Mendelssohn: Symphonie Nr.5 d-moll op.107 "Reformation"

  • Hallo Felix,
    ich finde gerade zur Reformationssinfonie past Karajan´s Ansatz sehr treffend (sowie bei der Nr.1. und 3. / 2. kann ich nicht beurteilen). Bei der Sinfonie Nr.4 "Italienische" gebe ich Dir Recht. Die klingt mit Karajan tatsächlich zu konservativ. Da sollte man zu Dohnanyi (Decca), Kondraschin oder auch Solti (Decca) greifen, die ich mir erst letztes Jahr zusammen mit der Nr.3 "Schottischen" in den Aufnahmen mit seinem CSO zugelegt habe.

    Gerade diese Aufnahme von der Reformationssymphonie habe ich nicht, da ich die Karajan-Aufnahmen der vierten Symphonie und der Hebridenouvertüre dermaßen verschleppt fand (Schottische gefiel mir besser), dass ich keinen weiteren Mendelssohn von Karajan mehr kaufen wollte. Ich kann also zu dieser Aufnahme nichts spezifisches sagen und möchte und kann dir hier nicht widersprechen. Allerdings bin ich mit der Maazelaufnahme dermaßen zufrieden, dass ich nicht weiter auf die Suche gehen werde (11 Aufnahmen reichen mir zur Zeit).

  • Die hier geäußerte Meinung, dass Mendelssohn überzeugt der ev. Religion angehörte (ein überzeugter Protestant war?), mit der Begründung, dass er viele Theologen kannte, ist für mich???

    Ich habe hier keine Meinung geäußert, sondern Tatsachen angeführt. Mendelssohns tiefe Religiösität ist lückenlos und völlig klar belegt. Dazu muss man nur einige seiner Briefe lesen, um zu sehen, wie wichtig ihm sein lutheranischer Glaube war. Weitere Tatsachen:


    1. Mendelssohn beschäftigte sich sein Leben lang mit der Neuerweckung evangelischer Kirchenmusik, wobei besonders Bach und Schütz seine Vorbilder waren. Das lässt sich auch an seinem Output an Choralkantaten und Motetten ganz klar erkennen.
    2. Mendelssohn stellte der Lobgesangsymphonie ein Lutherzitat voran.
    3. Mendelssohn stand dem Judentum (als Religion) sehr reserviert gegenüber. Sein "Paulus" ist streckenweise sogar explizit antijüdisch. Erst gegen Ende seines Lebens (z.B im "Elias") nahm er eine entspanntere Haltung ein.
    4. Der Hauptgrund für das Zerwürfnis zwischen Mendelssohn und Heine war, dass letzterer empört war, dass Mendelssohn seine Konversion ernst nahm und nicht nur als "Eintrittskarte zur europäischen Kultur" verstand.
    5. Mendelssohn las jeden Tag in der Bibel und begann Kompositionen mit der Bitte an Gott um Gelingen.


    Falls dich das Thema wirklich interessieren sollte sei dir folgendes Bücher ans Herz gelegt:



    Interessiert dich das Thema nicht ausreichend wirst du mir, als jemand, der sich seit über 10 Jahren intensiv mit seinem Lieblingskomponisten Mendelssohn beschäftigt, glauben müssen.

  • Von Norbert wurde in Beitrag 2 die Maazel-Aufnahme von 1961 (DG) als ganz grosse Aufnahme besonders hervorgehoben.
    Die unglaublich flotten Spielzeiten bei Maazel sollten mich eigendlich zum Kauf anreizen: 10:34 - 5:22 - 2:58 - 7:54


    Für den 1. und 2.Satz kann ich mir das auch gut vorstellen. :?: Aber wie man den herrlich beseelten 3.Satz Andante in 2:58 "überfliegen" kann ist mir schleierhaft.


    Hallo Wolfgang,


    es muß Dir nicht "schleierhaft sein, denn Maazel "überfliegt" nicht, er akzentuiert anders.
    Zugegeben, ich kenne die von Dir gelobte Karajan-Einspielung nicht, aber wenn man obige Zeiten in Relation zu den von Dir genannten Karajans setzt,


    Zitat

    12:57 - 6:54 - 4:25 - 8:53.
    Um die Grösse dieses hochgeschätzten Werkes aufzubauen, braucht es genau diese Länge.


    dann stellt man fest, daß Maazel in jedem einzelnen Satz schneller ist als Karajan und daß in Relation beider Aufnahmen zueinander auch das Tempo des Andante (= "gehend, schreitend" und nicht etwa "langsam") paßt.


    Es ist bei Mendelssohn nicht anders als bei Beethoven, Mozart, Bruckner, Mahler oder wem auch immer. Es gibt kein "zu schnell" oder "zu langsam", es gibt nur "passend" oder "unpassend". Und ebenso wie bei Beethoven oder Bruckner hört man auch hier mit "anderen Ohren", wenn man mit den ungewohnt schnellen Tempi Maazels zum ersten Mal in Berührung kommt.


    Das Ergebnis besteht zwar natürlich aus weniger "Weihe" (die Du bei dem Werk schätzt), gewinnt aber dafür merklich an Frische. In meinen Ohren zumindest darf "Größe" gerne einmal "frisch" klingen, denn "Frische" pflegt zuweilen "alttradierten Staub wegzupusten".


    Okay, letztes Bild passt nicht ganz, denn Maazels Aufnahme ist ja bereits über 50 Jahre alt...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • sondern auch in seinem Freundeskreis (einige Theologen) widerspiegelt

    Hallo Felix Meritis,


    darauf bezog sich meine Äußerung zur "Meinung", was nicht als Wertung Deiner spez. Mendelssohn Kenntnisse gedacht war/ist. (Zumindest für Heute ist der Freudeskreis mit Theologen für mich wertneutral, was Glaubensfragen betrifft, damit meine ich nicht religiöse Fragen). Es mag sein, dass der Unterschied zwischen biblisch gestütztem christl. Glauben und Religiosität Heute stärker ausgeprägt ist und auch so empfunden wird.


    Dass sich Mendelssohn speziell der Wiederentdeckung von Kirchenmusik widmete steht außer Zweifel, dass es ev. war, dürfte ihn gefreut haben und lag zeitbedingt m. E. auch daran, dass es zur Zeit von Schütz, Bach... im kath. Bereich eine "Atempause" in der Kirchenmusik gab.



    Hallo Norbert,


    Deinen Beitrag habe ich mit Freude gelesen und möchte ergänzen: Luther wollte keine weitere christl. Kirche gründen, er wollte die bestehende Kirche von Unrat befreien, reformieren und das hat mit "weihevoll" an sich wenig zu tun. Heute würde man dazu sagen, "er wollte frischen Wind" in die Sache bringen und das Wort "Frische" bringst Du ja auch, wenn es um Interpretationsfragen geht. Dass aus seiner Reformation eine weitere Kirche (incl. Institution ) entstanden ist, lag nicht in seinem Sinn, sondern...


    Und wer wollte bestreiten, dass reformieren an sich ein ständig neu sich wiederholender, ununterbrochener Vorgang ist/sein sollte, was wo übersehen wird???


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Ohne mich dafür engagieren zu wollen, wäre es interessant, welcher Religion die "Langsam-Interpretierer" angehören.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo Norbert, Felix und Zweiterbass,


    die von Euch geschätze Maazel-Aufnahme der Reformationssinfonie (Abb in Beitrag 2) habe ich bei einem weiteren Klassikmusiknachmittag mit einem Euch bekannten Tamino diese Woche gehört und seine Zweitausgabe als Einzel-CD bekommen.


    Ich muss sagen, dass mir auch sein zügiger Interpretationsansatz überraschend gut gefällt. Die Maazel-Aufnahme ist für mich neben Karajan (DG) mit seinem weihevoll-dramatischen Ansatz nun eine wertvolle Ergänzung geworden.
    Trotz der durchweg schnelleren Spielzeiten wirkt auch Maazel nirgendwo zu schnell - auch eine Klasse Aufnahme mit angemessener Grösse für diese wertvolle Sinfonie.


    ;) Ich hätte es vorher nicht gedacht - das muss ich ehrlich zugeben !
    Aber im Nachhinein bei mir eigendlich kein Wunder, wo ich doch schnellere Tempi fast immer bevorzuge.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    es freut mich, daß Du den Weg zu Maazel gefunden hast. Daß er auch bei Dir punkten konnte, ist ein schöner "Nebeneffekt". ;)


    Hier findet sich die Bewahrheitung des Satzes "Urteile lassen sich bekämpfen, Vorurteile nicht" (nicht auf Dich persönlich bezogen) und ein weiterer Beleg dafür, daß es nicht nur einen "legitimen" Interpretationsansatz für ein Werk gibt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Nachdem ich die "Reformationssymphonie" viele Jahre sträflich vernachlässigt habe, entdecke ich dieses Werk in letzter Zeit allmählich für mich. Mir lag früher lediglich die Einspielung Herbert von Karajans (DG, 1972) vor. Jetzt beim Wiederhören fand ich diese beileibe nicht schlecht, aber so richtig wollte der Funke auch nicht überspringen. Die Aufnahme entstand im Rahmen seiner Aufnahme des Zyklus in den Jahren 1971 und 1972.



    Durch einen Hinweis in einem anderen Thread kam ich dann auf die Mendelssohn-Aufnahmen von Sir Colin Davis. Die 5. Symphonie scheint diesem einigermaßen am Herzen gelegen zu haben, spielte er sie doch zweimal ein: Am 8. und 9. September 1984 im Herkulessaal der Münchner Residenz mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Orfeo, Studio) und am 28. Oktober 1997 in der Dresdner Semperoper noch einmal mit der Staatskapelle Dresden (Profil/Hänssler, live). Ich habe beide in den letzten Tagen durchgehört. Um es kurz zu machen: Die frühere mit dem BR-Symphonieorchester ist klar vorzuziehen. Das Orchester spielt (noch) besser und es klingt (deutlich) besser. Die Akustik der Semperoper ist schwierig, besonders bei Konzerten. Das konnten auch die Tontechniker des MDR nicht aus der Welt schaffen. Kein Vergleich zum Herkulessaal. Da es sich um einen echten Live-Mitschnitt handelt, wurde in Dresden zudem ein ärgerlicher Patzer der Blechbläser im Schlusschoral nicht korrigiert. Die Grundkonzeption hat sich 13 Jahre später indes nicht so sehr verändert. Davis geht das Werk breit an und betont den besonders im Kopf- und Schlusssatz weihevollen Charakter, in der älteren Aufnahme noch ausgeprägter. Karajan hat interessanterweise ein ganz ähnliches Zeitgefühl – abgesehen vom Finalsatz, wo er etwas flotter unterwegs ist.


    Die Spielzeiten im Einzelnen:


    Karajan – Davis '84 – Davis '97
    I. 12:57 – 12:42 – 12:23
    II. 6:54 – 7:04 – 6:47
    III. 4:24 – 4:20 – 3:53
    IV. 8:53 – 9:43 – 9:31


    Ich bin ganz verzückt von der BR-Aufnahme, die diesem Werk, das zum 300. Jahrestag der Confessio Augustana 1830 komponiert wurde, die nötige Erhabenheit verleiht. Sie hat vom ersten bis zum letzten Takt einen organischen Fluss. Das Dresdner Amen im Kopfsatz erklingt bei Davis in geradezu überweltlicher Reinheit, als wähnte man sich bereits im "Parsifal". Nicht weniger überzeugend die beiden Mittelsätze, die eine im besten Sinne protestantische Verinnerlichung verkörpern. Umso größer dann der Kontrast zum feierlichen Luther-Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" im sich nahtlos anschließenden Finalsatz. Hier erzielt die Komposition ja eine beinahe schon katholisch anmutende Prachtentfaltung. In der Coda nimmt Davis das Tempo nochmal zurück und können die Blechbläser des BR-Symphonieorchesters ihr Potential voll ausspielen. Ein exponierter Paukenschlag im letzten Takt setzt dem Ganzen noch das Krönchen auf. Eine ganz großartige Darbietung eines noch immer etwas vernachlässigten Werkes.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine der schlüssigsten, für mich überzeugendsten Versionen ist, so weit ich sehen kann, hier noch gar nicht genannt worden:
    oder
    Charles Münch und das Boston Symphony Orchestra (Aufnahme: RCA Living Stereo 10/1958), die auch klanglich, trotz des Alters, gut geraten ist. Neben der Maazel-Aufnahme (DGG) ist sie bis heute die, die mir am besten gefällt. Ich besaß sie bereits auf LP; sie ist mit einer ebenfalls schönen Aufnahme der Nr. 4 (Italienische) gekoppelt, die ein Jahr später produziert wurde.
    In dieser günstigen 8 CD-Box ist sie ebenfalls enthalten:



    In dem Album ist übrigens auch Mendelssohns Nr. 3, genannte "Schottische" zu finden, aufgezeichnet 10/1958. Auch diese Aufnahme aus der Frühzeit der Stereophonie ist technisch in Ordnung. Die Wiedergabe ist transparent und rauscharm.



    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Meine Favoriten für die Reformationssinfonie sind bisher Karajan (DG) und Maazel (DG).
    Mein Neuzugang Dohnanyi hat aber auch das gewisse etwas, ohne die Tiefe des Werkes zu vernachlässigen. Der detailreiche Klang mit prägnaten Pauken verleiht der Sinfonie einen edlen Touch mit bisher ungehörten Eigenschaften.



    Decca, 1976-1980, ADD/DDD



    *** Der Sinfonie Nr.5 "Reformationssinfonie" D-Dur op.107 kann ich unter Karajan in den Sätzen 1 und 4 noch mehr Tiefe bescheinigen. Trotzdem finde ich auch hier Dohnanyi´s zügigere Herangehensweise auf eine andere Art ebenfalls sehr hörenswert. Da liegt er auf der Line von Maazel, der trotz der noch zügigeren Spielzeiten auch keineswegs zu schnell unterwegs wirkt.


    :thumbup: Alle drei Aufnahmen sind auf ihre Art sehr hörenswert:


    Karajan ... = 12:57 - 6:54 - 4:25 - 8:53
    Maazel .... = 10:34 - 5:22 - 2:58 - 7:54
    Dohnanyi = 11:31 - 5:27 - 3:53 - 8:23



    :) Mehr Mendelssohn brauche ich aber nicht ... habe trotzdem in meiner sammlung noch eine gefunden, über die ich in kürze berichte ... Bernstein / New Yorker PH !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner

  • Die Rezensionen zu der vor einiger Zeit erschienen Einspielung der "Reformationssymphonie" durch das Barockorchester Freiburg unter dem spanischen Dirigenten Pablo Heras-Casado sind ganz überwiegend positiv, um nicht zu sagen euphorisch. Die neue Edition von Breitkopf & Härtel von 2017 diente erstmals als Grundlage für eine Aufnahme. Wirklich hörbare Unterschiede zu anderen Aufnahmen kann man indes nicht feststellen. Da wäre eine Einspielung der Erstfassung des Werkes von 1830 interessanter gewesen. Üblicherweise wird ja die Letztfassung von 1832 aufgeführt. Die vorliegende Aufnahme entstand zwischen 19. und 22. März 2017 im Auditori de Barcelona und klingt dem brandaktuellen Aufnahmedatum entsprechend gut. Entschlacken um jeden Preis scheint das Konzept des Dirigenten zu sein. Leider geht das Analytische zuweilen soweit, dass es an ein Sezieren erinnert. Wirklich berührt hat mich diese Aufnahme nämlich nicht. Vibrato wird (natürlich) vermieden, was dem Werk allerdings auch die Erhabenheit nimmt. Die Tempi sind sehr flott: 10:32 - 4:53 - 3:24 - 7:51. Das ist an und für sich völlig legitim, aber anders als Maazel, der in seiner berühmten Einspielung von 1961 fast dieselben Tempovorstellungen hat (10:34 - 5:21 - 3:02 - 7:55), fehlt mir hier die innere Anteilnahme. Der Kopfsatz hat stellenweise einen aggressiven Unterton, aber speziell in den Binnensätzen tut sich ein hektischer Eindruck auf. Diese Symphonie besteht doch nicht nur aus zugespitzter Dramatik. Unspektakulär das Finale. Der Schlusschoral wird bei Heras-Casado zum Chorälchen; da wird viel verschenkt. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, aber sind die nun aus der Barockzeit oder aus dem frühen 19. Jahrhundert? Angesichts der vielen Alternativaufnahmen für mich eine insgesamt recht verzichtbare Angelegenheit.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Entschlacken um jeden Preis scheint das Konzept des Dirigenten zu sein. Leider geht das Analytische zuweilen soweit, dass es an ein Sezieren erinnert. Wirklich berührt hat mich diese Aufnahme nämlich nicht. Vibrato wird (natürlich) vermieden, was dem Werk allerdings auch die Erhabenheit nimmt. Die Tempi sind sehr flott: 10:32 - 4:53 - 3:24 - 7:51. Das ist an und für sich völlig legitim, aber anders als Maazel, der in seiner berühmten Einspielung von 1961 fast dieselben Tempovorstellungen hat (10:34 - 5:21 - 3:02 - 7:55), fehlt mir hier die innere Anteilnahme. Der Kopfsatz hat stellenweise einen aggressiven Unterton, aber speziell in den Binnensätzen tut sich ein hektischer Eindruck auf. Diese Symphonie besteht doch nicht nur aus zugespitzter Dramatik. Unspektakulär das Finale. Der Schlusschoral wird bei Heras-Casado zum Chorälchen; da wird viel verschenkt. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, aber sind die nun aus der Barockzeit oder aus dem frühen 19. Jahrhundert? Angesichts der vielen Alternativaufnahmen für mich eine insgesamt recht verzichtbare Angelegenheit.


    Lieber Josef,


    du sprichst mir aus der Seele. Ich sehe diese Aufnahme (wie auch alles andere, was ich von diesem Dirigenten habe) ebenfalls als entbehrlich an. Jedes der darauf enthaltenen Werke liegt mir mehrfach in x-fach besserer Aufnahme vor! Vor allem, dass es offenbar an einer überzeugenden Grundidee mangelte, ist dieser Einspielung so deutlich anzuhören!


    Grüße
    Garaguly

  • Vor allem, dass es offenbar an einer überzeugenden Grundidee mangelte, ist dieser Einspielung so deutlich anzuhören!


    Lieber Garaguly,


    das fasst es gut in Worte, was auch mein Eindruck war. Ich habe ja nun gar nichts gegen einen "historisch informierten" Klang, aber das will eben auch gekonnt sein. Brüggen, Gardiner und Immerseel wären da in Sachen Mendelssohn beispielsweise zu nennen. Wieso die Kritikerzunft quasi unisono diese Aufnahme lobt, bleibt mir jedenfalls rätselhaft. Vielleicht kennen die Herren und Damen Musikkritiker/innen aber auch schlichtweg nicht die wirklich guten Interpretationen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mendelssohns Sinfonien sind in meiner Sammlung - sieht man von der von mir heißgeliebten"Italienischen" mal ab - eher spärlich vertreten. Die Fünfte existiert sogar nur EINMAL in meiner Sammlung, und zwar in der damals vielgepriesenen und mit einem Stern des Fonoforum(?)ausgezeichneten Live Aufnahme aus dem Wiener Musikverein unter Ich konnte damals mit der Aufnahme nichts anfangen, die Aufnahmetechnik erschien mir zu dumpf (Ich war in meiner Jugend auf spitze metallische Höhen fixiert) Und zudem hatte das Werk mir nicht zu sagen Mendelssohn, so schrieb Pius in seinem Eröffnungsbeitrag, habe das Werk selber auch nicht gemocht und dies auch begründet. Der wahre Grund dürfte indes die Ablehnung des Pariser Orchesters gewesen sein, das sie Aufführung der Sinfonie einfach ablehnte, weil sie "zu gelehrt sei" (Erinnerungen an Schuberts Große C-Dur Sinfonie wurden bei mir wach) So lag die Aufnahme - ein- oder zweimaligem Hören an die knapp 20 Jahre im CD-Regal und wurde erst heute - anlässlich des Wiederauflebens diese Threads - erneut gehört. Un was soll ich sagen: Begeisterung pur !!!
    Ein gealterter (ähh gereifter) Mann, ein anderes Paar Lautsprecher, ein anderer Hörraum und schon verändern sich Perspektiven und Welten. Wie auch immer man das formulieren mag - es war ein Erlebnis !!!
    Am Ende dieses Beitrag musste ich feststellen daß diese CD bereits gestrichen ist, wie übrigens das meist was in diesem Thread empfohlen oder besprochen wurde.

    Solche Erlebnis haben natürlich meist Folgen. Im konkreten Fall hat es dazu geführt, meine Mendelssohn-Sammlung kritisch zu durchforsten und über Ergänzungen nachzudenken. Ich kam zu dem Schluss, daß mehrere Einspielungen des Violinkonzerts, der 4. Sinfonie (Italienische) und der Musik zum Sommernachtstraum noch keinen Mendelssohnkenner oder -Liebhaber ausmachen und werde daher die bescheidene Sammlung ergänzen. Karajan und der vielgepriesene Maazel sind ja nicht mehr wirklich am Makt (antiquarisch kaufe ich nicht) und so musste ich eine andere Entscheidung treffen. Nach Abhören der Klangschnippsel fiel meine Wahl auf eine Gesamtaufnahme aller Sinfonien (und der Streichersinfonien) mit den Heidelberger Sinfonikern unter Thomas Fey.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Karajan und der vielgepriesene Maazel sind ja nicht mehr wirklich am Makt (antiquarisch kaufe ich nicht) und so musste ich eine andere Entscheidung treffen.


    Hallo Alfred,


    da Du ja jpc bevorzugst und Amazon meidest: Den Karajan bekommst Du durchaus auch dort noch:



    Falls es Dir nur um die Fünfte geht, gäbe es auch diese japanische Einzel-CD, die allerdings teurer ist als die Box mit allen fünf:



    Beim Maazel wird es wohl wirklich schwieriger. Bei jpc sehe ich die Fünfte derzeit nur als Japan-Import, dafür mir originalem LP-Cover (gekoppelt mit der Vierten):


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Vielleicht darf es auch mal eine neuere Aufnahme sein – hineinhören kostet nichts:



    Diese Aufnahmen mit Gardner klingen sehr gut – zügige Lesart, frische Interpretationen … :pfeif:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)


  • Lieber Garaguly,


    das fasst es gut in Worte, was auch mein Eindruck war. Ich habe ja nun gar nichts gegen einen "historisch informierten" Klang, aber das will eben auch gekonnt sein. Brüggen, Gardiner und Immerseel wären da in Sachen Mendelssohn beispielsweise zu nennen. Wieso die Kritikerzunft quasi unisono diese Aufnahme lobt, bleibt mir jedenfalls rätselhaft. Vielleicht kennen die Herren und Damen Musikkritiker/innen aber auch schlichtweg nicht die wirklich guten Interpretationen.


    Ja, das mit der unisono lobenden Kritikerzunft kann ich auch nicht verstehen. Vielleicht hast du recht damit, dass viele dieser Kritiker einfach zu wenige Aufnahmen kennen, um wirklich ein Gespür dafür zu haben, was in Sachen Mendelssohn alles möglich ist. Außerdem ist das gerade so ein zeitgeistiger Hype um Heras-Casado, Isabelle Faust und das Freiburger Barockorchester. Die kommen beim heutigen (linksliberal-grünen) Bildungsbürgertum einfach an, sind dort en vogue. Da die Kritiker-Journalisten wohl auch meist diesem geistigen Milieu entstammen, mutiert das Ganze zu einer selbstreferenziellen Bestätigung dessen, was man eh schon zu wissen glaubt und aus den milieueigenen Echokammern auch beständig zu hören bekommt. Einzig - die künstlerische Qualität der Ideen, die diesen Aufnahmen zugrundeliegen, wird dadurch auch nicht besser!


    Grüße
    Garaguly

  • Warum einfach, wenn es auch umständlich geht. Die "Originals"-Ausgabe mit der 5. unter Maazel ist problemlos neu lieferbar, soweit ich sehe:



    ältere billigere Ausgabe (nur noch von anderen Anbietern)


    81X4GIVb4BL._SL1127_.jpg


    Lediglich für die ursprüngliche Kopplung, die 4., muss man zu secondhand bzw. Import-CDs oder Boxen greifen, wobei es aber noch zwei leicht zu übersehende Einzelausgaben gibt:


    81ZsKPbx-UL._SL1454_.jpg

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Besten Dank für Eure Mühe.
    Fürs erste kaufe ich mal die Fey-Einspielung und jene von Karajan (bei dem Preis fast ein Muss)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    auf der einen Seite bin ich verwundert, dass Du die Karajan-Aufnahme der Reformationssinfonie (DG) noch nicht hast/kennst !?!
    Aber ich kann Dir vorab sagen, dass das im Prinzip eine referenzwürdige Aufnahme ist, die das Thema Reformation besser umsetzt, als viele Andere ... und Dir absolut gut gefallen wird. Da stimmt einfach alles - Karajan (wiedereinmal) auf höchstem Niveau.
    :angel: Eine ganz grosse und tiefe Aufnahme !



    In den nächsten Tagen höre ich mit die Bernstein-Aufnahme mit den New Yorkern (SONY) an, von der ich in Beitrag 26 (2012) kurz berichtete.
    Mal sehen wie meine Eindrücke heute sind !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    auf der einen Seite bin ich verwundert, dass Du die Karajan-Aufnahme der Reformationssinfonie (DG) noch nicht hast/kennst !?!


    Das ist Tribut an meine frühere Einkaufspolitik, die "Zyklen" vermied, weil ich nicht über unbegrenzte Geldmittel verfügte. Ich entschied mich nie für einen Zyklus, sonder für eine Einzelveröffentlichung, und setzte den "Zyklus" dann mit einem Anderen Orcherster und Dirigenten fort. auf diese Wese uns dan zahlreicher "Doubletten lernte ich in kurzer Zeit vile Interpreten kennen. Heute gibt es ältere Aufnahmen nur in Komplettboxen. Die 3. und 4 Mendesllsohn undter Karajan ist nun eine Doublette. Da sie aber noch das originacover enthält wird sie wohl in meiner Sammlung bleiben. Die Karajan-Mendelssohn-Sinfonien- Box ist schon auf der Bestellliste für März


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt nur wenige Aufnahmen von Leonard Bernstein, die mich nicht begeistern können.
    Wie ich immer wieder feststelle, gilt das in erster Linie für seine CBS/SONY-Aufnahmen mit den New Yorker PH. Die sind einfach ungezügelter und nicht von seiner späten Eigenart besessen, alles lang auskosten zu wollen.


    Nach Jahren habe ich meine etwas ungewöhnliche DUETT - Ausgabe der Sinfonien Nr.3 -5 hervorgeholt und wie angekündigt die Reformationssinfonie mit Bernstein / New Yorker PH gehört.
    Ich kann meinen positiven Höreindruck von 2012 (Beitrag 26) nicht nur bestätigen, sondern nachdem ich einige weitere Aufnahmen gegengehört habe, sogar noch hervorheben.
    :!: Keine Frage - Karajan (DG) bleibt mein Favorit für die Sinfonie Nr.5. Aber die Energie und Kraft, die bernsteintypische Emotion, entfacht einen herrlichen Hörspass und einen Spass an dem Werk, der gleich neben Karajan angesiedelt ist ... klar, das mir das auch wichtig ist = Auch die Paukenstellen sind bei Bernstein gut dimensioniert und prägnant vorhanden (fast so gut wie bei Karajan), aber auf jeden Fall aufgewühlter als bei Dohnanyi und Maazel. Vor allem in den Finali der Ecksätze finde ich das besonders entscheidend, damit es zu einem packenden Schluss kommen kann !
    :angel: Aber auch die wunderbaren ( ;) und ich sage immer noch =) weihevollen Mittelsätze, drücken mit Bernstein ein tief empfundenes Gefühl für diese Musik aus.


    Spielzeiten = 11:48 - 6:25 - 12:56 (3.und 4.Satz zusammen). Die Zeiten sind bei DUETT nicht abgedruckt, die hatte ich mir auf einem Blättchen im CD-Cover notiert.


    8o Aus Freude an dieser Bernstein-Aufnahme habe ich mir sogleich die neuste CD-Ausgabe in der Bernstein-Edition bestellt (war für unglaubliche 3Cent in sehr gutem Zustand aus GB zu haben ... war :D !!) - die ist mit 20Bit-Technik remastert. Die Klangqualität meiner uralten DUETT-Doppel-CD (die hatte ich bei der Kaufhalle in Siegburg gegekauft, als die CD gerade ihren Einzug nahm) ist noch in einfachem AAD.



    SONY, 1967, ADD


    - meine alte DUETT-Ausgabe -
    51BC8SWy2-L._SX300_.jpg
    CBS-Aufnahme, 1967, AAD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe heute, am Reformationstag 2021, vergleichend Aufnahmen des Werks von Karajan, Nezet-Seguin und Masur gehört. Und, nichtsdestotrotz dass Masur hier ja hier im Form eher das Image eines Kapellmeisters hat (das er sich glaube ich, mit Karl Böhm teilt und das daher für mich schon keinen Schimpf darstellt), hat mir seine Darbietung am besten gefallen.



    Nun ist diese Aufnahme ja auch historisch besonders:


    Zitat

    1847 verstirbt der Wegbereiter der deutschen Romantik Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig, in der Stadt, in der er seit 1835 die Leitung des Gewandhausorchesters innehat. Insbesondere dort kennt man praktisch keine Skrupel mit dem Werk. In den Konzertprogrammen des weltberühmten Orchesters sind zahlreiche Aufführungen unter namhaften Dirigenten verzeichnet. Darunter Marek Janowski, Sir Roger Norrington, Philipe Herreweghe, Riccardo Chailly. Kurt Masur nimmt das Werk im September 1989 auf Tonträger auf, wenige Wochen vor dem Zerfall der DDR.

    (Zitiert nach: https://www.evangelisch.de/inh…er-der-kirchen-revolution

    Ich finde die Aufnahme ungemein melodiös, atmend und stimmig. Ich kann nur empfehlen, Masur hier einmal sein Ohr zu leihen.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich finde die Aufnahme ungemein melodiös, atmend und stimmig. Ich kann nur empfehlen, Masur hier einmal sein Ohr zu leihen.


    Dieser Aussage muss ich unbedingt zustimmen – Hier bin ich mit Dir einer Meinung … :)

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)