griechischen Stilelemente aus dem üblichen Rahmen herausfällt, ist ein königliches Geschenk, um 1911/12 wurde es unter Hinzufügung ionischer Säulen in den noch heute erhaltenen Stand gesetzt. Gegenüber dem Haus steht ein Gedenkstein am Rheinufer.



    Das Wohnhaus von August Bungert





    Der Text der Beschriftung im unteren Teil wird Bungert zugeschrieben: WAS WIR SCHAFFEN SIND WIR


    In dieser Zeit einen Mitbürger in der Gemeinde zu haben, der Paris, Berlin und Italien kannte und sich mit Größen wie Nitzsche, Verdi, Rossini, Auber, Berlioz ... unterhalten hatte, darüber hinaus noch mit einer leibhaftigen Königin gut bekannt war, das war schon etwas, das auch einigen Glanz auf den Ort, in welchem der Komponist seinen Wohnsitz hatte, abstrahlte.
    Im Jahre 1903 bezeichnete der bekannte Musikschriftsteller und Freund Bungerts, Max Chop, August Bungert noch als den »meistgenannten Tondichter der Gegenwart.«
    Dieser Max Chop muss schon etwas von Musik verstanden haben, denn kein Geringerer als Franz Liszt hatte Chop, der zunächst Rechts- und Finanzwissenschaft studiert hatte, zum Musikstudium geraten.


    Prinzessin Elisabeth zu Wied, die spätere Königin von Rumänien, war 1843 auf Schloss Monrepos bei Neuwied geboren, also etwa drei Jahre älter als Bungert. Unter dem Pseudonym Carmen Sylva war die Dame schriftstellerisch tätig und produzierte eine große Anzahl von Gedichten, die Bungert, der sich anschickte einer der ganz großen Musiker zu werden, vertonte. Offensichtlich war Dichten en vogue, denn auch die Kaiserin von Österreich, Sisi, die auch in dieser Zeit lebte, wollte sich als Dichterin verewigen, aber sie hatte keinen Komponisten zur Seite.
    Vermutlich sah die Königin, alias Carmen Sylva, durch die Vertonung ihrer Gedichte eine Chance, dass ihre Werke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden.
    Das hatte Carmen Sylva gut beobachtet, denn so manche Texte, auch von hochrangigen Dichtern, wären längst den Augen der Öffentlichkeit entschwunden, wenn sich nicht geniale Musiker wie Schubert, Schumann, Wolf ... ihrer angenommen hätten.


    Da gab und gibt es Bungert-Bewunderer, aber auch Kritiker, die ihre Kritik bis zum Spott treiben. Hugo Wolf gehörte beispielsweise zu diesen Kritikern, die aufmerksam beobachteten, dass mit Bungert-Liedern Konzerttourneen durch Deutschland organisiert wurden, die einen großen Publikumserfolg hatten, aber seinen hohen Qualitätsansprüchen nicht genügten.
    August Bungert vertonte insgesamt 362 Lieder, zwar nicht alle nach Texten von Carmen Sylva, aber einen ganz beträchtlichen Teil. Hinzu kam, dass die berühmte Sängerin Lotte Lehmann zur Bungert-Bewunderin geworden war und auch Sympathien für die rumänische Hoheit hatte, die von Majestät auch erwidert wurden.


    August Bungert wird in Leutesdorf noch in Ehren gehalten, seinen 100. Todestag hatte man mit musikalischen Darbietungen begangen und sogar Bungert selbst war zugegen, ein Schauspieler machte dies möglich. Die künstlerische Leitung hatte Martin Stadtfeld.
    Werner Schönhofen führte in einem TV-Beitrag des SWR über Leutesdorf aus, dass in der Zeit des Nationalsozialismus Wagner mit der germanischen Mythologie in seinen Werken bevorzugt wurde, und schon Cosima Wagner hätte den deutschen Bühnen angedroht, die Aufführungsrechte von Wagner-Opern zurückzuziehen, wenn sie Bungerts Opern aufführten. Schönhofen sagt, dass er das »aus sehr berufener Hand« erfahren habe ...
    Wer suchet, der findet - im 15. Kapitel des Kriminalromans »Goldschiefer« wird dieser Vorgang in der Tat so beschrieben.


    Dass Bungert, der dem 32 Jahre älteren Richard Wagner übrigens nie begegnete, als Konkurrent gesehen wurde, hängt wohl damit zusammen, dass Bungert mit seiner »Homerischen Welt« glaubte Wagners »Ring des Niebelungen« zu übertreffen. Wagner und Bungert wurden auch deshalb als Antipoden bezeichnet, weil letzterer ebenfalls seinen Opernstoff selbst textete.
    Wagner war schon vierzehn Jahre tot, als Bungert einen flammenden Brief an den Oberbürgermeister von Godesberg - der Titel Bad kam erst später hinzu - schrieb und anregte, »ein Festspielhaus ersten Ranges« zu bauen, Bayreuth eröffnete bereits 1876.


    In der Zeitschrift »Der Kunstwart« erschien im Oktober 1897 unter der Überschrift
    »Ein August Bungert-Festspielhaus«
    folgender Beitrag:


    »sollen wir also auch bekommen? Zu Godesheim am Rhein wird es stehen und ein paar "Finanzmänner" heißt es, stecken dahinter. Einstweilen aber wird dafür im Publikum schon Stimmung gemacht, d. h. fleißig "gesammelt". Alle Achtung vor Bungerts künstlerischer Begabung, aber so Neues, Unerhörtes, Ueberragendes, daß es in den Rahmen selbst unserer ersten Opernhäuser nicht paßte, bieten seine Arbeiten doch keineswegs, beanspruchen sie auch gar nicht. Wozu dann also nach berühmtem Muster die besondere Kultusstätte, ohne die es jetzt Talente dritten und vierten Ranges kaum mehr thun wollen? Das Gernegroßtum in der Musik nimmt erschreckend überhand, und was der Riesengeist Richard Wagner kaum als krönenden Lohn eines ganzen, der Kunst hingegebenen Lebens erreichen konnte, das verlangen seine Epigonen schon als Patengeschenk. In einer Zeit, wo mancher nicht geringere Künstler in deutschen Landen um des Lebens Notdurft zu ringen hat, ist der Luxus eines Festspielhauses für Bungert und Genossen mehr als Überfluss.«


    1911 wurde ein Bungert-Bund gegründet, der sich vorrangig der Pflege und Verbreitung von Bungerts Werken widmen sollte, aber diese Aktivitäten sind längst Geschichte ...


    In einem Nachruf in der Leipziger Neuen Zeitschrift für Kultur heißt es am 4. November 1915:
    »Der vielfach überschätzte und nicht minder unterschätzte Dichterkomponist war eine der eigenartigsten Erscheinungen der nachwagnerianischen Zeit: ein feingebildeter und warmblütiger Künstler, der sich allzu hohe Ziele gesteckt hatte.«



  • Am 9. Februar 1937 wurde Hildegard Behrens geboren.


    Im Gedenken an die prominente Mitbürgerin hat man anlässlich ihres 80. Geburtstages, den sie allerdings nicht mehr erleben konnte, eine Gedenktafel angebracht - nicht direkt an der Fassade, sondern am Zaun des angrenzenden Gartengeländes an der Moltkestraße, wo das Geburtshaus steht. Einen öffentlichen Auftritt hatte Hildegard Behrens in Varel nur einmal, da stand sie in der Komödie »Des Königs Schatten« als 18-jährige Gymnasiastin als Ghismonde auf der Bühne des überfüllten Saales vom Allee-Hotel und wurde in der Lokalpresse mit Lob bedacht.


    In ihrem kulturbefrachteten Elternhaus wurde zwar viel musiziert und wie ihre fünf Geschwister, lernte auch die Jüngste, Hildegard, am Klavier und der Violine - gesungen wurde auch, immerhin Bach, aber dass Hildegard Behrens einmal professionelle Sängerin werden würde, zeichnete sich in keiner Weise ab. Was sich abzeichnete, war ihr Drang nach draußen, in die weite Welt, sie strebte fort aus Friesland. Sie hatte nach ihrem Schulabschluss zunächst den Beruf einer Innenarchitektin angedacht, aber so wie sich die Dinge entwickelten, hätte das junge Fräulein auf absehbare Zeit einige Jahre in der friesischen Heimat bleiben müssen, denn die Gesetzeslage war damals noch so, dass die Volljährigkeit erst mit dem 21. Lebensjahr erreicht wurde.


    Zwei ihrer Brüder studierten in Freiburg im Breisgau, das ist fast am südlichen Ende der Bundesrepublik, also mehr als 700 Kilometer von Varel entfernt, das fand sie gut.
    Bruder Wilhelm studierte Musik, Bruder Otto Jura. So schrieb sich die junge Frau an der juristischen Fakultät ein und büffelte Paragrafen. Als es in Richtung erstes Staatsexamen ging, wurde sie mehr und mehr bei Bruder Wilhelm, bei den Musikern gesehen. »Verführt« hatte sie aber Otto, der im Freiburger Bach-Chor sang und sie animierte dort auch mitzumachen.
    Sie legte noch ihr Referendarinnen-Examen ab, dann war Schluss mit den Rechtswissenschaften, sie wandte sich der Musik zu, wo ja bereits ein tragfähiges Fundament vorhanden war.


    Sie mietete sich ein Klavier und stieg ins Gesangsstudium ein. Mit ihrer Gesangslehrerin klappte es zunächst nicht optimal, aber während der Semesterferien sang sie sich in Varel von jeglichen Unterrichtszwängen so richtig frei und erkannte für sich - ich kann singen! Mit dieser Erkenntnis reiste sie nach Freiburg zurück und setzte ihre Ausbildung so erfolgreich fort, dass es schließlich zu einem Engagement an der Deutschen Oper am Rhein kam, Hildegard Behrens hatte in Freiburg einen Tipp bekommen, dass am Rhein eine Sopranistin gesucht wird. Dort dann, mit schon 34 Jahren, die ersten Gehversuche, die dann 1974 in der Rolle der Marie in einer »Wozzeck«-Probe gipfelten, wo Herbert von Karajan zugegen, und überzeugt war, dass er seine zukünftige Salome gehört hatte. Die Sache musste reifen, erst 1977 war es dann soweit, sie sang die Salome bei den Salzburger Festspielen, damit war der Weg zu einer Weltkarriere geebnet. Dass es eine Weltkarriere war, geht schon aus der respektablen Liste der Dirigenten hervor, mit denen sie arbeitete und auch die Gesangskolleginnen und Kollegen wurden immer prominenter.
    Sie sang in Bayreuth und an fast allen großen Opernhäusern der Welt, natürlich auch an der »Met«.


    Hildegard Behrens orientierte sich nicht am Schöngesang einer Renata Tebaldi, sondern eher an dem der Callas. Der expressive Gestus war für sie wichtiger als der Wohllaut.
    »Meinem Temperament entspricht das Aggressive, ich schone mich nie«, erklärt sie einmal. »Je mehr ich mich in einer Rolle verausgabe, desto mehr Kraft kommt mir nach. Ich bin wie eine Flamme: Die saugt sich beim Brennen auch immer neuen Sauerstoff an.«


    Auch wenn sie in ihrem jugendlichen Überschwang unbedingt raus wollte aus Varel, sie hat immer eine Verbindung zu ihrer Heimat gehabt. Als einmal in den 1980er Jahren ein TV-Moderator Hildegard Behrens als »Opernstar aus Oldenburg« vorstellte, korrigierte sie diesen prompt und stellte klar: »Nein, ich komme aus Varel, das ist eine kleine Stadt zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg!«
    Wie bereits erwähnt, als Sängerin ist Frau Behrens in Varel nie öffentlich aufgetreten, aber einmal ganz in der Nähe. 2004 jährte sich der 100. Geburtstag der ebenfalls berühmten Oldenburger Sängerin Erna Schlüter. Im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters fand zu Ehren von Erna Schlüter eine Gala-Matinée statt, bei der die 67-jährige Hildegard Behrens Lieder von Strauss und Wagner sang.


    Die Gedenktafel befindet sich in 26316 Varel, Moltkestraße 5 / Ecke Parkstraße

    Anmerkung: Erweiterte Ausführungen finden sich im Thread »Der Musiker Gräber«

  • Lieber Hart,


    genau so wertvoll wie der von Dir gepflegte Thread "Der Musiker Gräber" ist der Bereich der Ehrenplätze. Ich bin fast ein wenig stolz, dass wir diesen Themenbereich mit dem von mir initiierten Gottlob-Frick-Platz in Heilbronn eröffnen durften. Für die Ehrenplätze wäre selbstverständlich auch die Gedächtnisstätte von Gottlob Frick eine Bereicherung. Die Händeabdruckgalerie mit ca. 300 Exponaten großer Sängerinnen und Sänger ist weltweit eine Einmaligkeit. Bisher konnte ich Dich noch nicht nach Ölbronn locken. Sollte dies doch einmal möglich sein, würden wir uns dort treffen und ich und alles was wir von Gottlob Frick und seine Kollegen haben würde Dir zur Verfügung stehen. Appetit bekommen?
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Hans!


    Wenn ich bedenke, was unser hart hier im Forum für eine enorme und bewundernswerte Arbeit leistet, kann ich Dir nur sehr beipflichten! Das hat er allemal verdient!

    W.S.



  • Die Gedenktafel am Eingang der Kirche



    Auch München wurde im Zeiten Weltkrieg durch Luftangriffe stark zerstört. Von der gesamten Stadtfläche war die Hälfte und die Altstadt sogar zu 90 Prozent zerstört. Die hier im Bild gezeigte Kirche ist praktisch eine Neuschöpfung anstelle des vorigen Kirchenbaus aus dem 19. Jahrhundert. Der eigentliche Wiederaufbau erfolgte in den Jahren1955 bis 1957.


    Günther Ramin gab mit seinen Thomanern ein Konzert in der Markuskirche und erfährt bei diesem Besuch in einem Gespräch mit Dekan Theodor Heckel, dass die Kantorenstelle der Kirche neu besetzt werden soll. Da waren zwar einige Bewerber, die schon bereits vorgespielt hatten und einer davon, ein etwas älterer Herr, war seiner Berufung nahe, aber Ramin pries Karl Richter dermaßen massiv an, dass es Heckel möglich machte, dass auch Richter noch den entscheidenden Gremien von Staat und Musikhochschule sein brillantes Spiel zu Gehör bringen durfte. Es gab zwar noch einiges Hin und Her bei den offiziellen Stellen, aber Pfarrer Heckel setzt sich für »seinen« jungen Musiker vehement und erfolgreich ein. So bekommt Karl Richter die Kantorenstelle und gleichzeitig einen Lehrauftrag für Orgel an der damaligen Musikhochschule, wobei der Lehrauftrag für Orgel probeweise für ein Jahr galt. Seinen Dienst an der St. Markuskirche tritt Richter im Oktober 1951 an und wird von Dekan Heckel wie von einem Vater umsorgt.


    Karl Richter war im östlichen Teil des damals politisch zweigeteilten Deutschland aufgewachsen und hatte dort von frühester Jugend an eine hervorragende musikalische Bildung erhalten.
    Bereits 1937 war er auf eigenen Wunsch ins Kreuzgymnasium nach Dresden gegangen und wurde Mitglied im berühmten Kreuzchor, den Kreuzkantor Rudolf Mauersberger leitete.
    1940 nahm der sich bereits im Ruhestand befindende vormalige Thomaskantor Karl Straube den hochbegabten Karl Richter als seinen letzten Schüler an; Straube unterrichtete den jungen Mann kostenlos, Richter musste lediglich 70 Pfennige Stromkosten pro Orgelstunde bezahlen.
    Durch die kriegsbedingte Unterbrechung des musikalischen Tuns konnte Richter seine Studien an der Staatlichen Hochschule für Musik in Leipzig erst 1946 wieder fortsetzen. Seine Lehrer waren exzellente Bach-Kenner; neben Straube war da nun der amtierende Thomaskantor Günther Ramin.


    Die Lehrer konnten stolz auf ihren Schüler sein, der das Staatsexamen mit Auszeichnung ablegte. Um einen Arbeitsplatz brauchte er sich keine Sorgen machen, man ernannte ihn zum Organisten an der Thomaskirche und an seiner vorigen Ausbildungsstätte fungierte er als Lehrer für Orgelspiel. Achtzehn Monate, vom Juni 1949 bis Ende 1950 war er Organist an der Thomaskirche - bei Dienstantritt noch keine 23 Jahre alt - und verblüffte durch sein sehr breites Repertoire. Anlässlich des Internationalen Bachfestes 1950 war Richter stark gefordert.
    Im Frühjahr 1950 begleitete er den Thomanerchor unter Günther Ramin auf einer Konzertreise in die Bundesrepublik Deutschland und in die Schweiz.
    Auf dieser Reise lernte er in Zürich ein Fräulein Glady Müller kennen, die dann ab Juni 1952 den Namen Glady Richter trug. Hatte er noch als Heranwachsender das nationalsozialistische Regime erlebt, konnte er nach dem Krieg beobachten, dass staatliche Organe wieder allgegenwärtig waren, um ihren Bürgern zu zeigen, wo es langgeht. Auf seiner Westtournee hatte er gesehen, dass es auch andere Möglichkeiten gab.


    Mit einem Köfferchen, das nur das Allernotwendigste enthielt - er wollte bei den Grenzposten nicht mit großem Gepäck auffallen - fuhr er zunächst nach Berlin und von dort weiter nach Zürich. Von Zürich aus sondierte er was ihm die Bundesrepublik Deutschland beruflich zu bieten hat.


    Was sich nun an der Markuskirche musikalisch entwickelte klingt geradezu unglaublich und konnte vermutlich auch nur in dieser Zeit entstehen. Richter übernahm den Chor von seinem Vorgänger Michael Schneider - noch unter der Bezeichnung »Heinrich-Schütz-Kreis«.
    Ab 1954 trat der Chor unter der Bezeichnung »Münchener Bach-Chor« in Erscheinung und nach der Gründung des Münchener Bach-Chores rief Karl Richter auch das »Münchener Bach-Orchester« ins Leben und führte es bald zu internationaler Bedeutung. Dabei erlangte das Orchester vor allem mit seinen Bach-Interpretationen auf großen Tourneen, von Paris über Moskau bis Tokyo und New York ... Weltruf.


    Da war jugendlicher Elan und Enthusiasmus auf beiden Seiten, also beim Dirigenten und Chor und so ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Begeisterung auch auf das Publikum übertrug. Der Bekanntheitsgrad von Chor und Orchester zog immer weitere Kreise und man muss darauf hinweisen, dass es sich hier um einen reinen Laienchor handelte, also Leute die in der Hauptsache mit Beruf oder Studium zu tun hatten. Da waren ja nicht nur die obligatorischen Proben, sondern auch sich die allmählich steigernde Anzahl von Auftritten. Man kann davon ausgehen, dass die Chormitglieder an etwa 150 Abenden im Jahr musikalisch gefordert waren. Ging es auf Konzertreisen, in der Regel drei Wochen, musste dafür der Urlaub geopfert werden.
    Um in den Chor zu kommen, musste man vorsingen , wie man hören konnte, wollte Richter oft »Lobe den Herren« hören, aber es gab auch Vorsingen vor wichtigen Konzertreisen, bei denen Richter Gehörprüfungen dergestalt durchführte, dass er anwies: »Singen Sie mal c, dann g« und so weiter.
    Im Chor zu arbeiten war aber nicht nur Mühe und Arbeit, das war für die jungen Leute auch sehr attraktiv und wurde mit dem steigenden Bekanntheitsgrad des Chores immer attraktiver. Man war mit erstklassigen Solisten zusammen, die wiederum auch den Laiensängern ein gutes Zeugnis ausstellten; Edda Moser gab da mal eine Lobeshymne zu Protokoll, in der sie unter anderem ausführte:
    »Ein Chor braucht Kraft, und das war beim Bach-Chor garantiert. Die Chöre heute, auch die Berufschöre, singen nie ein wirklich überwältigendes Forte, es ist immer so ein Halbforte, und das ist schade. Da hat der Münchener Bach-Chor wirklich voll ausgesungen, und sie waren immer sauber. Das hört man auch auf den Platten. Der Chor ist immer sauber, und das finde ich entscheidend.«
    Da waren Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen, da waren Konzertreisen in alle Herren Länder, in einer Zeit, wo der Normaldeutsche höchstens mal nach Rimini kam.


    In der Markuskirche wurde natürlich auch Orgel unterrichtet, nicht nur an der Hochschule, wo die Schüler schon mal den ganzen Sonntag über zum Üben eingeschlossen waren. In der kühleren Jahreszeit war das dann im Kirchenraum mit klammen Fingern nicht gerade ideal. Da ließ Richter dann seine Schüler schon mal warten und kam mit großer Verspätung, was kein Einzelfall war.
    Beim Orgelunterricht stellte er sehr hohe Anforderungen, er hatte kaum dafür Verständnis, dass man außerhalb der Musik noch andere Interessen haben könnte. Bei Richter musste alles auswendig gespielt werden, was damals keineswegs üblich war. Richter selbst hatte ein geradezu phänomenales musikalisches Gedächtnis und spielte und dirigierte grundsätzlich alles auswendig.


    Als Karl Richter am 15. Februar 1981 überraschend in einem Münchner Hotel gestorben war, nahm sein Chor mit der Bach-Motette »Fürchte dich nicht« in der Markuskirche von ihm Abschied.


    Anmerkung: Erweiterte Ausführungen finden sich im Thread »Der Musiker Gräber«

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