Zurück aus Wien habe ich geschaut, welche Live-Konzerte aus Wien ich besitze und welche mir besonders wichtig sind. Weit oben rangiert die Live-Einspielung 1960 von „Tod und Verklärung“ mit den Wiener Philharmonikern und Hans Knappertsbusch. Da scheint besser als in allen anderen mit bekannten Konzerten gelungen zu sein, noch einmal die große Zeit von Wien im 19. Jahrhundert zum Klingen zu bringen. Der Tod ist das religiöse Thema schlechthin, hier wird er als rein körperliches und psychisches Ereignis dargestellt, ohne Beschönigung, und die „Verklärung“ lässt ein Licht erstrahlen, wie es besser nicht in einem Kunsttempel gelingen kann. Es ist förmlich zu spüren, wie danach die Musikentwicklung in die beiden durch Mahler und Strawinsky charakterisierten Richtungen auseinanderreißen musste.
Richard Strauss (1864 - 1949) hat die Tondichtung 1888-90 am Ende einer Wunderkindkarriere komponiert und damit endgültig zu seinem Stil gefunden. 1894 gab er ihr das nüchterne Programm eines Menschen auf dem Sterbebett, der noch einmal sein Leben an sich vorüberziehen lässt, unter Schmerzen stirbt, bis seine Seele sich vom Körper trennt und im Raum der Ewigkeit glorreiche Aufnahme findet.
Hans Makarart: Der Sieg des Lichts, bis 1884, Entwurf für das Deckenbild im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums in Wien
1893 wurde das Werk nach seiner ersten Aufführung in Wien von der Musikkritik überwiegend negativ beurteilt, allen voran Hanslick. Es ist ja auch kaum zu überhören, dass Strauss sich endgültig von der Richtung Brahms und Bülow getrennt und der Tradition von Liszt und Wagner angeschlossen hatte. Hanslick sagte ihm immerhin eine große Karriere im Musikdrama voraus. 1906 begann seine enge Zusammenarbeit mit Hofmannsthal und damit seine große Verbundenheit zu Wien.
Bis heute empfehlen zahlreiche Musiktherapeuten die heilende Wirkung von „Tod und Verklärung“, etwa bei Depression, oder ganz allgemein, um größeres inneres Gleichgewicht zu gewinnen. Manch einer mag es als Kitsch ablehnen, aber auch Celibidache hatte es häufig auf seinem Programm, obwohl er sehr geteilter Meinung über Strauss war.
Erstaunlich, dass auch Dirigenten wie Toscanini, die nie etwas von Bruckner oder Mahler dirigierten, dieses Werk aufführten. Wer genau hinhört, wird wohl in seinem Innern den gemeinsamen Grundzug mit der Wiener Klassik erkennen, die hier zu Tode getragen und verklärt wurde.
Mahler 6. Sinfonie
Als Kontrast zu „Tod und Verklärung“ noch einmal die 6. Sinfonie mit Mitropoulos. Den letzten Satz kann ich nur mit Kopfhörer hören. Die Musik muss ganz von innen zu hören sein, nicht frontal aus dem Orchesterraum oder den Lautsprecherboxen. Dann ist erst die ganz ungewöhnliche Darstellung der 3 Hammerschläge zu erkennen. Es dauert fast 20 Minuten, bis schließlich mitten in das beklemmende Geschehen ein Schlag kommt, der eher wie ein elektrischer Schlag, wie ein Schlaganfall, denn als Hammerschlag klingt. Alles ist mit einmal anders, auch wenn es zunächst unverändert weiter zu laufen scheint.
Der zweite Schlag dröhnt dann wirklich ganz mechanisch herein, hier wird brutal etwas von außen niedergeschlagen. Zum Schluss ein unwiderrufliches Aufplatzen, dass nicht einmal mehr Bruchstücke aufgesammelt werden können. Extremer konnte nicht das Gegenbild zu Richard Strauss ausfallen. Mahler hielt es nicht mehr lange in Wien aus und kam todkrank aus New York zurück. 10 Jahre nach dessen Tod wurde Strauss sein Nachfolger in Wien, 1933 vertrat er Bruno Walter, dessen Konzert in Berlin abgesagt war und wurde Nachfolger von Toscanini in Bayreuth.
Viele Grüße,
Walter