Felix Mendelssohn-Bartholdy: 3. Sinfonie a-Moll – die Schottische

  • In Konzerten hat Klemperer stets statt der 95-taktigen Coda einen eigenen Schluss spielen lassen, der auf dem erweiterten zweiten Thema des Finales beruhte und laut Klemperer besser zur allgemeinen Stimmung der Sinfonie passte.


    Wer hören möchte, wie das klang, kann hier antiquarisch käuflich tätig werden:
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    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • In der restaurierten Einspielung aus dem Jahr 1960, die in Beitrag 30 erwähnt wird, ist der Originale Schlusssatz Mendelssohn-Bartholdys zu hören. Will man Otto Klemperers Fassung vergleichen, muss man, wie Norbert berichtet, auf die in Beitrag 31 vorgestellte Aufnahme zurückgreifen.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Da ich sie erst kürzlich angeschafft habe, nur ein kleiner Hinweis auf diese Einspielung der "Londoner Fassung" der 3. Sinfonie in der Einspielung von Riccardo Chailly. Ich bin wahrlich kein Experte, aber finde die Unterschiede zur mir bekannten Fassung (bevorzugt gehört in der Einspielung unter Dohnany) nicht so gravierend (am auffallendsten im Finale).


    Chailly bietet hier einen Mendelssohn mit viel drive und Dramatik. Das Gewandhausorchester agiert mit seinem bekannten warmen Ton, der wunderbar zum düsteren a-Moll paßt. In den Tiefen hört man ein sattes Fundament, ohne daß jedoch ein Klangbrei entstünde: das ist weniger eine Nebelstimmung als die Schroffheit des Landschaftsreliefs das da durchklingt. Insbesondere die Streicher entfalten im Kopfsatz ein düsteres Drama, im Finale dagegen viel Esprit. Blech und Schlagwerk sind prominent eingefangen, ohne zu sehr zu dominieren, den Holzbläsern muß man für den schönen Ton ein besonderes Kompliment machen. Ich denke, auch dies ist nicht zuletzt dem Dirigenten und seiner akribischen Arbeit zu verdanken. ImO steht der "Schottischen" diese Lesart Chailly ganz gut zu Gesicht. Die Tonqualität ist imO ganz exzellent (trotz des "satten" Klangs sehr transparent).
    Mit herzlichem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • In Konzerten hat Klemperer stets statt der 95-taktigen Coda einen eigenen Schluss spielen lassen, der auf dem erweiterten zweiten Thema des Finales beruhte und laut Klemperer besser zur allgemeinen Stimmung der Sinfonie passte.


    Wer hören möchte, wie das klang, kann hier antiquarisch käuflich tätig werden:
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    Ich meine, dieses Werk vor etlichen Jahren sogar ausgerechnet mit dieser Live-Aufnahme mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks von 1969 kennengelernt zu haben. Gestern hörte ich mir mal wieder Klemperers Version der Coda an (wird sogar auf der Rückseite der CD vermerkt). Nun ja. Bei aller Wertschätzung für den großen Klemperer, aber ich finde diese Fassung eher eine Verschlimmbesserung. Es klingt nicht einmal unbedingt unorganisch, aber die Originalversion ziehe ich doch deutlich vor. Wieso diese oft so kritisiert wird, verstehe ich nicht ganz. In seiner Studioeinspielung für EMI hat Klemperer sie ja in der herkömmlichen Fassung spielen lassen - allerdings in einem derart langsamen Tempo, als wollte er seiner Abneigung damit Ausdruck verleihen, dass er die Coda unter Studiobedingungen so dirigieren musste, wie es der Komponist eigentlich vorsah.


    Von den von mir in letzter Zeit gehörten Aufnahmen überzeugten mich am meisten Peter Maag (Arts, 1997), Charles Münch (RCA, 1959) und Frans Brüggen (Glossa, 2012). Sie alle beachten, dass Mendelssohn die Finalcoda eben maestoso gespielt haben wollte. Und das geht kaum, wenn man schneller ist als zweieinhalb Minuten. Natürlich braucht man es nicht gleich so extrem zu machen wie Klemperer - fast dreieinhalb Minuten.


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    Spielzeiten:


    Maag: 14:07 - 4:32 - 10:17 - 10:45
    Münch: 13:15 - 4:07 - 9:06 - 9:33
    Brüggen: 19:16 - 4:57 - 10:12 - 11:18

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zunächst mal meinen herzlichen Dank an "Joseph II", der immer wieder wichtige Threads eröffnet oder wiederbelebt. Dabei hat er mir eine Enscheidung abgenommen, ich dachte solbst daran den "Mainstream Bereich" wieder etwas aufzufrieschen, war mior aber nicht schlüssig. Dieser Thread hat mich, ähnlich wie bei jenem über Mendelssohns "Reformationssinfonie" angeregt, die Sinfonie, die hier Namensgeber ist, nach langer Zeit wieder zu hören. Meine Wahl fiel auf eine Einspielung des "Royal Philharmonic Orchestra" unter Stefan Sanderling. Ich kann die Aufnahme nicht wirklich einschätze, dazu haber ich das Werk zu selten gehört, fand das Gesamtergebnis indes beeindruckend. Wer hat bitte die blöde Aussage gemacht, nach Beethoven könne man keine Sinfonien mehr schreiben ? (Ich glaube, daß dieses "Verdikt" noch heute Einfluß ausübt, und ich leugne nicht, daß dies bei mir in jungen Jahren einst auch der Fall war) Die Spieldauer liegt - verglichen mit Karajan und Solti - im Mittelfeld, lediglich Norrington ist schneller.
    Die Aufnahme ist eine 2 Kanal SACD Hybrid und wird derzeit abverkauft.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ich meine, dieses Werk vor etlichen Jahren sogar ausgerechnet mit dieser Live-Aufnahme mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks von 1969 kennengelernt zu haben. Gestern hörte ich mir mal wieder Klemperers Version der Coda an (wird sogar auf der Rückseite der CD vermerkt). Nun ja. Bei aller Wertschätzung für den großen Klemperer, aber ich finde diese Fassung eher eine Verschlimmbesserung. Es klingt nicht einmal unbedingt unorganisch, aber die Originalversion ziehe ich doch deutlich vor. Wieso diese oft so kritisiert wird, verstehe ich nicht ganz. In seiner Studioeinspielung für EMI hat Klemperer sie ja in der herkömmlichen Fassung spielen lassen - allerdings in einem derart langsamen Tempo, als wollte er seiner Abneigung damit Ausdruck verleihen, dass er die Coda unter Studiobedingungen so dirigieren musste, wie es der Komponist eigentlich vorsah.


    Lieber Joseph,


    ich werde demnächst mal nachschauen, wann ich das zitierte geschrieben habe... ;)


    Otto Klemperer rechtfertigte seine Vorgehensweise wie folgt: "... Mit anderen Worten, Mendelssohn war mit der Coda dieser Sinfonie durchaus nicht zufrieden. Dieser Schluß ist auch absonderlich genug. Er verwendet den 6/8 Takt zu einem in keiner Weise schottischen Thema und bringt es so zu einem lauten Schluß. ..."


    Das Ergebnis bei Klemperer ist in der Tat Geschmackssache.



    Von den drei genannten Aufnahme kenne ich die mit Charles Munch und kann dem positiven Urteil zustimmen. Munch verstand es wie kaum ein anderer Dirigent, "Feuer" und "Eleganz" zu vereinigen.


    Mein Favorit ist:



    Zuerst einmal die Spielzeiten zum Vergleich: 16:02, 4:18, 9:43 und 9:43. Anzumerken ist, dass Peter Maag und Charles Munch kein schnelleres Tempo im ersten Satz anschlugen, sondern die Wiederholung wegließen.


    Ich habe die Aufnahme mit Antonello Manacorda einmal gehört und bin begeistert. Die kleine Orchesterbesetzung offenbart Orchesterfarben, die bei "großsinfonischen" Aufnahmen zu häufig untergehen. Beeindruckend ist die Detailarbeit, die Tempowahl (angemessen, aber nicht zu schnell) und die Vermeidung jedweder "Biedermeierlichkeit". Die in der ersten Rezension verwendete Bezeichnung "eine leidenschaftliche Sturm-und-Drang-Musik" trifft mein Empfinden exakt.


    Ich werde die Sinfonie demnächst noch einmal hören und dann etwas ausführlicher berichten.


    Die von Alfred gezeigte Aufnahme mit Stefan Sanderling kenne ich ebenfalls und bin von ihr -auch ebenfalls ;) - sehr angetan.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • die CD-Koppelung mit der Hebriden-Ouvertüre ("Fingal´s Cave") von Maag und dem LSO gab es mal in der relativ kurzlebigen Decca-Serie "The Classic Sound" (erschienen 1995):



    Momentan aber leider nur zu den amazonüblichen Mondpreisen auf dem marketplace erhältlich.

    Das schrieb GiselherHH 2009. Wer interessiert ist, kann sie momentan bei Amazon für schlappe 1,63 € + Porto (gebraucht, gut) erwerben. Die Aufnahme galt lange als eine der Leitinterpretationen der Schottischen. Technisch klingt sie trotz ihres Alters gut.

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Alternativ (etwas teurer, aber mehr Ausgaben zu finden), gab es auch die Kopplung mit der Sommernachtstraum-Musik. Wenn man sowohl letztere als auch die Hebriden-Ouverture haben will, muss man vermutlich beide kaufen.


    Charles Munch in 3-5 ist auch hervorragend; evtl. am günstigsten in einer der "weißen" minimalistischen Sony-Boxen mit Schubert, Brahms usw.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Diese DG-Studioeinspielung aus der Jesus-Christus-Kirche, Berlin, 11/1988, wurde von Garaguly ins Spiel gebracht. James Levine dirigiert die Berliner Philharmoniker. Ich kann mich dem positiven Urteil anschließen, das sind wirklich sehr gelungene Aufnahmen. Klanglich ist das tadellos eingefangen und den Karajan-Aufnahmen aus den frühen 70ern überlegen.


    Die "Schottische", um die es hier geht, weist folgende Spielzeiten auf:


    16:30 - 4:32 - 10:18 - 10:07


    Levine liegt hier völlig im Rahmen, wenn man mit anderen Aufnahmen vergleicht. Bereits der Kopfsatz entfaltet eine Sogwirkung, der m. E. im gesamten Werk anhält.


    Schade, dass damals kein kompletter Zyklus entstanden ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auf dieser DVD kann man Charles Münch erleben, er dirigiert die 3. und 4. Sinfonie von Felix Mendelssohn:

    Das Aufnahmedatum (1.12.1959) stimmt mit dem der CD-Ausgabe überein, so daß es sich wohl um die gleiche Version handelt. Als Zugabe enthält die DVD noch Mozarts "Maurerische Trauermusik".

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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